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Bist du rot und hast du Macht . . .

Der internationale Vergleich macht optimistisch: Die in immer dichteren Wellen anrollenden Erdbeben durch Korruptionsskandale werden Österreich, vor allem seine Parteilandschaft und hoffentlich auch seine Justiz weit mehr erschüttern und verändern, als es das Möchtegern-Sparpaket kann. Man vergleiche nur den Zustand des Landes mit der jüngeren Geschichte Italiens, der Slowakei und Deutschlands.

In Deutschland ist der Bundespräsident umgehend zurückgetreten, als die Staatsanwaltschaft offizielle Strafermittlungen gegen ihn beantragt hat. In Österreich hingegen laufen schon seit Monaten offizielle Strafermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den Bundeskanzler und einige weitere Regierungsmitglieder. Und keiner der Beteiligten zuckt auch nur mit den Ohrwascheln, geschweige denn, dass daraus eine öffentliche Rücktrittsdebatte entstanden wäre. Viele Medien haben diese Ermittlungen anfangs überhaupt nicht einmal gemeldet.

Der Unterschied in diesen Reaktionen ist der zwischen einer Bananenrepublik und einem Rechtsstaat.

Dabei ist der – natürlich jeweils: mutmaßliche – Vorwurf gegen Werner Faymann im Grund gravierender als der gegen Christian Wulff. Dieser hat sich von Geschäftemachern und Firmen, die von seiner Huld als Ministerpräsident (Landeshauptmann) Niedersachsens abhängig waren, Reisen, PR-Veranstaltungen und günstige Kredite spendieren lassen. Faymann hat sich hingegen sogar direkt von öffentlichen Kassen (der ÖBB, der Asfinag, dem Inseratentopf des Kanzleramtes) Inserate in Zeitungen bezahlen lassen, damit diese günstig über ihn und seine Partei berichten. Im Fall Faymann sind im Gegensatz zu Wulff die Bürger erstens direkt geschädigt, und zweitens geht es auch dimensionsmäßig um deutlich größere Beträge.

Angesichts dieses Verdachts verblassen beinahe die Vorwürfe gegen andere Minister, wie etwa der einer eventuellen Mitschuld am Kommunalkredit-Debakel. Dennoch kann Faymann alles locker wegstecken. Nur weil hierzulande der Moralpegel so niedrig liegt? Nur weil viele Medien natürlich als Mittäter an dem Thema nicht interessiert sind? Oder gar weil sich Faymann der BSA-geleiteten Staatsanwaltschaft ohnedies so sicher sein kann, dass diese jedenfalls irgendeinen Grund zur Einstellung des finden wird?

Es fällt jedenfalls massiv auf, dass die Intensität der staatsanwaltschaftlichen Erhebungen gegen mutmaßliche Korruptionisten umso geringer ist, je mehr zwei Faktoren zutreffen: Erstens wenn der potentielle Täter eine erkennbare Nähe zur SPÖ hat, und zweitens wenn der potentielle Täter noch im Amt ist.

Diese zwei offenbar schuldbefreienden Charakteristiken treffen nicht nur auf Faymann zu, sondern auch auf den amtierenden Aufsichtsratspräsidenten der ÖBB und auf den amtierenden Direktor des größten Krankenhauses Mitteleuropas, Reinhard Krepler. Letzterer steht unter massivem Verdacht, an einer kriminellen Megaschiebung bei der Vergabe des Reinigungsauftrags für das AKH beteiligt gewesen zu sein. Das scheint nun auch durch bisher geheime Abhörprotokolle bestätigt zu sein. Und wie reagiert die SPÖ? Sie spricht von einer „menschenverachtenden Hetzkampagne“, erregt sich, dass Abhörprotokolle an die Medien weitergegeben worden seien, und lässt Krepler im Amt.

Die SPÖ wäre mit ihrer Erregung um Eckhäuser weniger peinlich, wenn sie sich auch über das Weiterspielen der Abhörprotokolle gegen Karl-Heinz Grasser von Staatsanwaltschaft und/oder Polizei Richtung Medien so aufgepudelt hätte. Statt dessen hat die Partei damals über diese Abhörprotokolle gejubelt und ihr Bekanntwerden keine Sekunde kritisiert.

Praktisch keine einzige Partei und kein Medium in diesem Land erregt sich in jedem Fall gleichermaßen über solche rechtswidrigen Veröffentlichungen. In einem Rechtsstaat sollte es aber gleichgültig sein, ob der Amtsgeheimnisbruch einen Rechten oder einen Linken trifft. Und der Dekan der juridischen Fakultät macht sogar eine öffentliche Lesung mit den Grasser-Protokollen. Diese Einäugigkeit ist eines der vielen Symptome der Balkanisierung Österreichs.

Wer hat Grasser bestochen?

