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Auf was wir wirklich stolz sein können

Amerika gegen Europa, Europa gegen China, Amerika gegen China: In der Weltwirtschaft wird intensiv geklagt und massive Diskriminierung beklagt. Strafzölle werden mit Gegenzöllen beantwortet. Wie ist das zu beurteilen? Handels- und Wirtschaftskriege sind jedenfalls immer negativ. Am Schluss sind alle beschädigt – nicht nur dann, wenn dadurch die gegenwärtig boomende Weltwirtschaft abgewürgt wird. Dennoch gibt es bei ruhiger Betrachtung zumindest einen Aspekt, der uns Europäern auch Anlass zu berechtigtem Stolz geben sollte (zugegeben, das ist etwas, was völlig außer Mode gekommen ist).

Das verbale Klagen über unsaubere Verhältnisse und unkorrekte Konkurrenten gehört zum altbekannten Handwerkszeug jedes Kaufmannes. Wer kennt sie nicht! Jeder beklagt die Unsauberkeiten der anderen, von eigenen Vorteilen spricht man nicht. Wenn es einmal wirklich schlimm wird, wird aus der verbalen Klage eine juristische. Gerichte sorgen dann für – nein, nicht Gerechtigkeit, aber Klarheit. Und die ist im Wirtschaftsleben das Allerwichtigste: Wenn etwas rechtskräftig entschieden ist, kann es mit Exekution und allen anderen Mitteln des Rechtsstaats durchgesetzt werden. Gerade die Handelsgerichte gelten in Österreich zu Recht als besonders gute Gerichte, die diese Aufgabe souverän erledigen.

Doch Im internationalen Handel gibt es nichts Ähnliches. Klagen bei der Welthandelsorganisation WTO sind in nichts mit Klagen vor dem Handelsgericht vergleichbar. Ihre Behandlung kann dort sehr lange dauern. Es gibt keine Exekutive, die Urteile notfalls auch durchsetzt. Und vor allem fallen viele Ungerechtigkeiten und Handelsverzerrungen gar nicht in die Beurteilungskompetenz der WTO. So ist es durchaus fraglich, ob die WTO sich zu der von Europa beklagten chinesischen Sauerei äußern wird, jeden ausländischen Investor zur Hereinnahme eines chinesischen Partners zu zwingen, der dann regelmäßig das gesamte Knowhow des Ausländers absaugt, um es auf eigene Faust zu verwerten.

Dieser Kontrast macht erst so richtig bewusst, wie wichtig ordentliche, nicht bestechliche Gerichte sind. Da kann man durchaus stolz auf Österreich sein, und seine sich seit 200 Jahren sehr sauber entwickelnde unabhängige Justiz (wenn man über manche Seltsamkeiten im Bereich der Staatsanwaltschaft hinwegsieht).

Genauso stolz können wir aber – in diesem Punkt – auch auf EU-Europa sein. Hier wurde erstmals in der Geschichte grenzübergreifend ein wirksames, sauberes und schnelles Gerichtssystem aufgebaut. Man kann nicht hoch genug schätzen, wie wichtig ein solches Rechtssystem für die wirtschaftliche Entwicklung und den persönlichen Wohlstand von 500 Millionen Europäern gewesen ist, wo eigentlich jeder darauf vertrauen kann, auch bei grenzübergreifenden Problemen innerhalb der EU einen ordentlichen Rechtsspruch zu bekommen. Auch wenn dabei naturgemäß nicht jeder Recht bekommt.

Global hingegen gilt das Recht des Stärkeren.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung "Börsen-Kurier" die Kolumne "Unterbergers Wochenschau".

 

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