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Spaniens Regierung ist völlig im Recht, sie ist völlig im Unrecht

Madrid will nun mit allen Waffen gegen den Versuch der Katalanen ankämpfen, unabhängig zu werden. Es will bis hin zur Inhaftierung der dabei aktiven katalonischen Politiker und Beamter gehen. Die Zentralregierung ist dabei völlig im  Recht, sowohl nach spanischem Recht, wie auch nach EU-Recht und Völkerrecht. Sie ist aber zugleich auch total im Unrecht.
Sie ist im Unrecht, wenn es nach Moral, nach Naturrecht, nach Vernunft, nach der Menschenwürde, nach den Fundamenten der Demokratie und nach dem Prinzip gehen soll, dass oberstes Gebot allen Handelns die Erhaltung des Friedens sein muss.

Wie konnte es zu einer solchen Diskrepanz zwischen allen ethischen Grundsätzen und dem in Gesetzbüchern stehenden Recht kommen?

Das ist leicht erklärlich: Völkerrecht, Verfassungsrecht, EU-Recht wurden nicht nach diesen Leitprinzipien gestaltet, sondern sind ausschließlich Werk von Zentralregierungen und Zentralparlamenten. Und die haben das gesatzte Recht eben ganz nach ihren Wünschen gestaltet, die in vielen Ländern noch immer von Chauvinismus, von einer altertümlichen Auffassung von Stolz und Ehre geprägt sind.

Zwar steht in der UN-Charta ganz eindeutig das Wort vom "Selbstbestimmungsrecht". Aber dieses Wort wurde von der gesamten Staatenpraxis und leider auch von vielen Völkerrechtlern (die sich meist bloß opportunistisch als verlängerter Arm von Staatsinteressen verstehen) uminterpretiert, sodass es am Schluss nur noch "Recht auf Entkolonialisierung" bedeutet hat. Diese Uminterpretation hat zwar allen Drittweltstaaten das Recht zugebilligt, die Herrschaft der Kolonialherren abzuschütteln, aber weder den 15 bis 20 Millionen Kurden das Recht gegeben, der Herrschaft der Türken zu entkommen, noch den Katalanen oder Basken der Herrschaft der Spanier, noch den Südtirolern der Herrschaft der Italiener. Um nur die bekanntesten Konfliktzonen zu nennen.

Dabei kämpfen viele Minderheiten oft seit Generationen um Freiheit und Unabhängigkeit, teils auch unter Einsatz von Gewalt in "Befreiungskriegen". Meist vergeblich.

Einige Minderheiten und Völker waren hingegen erfolgreich und haben die Unabhängigkeit geschafft. Teils nach heftigen Kriegen, die wie etwa Kroaten, Slowenen oder Bosnier geführt haben, um der serbischen Vorherrschaft zu entgehen, oder einst die Niederländer, die erst nach Jahrhunderten die Herrschaft der Spanier abschütteln konnten. Teils aber auch auf friedlichem Weg, weil auf Seite der Zentralregierungen Vernunft und Toleranz die Oberhand gewonnen haben. Das ist vielen einst sowjetisch beherrschten Völkern in den historischen Fensterjahren Jelzin-Gorbatschow geglückt. Das ist in absolut vorbildlicher Weise bei der Trennung von Tschechen und Slowaken der Fall gewesen.

Ebenso vorbildlich ist, wie Großbritannien mit einem solchen Konflikt umgegangen ist: Es hat unter dem Konservativen Premier John Major verbindlich erklärt, dass es Nordirland die Unabhängigkeit – samt Möglichkeit eines Anschlusses an Irland – geben werde, sobald es die Mehrheit der Nordiren so will. Damit (und mit einer Amnestie) gelang es binnen kurzem, den seit Jahrzehnten lodernden Nordirland-Konflikt, der Tausende Tote gefordert hatte, total zu entschärfen. Heute fließt kein Blut mehr, und die beiden einst so verfeindeten Volksgruppen haben sich statt dessen aufs Kinderkriegen verlegt, um die Mehrheit für ein künftiges Referendum zu erreichen, beziehungsweise zu behalten. Und sie vergessen als Folge der Entkrampfung vielleicht auch eines Tages, warum sie sich einst so wild bekämpft haben.

Spaniens Mehrheitsbevölkerung fehlt - vorerst? - die Weisheit und Lernbereitschaft zu ähnlichem Handeln. Dort glaubt man weiterhin an das Formalrecht und die Gewalt. Dabei geht der Konflikt mindestens bis ins frühe 18. Jahrhundert zurück, auf die damaligen (Spanischen und Österreichischen) Erbfolgekriege, wo Katalonien auf der Seite der Habsburger, die Spanier hingegen auf jener der Franzosen gestanden sind. Auch im spanischen Bürgerkrieg der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts spielten diese ethnische Polarität eine große Rolle. Spanien hat seine historischen Konflikte geistig einfach noch nicht verdaut.

