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Wenn Streiks nicht mehr wirken

In Mödling streiken die Arbeiter eines großen deutschen Druckmaschinenherstellers. Wenn auch in Österreich selten, so sind doch auch hier Arbeitskämpfe prinzipiell durchaus normal. Streiks oder Streikdrohungen haben sich bisher immer als sehr effektiv für die Interessen der Gewerkschaft erwiesen. Bisher. Denn inzwischen beginnen sich die Verhältnisse grundlegend zu ändern. Das hat nur die Gewerkschaft noch nicht begriffen. Die Wirkung der meisten Streiks ist heute total auf den Kopf gestellt. Jedenfalls im Fall Mödling. Daher wird der dortige Arbeitskampf und sein Ende noch sehr spannend.

Der Mödlinger Streik richtet sich gegen die Pläne, dass ein Großteil des Betriebes zugesperrt werden soll. Damit aber ist seine Erpressungswirkung gleich Null. Ein Streik dürfte dort eher bewirken, dass auch die restlichen Teile der Produktion zugesperrt werden. Das stört einen Druckmaschinenhersteller aber nicht sonderlich, auch wenn der abrupte Totalstillstand kurzfristig ungeplante Kosten hervorruft. Diese werden jedoch durch den endgültigen Wegfall von Gehältern, Abfertigungsansprüchen und Kündigungsfristen für die Arbeiter wohl mehr als kompensiert.

Gewerkschaften und die von ihnen in die Irre geleiteten Arbeiter begreifen nämlich nicht: Die Nachfrage nach Druckmaschinen wird nie mehr wieder so groß werden, wie sie einst war. Praktisch allen Zeitungen geht es katastrophal. Die Auflagen schrumpfen. Die Inserate schrumpfen. Die Umfänge schrumpfen. Zugleich aber ist jede neue Druckmaschinengeneration um ein Vielfaches effizienter, als es die Vorgänger waren.

Und von der allergrößten Gefahr wollen wir gar nicht reden. Die besteht darin, dass wohl auch solche Maschinen wie viele andere Industrieerzeugnisse eines Tages aus Asien kommen werden. Zwar sind sie heute den Chinesen noch zu kompliziert; große Druckmaschinen sind ja nur noch mit einem modernen Flugzeug vergleichbar. Aber langfristig wird sich auch das ändern.

Der ÖGB hat einst durchgesetzt, dass die Erpressung, die ein Streik ja wahrscheinlich ist, rechtlich nicht als Erpressung behandelt wird. Überdies sind alle bisherigen Streiks am Ende so geregelt worden, dass die Arbeitnehmer mehr oder weniger voll entschädigt werden. Aber das wird es wohl im Fall der KBA-Mödling-AG nicht mehr geben. Wie bei der AUA ist in Mödling bemerkbar, dass bei dem deutschen Druckmaschinenbauer deutsche und nicht knieweiche österreichische Manager auf der Gegenseite sitzen (oder gar der noch knieweichere Bundeskammer-Chef).

Aber vor allem: Was soll ein Streik gegen eine Werksschließung für einen Sinn haben? Der ist für die Arbeiter doch nur selbstbeschädigend.

Streiks, Streikdrohungen unterstreichen in der Regel die Forderung nach höheren Löhnen bei gesunden Betrieben. Aber auch dann waren sie nur in bestimmten Fällen wirklich erfolgreich: Das Ergebnis der Gewerkschaften war bloß dann gut, wenn sie wirklich jemanden unter Druck setzen können. Wenn Arbeitgeber dringend an der Vermeidung, an der Beendigung eines Streiks interessiert sind. Wenn die Arbeitnehmer bei nur wenigen Arbeitgebern konzentriert sind. Wenn die Folgen eines Streiks sehr rasch eintreten.

Daher genießen etwa die Arbeiter bei Stromversorgern bis heute extrem gute Bedingungen, weil bei ihnen ein Ausstand, also ein Stromabschalten binnen weniger Sekunden landesweit katastrophale Folgen auslöst. Daher sind auch Beamte und Energieversorger sehr effiziente Streikende. Hingegen gehen die Privilegien der einst übermächtigen Eisenbahner langsam zurück, weil immer mehr der Fracht auf die Straße ausweichen kann. Textilarbeiter haben überhaupt keine Streik-Kraft, weil es die Öffentlichkeit erst nach vielen Monaten überhaupt spüren würde, dass gestreikt wird. Noch ärmer sind die Arbeitslosen, die Arbeit Suchenden, die de facto automatisch im Dauerstreik-Zustand sind: Aber ihre Interessen sind ja noch nie von einer Gewerkschaft vertreten worden.

Und Streiks gegen die Schließung eines Unternehmens sind überhaupt das Dümmste, was es gibt. Denn dadurch bringt die Gewerkschaft die Arbeitnehmer um all ihre Ansprüche und die Vorteile eines Sozialplans. Aber langfristige Intelligenz ist ja noch nie die Eigenschaft eines Gewerkschafters gewesen. Irgendwann werden sie begreifen müssen, dass sie immer öfter als Kaiser ohne Kleider dastehen.

PS: Auch 1945 hat kein Betrieb, keine Gewerkschaft gestreikt. Damals wusste jeder, es geht täglich ums Überleben . . .

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