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„Zu spät“ für Griechenland – und für Europa?

Fast könnte man wieder so stolz auf die EU sein wie einst. Denn Eurogruppen-Chef Dijsselbloem hat am späten Dienstagabend zum jüngsten Chaos-Angebot Griechenlands nur noch niederländisch kühl die einzig richtige Antwort gegeben: „Wir sind über den Punkt hinaus, es kommt zu spät.“ Damit ist Griechenland seit heute auch offiziell das erste bankrotte EU-Land. Niemand wird ihm jetzt noch Geld borgen. Nicht einmal der Wucherer im finstersten levantinischen Basarwinkel.

Das ist erfreulich. Nicht weil man die Griechen nicht mag. Sondern weil es immer schlecht ist, wenn Frechheit ständig siegen würde. Und kriminelles Verhalten einer Regierung, die betrügerisch dauerhaft auf Kosten anderer leben will, die zum Teil deutlich ärmer sind.

Spät – vielleicht zu spät – beginnt sich Europa damit in diesem Bereich doch wieder ernst zu nehmen, ein Europa, das gerade im Fall Griechenland bisher so viele Fehler begangen hat. Es lässt sich nun doch nicht mehr grenzenlos von den regierenden griechischen Links- und Rechtsextremisten mit ihrer Chaos-Politik, ihren hohlen Phrasen und wirklichkeitsfremden Wunschdenken-Theorien papierln.

Was hätte man sich freilich erspart, wenn man das von Anfang an getan hätte! Wenn man zumindest die eigenen Verträge ernst genommen hätte. Die Maastricht-Kriterien etwa, die von Anfang an eigentlich eine Aufnahme Griechenlands und vieler anderer verschuldeter Länder in den Euro unmöglich gemacht hätten. Oder das ausdrückliche Bailout-Verbot der EU-Verträge, das es eigentlich strikt untersagt, dass andere Länder, die EU oder die EZB ein verschuldetes Land retten. Das eine wie das andere hätte Österreich acht Milliarden Euro griechisches Lehrgeld erspart.

Jetzt wächst von Tag zu Tag die Hoffnung mehr, dass doch wieder auch in Europa das Bewusstsein zurückkehrt, das von den alten Römern über die k. und k. Monarchie bis in die Neunziger Jahre gegolten hatte: Verträge sind einzuhalten. Punkt. Gute Gesetze und deren Einhaltung sind das Fundament jedes funktionierenden Systems. Punkt.

Freilich: Die Dijsselbloem-Schwalbe macht noch keinen europäischen Sommer. Vor allem das EU-Parlament, aber auch die EU-Kommission lässt einen auch bei hochsommerlichen Temperaturen immer wieder schaudern.

Die jüngsten Beispiele von EU-Skurrilitäten

  • Das EU-Parlament, genauer: sein Rechtsausschuss will, dass bei jedem kommerziellen Foto oder Video (im Fernsehen, in Zeitungsfotos, in Wikipedia . . . ), auf dem ein Gebäude zu sehen ist, vor der Veröffentlichung der Architekt oder dessen Erben um Erlaubnis zu fragen sind! Nach Ansicht von Juristen wird man damit künftig auch bei jedem Foto auf Facebook, das ein Gebäude zeigt, den Architekten fragen müssen. Da erübrigt sich jeder Kommentar.
  • Europaweit soll das Telephonieren in anderen EU-Ländern (Roaming) genauso billig werden wie im Inland. Das klingt aufs erste gut – freilich dann schon viel weniger, wenn man bedenkt, dass sich die Telekom-Firmen das beim Roaming entgehende Entgelt bei den Inlandstarifen zurückholen werden. Dass also das Roaming de facto eine Umverteilung zu Lasten jener ist, die sich keine Auslandsreisen leisten können. Und endgültig negativ muss man die neuen Regeln sehen, wenn man entdeckt, dass diese vor Ungenauigkeiten nur so wimmeln. Denn wer „häufiger“ im Ausland telephoniert, muss doch weiterhin mehr zahlen – aber nirgendwo wird definiert, was „häufiger“ ist. Auch „höhere Kosten“ können dem Kunden weiter verrechnet werden – was auch immer dies konkret heißen mag. Außerdem sollen „bestimmte Dienste“ im Netz Vorrang erhalten dürfen – was auch immer diese wiederum sein mögen.
  • Das Roaming-Chaos und die vielen völlig unklaren Bestimmungen erinnern ganz stark an früheren Pfusch: bei europäischen Glühlampen- oder Mehrwertsteuerregulierungen; oder bei österreichischen Rauchverboten (vom bevorstehenden Steuerpaket und Strafgesetz-Pfusch gar nicht zu reden).
  • Schwer danebengegangen ist vor einigen Tage auch eine neue Richtlinie zu Pauschalreisen. Diese wird einen Rattenschwanz an Rechtstreitigkeiten auslösen. Das ist für ein Tourismus-Land besonders schlimm! Es wird vor allem um die undefinierte Frage gehen: Was ist überhaupt eine jetzt regulierte Pauschalreise und was nicht? Sogar der österreichische Wirtschaftsminister hat den Mut gefunden, diese neuen EU-Regeln zu kritisieren (was sehr lobenswert wäre, wenn er nicht selbst vorher an neuen Belastungen für den heimischen Tourismus mitgewirkt hätte).
  • Die neuen EU-Bankenabgaben belasten eine ohnedies schon labile Branche enorm. Allein in Österreich kosten sie zusammen mit der eigenen neueingeführten Bankenabgabe die Geldinstitute eine runde Milliarde. Wer sieht, dass in Griechenland in den letzten Tagen vier Geldinstitute de facto bankrott gegangen sind, der wird das vielleicht – bei aller populistischer Lust am „Haut die reichen Banken“ – doch nicht ganz so toll finden. Banken sind halt doch nicht endlose Bankomaten. Wenn sie hinten kein Geld mehr haben, können sie auch vorne keines mehr ausspucken (zugegeben: Das ist für Werner Faymann schon höhere Ökonomie, aber in der EU hätte ich doch gehofft, dass ein paar Menschen das begreifen).

Wir sehen: Selbst wenn die griechische Tragödie nun wenigstens am Ende mit einem positiven Lernerfolg der Euro-Gruppe zu Ende gehen könnte, haben die anderen EU-Gremien noch gar nichts dazugelernt. Wenn sie das nicht bald tun, wenn sie sich nicht endlich die Dauerproduktion immer neuer Gesetze und ihre Regulierungswut abgewöhnen, dann wird es bald auch für die EU „zu spät“ sein.

Und das wäre gar nicht gut, weil die ursprüngliche EU der Freiheit eines riesigen Binnenmarktes so ziemlich die beste Erfindung seit der Dampfmaschine war.

 

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