Wahrscheinlich hängt die Eskalation auch mit dem kulturellen Charakter südeuropäischer Nationen zusammen, wo Stolz und Ehre noch immer eine viel größere Rolle spielen als im Norden. Spanier oder auch Italiener glauben offenbar noch immer, der eigene Selbstwert ginge vor die Hunde, sollten sie eines Tages über weniger Quadratkilometer herrschen als heute. Man bedenke nur: Italien hat noch nach dem ersten Weltkrieg koloniale Eroberungskriege geführt, als Amerika dank den USA längst schon entkolonialisiert war.

Zentralistisch denkende Länder haben offenbar lieber Feinde im eigenen Haus und produzieren lieber politische Gefangene, statt sich als großmütig und tolerant zu erweisen. Sie stehen geistig oft noch immer in den Fußstapfen einstiger faschistischer Diktaturen. Sie glauben noch immer, dass die Rechte einer Minderheit – auf Autonomie, auf Sezession – ganz im Belieben der Mehrheit stünde.

Dabei ist es etwa im Falle der Katalanen durchaus offen, wie ein ehrliches, von Spanien in einer großherzigen Geste angesetztes und mit Werben um die Minderheit verbundenes Referendum ausgehen würde. Vieles spricht dafür, dass sich die Mehrheit dabei für den gemeinsamen Staat aussprechen dürfte. Ebenso wie das von London ermöglichte Sezessions-Referendum in Schottland für das Vereinigte Königreich ausgegangen ist.

Auch in der k. und k. Geschichte Österreichs kann man gute Beispiele finden: Hier ist 1867 nach vielen blutigen Konflikten in den davorliegenden Generationen ein guter "Ausgleich" mit Ungarn gelungen, der dann beide Seiten freiwillig an der Einheit festhalten ließ. Mit den Tschechen und anderen Slawen ist so etwas nicht geglückt, womit die dadurch ausgelösten Spannungen auch zum größten internen Problem am Ende der Monarchie geworden sind.

Auch der oft gegen das Selbstbestimmungsrecht erhobene Vorwurf "Kleinstaaterei" ist völlig falsch und unempirisch. Einerseits hat Selbstbestimmung für die Deutschen des 19. Jahrhundert oft die Forderung nach einem Ausbruch aus den winzigen Duodezfürstentümern und zum Zusammenschluss bedeutet. Andererseits sind selbst Luxemburger, Liechtensteiner oder Andorraner perfekt glücklich mit ihrem Zwergen-Los. Sie sind auch für die Umwelt in keiner Weise ein Problem. Selbst steuerrechtliche Dispute sind heute weitgehend geklärt. Denn die Kleinen wissen viel besser als die oft unberechenbaren Großmächte von Amerika bis Russland, dass sie sich bis zu einem bestimmten Grad immer der Außenwelt anpassen müssen.

Es zeigt sich auch immer wieder: Wenn eine Minderheit das Recht zur Sezession hat, werden die Zentralstaaten viel minderheitenfreundlicher und bieten dann gerne von sich aus weitgehende Autonomie an. Die ja übrigens nichts anderes ist als das Subsidiaritätsprinzip der Christlichen Soziallehre. Subsidiarität passt aber auch voll ins neoliberale Denken.

Man sollte das Prinzip Selbstbestimmung aber auch ganz grundsätzlich sehen. Nur ein echtes und voll realisiertes Selbstbestimmungsrecht entspricht den geistigen Fundamenten Europas, entspricht Demokratie und Aufklärung, entspricht Christentum und Menschenrechten. Immer hat die gleiche Würde, der gleiche Wert jedes einzelnen Bürgers im Zentrum zu stehen.

Es ist doch absurd und total unlogisch, dass die Verteidiger des formalrechtlichen Ist-Zustandes es für in Ordnung, für demokratisch halten, wenn die Bürger in einem Territorium zwar über die Zusammensetzung von Zentralparlamenten und – direkt oder indirekt – über Gesetze entscheiden darf, aber nicht darüber, ob sie überhaupt diesem Parlament, diesen Gesetzen, diesem Staat unterworfen sein will.

Und wer weniger grundsätzlich, sondern pragmatisch denkt, sollte sich im Klaren sein, dass eine Welt mit ganz selbstverständlichem Anspruch der Bürger jedes Territoriums auf (geordnete, daher auch international zu kontrollierende) Selbstbestimmung einschließlich der Sezession eine weitaus friedlichere Welt mit weniger Gewalt als die heutige wäre. Dann gäbe es keinen Ukraine-Konflikt, keinen Bosnien-Konflikt, keinen Kosovo-Konflikt – um nur die schlimmsten in unserer unmittelbaren Nachbarschaft zu nennen.

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