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KZ-Diktion: Was Hundstorfer darf, dürfen andere noch lange nicht

Jeder, der die heimische Innenpolitik verfolgt, kennt das Phänomen seit Jahrzehnten: In regelmäßigen Abständen bricht große Erregung aus, weil ein Blauer oder Schwarzer einen Ausdruck verwendet, der als einstige Nazi-Sprache und daher verfemt gilt. Seit dem Wochenende haben wir freilich gelernt: Wenn das ein Linker, noch dazu ein Präsidentschaftskandidat tut, dann erregt sich kein einziger aus der linkskorrekten Empörungs-Armee.

Sobald ein Mensch aus der rechten Hälfte des Landes den Ausdruck „Durch den Rost fallen“ verwendet, sobald er von „Umvolkung“ spricht, sobald er von „Pflichterfüllung“ als Soldat redet, sobald er Weltkriegserinnerungsstücke im Keller sammelt, heulen zahllose ORF-ler, Wochenillustrierten-Leitartikler und sonstige selbsternannte Intellektuelle los. Die Betreffenden werden als unverbesserliche Neonazis außer die menschliche Gesellschaft gestellt. Die Jagdgesellschaft sieht den Beweis erbracht, dass sie bald wieder ein Viertes Reich errichten wollen, dass sie deshalb unbedingt von der Macht fernzuhalten seien. Nicht nur monate- sondern oft auch jahrelang wird mit Schaum vor dem Mund Empörung gemacht, damit der Betreffende auf ewig unberührbar bleibt.

Jetzt aber: Schon zwei Tage totales Schweigen im Blätterwald, obwohl es einen neuen, ganz ähnlichen Vorfall gibt. Auch der servile Interviewer im ORF-Radio reagiert natürlich – natürlich? – nicht, als Rudolf Hundstorfer im „Journal zu Gast“ einen schwer belasteten NS-Ausdruck in den Mund nimmt. Der Noch-Sozialminister sagt nämlich in Hinblick auf „Wirtschafts-“ und „Kriegsflüchtlinge“: „Bei den Hotspots muss man das selektieren“.

Die Forderung, Menschen (=„das“) zu selektieren, hätte bei nichtlinken Politikern zu Shit-Storms, Jetzt-endgültig-entlarvt-Leitartikeln, Empörung linker Zeitgeschichteprofessoren bis zu von Grünrot geforderten Nationalrats-Debatten geführt. Bei Hundstorfer hingegen bleibt alles ruhig. Er ist ja ein Linker. Und daher bleiben die Sprachpolizisten schweigend in ihren universitären und redaktionellen Kasernen.

Oder wissen sie etwa nicht, an was das Wort „selektieren“ jeden Geschichtsbewussten erinnern muss? Brauchen sie immer erst den Befehlspfiff vom „DÖW“ oder einem anderen (subventionsgefütterten) Hüter des linken Denkens, um erregt zu sein? Der Pfiff kommt bei einem SPÖ-Mann natürlich – natürlich? – nicht.

Dabei spricht „Selektieren“ im Vergleich zu den anderen verpönten Vokabeln den allerärgsten Aspekt von Nationalsozialismus und Holocaust an: „Selektiert“ wurde durch SS-Männer an der „Rampe“ von Auschwitz. Es bedeutete die Entscheidung über Leben oder Tod, ob jemand gleich „ins Gas“ gehen muss oder vorher noch ein paar Wochen der Sklavenarbeit zugeführt wird.

Um nicht missverstanden zu werden: Ich glaube, es ist längst Zeit zu sprachlichen Vergangenheitsbewältigung, also dass man nicht um jedes fünfte deutsche Wort einen weiten Bogen machen muss, will man nicht als Neonazi denunziert werden. Die sprachliche Korrektheit ist ja ein besonders dummer und verkrampfter Teil der politischen Zwangsneurosen. Sie ist oft auch schon deshalb absurd, weil die meisten dieser Ausdrücke keineswegs in der NS-Zeit entstanden, sondern schon viel älter sind. „Durch den Rost fallen“ etwa ist eine ganz normale Redewendung für jeden, der noch gelernt hat, einen echten Ofen mit Kohle oder Holz zu bedienen, wo man am Rost zu rütteln hatte, damit die Asche durch den Rost fällt.

Auffallend und grotesk war dabei immer, wie unterschiedlich (Hundstorfer würde sagen: „selektiv“) die linken Tugendwächter bei der Verfemung bestimmter Worte vorgingen. So ist das Wort „Sozialismus“ als Hauptbestandteil von „Nationalsozialismus“ natürlich – natürlich? – nie von ihrer sprachlichen Verfemungspolitik erfasst worden. Statt dessen haben sogenannte Historiker lieber das Wort „Nationalsozialismus“ überhaupt gemieden und statt dessen mit (faktisch für das Hitler-System freilich eindeutig falschen) Bezeichnungen wie „Faschismus“ herumgeknödelt.

Aber: Solange bei anderen ein Skandal daraus gemacht wird, wenn sie NS-Jargon verwenden, solange ist auch die Verwendung des Wortes „Selektieren“ durch einen Menschen skandalös, der das höchste Amt im Staat erreichen will. Entweder Hundstorfer weiß nicht die historische Kontaminierung dieses Wortes (was ihn wegen Dummheit ungeeignet als Präsident macht). Oder aber, er hat es gewusst und sich darüber hinweggesetzt, weil ein Linker das dürfe. Das wäre der Gipfel der zynischen Heuchelei.

Und jedenfalls ist es ein Skandal, dass die sich sonst immer so aufplusternden linken Tugendwächter jetzt schon zwei Tage lang nicht einmal mit der Wimper zucken, nachdem der SPÖ-Kandidat dieses Wort verwendet hat. Ihre doppelten Maßstäbe sind nur noch widerlich – auch wenn sie keineswegs neu sind: Wie viele „Intellektuelle“ haben sich etwa einst grenzenlos darüber mokiert, dass Kurt Waldheim einmal von seiner „Pflichterfüllung“ als Soldat im Weltkrieg gesprochen hat! Dass Helmut Schmidt diesen Ausdruck damals sogar in einer Autobiographie (wo man also zahllose Korrekturmöglichkeiten hat) verwendet hat, hat hingegen keine einzige böse Bemerkung ausgelöst.

PS: Nur wenige Stunden nach Hundstorfers „Selektieren“ hat sich Altsozialist Heinz Fischer empört wegen einiger Worte und Formulierungen eines Politikers als Sittenwächter und Sprachpolizist zu Wort gemeldet. Aber Objekt seiner Kritik war natürlich nicht Hundstorfer, sondern H.C. Strache…

PPS: Auch ein SPÖ-typischer dialektischer Untergriff Hundstorfers in dem Interview wurde vom Interviewer natürlich – natürlich? – nicht relativiert. Er behauptete nämlich, dass sein VP-Konkurrent Khol „Sprachrohr der Ängstlichen und Unzufriedenen sein“ wolle. Darauf hätte man dem SPÖ-Kandidaten eigentlich entgegenhalten müssen, dass Khol diese Formulierung nie verwendet hat. Was nicht geschehen ist. Hundstorfer wollte damit ganz offensichtlich alle, die Khol wählen, gleich durch einen Untergriff mit kräftigen Negativvokabeln belegen. Freilich haben er und seine Spin-Doktoren nicht mitgekriegt, dass die große Mehrheit der Österreicher heute in der Tat sowohl ängstlich wie unzufrieden ist. Und dass die von Hundstorfer für sich in Anspruch genommene „Humanität“ von den meisten Bürgern längst schon als gefährliche Drohung und Inhumanität den Österreichern gegenüber angesehen wird. Oder wollte Hundstorfer damit gar Wahlwerbung für Khol machen?

PPPS: Inhaltlich zahlt es sich wirklich nicht aus, sich mit dem Hundstorfer-Vorschlag zu befassen. Denn wer noch immer glaubt, dass „Hotspots“ an EU-Außengrenzen etwa in Griechenland jemals funktionieren und das Problem lösen können, ist entweder intellektuell ein Jahr zurück (und wartet immer noch „auf Godot“, wie Reinhold Mitterlehner neuerdings zu Recht das Ausreden auf die EU bezeichnet). Oder er will die Völkerwanderung gar nicht stoppen, wenn er keine Handlungsnotwendigkeit für Österreich erwähnt.

PPPPS: Ein Königreich für ein Hundstorfer-Interview, in dem er nicht zahllose Male die Leer-Phrase „Keine Frage“ verwendet…

 

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