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Glawischnig flieht vor dem Desaster – und lässt eine große Chance aus

Großputz in der Politik. Nach Werner Faymann, Reinhold Mitterlehner also nun auch Eva Glawischnig. Auch wenn bei jedem der drei Rücktritte manche Aspekte spezifisch sein mögen – bei Glawischnig etwa werden „gesundheitliche Gründe“ genannt –, so war doch bei allen dreien klar: Mit ihnen hätten ihre Parteien bei den kommenden Nationalratswahlen deutliche Verluste hinnehmen müssen. Längst sind ja alle Politiker überzeugt: Gewählt wird immer weniger die Partei, gewählt wird der Spitzenkandidat. Daher muss der gehen, wenn er nicht zieht.

Und noch etwas war bei allen dreien gleich: Es gab schwere innerparteiliche Turbulenzen, aus ideologischen Gründen oder eben wegen der schlechten Wahlaussichten. Ob das nun die 1. Mai-Demonstration gegen Faymann, ob das der Ausschluss der grünen Jugendorganisation aus der Grünpartei, ob das die in Wien stattfindende Verhöhnung des Ergebnisses einer offiziellen grünen Urabstimmung gegen das Konzerthaus-Hochhaus ist.

Bei Mitterlehner waren die innerparteilichen Spannungen zwar noch unter der Decke geblieben, aber in der Volkspartei ist wirklich schon jedem seit Jahr und Tag klar gewesen, dass Mitterlehner noch vor der Wahl gehen muss. Das war dort viel klarer als bei den anderen Parteien. Dieses Wissen ist schließlich auch bei Mitterlehner gesickert – weshalb er dann entnervt aufgab (freilich gerade zum falschen Zeitpunkt für die ihm so nahestehende Wirtschaftskammer, da die Gewerbeordnung noch nicht durchs Parlament durch war, und da die SPÖ nun droht, eine ganz andere, kammerfeindliche Gewerbeordnung zu machen – wofür sie auch eine Mehrheit im Parlament bekäme).

Nun geht also Glawischnig. Den Grünen bläst nicht nur wegen der beiden zuvor genannten Affären der Wind aus allen Seiten ins Gesicht. Auch aus anderen Gründen, an denen Glawischnig nicht persönlich schuld ist. Wenn nicht noch rechtzeitig eine größere Atomkraftwerks-Panne passiert (oder die grün-affinen Medien eine kleine Panne groß aufzublasen vermögen), dann droht die Partei im jetzigen Zustand jedenfalls zu verlieren. Die alten Grünthemen sind entweder von den anderen Parteien längst übernommen und umgesetzt, oder bei den Bürgern verhasst (wie die Tendenzen zu einer Ökodiktatur unter Berufung auf eine angeblich menschliche Schuld am Klimawandel). Grün zieht nicht mehr. Egal was die Nachfolgerin tut.

Der Hauptgrund für den grünen Absturz ist zweifellos die Welcome-Politik der Grünen. Diese haben wirklich in jeder Frage das von der großen Mehrheit gewünschte Abschotten gegen weitere Zuwanderung zu boykottieren versucht. Dazu kommen etliche weitere unpopuläre (und inhaltlich falsche) Gründogmen, wie etwa der gerade wieder aufgeflammte Kampf für eine Zwangsgesamtschule.

Der Absturz der Grünen zeigt sich ja auch international. Sie verlieren überall. Im größten deutschen Bundesland sind sie erst am Wochenende fast halbiert worden. An diesem Trend können auch die vielen grünen Journalisten quer durch die österreichischen und deutschen Redaktionen nichts mehr ändern. Ebensowenig die vielen grünen Hochschulmenschen. Und der Van der Bellen-Erfolg lag einzig an der vielen Österreichern sympathischen Persönlichkeitsstruktur des alten Mannes, nicht an seiner grünen Herkunft.

Da geht man doch lieber freiwillig.

Doch halt – eines hat Glawischnig dabei übersehen und ist vielleicht zu früh gegangen: Das ist die Frage, welche Entwicklung künftig die SPÖ nimmt. Diese ringt nämlich seit längerem darum, ob sie sich für die Möglichkeit einer Koalition mit der FPÖ öffnet. Die SPÖ leidet furchtbar unter dieser Entscheidung. Sie hat diese daher schon seit einem Jahr in eine eigene Nichtstu-Kommission verräumt, die angeblich an einem Kriterienkatalog zur Beurteilung der FPÖ arbeitet. Aber nun hat Parteichef Kern versprochen, dass noch bis zum Wahltag eine Entscheidung der Kommission kommt (müsste nicht ein führungsfähiger Parteichef eigentlich selbst vorgeben, was er will?).

Da die SPÖ derzeit im Atomkrieg mit der ÖVP liegt, ist es zunehmend wahrscheinlich, dass sie sich für eine Öffnung zu einer Koalition mit der FPÖ durchringt. Nach burgenländischem Muster etwa; außerdem hat es auch schon unter Kreisky und Sinowatz zweimal Rot-Blau gegeben.

Eine solche Entscheidung würde aber die SPÖ intern sprengen – trotz allem dort geradezu genetischen Kadavergehorsams und trotz aller Parteidisziplin. Der Wiener Bürgermeister, viele linke Gruppen in Universitätsstädten ebenso wie der Gewerkschaftsflügel agitieren schon jetzt heftig gegen die Möglichkeit Blau. Ebenso ist international die Sozialdemokratie militant gegen jede Berührung mit Parteien, die ähnlich wie die FPÖ ausschauen. Auch der Abschuss von Faymann hatte schon damit zu tun, dass der linke SPÖ-Flügel keine Rechtsbewegung akzeptieren will. Schließlich war der Glaube FPÖ=Hitler seit Jahren der letzte Kitt, der die SPÖ zusammengehalten hat.

Wenn es nun Christian Kern trotz seines zögerlichen Charakters dennoch machen sollte, ist absolut sicher, dass da etliche SPÖ-Teile abgesprengt werden, dass etliche linke Wähler plötzlich heimatlos werden – und sich den Grünen zuwenden (gibt es doch bei uns keine Linkspartei).

Genau das ist trotz aller sonstigen negativen Perspektiven die Chance für die österreichischen Grünen. Ihre Nachfolgerin hat also durchaus Chancen, davon zu profitieren. So unbekannt und unbeleckt diese bundespolitisch auch ist, so sehr der Zeitgeist auch längst wo anders weht.

Freilich: Linke Hoffnungen auf eine Mehrheit für Rot-Grün dürften in jedem Fall total illusorisch sein. Auch nicht mit Hilfe von Pink – falls dieses Grüppchen überhaupt wieder ins Parlament kommen sollte. Aber es gibt eben einen harten Kern von 5 bis 10 Prozent doktrinärer Linker, die lieber lebenslang in Opposition sind, als irgendwelche Abstriche von der reinen (Irr-)Lehre zu machen. 

Gerade wegen dieser Aussicht der Grünen bald einige linke SPÖ-Bruchstücke zu erben, ist es für die Grünen unmöglich, an ein Bündnis mit der ÖVP zu denken, selbst wenn diese stark dazugewinnen sollte und sich Schwarz-Grün (plus Pink?) ausgehen sollte. Freilich: Die wahrscheinliche Glawischnig-Erbin kommt aus Tirol und hat dort eine Koalition mit der ÖVP ...

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