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Auf zur Neuwahl und zum Dienst nach Vorschrift

Die FPÖ hat vor dem Verfassungsgerichtshof in breiter Front gesiegt. Sie sollte sich deswegen aber keineswegs als Sieger fühlen. Alles spricht nämlich dafür, dass die Wiederholung der Stichwahl der Präsidentenkür nicht sonderlich populär ist und eher ihr schaden wird. Und zwar gleich aus drei Gründen.

Zum ersten mögen es die Österreicher nicht, wenn sie allzuoft – nun schon zum dritten Mal – zur gleichen Wahl antreten müssen. Vor allem dann nicht, wenn die Ursache der Wahlwiederholung eine Fülle von Verletzungen formaler Bestimmungen und vorgeschriebener Abläufe ist, wenn es aber keinerlei Hinweise auf irgendwelche tatsächliche Manipulationen des Wahlergebnisses gibt.

Zum zweiten wird es bei der Wiederholung wohl eine geringere Beteiligung geben, was ebenfalls eher der FPÖ schaden dürfte.

Und zum dritten wissen die Österreicher genau, was die Wahlaufhebung zur Folge haben wird: Das wird eine Verschärfung des peniblen, ja schikanösen Verhaltens von Behörden – keineswegs nur der vom VfGH vorgeführten schlampigen Wahlbehörden – gegenüber den Bürgern sein. Also gleichsam österreichweiter Dienst nach Vorschrift. Als ob wir davon noch mehr bräuchten.

Denn der Gerichtshof hat nicht geprüft, ob die Behörden das Wahlgeheimnis und die korrekte Auszählung gesichert haben, sondern ob alle kasuistischen Vorschriften des Wahlgesetzes eingehalten worden sind. Was in vielen Stimmbezirken nicht der Fall war.

Das ist der problematische Aspekt der Entscheidung des VfGH. Der aber wohl von vielen auch der FPÖ und ihrem Kandidaten vorgeworfen wird. Jetzt wird nicht mehr über die zentralen Probleme Österreichs votiert werden, sondern über die Wahlanfechtung.

Der positive Aspekt der Entscheidung sollte aber ebenso hervorgehoben werden: Damit ist allen Verschwörungstheorien der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Und derer sind in den letzten Wochen sehr viele kursiert. Hätte der Gerichtshof nicht aufgehoben, wäre letztlich eine wichtige Legitimitätsbasis der Demokratie erodiert. Das wollte das Gericht – wahrscheinlich zu Recht – nicht riskieren, selbst wenn nicht manipuliert worden ist.

Das zweite Positivum: Das Gericht hat die Möglichkeit einer Wahlkarten-Wahl nicht beschränkt, wie es die FPÖ gewollt hat. Das wäre in Zeiten einer rapid gewachsenen Mobilität ein steinzeitliches Verhalten gewesen.

Ungewiss ist auch, wieweit nicht auch die Schockwellen des britischen Brexit-Referendums dem FPÖ-Kandidaten schaden werden. Denn Ungewissheiten nützen immer den etablierten Parteien. Und der grüne Kandidat ist nun einmal – so skurril es in Wahrheit auch ist – zum Kandidaten des Establishments geworden. Lediglich Teile der ÖVP und die Restatome des Teams Stronach haben sich nicht hinter ihn gestellt (und natürlich auch nicht die FPÖ).

Das negativste am VfGH-Spruch ist aber, dass die wirklich bedenklichen Sauereien VOR der Wahl nicht Eingang in seine Entscheidung gefunden haben.

Das ist erstens und vor allem die schwere einseitige Schlagseite der Agitation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gegen den FPÖ-Kandidaten, die in einer massiven Attacke mit falschen Vorwürfen wenige Stunden vor der Wahl kulminiert ist. Das Verhalten des von Zwangsgebühren lebenden Staatssenders ist eine viel ärgere Bedrohung der Demokratie als Fragen der Art, wann Wahlbehörden zusammengetreten sind und wer welche Kuverts geöffnet hat.

Die zweite fundamentale Manipulationsquelle sind die Vorgänge in vielen Alters- und Pflegeheimen, wo die jeweilige Obrigkeit auch für nicht mehr willens- oder kommunikationsfähige Menschen Stimmen abgegeben hat, oft ohne Wissen der Angehörigen, sofern es solche überhaupt gibt. Und dass in Caritas-Heimen und solchen der Gemeinde Wien fast alle Stimmen Richtung Grün geflossen sind, kann nur von sehr naiven Menschen ignoriert werden.

Es ist sehr traurig, dass das mächtigste Gericht des Landes die wirklichen Bedrohungen der Demokratie auch beim größten je geführten Wahl-Verfahren ignoriert hat. Aber da hat seine ideologische Schlagseite wohl doch den Ausschlag gegeben. Aber auch die FPÖ-Anwälte haben ihre Attacken viel zu wenig auf die eigentlichen Probleme gerichtet.

PS: Die einzige "Hoffnung" der FPÖ kann nur darin liegen, dass sich bis Herbst die Altersmüdigkeit des grünen Kandidaten noch mehr offenbaren könnte.

 

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