Die roten Meinungsmacher (15): Bella Italia: Von Radio Valcanale zu Radio Uno

Nicht nur die ORF-Fernsehsender, sondern auch Ö3 und die regionalen ORF-Schlagerradios bekommen Anfang der 80er Jahre erste Konkurrenz aus dem Ausland. Ist beim Fernsehen der technische Fortschritt der Auslöser für diese Entwicklung, so ist es beim Radio unser südliches Nachbarland Italien. Bereits 1975 fällt in Italien das Rundfunkmonopol.

„Den Anfang hatte ein Bezirksrichter am 24. April 1975 in Mailand gemacht. Er reduzierte die komplexe rechtliche Lage auf einen Beschluss“[i]: Die Privatsender mussten lediglich darauf achten, die Sender der öffentlich-rechtlichen Anstalt Radiotelevisione Italiana (RAI) nicht zu stören. Die Liberalisierung erfolgt dementsprechend stürmisch und unkoordiniert. Ohne große staatliche Kontrolle und ohne Frequenzkoordination schießen im ganzen Land private Radiostationen wie Pilze aus dem Boden. 1980 gibt es in Italien bereits rund 3.350 Hörfunksender[ii].

Österreichische Politiker blicken mit Sorge nach Italien und sprechen angesichts der großen Vielfalt gar von Rundfunkanarchie, „wo alle Dämme gesprengt sind und mehrere hundert Privatstationen zu anarchistischen Situationen geführt haben.“[iii]Für die Verfechter der heimischen Rundfunkmonokultur ein echtes Horrorszenario. Die italienische „Rundfunkanarchie“ hat auch ganz direkt Auswirkungen auf Österreich. Bereits 1978 beteiligt sich etwa die Tageszeitung Die Presse am deutschsprachigen italienischen Urlaubssender Radio Adria, später hält auch der Kurier Anteile an der Station.[iv]

[v]

Die Pioniere: Radio Valcanale und Radio Uno

In Norditalien werden unzählige kleine Radiosender gegründet, viele von ihnen strahlen auch über die Grenze nach Österreich, oftmals geschieht dies in voller Absicht. Einer dieser Sender ist Radio Valcanale im italienisch-slowenisch-österreichischen Dreiländereck. „Betrieben haben den Sender vier Italiener, die einfach eine Postkarte geschrieben hatten, „sehr geehrte Post, wir beginnen mit dem Radio auf der freien Frequenz so und so mit so und so viel Watt in Tarvis zu senden“, Kopien an die Kammer und das Gericht. Man musste keine Lizenz haben, bei deren Vergabe viele Leute mitgeredet haben.“[vi], so der Kärntner Privatradiopionier Willi Weber in einem Interview über die damaligen Zustände in Italien.

Weber beginnt bei Radio Valcanale mitzuarbeiten und produziert erste Sendungen für den Kärntner Raum. Es sind harmlose Musiksendungen mit Schlager- und Popmusik. Weil Radio Valcanale aufgrund des Senderstandorts direkt an der österreichisch-italienischen Grenze in weiten Teilen Kärntens zu empfangen ist, haben viele Kärntner plötzlich eine Alternative zu Radio Kärnten und Ö3.

Für den ORF und die SPÖ eine äußert unangenehme Entwicklung, schließlich war dieser Sender und die vielen, die noch folgen sollten, außerhalb ihres Einflussbereiches und somit ihrem Zugriff entzogen. Die Sender, auch wenn sie oftmals nur wenige Meter von der österreichischen Grenze entfernt aufgestellt wurden, unterstanden italienischem Recht.

1980 steigt Weber als Gesellschafter bei Valcanale ein. Die deutschsprachigen Programmflächen für Kärnten werden ausgeweitet und von einer heimischen Werbeagentur vermarktet. Die kleine italienische Radiostation war mit heutigen Privatsendern nicht zu vergleichen, alles war damals improvisiert: „Wir hatten nur eine Schreibmaschine, die ich bei einer Versteigerung gekauft hatte, und eine Kiste, auf der wir gesessen sind.“[vii]

Valcanale war aber nur der Beginn einer Entwicklung. Nachdem die italienischen Besitzer des Senders die Pacht ständig erhöhen, baut Weber im Alleingang einen neuen Sender auf. Rundfunklizenz hatte und brauchte er keine: „Um die Frequenz mussten wir nicht ansuchen, wir haben einfach eine freie Frequenz gesucht und auf dieser gesendet.“[viii]

Der neue Sender steht auf dem Monte Forno und heißt Radio Uno. 1985 geht der italienische Radiosender, dessen Programm ausschließlich für Kärnten produziert und ausgestrahlt wird, auf Sendung. Österreich hat trotz der restriktiven Gesetze und des Rundfunkmonopols „seinen“ ersten privaten Radiosender. Natürlich versuchen SPÖ und ORF was in ihrer Macht steht, um Radio Uno zu behindern und zu stören.

