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Ist das die wahre Osterbotschaft?

Die Christen feiern Ostern, ihr wichtigstes und freudigstes Fest im Jahreskreis. Können sie aber auch im Jahr 2015 voll Zuversicht eine echtempfundene Auferstehung aus Zeiten der Trauer feiern? Haben sie irgendeinen Anlass dazu? Haben sie Mut dazu?

Eine Bilanz des heutigen Christentums muss zwiespältig ausfallen. Da gibt es in der katholischen Kirche jedenfalls einen Papst, der volkstümlicher ist als die meisten seiner Vorgänger, der weit besser mit Massen und Massenmedien umzugehen versteht, der vor allem dadurch attraktiv wirkt, dass er nicht theologisch redet, sondern ganz bewusst so, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Er könnte die Kirche wieder den Menschen näherbringen, auch wenn sein Charisma vorerst mehr an einen Entertainment-Effekt als eine echte Missionierung zu erinnern scheint.

Das ist auch ein Papst, der in seinen ersten Jahren viele Hoffnungen ebenso wie Befürchtungen geweckt hat. Zunehmend wachsen aber zugleich auch die Zweifel, ob er imstande ist, irgendwann einmal auf all diese Erwartungen auch eine konkrete Antwort zu geben. Nach Populismus klingende Beschimpfungen der Kurienmitarbeiter können ja nicht alles an Inhalt sein.

Bleiben am Ende trotz der vielen Aufregungen unter diesem Papst Fragen wie die nach dem Zölibat oder nach der Rolle wiederverheirateter Geschiedener weiterhin unbeantwortet? Nun, vielleicht ist dieses Offenhalten solcher Fragen sogar der einzige Weg, um die vielen Flügel der Kirche zumindest formal in einer Einheit zu halten. Aber umso problematischer wären dann die vielen unklaren Andeutungen der letzten Jahre gewesen. Denn sie werden ja ohne Antworten letztlich auf der einen wie der anderen Seite nur Enttäuschte zurücklassen.

Aber in Wahrheit sind diese Fragen – oder auch jene nach der Homosexualität, die von manchen besonders begierig aufgegriffen worden ist, – für die Kirche nur sekundär. Das, was Christus gründen wollte, war sicher nicht in erster Linie eine Kirche besonders detaillierter Sexualitäts- und Eheregeln.

Und diese Themen sind im Jahr 2015 für das Christentum in noch viel höherem Ausmaß sekundär oder gar tertiär. Denn die primären Herausforderungen der Christen sind heute drei ganz andere. Das ist erstens der Glaubenszerfall in vielen Wohlstandsgesellschaften. Das ist zweitens die Aggression eines laizistischen Atheismus. Und das ist drittens und vor allem anderen die größte Christenverfolgung der Geschichte; eng damit verbunden der massive, militärisch wie auch geistige Vorstoß eines immer militanter werdenden Islam. All diese drei Herausforderungen hängen enger zusammen, als es auf den ersten Blick scheint.

Ein Christentum, das innerlich morsch und in die Minderheit geraten ist, kann dem sozialistisch gefärbten Atheismus derzeit kaum etwas entgegensetzen. Dabei führt dieser nur noch peinliche Scharmützel. Kreuze in Schulklassen etwa tun niemandem weh, können nicht ernsthaft ein großer Konfliktstoff sein. Außerdem werden sie ohnedies entfernt, wenn der Anteil der Christen weiter sinkt. Und die Kirche glaubt wieder ähnlich unsinnig, dass der Kern des Christentums in diesen Schulzimmer-Kreuzen und ein paar ähnlichen Symbolen bestünde.

Dabei könnte die Kirche auf viel Wesentlicheres viel stolzer sein, als sie es derzeit ist. Denn alle zentralen Werte auch der liberalen, wie konservativen wie sozialistischen Denkwelt wurzeln keineswegs zufällig im Christentum. Sie konnten nur in jenem Teil der Welt entstehen, der am stärksten christlich geprägt gewesen ist: Das sind vor allem Freiheit und die gleiche wie große Würde jedes einzelnen Menschen. So richtig es ist, dass viele Christen (nicht nur die Katholiken) diese Werte in den Jahrhunderten zwischen Konstantin und der Aufklärung zu wenig geschätzt haben, so richtig ist es doch auch, dass diese Werte der Kern der christlichen Botschaft sind.

Irgendwann müssten das doch auch Laizisten begreifen. Oder haben diese ernstlich vor, sich weiterhin mit Lächerlichkeiten und Absurditäten wie dem Genderismus, der Frühsexualisierung von Kindern, der Abwertung der Familie, der Verstaatlichung der Kindererziehung und dem Terror der Political correctness blamieren zu wollen? In all diesen Fragen hat jedenfalls das Christentum nicht nur die viel richtigere und weisere Haltung, sondern auch eine, die den allermeisten Menschen viel näher steht. Gerade in diesen Fragen steht die Kirche genau dort, wo sie ja ohnedies sein sollte.

