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Ein energieloses Europa

Unter den vier großen Herausforderungen, vor denen die Europäer heute stehen, ist sie wohl am wenigsten tief ins allgemeine Bewusstsein vorgedrungen: die Bedrohung der Energieversorgung des Kontinents. Dennoch ist sie, wenn sie nicht gelöst wird, genauso folgenreich wie die anderen drei.

Die da sind: die Schuldenkrise fast aller europäischer Staaten; die demographische Katastrophe des seit 40 Jahren anhaltenden Kindererzeugungs-Streiks; und die Zuwanderung von Millionen bildungsferner Menschen mit zum Teil aggressiven Ideologien aus Drittweltkulturen in das europäische Wohlfahrtsnetz.

Wenn die Energiefrage nicht gelöst wird, drohen den Europäern jedoch Schäden, welche die aktuelle Griechenlandkrise als harmlos erscheinen lassen. Fast kein Arbeitsplatz funktioniert ohne Strom, vom Gesundheitsbereich bis zum öffentlichen Verkehr hängt alles an Stromnetzen. Von der Heizung in kontinental kalten Wintern bis zum privaten Verkehr hängt alles an den Gas- und Ölnetzen. Nichts ist so eng mit dem Wohlstandszuwachs oder -rückgang korreliert wie der Energieverbrauch.

Schon in mehreren Wintern sind die Gaslieferungen aus Russland längere Zeit ausgeblieben oder deutlich zurückgegangen. Im letzten Winter haben nicht einmal mehr die russischen Lieferanten selbst jemand anderen für die Versorgungsunterbrechung verantwortlich zu machen versucht (meist die Ukraine). Sie haben vielmehr offen zugegeben, dass Russland in strengen Wintertagen das Gas selber braucht. Nur herrscht dann in der Regel halt auch im restlichen Europa ein strenger Winter. Also gerade dann würden auch die Menschen außerhalb Russlands das wärmende Gas besonders dringend brauchen. Österreich kann sich zwar glücklich schätzen – und man sollte in diesem Punkt auch einmal Politik und Industrie loben –, weil es für viele Wochen Gasvorräte in eigenen Speichern angelegt hat. Aber auch die werden einmal leer sein, wenn die Lieferungen längere Zeit ausbleiben.

Nabucco: Die Geschichte eines Scheiterns

Gleichzeitig sind in den allerletzten Tagen die von Österreich vorangetriebenen Bemühungen endgültig gescheitert, mit dem Projekt Nabucco eine Reserve-Gasleitung aus Aserbaidschan an Russland vorbei zu bauen. Zu viele unseriöse und labile Länder liegen auf dem Weg dieses Projekts; zu erfolgreich waren die russischen Intrigen und Querschüsse – will doch Moskau den westeuropäischen Gashahn unter exklusiver Kontrolle behalten.

Freilich scheint das Projekt auch eher amateurhaft vorangetrieben worden zu sein. Und von der heimischen Politik war es völlig unzureichend unterstützt worden. Nur ständig von einer Schwarzmeer-Politik zu reden ist zu wenig, wenn das Land keinen Spitzenpolitiker von Format und internationaler Bekanntheit hat, der die Sache mit Engagement vorantreiben könnte und wollte. Während sich die Russen für ihre Leitung quer durch die Ostsee mit Gerhard Schröder ein Großkaliber als Lobbyisten geholt hatten, hat Österreich Nabucco nie ein prominentes Gesicht gegeben. Wetten dass dort beispielsweise ein Wolfgang Schüssel mit mehr Nutzen als die gegenwärtigen No-Names lobbyieren hätte können?

Das größte Hindernis war aber offensichtlich das EU-Recht: Jetzt baut – vielleicht – die Türkei bis zur EU-Grenze eine Leitung. Aber Österreich wird dabei nicht mehr involviert.

Um beim Gas zu bleiben: Der Widerstand einiger heimischer Provinzpolitiker gegen die Nutzung der großen eigenen Gasvorräte, die in letzter Zeit gefunden worden sind, ist eine weitere Absurdität. Schon wieder werden dramatische ökologische Schauermärchen gegen deren Nutzung erzählt.

An sich gibt es ja heute weltweit durch den Fortschritt der Technik weit mehr Gas, als noch vor wenigen Jahren angenommen worden ist. Aber zugleich steigt auch die Nachfrage: Denn Gaskraftwerke sind zum großen Hit nun auch in der Stromerzeugung geworden.

Zu wenig Strom – aber wir setzen auf Stromautos

Womit wir voll beim Thema Strom gelandet sind, der größten Krisenzone der europäischen Energieversorgung. Auf der einen Seite werden neue Stromnutzungen propagiert – insbesondere durch die diversen Ideen von Elektroautos. Diese sind zwar alle noch nicht ausgereift. Aber eines ist sicher: Sie werden den Strombedarf in die Höhe schnellen lassen, wenn sie flächendeckend eingeführt werden.

Dem stehen auf der anderen Seite jetzt schon große Stromengpässe gegenüber. In den Kaltwochen des vergangenen Winters ist Deutschland mehrere Male nur noch haarscharf an einem flächendeckenden Blackout vorbeigegangen. Ein solches Blackout ist aber noch überhaupt nicht in der Vorstellungswelt der Europäer gelandet: Sie glauben nämlich, dass da in einer halben Stunde die Lichter wieder angehen werden; eine solche Kettenreaktion könnte aber in Wahrheit Teile des Kontinents über Tage lahmlegen.

Hauptursache war die von der Politik eingeschlagene Energiewende. Nach dem japanischen Tsunami und den schweren Schäden an einem dortigen Atomkraftwerk ist in Mitteleuropa die große Panik ausgebrochen. Die Regierung Merkel hat unter dem Druck der Medien und Opposition plötzlich Abschied vom Atomstrom genommen. Obwohl die Wahrscheinlichkeit eines Tsunami mitten in Europa gleich Null ist.

Zu wenig Wind und Sonne

Merkel & Co wissen nur nicht wirklich, wie diese Wende funktionieren soll. Die Alternativen für die Stromerzeugung sind nämlich absolut rar. Die Stromerzeugung aus Sonnenenergie ist zumindest nördlich der Alpen absolut unergiebig, unverlässlich und teuer. Die dafür ausgeschütteten Milliardenförderungen kommen heute vor allem den chinesischen Erbauern solcher Anlagen zugute. Und die sich wie eine Beulenpest ausbreitenden Windräder können, selbst wenn sie sich so rasch ausbreiten wie zuletzt, maximal den Zuwachs des Energiebedarfs decken (Es sei denn, es kommt zu einer neuen Konjunkturkrise, dann ginge der Energiebedarf zurück).

Die zwei größten unter den vielen mit den Windmühlen verbundenen Problemen: Gerade in den bevölkerungsreichen Industriezonen Europas geht wenig Wind. Und: So wie die Sonne nicht immer scheint, weht auch nicht immer der Wind. Man denke an die wochenlangen Nebelperioden ohne Sonne und Wind.

Jetzt baut man große Windräder in die windreiche Nordsee, was wenigstens die weitere Naturverschandelung etwas abbremst. Aber nun braucht man wiederum riesige, mehr als 4000 Kilometer lange Stromautobahnen in den Süden, wo die große Nachfrage besteht. Eigentlich bräuchte man sie sogar bis in die Schweizer und österreichischen Alpen: Denn dort ist der einzig sinnvolle Platz, wo man Wind- und Sonnen-Strom in Speicherkraftwerken bis zum Zeitpunkt des Bedarfs speichern kann (dort wird überschüssiger Strom zum Wiederhinaufpumpen des Wassers benutzt).

Das alles ist aber Theorie, denn entlang dieser geplanten Stromautobahnen gibt es jede Menge Widerstand gegen deren Bau. Dieser kann sich juristisch wie politisch in der Epoche der Bürgerinitiativen und der föderalistischen Machtteilung zwischen Bund, Ländern, Gemeinden und Justiz sehr mächtig und wirkungsvoll niederschlagen. Auch in den Alpen selbst herrscht nicht mehr die Begeisterung über neue riesige Staumauern wie einst in den Kapruner Tagen. Dabei ist der Bevölkerung das Risiko solcher Mauern noch gar nicht voll bewusst: Denn ein Mauerbruch in Kaprun würde eine verheerende Flutwelle bis in die Stadt Salzburg auslösen.

Niemand investiert in Lückenbüßer

Eine andere Alternative ist der Bau vieler neuer Gas- und Kohlekraftwerke, die immer dann hochgefahren werden, wenn Sonne und Wind auslassen. Diese Kraftwerke sind aber wiederum das Gegenteil dessen, was die Politik (wieder einmal unter Druck der Medien) in der in Zeiten vor der Atompanik modischen Klimapanik angestrebt hat: nämlich weniger CO2-Emissionen. die Klima-Panik ist zwar deutlich schwächer geworden. Selbst im ORF können neuerdings Beiträge erscheinen, die sie zur Gänze als verfehlt erscheinen lassen.

Abgesehen von dieser Klima-Frage will noch aus zwei weiteren Gründen ohnedies niemand in Gaskraftwerke investieren: Erstens wegen der skizzierten Versorgungsunsicherheit; zweitens weil ein nur als Lückenbüßer gedachtes Kraftwerk niemals seriös kalkuliert werden kann. Jetzt dürfte also auch hier der Steuerzahler, so wie schon bei Sonne und Wind, kräftig zur Ader gelassen werden.

Angesichts all dieser Kalamitäten wird nun überall das Thema Energiesparen forciert. Auch das bringt dem Kontinent gewaltige Kosten – nämlich immer dann, wenn es über das wirtschaftlich Sinnvolle hinausgeht, das etwa in der Reduktion der Heizkosten liegt. Energiesparzwänge sind zugleich eine gewaltige Bedrohung für Europas schöne Gründerzeitstädte: Von Paris bis Wien lebt deren touristische Attraktivität nicht zuletzt von den prunkvoll gegliederten Fassaden der historischen Straßenzüge (in Wien etwa bis zum Gürtel, aber zum Teil auch darüber hinaus). Sollen die Häuser jetzt alle kahlgeschlagen werden, damit man Dämmstoffplatten anbringen kann?

Europa und Japan werden zurückfallen

Nichts deutet also auf eine gute Energiezukunft Europas hin. Während weltweit die Atomenergie aufblüht, wird sie in Europa und Japan zugedreht (auch in Frankreich ist die AKW-Zukunft angesichts einer möglichen Abhängigkeit des neuen Präsidenten Hollande von grünen Stimmen umwölkt).

Da die Europäer alles gleichzeitig tun und haben wollen – von der Atom- über die Klimapolitik bis zur oft jahrzehntelangen Dauer von Umweltverträglichkeitsprüfungen –, werden sie auch den Preis dafür zahlen müssen: Der besteht in einem weiteren Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit. Also in weniger Investitionen, weniger Arbeitsplätzen, weniger Wohlstand. Von Ost- und Südasien bis Lateinamerika können sich die aufstrebenden Schwellenländer freuen, die sich weder um Atom- noch Klima-Paniken scheren.

PS.: Natürlich ist auch die Versorgung mit dem hier kaum behandelten Öl trotz ständig neuer Funde fragil. Aber wenigstens kann sich in dieser FrageEuropa trösten, dass ein etwa im Gefolge eines Irankrieges eintretender Ausfall der Ölversorgung auch die Konkurrenten in Übersee treffen wird. Diese haben derzeit ja einen ständig steigenden Verbrauch von Treibstoff, während der Absatz in Europa stagniert. Ob das freilich ein echter Trost ist?

PPS.: Kein einziger österreichischer Politiker erweckt den Eindruck, sich ernsthaft und strategisch mit dem Thema Energie gesamthaft zu befassen. Weder in Opposition noch Regierung. Solange der Blackout nicht eintritt, solange die Öfen im Winter nicht kalt bleiben, ist Energie keine politische Kategorie. Was auch auf den zuständigen Minister Mitterlehner zutrifft. Der es maximal schafft, sich in von Boulevardzeitungen getriebene Lächerlichkeiten wie einer Benzinpreisregelung über Pfingsten zu verheddern.

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