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Neunmal Erstaunliches bei der Doskozil-Krönung

Dass die Funktionäre des SPÖ-Parteitags Hans Peter Doskozil an ihre Spitze gehoben haben, hat wohl kaum sehr überrascht. Und trotzdem war einiges bei diesem Krönungs-Konvent zum Staunen.

 

  1. Das Ergebnis war erstaunlich knapp: Nur 37 Stimmen gaben den Ausschlag für Doskozil. Ein starkes Votum sieht anders aus. Dem neuen SPÖ-Vorsitzenden hat sich, nach eigener Aussage, sein Lebenstraum erfüllt – aber der könnte schon bald zum Albtraum werden. Denn sehr viele in der Partei sind nicht überzeugt von ihm: Von den 72 Prozent der SPÖ-Mitglieder, die sich an der Mitgliederbefragung beteiligt hatten, stimmten 67 Prozent – also zwei Drittel - nicht für ihn. Und sogar von den Funktionären auf dem Parteitag konnten sich 47 Prozent – fast die Hälfte – nicht für ihn erwärmen. Doskozils "Wir müssen zueinander finden" wird wohl nicht reichen, die Partei zu befrieden und zu einen. Auch mit Posten für die Konkurrenten allein, wird's nicht gehen. Er wird "liefern" müssen bei den Nationalratswahlen im nächsten Jahr, um kein Rendi-Wagner-Schicksal zu erleiden.
  2. In seiner Siegesrede machte Doskozil die Ansage, dass er nicht mit der FPÖ koalieren werde. Das ist nicht erstaunlich. Aber dass er auch gleich das Versprechen anschloss, auch nicht mit der ÖVP in eine Regierung zu gehen, kam denn doch überraschend. (Auch wenn alle Kommentatoren unisono meinten: Nach der Wahl wird er es schon anders machen – ein SPÖ-Vorsitzender darf das ja…) Doskozil legte sich auf eine Dreier-Koalition fest. Wobei die Partner nicht genannt wurden – sind es nun die Grünen und Neos? Oder doch die Kommunisten? Die Bierpartei? Um linke Wähler zu halten, die sich besser bei der KPÖ aufgehoben glauben, wird diese Ankündigung einer Linkskoalition wohl trotzdem nicht reichen. Und klar ist: Die KPÖ ist sicher der größte Gewinner des SPÖ-Parteitags. Das heißt: Auch eine Dreier-Koalition wird links der Mitte voraussichtlich nicht für eine Mehrheit reichen.
  3. Ein Charakterzug des neuen Vorsitzenden wurde neuerlich manifest: In seiner störrischen Weigerung, die abgetretene Pamela Rendi-Wagner auch nur mit einem Wort des Dankes zu erwähnen (was zumindest ein Gebot der Höflichkeit gewesen wäre), zeigte, wie wenig der Burgenländer (gefühlte) Beleidigungen wegstecken kann. Die Rüge der Ärztin, er gefährde mit seiner Corona-Politik Menschen, hat er bis heute nicht verdaut – nicht einmal jetzt, wo er die Obfrau ohnehin  erfolgreich demontiert hat. Es fragt sich, ob er, so wie sein Vertrauter Christian Kern, auch eine Prinzessin mit Glaskinn ist - und erstaunlich, dass er das so offen zeigt.
  4. Staunenswert ist, wie wenig die Mehrheit der Funktionäre die Art und Weise störte, wie Doskozil überhaupt so weit gekommen ist. Denn sie belohnten damit seine unablässigen Spitzen, Sticheleien und Zwischenrufe, mit denen er seine Vorgängerin (immerhin von über 70 Prozent dieser Funktionäre bestätigt) wegmobbte, und wodurch er der Partei nach allgemeiner Überzeugung geschadet hat. Normalerweise heißt es: Die Menschen lieben den Verrat, aber nicht den Verräter. Hier ist es offensichtlich umgekehrt: Die Funktionäre mögen den Intriganten, nicht die Intrige.
  5. Erstaunlich auch, wie wenig Feuer oder Emotion Doskozil in seine Eigenwerbungs-Rede gelegt hat. Und auch, dass er nicht einmal versucht hat, die Gewerkschafter auf seine Seite zu ziehen: Er will ja – wie im Burgenland – einen Mindestlohn als Regierungschef verfügen und damit in die Hoheitszone der Gewerkschaften einbrechen. Genauso wenig hat er die Frauen hofiert: Er will weder Quote noch Reißverschluss, sagte er nachdrücklich und damit brüskierte er die SPÖ-Frauen ganz offen. Wie sicher muss er sich gewesen sein – wahrscheinlich, weil er weiß, dass er genau das repräsentiert, was seine Partei will: rücksichtslose Macht.
  6. Erstaunlich, dass Doskozil eine Garantie für seine Stimme abgab. Erstens, weil niemand irgendeine Garantie für die eigene Gesundheit abgeben kann. Und zweitens, weil er in einem Wahlkampf ohne Emotionen nicht auskommen wird, wenn er mehr Menschen als seine Groupies überzeugen möchte. Und Emotionen erlauben diese Stimmbänder nicht - das war in beiden Parteitagsreden zu hören, auch wenn manche seinen eingeschränkten Redestil als "staatsmännisch" umstilisieren wollen.
  7. Die pannenreiche und wochenlange Mitgliederbefragung wurde von der SPÖ als Nachweis für ihre unglaublich demokratische Ausrichtung beworben - trotz aller Hoppalas und demokratischen Schönheitsfehler wie dem nachträglichen Ändern der Bewerbungskriterien. Auf dem Wahlparteitag wurde dann aber noch deutlicher, welch eigenartiges Verständnis von "demokratisch" in dieser Partei herrscht: Es war ein dritter Kandidat zugelassen worden, dem man ein Aufscheinen auf dem Mitgliederbefragungs-Stimmzettel verwehrt hatte. Ihm wurde allerdings im Unterschied zu den beiden "Stars" keinerlei Redezeit zugestanden, er stand auch diesmal nicht auf dem Stimmzettel und war daher nur sehr schwer zu wählen. Nun kann man sagen, dass er auch ohne diese Hindernisse keine Chance gehabt hätte. Aber warum lässt man dann überhaupt einen zusätzlichen Kandidaten zu, nur um ihn dann auf undemokratische Art und Weise zu benachteiligen?
  8. Dass ausgerechnet der amtierende Linzer Bürgermeister Luger in seiner Begrüßung meinte: In Linz beginnt’s, soll auch noch als erstaunliches Detail am Rande festgehalten werden.
  9. Und ein weiteres Kuriosum: Die Parteitagsregie hatte als rasches Ende des Krönungs-Hochamts das Absingen des Liedes der Arbeit und der Internationalen vorgesehen. Erstaunlich, was zu hören war: dass die SPÖ nicht mehr singen kann – nicht einmal die eigenen Hymnen.

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