Ähnlich verhält es sich im Fall des langjährigen Porr-Generaldirektors Horst Pöchhacker, der jetzt den Aufsichtsrat der ÖBB leitet. In den meisten Fällen, die Grasser zum Vorwurf gemacht werden, ist die Belastung Pöchhackers noch viel gravierender. Die Porr soll sich nämlich unter Pöchhacker durch Bestechung bei Grasser oder dessen Freunden Vorteile gekauft haben. Das heißt: Grasser – oder Meischberger – kann jedenfalls nur bestochen worden sein, wenn auch jemand bestochen hat. Das wird aber fast nirgendwo thematisiert. Warum? Erstens ist Pöchhacker eben rot, und zweitens hat er eben noch Macht. Und das ist offenbar in einem Speichelleckerland die Grenze zwischen Recht und Unrecht.

Dennoch bleibe ich Optimist - eigentlich ist ja gerade angesichts der Dichte der Vorwürfe und Affären ein Weitermachen so wie bisher nicht mehr vorstellbar. Dieses System kann das jüngste Erdbeben nicht mehr überleben. Man schaue nur in die Slowakei: Dort fliegt bei den bevorstehenden Wahlen nach heftigen Korruptionsaffären die derzeit noch größte(!) Regierungspartei wohl ganz aus dem Parlament. Wenn die Slowakei zu so drastischen Veränderungen imstande ist, warum nicht auch Österreich? Oder nehmen wir wirklich alles hin, nur weil es hier halt gegen praktisch alle Parteien in den letzten Monaten massive Indizien gegeben hat? Nur weil sich bisher bloß recht skurrile Gruppierungen als Basis einer Reform angeboten haben?

Auch bei der lange nicht direkt involviert gewesenen ÖVP ist nun wohl der letzte Keuschheitsgürtel über den Taten ihrer smarten Burschen gefallen. Wobei bei ihr ohnedies immer schon klar war, dass sie (als primärer, aber keineswegs einziger Empfänger) über die Industriellenvereinigung weißgewaschene Firmengelder bekommt – wohl nicht nur aus Nächstenliebe. Was aber bis heute legal ist; ebenso wie die Erledigung der SPÖ-Propaganda durch vom Rathaus finanzierte Vorfeldvereine von Zara bis DÖW, ebenso wie der Fluss von Arbeiterkammer- und Gewerkschaftsgeldern zum Nutzen der Sozialdemokratie.

Ähnliches wie die Slowakei zeigt uns auch die jüngere italienische Geschichte. Dort hat es in den Neunziger Jahren sowohl Christdemokraten wie auch Sozialisten zerrissen, weil sie es irgendwann mit der Korruption zu arg getrieben haben. Dabei haben sie angesichts der allgemein für unregierbar gehaltener Konkurrenz am äußersten linken und rechten Rand des politischen Spektrums eine scheinbare Garantie auf ewiges Regieren gehabt. Aber einmal ist es eben zuviel.

Was tun?

Kann Korruption ausgerottet werden? Ganz sicher nicht allein durch moralische Appelle oder durch immer strengere und aufwendigere Kontrollmechanismen. Entscheidend ist, dass man auch die Möglichkeiten zur Korruption drastisch reduziert: nämlich indem man den Staat aus möglichst vielen Bereichen herausnimmt. Je weniger er regelt, je weniger Eigentümerfunktionen Bund und Länder haben, umso geringer sind die Möglichkeiten. In staatsfrei gewordenen Bereichen kann sich keine Partei mehr bedienen, kann kein Beamter mehr die Hand aufhalten.

Es ist kein Zufall, dass die mehrheitlich staatliche Telekom, der mehrheitlich staatliche Flughafen, das staatliche Gesundheitswesen von den meisten Affären belastet werden; und dass es vor allem bei staatlichen Aufträgen (vom Bau über die Beratung bis zum Inseratenkauf) die großen Skandale gibt. Daher müsste eine glaubwürdige Strategie gegen Korruption dreigeteilt sein:

  • strengere Gesetze insbesondere bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (auch bei Einmietungen und Inseratenschaltungen);
  • eine Reform der Staatsanwaltschaft;
  • und eine möglichst radikale Privatisierung.

Letztere täte überdies auch dem Budget sehr, sehr gut. Weil erstens der Verkaufspreis zur Schuldentilgung verwendet werden kann, wie sogar das arbeiterkammernahe Wifo empfohlen hat; und weil zweitens privates Handeln immer billiger ist als staatliches: siehe die plötzliche Verbilligung auf der Westbahnstrecke durch das Auftauchen privater Konkurrenz. Siehe die pro Spitalsbett gegenüber den Gemeindespitälern um 17 Prozent billigeren Ordensspitäler. Siehe die viel billigeren privaten Buslinien.

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