Genauer gesagt: Die Kirche hätte eine solche Haltung, hätten ihre Bischöfe auch den Mut, diese Haltung zu zeigen. Den aber haben die Oberhirten in vielen europäischen Ländern derzeit nicht. Sie sind so ängstlich wie Petrus, der Jesus laut der Bibel vor dessen Kreuzestod mehrfach verleugnet hat. Sie wollen lieber mit den Mächtigen auf gut und nett sein. Sie wollen nur nicht anecken. Sie erfreuen sich eitel der Begegnung mit Bundespräsidenten, Ministern und Bürgermeistern, ohne dabei eine eigene Botschaft zu präsentieren. Sie wollen immer mit dem Zeitgeist schwimmen. Sie trauen sich nicht mehr, zu Wertefragen dem Gesetzgeber klar und öffentlich eine Gegenmeinung entgegenzuhalten. Sie haben offenbar ständig Angst. Sie haben Angst vor strukturkonservativen Denunziation wegen mangelnder liturgischer Linientreue. Sie haben Angst vor dem Terror der Progressiven, wenn sie etwas gegen das sagen sollten, was diese für den Zeitgeist halten. Und sie haben am meisten Angst, dass irgendwelche populistischen Medien Kritik an ihnen üben könnten.

Am schockierendsten aber ist, wie große Teile der europäischen Christen und auch der ganz von seinen – halt völlig anderen – lateinamerikanischen Erfahrungen geprägte Papst auf die größte Christenverfolgung der Geschichte reagieren: nämlich so gut wie gar nicht. Sie handeln so, wie es Menschen oft tun, wenn sie mit etwas sehr Bedrückendem konfrontiert sind: sie flüchten in die  Verdrängung.

Daher lassen sie die Christen – Katholiken, Kopten, Orthodoxen, Protestanten – in der riesigen afrikanisch-asiatischen Welt zwischen dem Atlantik und Indien in ihrer schwersten Stunde alleine. Daher gibt es auf amtskirchlicher Ebene kaum Reaktion auf entsetzliche Ereignisse, obwohl doch eigentlich gerade die Amtskirche verfolgten Christen geistige Stütze und spürbare Solidarität sein sollte. Obwohl die Kirche in der Vergangenheit der bedrängten europäischen Christenheit durchaus immer stark zur Seite gestanden ist, vor allem als diese vom Mittelalter bis zur Neuzeit vom osmanischen Expansionsstreben schwer bedroht worden ist. Gerade in Österreich darf man sich dessen erinnern und bewusst machen, dass Wien ohne Kirche wohl nicht aus der zweiten Türkenbelagerung gerettet worden wäre.

Aber umgekehrt ist in der NS-Zeit die Amtskirche keineswegs dem christlichen Bekenntnis des Kriegsdienstverweigerers Jägerstätter beigestanden. Dessen Zeugnis blieb lange, auch nach dem Krieg, ein sehr einsames. Dafür ein umso mutigeres und eindrucksvolleres.

Es sind auch heute meist nur („nur“?) normale Gläubige, die da aufbegehren. Die öffentlich ihre Solidarität zeigen, wenn Dutzende Kirchen abgefackelt werden; wenn Tausende Menschen wegen ihres christlichen Glaubens umgebracht werden; wenn auf dem Wechsel vom Islam zum Christentum, auf dem Besitz einer Bibel in etlichen Ländern die Todesstrafe steht; wenn anderswo zumindest die totale soziale Verfemung, der Verlust von Job und Familie die Konsequenz einer Taufe sind.

Es ist dramatisch und signifikant, dass gerade erst an diesem Gründonnerstag Islamisten in Kenia ein Blutbad an 148 christlichen Studenten angerichtet haben. Dass sich dabei fast jeder nach so vielen ähnlichen Massenmorden vor allem gedacht haben muss: „schon wieder“.

Irgendwie tun jedoch Papst und fast alle Bischöfe so, als ob das alles immer nur Einzelfälle wären. Sie verlegen sich viel lieber auf das Gewäsch, dass der Islam ja auch irgendwie eine abrahamitische Religion sei und deshalb offenbar nicht böse sein könne. Die Enttäuschung der Christen, Priester und Bischöfe aus dem arabischen Raum über die europäischen Signale des Desinteresses an ihrem Los ist groß. Sie verzweifeln auch daran, dass zumindest aus dem Vatikan bis heute kein klares Wort zu der Frage gekommen ist, ob es erlaubt oder gar notwendig ist, dem Vordringen des „Islamischen Staats“ auch militärisch entgegenzutreten. Dass die Kirche im Gegenteil immer öfter als Förderer der Zuwanderung von Millionen Sunniten nach Europa agiert. Dass die Kirche für Kopftücher von Lehrerinnen eintritt.

Umso ergreifender ist, dass gerade in der Osternacht in aller Welt Hunderte, wenn nicht Tausende Moslems getauft wurden. Sie haben sich sehr bewusst für eine Religion der Liebe entschieden. Sie haben entdeckt, dass im Neuen Testament zum Unterschied vom Koran kein einziger Tötungsaufruf zu finden ist. Sie wollen sich von einer Kriegs- und Eroberungsreligion ab-  und einer der Vernunft und Nächstenliebe zuwenden. Sie haben gesehen, dass im Zeichen des Kreuzes zumindest seit vielen Generationen weder Massenmorde noch Massenvergewaltigungen begangen worden sind.

Kein einziger von ihnen ist Christ geworden, weil er oder seine Familie bedroht worden wäre, weil er nur durch einen Glaubenswechsel sein Leben retten konnte. Was ja bei vielen Islamisierungen der wahre Hintergrund ist.

Vielleicht steckt gerade in diesen Konvertiten die neue Stärke des künftigen Christentums. Vielleicht wird gerade durch deren Glaubenskraft das Christentum wieder für jene Jugendlichen attraktiv, die sich für etwas begeistern und einsetzen wollen, die kein Interesse an der Würde von Würdenträgern haben, aber großes an Idealen, Engagement und Werten. Vielleicht sind diese neuen Christen viel wichtiger als die Herren in Weiß und Rot und Violett und Schwarz. Vielleicht sind sie die wahre Osterbotschaft 2015.

 

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