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Nein, wir sind nicht Papst. Wir sind nicht Fußballweltmeister. Wir sind nicht einmal Ski-Weltcup-Gewinner. Aber wir sind European Song Contest-Sieger. Eigentlich eine Fußnote im österreichischen Weltgeschehen, die man rasch übergehen könnte. Wäre da nicht ORF-Generaldirektor Weissmann.
Dem jungen Mann namens "JJ" ist der "Sieg" und die Begeisterung des Bundespräsidenten (der alte Herr ist erwacht und jubelt: "Was für ein Erfolg, was für eine Stimme, was für eine Show") zu gönnen. Schließlich haben vor dem Contest nur fünf (!) Prozent Zwangsgebühren-Zahler zu Protokoll gegeben, dass sie diese alljährliche Veranstaltung interessiert, doch mit dem JJ-Erfolg wurden es natürlich sofort viel mehr.
Der junge Mann besitzt die seltene Stimme eines Countertenors und ist dafür auch noch in Ausbildung. Er könnte tatsächlich eine Weltkarriere machen – allerdings im Bereich dessen, was man gemeinhin "Hochkultur" nennt. Und bei diesem Stichwort kommt der ORF-General ins Spiel.
Denn der "Sieg" des JJ bedeutet, dass Österreich den nächsten Song-Contest ausrichten muss. Die gewohnt sparsame Schweiz hat dafür heuer mehr als 66 Millionen Euro gebraucht – die wird der ORF trotz unserer erzwungenen ORF-Steuer namens Haushaltsabgabe nicht aus eigenem aufbringen, daher werden wir Steuerzahler doppelt für eine Veranstaltung bluten, die selbst der Gewinner JJ als "Schas" bezeichnet. Und was sagt ORF-Chef Weissmann? "Das ist eine wundervolle Chance, sich in der Welt als Kulturland zu präsentieren." Na dann: Gute Nacht, Kulturland.
In dem "Song Contest" dankt nicht nur Österreich als Kulturnation, sondern mehr oder weniger der gesamte alte Kontinent als Hort der Kultur ab. Um Musik, auch um Unterhaltungs-Musik geht es dabei längst nicht mehr (ABBA hätte heutzutage keine Chance auf den Sieg). Frauen, die Beifall wollen, müssen sich im Sado-Maso- oder Porno-Stil räkeln, Männer ihre "Fluidität" oder Schwulität zur Schau stellen. Auch der junge Countertenor gab vorher in Interviews zu Protokoll, wie stolz er auf seine Homosexualität sei und wünscht sich nach dem Sieg nichts sehnlicher, als gemeinsam mit "Conchita Wurst" – jenem jungen Mann, dessen Erfolg sich auf das Vorspielen eines Zwitterwesens einer "Dame mit dem Vollbart" gründete – im ORF jenen "Schas" zu moderieren. Was sicher auch ins Weissmann‘sche Kulturverständnis passt – und offensichtlich in den Kulturauftrag des ORF.
Und das alles fügt sich gut zu den Wiener Festwochen, die heuer als "Republik der Liebe" mit Porno-Plakaten und Aufrufen zum Schmusen unser Steuergeld verbraten. Aber vielleicht ist jeder, der den früheren Festwochen mit grandiosen Theatergastspielen aus aller Welt und einem Musikfest, das den Ruf Wiens als Musikstadt rechtfertigte (wofür das Rathaus jedoch seit einigen Jahren kein Geld mehr hergeben will), nachtrauert, auf der falschen Fährte.
Denn es geht bei dem mit 13,6 Steuermillionen finanzierten Unternehmen nicht um Kultur.
Es scheint nichts anderes mehr zu sein als die Ausdehnung des Schwulen-Feier-Monats um weitere zwei Wochen. Begonnen hat das alles vor vielen Jahren mit einem lauten und geschmacklosen Samstag-Nachmittags-Umzug der Schwulenszene auf der Ringstraße. Je mehr Aufmerksamkeit sie bekamen, desto mehr breitete sich diese eigenartige Selbstdarstellung aus. Nun ruft die Gemeinde Wien den Juni als "Pride-Monat" aus, viele Institutionen machen mit – sogar Banken wie die ERSTE, von der man annehmen würde, dass für sie die sexuelle Ausrichtung ihrer Kunden nicht wichtig sein sollte. Und jetzt beginnt der von der Stadt hoch subventionierte Spuk also schon Mitte Mai.
Bei allem Siegesgeheul über den Herrn JJ: Wir sind Zeugen des Abdankens einer Kulturstadt, eines Landes, das auf seine Kultur einmal stolz war. Das aber jetzt die Kultur lieblos in ein Kraut- und Rübenministerium zu Wohnen, Sport und Medien steckt, das von einem kulturfernen Vizekanzler aus einem Traiskirchner Heurigen geleitet wird. Für Kulturinteressierte war diese Ressortzuteilung ungefähr ebenso absurd, wie es die Tatsache ist, dass mit JJ der Vertreter eines Binnenlandes ausgerechnet vor der Kulisse eines stürmischen Meeres diesen grausamen Wettbewerb gewonnen hat.