Die Stromversorgung des Senders von österreichischer Seite aus kann der ORF, laut Weber, durch Proteste bei der KELAG, dem landeseigenen Energieunternehmen, verhindern. Sollte es Interventionen auf zwischenstaatlicher Ebene gegeben haben, so haben sie jedenfalls nicht gefruchtet. „Der Einfluss derer, an die wir bezahlt hatten (italienische Anwälte mit guten Beziehungen nach Rom A.d.V.), war wohl stärker als der der österreichischen Regierung.“[ix], so Weber. Schließlich ist Rom weit weg und die österreichisch italienischen Beziehungen damals nicht unbedingt nicht die besten.

Radio Uno ist jedenfalls äußerst erfolgreich. Bereits ein Jahr nach Sendestart geht Radio Uno 2 mit Kärntner Volksmusik on Air.

Der ORF hat erstmals in seiner Geschichte – wenn auch nur in einem bzw. zwei Bundesländern[x] – einen ernst zu nehmenden Konkurrenten bekommen. „Für die Radiohörer ist das südlichste Bundesland Österreichs zu so etwas wie einem Medienparadies geworden – für den ORF eher zu einem Alptraum.“[xi]

Der erste Privatfernsehsender für Österreich: Tele Uno

Doch nicht nur ambitionierte Radiomacher versuchen ihr Glück an der italienisch-österreichischen Grenze. Im Dezember 1984 können erstmals viele Kärntner mit ihrem Fernseher ein privates deutschsprachiges Fernsehprogramm empfangen, und zwar nicht über Kabel, sondern via Antenne. Der erste „österreichische“ Privatfernsehsender heißt Tele Uno, ist von Kurt Geisseler gegründet worden und strahlt vom Dreiländereck nach Kärnten ein. Der Sender erreicht nach eigenen Angaben rund 120.000 Kärntner Haushalte.[xii]

Der TV-Sender hat aber nichts mit Radio Uno zu tun. Darauf legt vor allem Willi Weber größten Wert. Auf seinen beiden Radiosendern laufen sogar Spots, die darauf hinweisen.

Fernsehprogramm von Tele UNO[xiii]:

Geisseler hat hochfliegende Pläne. Er will ein lokales Medienimperium aufbauen. Neben Tele Uno betreibt er – ebenfalls in Italien – Radio Carinzia, ist an der Kärntner Volkszeitung beteiligt und bringt eine eigene Programmzeitschrift heraus, die er zu einem Magazin ausbauen möchte. Doch dazu kommt es nicht mehr. Das „Tele Uno Network“ schlittert in die Pleite:  „Im Fall rund um Tele UNO setzt es dagegen eine fahrlässige Krida, die bis heute einen Ehrenplatz in der Liste der größten Kärntner Firmenzusammenbrüche einnimmt.“[xiv]

Im Laufe der 80er und 90er Jahre folgen einige heimische Radiopioniere dem Beispiel Webers und senden aus dem italienischen Rundfunkexil. So erfolgreich wie er ist aber keiner von ihnen.

(Die „Roten Meinungsmacher“ erscheint – wie am 6. November erläutert – im wöchentlichen Abstand als Serie im Gastkommentarbereich des Tagebuchs. Nächstes Kapitel: Aufbruch ins All: Die neue Programmvielfalt aus der Schüssel)

Literatur

Fidler, Harald; Merkle, Andreas: Sendepause – Medien und Medienpolitik in Österreich; Oberwart 1999

Pfeifhofer, Stephan: Die Geschichte des Privatradios in Südtirol von 1975 bis 1996. Diplomarbeit. Salzburg 1997

Reichel, Werner; Konvicka Michael; Streit Georg; Landgraf Rüdiger (Hg.):  Privatradio in Österreich – Eine schwere Geburt; München 2006

Endnoten

[i] Pfeifhofer. 1991. Seite 16.

[ii] Siehe Pfeifhofer. 1997. Seite 16.

[iii] So Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer. Siehe Austria Presse Agentur  4.5.1977.

[iv] Siehe http://radio-adria.cybercomm.at/ (30.1.2012).

[v] http://radio-adria.cybercomm.at/ (30.1.2012).

[vi] Siehe Reichel, Konvicka, Streit, Landgraf (Hg.). 2006. Seite 42.

[vii] Siehe Reichel, Konvicka, Streit, Landgraf (Hg.). 2006. Seite 44.

[viii] Ebenda.

[ix] siehe Reichel, Konvicka, Streit, Landgraf (Hg.). 2006. Seite 47.

[x] Radio UNO ist auch in Teilen der Steiermark zu empfangen

[xi] Siehe multimedia; 18.9.1983.

[xii] Siehe Tele Uno Programmzeitschrift  Heft 1; 1987.

[xiii] Tele Uno Programmzeitschrift  Heft 1; 1987.

[xiv] Fidler/Merkle. 1999. Seite 104.

zur Übersicht

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)

Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print



© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung