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Direkte Demokratie: nur noch ein sehr kleines Hurra

Die Koalition wollte die zwei bedeutendsten Änderungen der Verfassung seit dem EU-Beitritt im Eilverfahren durchpeitschen. Also in der parlamentarischen Torschlusspanik ohne ordentliche Begutachtung. Bei der – in jeder Hinsicht überflüssigen – Gesetzesbeschwerde hat sie das auch getan, noch dazu unter ganz üblen Begleitumständen. Bei der – in jeder Hinsicht notwendigen – Einführung eines Stückchens direkter Demokratie hat sie im letzten Moment unter Druck einiger alter Großjuristen hingegen dann doch noch einer Begutachtung zugestimmt. Begutachtungen sind an sich immer positiv. Aber man muss im konkreten Fall sehr aufpassen, dass dabei Machtlobbyisten nicht noch eine weitere Einschränkung der ohnedies nur noch sehr marginalen Erweiterung der Bürgerrechte durchdrücken.

Begutachtungen sind bei Reformen an sich immer gut und wichtig. Durch das gemeinsame Nachdenken ohne Zeitdruck können meistens Formulierungen und Regelungen verbessert werden. Dies gilt zumindest dann, wenn die Gesetzesmacher zuhören, und wenn es nicht nur um das Durchsetzen von Lobbies geht, die sich lieber hinter den Kulissen verbergen.

Umso erstaunlicher, ja skandalöser war bei der Gesetzesbeschwerde, dass die endgültige Fassung der Verfassungsänderung überhaupt erst unmittelbar vor der Abstimmung vorgelegt wurde. Damit ging sie sowohl an Begutachtung wie auch am zuständigen Ausschuss vorbei.

Zugleich kann kein Mensch erklären, warum dieses Projekt überhaupt so dringlich gewesen sein soll. Immerhin kann dadurch künftig jede Prozesspartei parallel zum Instanzenzug ihre Causa auch noch zum Verfassungsgericht tragen. Das wird fast immer zu einer Verzögerung von Verfahren führen – obwohl die Politik bei anderen Gelegenheiten immer erklärt, im Interesse des ohnedies bedrohten Wirtschaftsstandorts Österreich eigentlich das Gegenteil anzustreben.

Die Einführung von mehr direkter Demokratie, also die zweite tiefgreifende Verfassungsänderung, ist ein Garant gegen solche Huschpfusch-Gesetze. Denn in allen Ländern mit direkt demokratischen Instrumenten wirkt die Phase vor dem Referendum mit öffentlichen Diskussionen versachlichend und beruhigend. Es ist immer wieder beeindruckend, wie nüchtern etwa in der Schweiz von den Medien alle Pro- und Kontra-Argumente dargelegt und abgewogen werden. Und auch die Parteien müssen endlich lernen, dass es bei einem Referendum um die Sache und nicht um einen Politiker (beispielsweise um den einst angekündigten Rücktritt Bruno Kreiskys) geht.

Auch die – eigentlich aus populistischen Motiven angeordnete – Bundesheerabstimmung hat bei den Österreichern solche Abwägungen in breiter Front ausgelöst. Bei den Wählern noch mehr als bei den Medien, die Abstimmungen so wie die Parteisekretariate als parteipolitische Angelegenheit behandeln. Das sind sie aber nur noch für einen kleinen Prozentsatz der Bürger. Diese haben im Winter hingegen weitestgehend sachlich, nicht parteipolitisch, über das Heer nachgedacht. Und dann entschieden.

Kann das Volk „falsch“ entscheiden?

Dennoch äußern nach wie vor viele Politiker und Beamte Einwände gegen die direkte Demokratie: Sie warnen vor allem davor, dass das Volk in dieser oder jener Frage „falsch“ entscheiden könnte.

Das aber ist ein skandalös provozierender Einwand. Denn er geht davon aus, dass irgendjemand weiß, was „falsch“ oder „richtig“ sei. Aber die Demokratie ist nicht zuletzt deshalb entstanden, weil man erkannt hat, dass niemand dieses Wissen hat. Dieser Einwand versucht dennoch, die politische Klasse moralisch und intellektuell über das zu bevormundende Volk zu erheben. Motto: „Wir wissen‘s besser.“

Das ist reine Anmaßung, und hat auch keine Grundlage in der Verfassung oder in der Rechtsphilosophie. Dahinter verbirgt sich höchstens der Gesinnungsterrorismus der Political correctness. Diese Haltung verwandelt den alten Scherz über die Verfassung in beklemmende Wirklichkeit: Das Recht geht vom Volk aus, aber es ist nie wieder zum Volk zurückgekehrt; denn eine herrschende Mandarinen-Klasse hat es sich inzwischen angeeignet.

Diese hält das Volk für ungeeignet, seine eigenen Angelegenheiten zu regeln. Sich selber hält diese Klasse hingegen für geeignet. Die wahren Motive sehen freilich ein wenig anders aus, wenn man mit Abgeordneten privat redet: Bei ihnen hört man primär egoistische und geradezu primitive Bedenken. Etwa des Inhalts, dass bei den Referenden dann die Politikerbezüge reduziert würden.

Das Versagen der repräsentativen Demokratie

Die Behauptung der Überlegenheit repräsentativdemokratischer Abstimmungen wird durch die Realität jedenfalls total ad absurdum geführt. So schlechte, so überflüssige, so populistische, so viele nachhaltig zum ökonomischen und gesellschaftlichen Kollaps führende Gesetze, wie sie die repräsentative Demokratie in den letzten Jahren produziert hat, bringt das Volk nie und nimmer zusammen.

Die Staatsschulden oder der Zustand der Universitäten oder das gesunkene Pensionsantrittsalter oder die vielen verfehlten Schulreformen oder die teure Rettung von Hypo und Kommunalkredit oder die Aufblähung der bürokratischen Regulierungsmenge oder wahnsinnige Regelungen wie das Grundeinkommen für jeden: All diese Beispiele zeigen ein völliges Versagen der repräsentativen Demokratie.

Diese bemüht sich ständig eilfertig, vermeintlichen Wünschen der Bevölkerung entgegenzukommen. Dabei hätten die Bürger das meiste nie beschlossen, wenn sie selbst die Letztverantwortung hätten. Und dort, wo sich die Bevölkerung für eine erkennbare Schimäre engagiert, tun die repräsentativen Politiker aber auch gleich mit. Siehe etwa die Neutralitätsdebatte.

Und jedenfalls ist eine Bevölkerung immer viel eher bereit, Gesetze anzuwenden und zu akzeptieren, wenn sie diese selbst beschlossen hat.

Man kann übrigens die um das eigene Überleben bangenden Politiker trösten: Das Parlament bleibt ohnedies in allen Fällen das entscheidende Gremium, wo niemand die vielen Unterschriften für ein Referendum zustandebringt. Daher werden die meisten Aufgaben der Parlamentarier weiterlaufen – aber vielleicht mit mehr Nachdenken verbunden, ob man auch gut begründet agiert.

Faktor 6: Das verwässerte Schweizer Muster

Eine Reform nach Schweizer Muster wäre absolut richtig. Schwarz, Blau und meist auch Grün sind ja auch von diesem Ziel ausgegangen. Also: verpflichtende direktdemokratische Abstimmungen im Falle einer erfolgreichen Unterschriftensammlung für ein neues Gesetz. Aber inzwischen ist unter dem Druck der SPÖ und einiger schwarzer Bedenkenträger das Projekt schon stark verstümmelt worden.

Die öffentliche Kritik an dieser Verstümmelung konzentriert sich vor allem auf die Festlegung einer sehr hohen Grenze für die notwendige Unterschriftenzahl. Die Kritik ist berechtigt, wird aber noch übertroffen durch die bisher kaum debattierten Defizite.

10 beziehungsweise 15 Prozent der Wähler sind jedenfalls eine gewaltige Menge, die man binnen einer Woche in die Amtsstuben bringen muss, damit sie dort das einleitende Volksbegehren unterschreiben (und sich dabei vor politisch vielleicht andersdenkenden Funktionären outen müssen!). In der Schweiz sind hingegen nur 50.000 beziehungsweise 100.000 Unterschriften nötig. Also maximal ein Sechstel.

Sechs Monate versus eine Woche

Noch viel schlimmer fällt der Vergleich in Hinblick auf den Zeitraum aus: Die Schweizer haben ein halbes Jahr Zeit, um die nötigen Signaturen zu sammeln. Bei uns gibt es nur eine Woche.

Noch schlimmer und ärgerlicher ist die umfangreiche Liste der Bereiche, über die nicht abgestimmt werden darf. Diese Problematik ist bisher (im Gegensatz zum hohen Unterschriftenquorum) nicht einmal den Kritikern des Regierungsentwurfs richtig aufgefallen.

Dabei geht es vor allem um das EU-Recht. Während es noch nachvollziehbar ist, dass gegen dessen Geltung nicht wirklich sinnvolle Referenden möglich sind, wäre das bei der Frage der Schaffung neuen EU-Rechts sehr wohl möglich. Über solche neuen EU-Gesetze (Richtlinien oder Verordnungen) bestimmen im Rat einzig und allein die zuständigen Ressortminister. Innerösterreichisch kann jedoch das österreichische Parlament das Abstimmungsverhalten dieses Ministers durch einen Beschluss vorweg auch inhaltlich festlegen.

Viel weniger Rechte als Parlament

Provozierenderweise sollen die Bürger das laut Entwurf jedoch nicht können. Direkte Demokratie hin oder her. Dabei geht es wirklich um Wichtiges: Minister im EU-Rat können im Alleingang zusammen mit ihren 27 Kollegen aus den anderen Ländern Gesetze für die ganze EU genehmigen oder blockieren.

Minister sind also via EU viel mächtiger als innerösterreichisch. Hier brauchen sie auch für die lächerlichsten Dinge die Einstimmigkeit der ganzen Regierung. Daher wäre es absolut logisch, dass Minister bei ihrer wichtigen europäischen Gesetzgebungstätigkeit künftig durch Referenden zwingend gebunden werden können.

Wenn man die direkte Demokratie ernst und nicht nur als Augenauswischerei versteht, dann muss künftig das Volk dieselben Möglichkeiten wie das Parlament bekommen. Das heißt aber umgekehrt auch, dass jene Pflichten, die man - zu Recht - dem Volk auferlegen will, künftig auch fürs Parlament gelten sollen. Das gilt insbesondere für die Pflicht, einen Bedeckungsvorschlag vorzulegen, wenn das Volk etwas beschließt, was zu höheren Ausgaben führt.

Quorum bei Verfassungsgesetzen um 50 Prozent höher

Noch ein schweres Manko der derzeit kursierenden Entwürfe: Sie beschneiden die Rechte des Volkes bei Verfassungsgesetzen zusätzlich. Bei diesen soll das Quorum für eine erfolgreiche Einbringung noch um 50 Prozent höher sein. Auch das hat keinerlei Berechtigung. Denn im Parlament braucht es ja auch nicht mehr Abgeordnete als sonst, um eine Verfassungsänderung vorzuschlagen. (Die „Verfassungsmehrheit“ ist nur bei der Abstimmung, nicht aber bei der Einbringung nötig).

Neuerlich kann man das nur als Machtdünkel der Politik interpretieren, die das Volk auch künftig von Entscheidungen möglichst fernhalten will.

Außerdem schafft sich das Parlament laut dem Entwurf die Möglichkeit, durch fünfmonatige Ausschussberatungen und Verhandlungen den Antrag wieder zu verwässern. In der Schweiz ist hingegen eine Volksabstimmung ein automatisches Muss, wenn das Parlament nicht zur absoluten Gänze dem von den Bürgern begehrten Entwurf zustimmt.

Die Schweiz kennt den VfGH gar nicht

Zugleich wollen Rot und Schwarz die Bundeswahlbehörde sowie den Verfassungsgerichtshof bei solchen Verwässerungen durchs Parlament in eine Schiedsrichterposition bringen. Der VfGH ist jedoch ein auf Jahrzehnte absolut unaufbrechbares Machtrefugium von Rot und Schwarz. Alle Verfassungsrichter sind ausschließlich auf einem Ticket einer dieser beiden Parteien dort hineingesegelt. Damit haben Rot und Schwarz auf Jahrzehnte einen starken Hebel in der Hand.

Wenn man Schweizern diese Macht des VfGH erklärt, schütteln sie nur entgeistert den Kopf. Kennen Sie doch eine solche Institution gar nicht. Das einzige, was es dort gibt, ist das Recht der Regierung, zu einer Volksabstimmung ihre Meinung öffentlich zu sagen und dann eventuell neben der eingebrachten Formulierung den Bürgern auch noch eine eigene zur Abstimmung vorzulegen.

In Österreich hingegen wird dieser Souverän behandelt wie ein Kindergartenkind, das man ständig fest an der Hand halten muss.

Menschenrechte: Der Hebel zum Richterrecht

Die allergrößte Einschränkung der Bürgerrechte liegt aber im Bereich der so selbstverständlich erscheinenden Menschenrechte. Unter diesem positiv klingenden Titel haben sich jedoch die obersten Richter Österreichs und Europas Schritt für Schritt ein unglaublich weitreichendes Gestaltungs- und Einmischungsrecht geschaffen. Längst gilt in Österreich dadurch in hohem Ausmaß Richterrecht – total an Geist und Buchstaben der Menschenrechtskonvention und der Verfassung vorbei. Diese hat ja die die Schaffung von neuem Recht eigentlich exklusiv dem Gesetzgeber vorbehalten.

Die Schöpfer der Verfassung haben aber die expansive und machtbewusste Partisanentaktik von Richtern unterschätzt. Fast in ganz Europa haben sie ihre Macht ständig ausgeweitet. Dadurch nähert sich die europäische Realität immer mehr den USA an. Dort sind es ja auch die Richter und nicht der eigentlich gewählte Kongress, die über fundamentale Fragen wie Schwulenehe oder Abtreibung entscheiden.

Da aber die Parlamente der eigenen Entmachtung jahrzehntelang tatenlos zugesehen haben, sind nun offenbar auch die (hoffentlich künftig) direktdemokratisch entscheidenden Stimmbürger hilflos entrechtet.

Besser als gar nichts

Dennoch, trotz all dieser Einwände, lautet das Fazit: Es wäre noch immer besser als gar nichts, wenn es wenigstens zu dieser stark reduzierten Form der direkten Demokratie kommt. Sie ist immer noch besser als der Istzustand. Mit hoher Wahrscheinlichkeit würden nämlich die Bürgerrechte bei einem Scheitern dieses Anlaufs auf Jahrzehnte nicht erweitert werden. Und so bekommen die Bürger wenigstens den Fuß in die Türe.

Womit wir die absurde Situation haben: Eine längere Begutachtungsdiskussion wäre zweifellos sehr gut. Die ist aber nicht möglich, weil die SPÖ-Fraktion den direktdemokratischen Wunsch aller anderen Parteien extrem lange, also bis knapp vor die Wahlen, sabotiert hat. So müssen wir uns halt mit einem suboptimalen Mitbestimmungsrecht begnügen.

Aber dennoch ist es besser, wenn jetzt wenigstens der erste Schritt zur Realität wird. Denn die Politik scheint ja nur vor Wahltagen zu Machtkonzessionen bereit. Im einstigen Heiligen Römischen Reich hießen diese übrigens Wahlkapitulationen…

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