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Spitzensteuersatz – ein österreichisches Tabu

Österreich hat einen der höchsten Spitzensätze der Einkommensteuer. Aber nicht einmal mehr die Industriellen-Vereinigung unter ihrer neuen „sozialliberalen“ Retro-Führung wagt es, in ihrem Steuermodell eine Reduktion zu fordern. Dabei war das noch in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts ein zentrales Thema.

Ziemlich seltsam. Gibt es doch außerhalb Europas lediglich in einer kleinen Karibikinsel einen höheren Spitzensteuersatz. Und auch in Europa ist dieser fast überall niedriger als hierzulande, insbesondere in sämtlichen Nachbarländern.

Das ist keineswegs nur ein Thema für ein paar Superreiche. Gilt doch in Österreich der höchste Steuersatz schon bei einem Jahreseinkommen von 60.000 Euro, während in Deutschland der niedrigere Spitzensatz erst bei 250.000 Euro einsetzt. Gewiss verdienen viele auch nicht die 60.000 Euro. Aber das wird sich wohl angesichts der Gelddruckaktionen der Zentralbanken und fünfprozentiger Lohnforderungen bald ändern. Davon sind zumindest alle politik- und staatsunabhängigen Ökonomen überzeugt.

Nun wenden manche ein, in Zeiten einer Schuldenkrise sollen die Reichen doch ordentlich herangezogen werden. Dem kann man in der Theorie viel abgewinnen. Es ist aber doch eher fragwürdig, ob deswegen auch deutlich höhere Steuersätze als in anderen Ländern „gerecht“ sind, die ein verschwenderisches Verwaltungs- und Sozialsystem abkassiert.

Ein noch viel gewichtigeres Argument hat KPMG herausgearbeitet. Deren Studie zeigt, dass der Spitzensteuersatz vor allem im Standortwettbewerb schädlich ist. Denn mit Sicherheit haben leitende Angestellte internationaler Konzerne – ohne viel davon zu reden – sehr genau auf ihren persönlichen Steuersatz geschaut, wenn sie reihenweise Mittel- oder Osteuropa-Zentralen in anderen Ländern ansiedeln. Auch gut verdienende Künstler und Sportler wählen aus diesem Grund nur selten Österreich als ihren Steuerwohnsitz.

Der etwas niedrigere effektive Steuersatz durch die sanfte Behandlung des 13. und 14. Gehalts von Lohnsteuerzahlern ist hingegen wenig sichtbar, wie KPMG analysiert. Dieses Lohnsystem versteht im Ausland nämlich niemand. Dort wird höchstens gehöhnt: „Habt ihr in Österreich etwa 14 Monate?“ Bei den wirklichen Spitzenverdienern ist durch den Solidarbeitrag der Vorteil ohnedies schon fast verschwunden. Wobei auch hier die Einkommensgrenze, ab der man ein „wirklicher“ Spitzenverdiener ist, niedriger liegt als in Deutschland jene für ganz normale Spitzenverdiener.  Um an die Befristung dieses Solidarbeitrags bis 2016 zu glauben, muss man sehr naiv sein. Fordert doch die SPÖ schon jetzt offen die Abschaffung der Befristung.

Beim Spitzensteuersatz gilt dasselbe wie für die Vermögenssteuer: Während man lange streiten mag, was da gerecht ist, kann man nicht mehr über ihren Sinn streiten, wenn höhere Steuersätze der Volkswirtschaft und dem Gesamtsteueraufkommen schaden. 

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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