Allgemeine Dienstpflicht – oder was sonst?

Der Startschuss zur nachhaltigen Diskussion und Volksbefragung um die Wehrpflicht, in Wahrheit um die Allgemeine Dienstpflicht (ADP), war unüberhörbar. Worum geht es?

„Gestern“ war es noch ganz anders; in Österreich gab es eine Wehrpflicht für männliche Staatsbürger, wer sich „drückte“, war ein Wehrdienstverweigerer. Über den Wehrdienst ohne Waffe ging der Weg zur Allgemeinen Dienstpflicht mit Wehr- und Zivildienst. Zunächst in Frage gestellt, findet sie heute allgemein Akzeptanz.

Der Zivildienst dient dem Sozialen im Inland und der Entwicklungshilfe im Ausland; der Wehrdienst wiederum den militärischen Aufgaben, dem Katastrophen- und Objektschutz im Lande sowie der Friedenssicherung im Ausland; zwei Drittel der Entsandten haben den Wehrdienst absolviert. Beide dienen also dem Gemeinwohl. Wir erlebten einen beispielhaften Prozess demokratiepolitischer Reife:  Die ADP hat staats- und gesellschaftspolitische Bedeutung erlangt. Wehr- und Zivildienst sind in ihr untrennbar verbunden, ein Ganzes, um das es schade wäre, wenn es – aus welchen Überlegungen immer – ruiniert würde.

Drei Millionen Österreicher sind nämlich ehrenamtlich und freiwillig tätig; eine Leistung von elf Milliarden Euro. Dienen nur 30 Prozent davon direkt dem Gemeinwohl der Sicherheit, ergibt sich über die unmittelbare Aufgabe und den Sozialisierungs- bzw Bildungseffekt hinaus auch eine budgetrelevante Größenordnung. Zudem kommen viele erst nach Ableisten der ADP auf den Gedanken, sich für die Gesellschaft freiwillig zu engagieren; ohne ADP würde die breite Werbebasis wegfallen.

Würden all diese Leistungen von heute auf morgen eingestellt werden, kollabierte das System von den Sanitätstransporten bis zu den friedenserhaltenden UNO-Auslandseinsätzen.

Für den Fall einer Volksbefragung, wenn also die politischen Verantwortlichen nicht entscheiden, wird zumindest Redlichkeit vorrangig; das heißt vollständige und sachliche Information der zu Befragenden; die Medien hätten im staatspolitischen Interesse sachlich zu berichten.

Naturkatastrophen außergewöhnlichen Umfanges oder von Menschen verursachte Desaster nehmen zu; reine Berufs/Freiwilligensysteme stoßen rasch an ihre Grenzen; bei gleichbleibenden Kosten würde die Leistungsmenge geringer; auch wären qualifizierte Profis im Niedriglohnbereich schwer zu finden.

Dazu kommt, dass unabhängig von der Sicht des Einberufenen Wehr- und Zivildienst eine Werteorientierung – und damit soziale, also christliche Wurzeln – haben, nämlich das Gemeinwohl, wie übrigens auch die Menschenrechte. Beim Berufsheer sind Geldverdienen, Abenteuer und Selbstverwirklichung vorherrschende Motive, die auf ein wertneutrales, neoliberales Weltbild hinweisen.

Objektive Daten lassen erkennen, dass es bei der Wahl eines Landes zwischen Dienstpflicht und Berufsfreiwilligkeit kein Richtig oder Falsch, sondern nur ein Besser oder Schlechter gibt. Für Österreich wäre das Beibehalten einer neu zu gestaltenden Pflicht die bessere Lösung; aus ihr können – wie bedingt schon jetzt – Freiwilligkeit und Berufskomponente wachsen.

Conclusio: Wenn eine Volksbefragung schon sein muss, ist zumindest manipulierte Information  hintanzuhalten. In Konsequenz ist das „Volk“ nach dem Ganzen zu fragen, nach dem Abschaffen oder dem Beibehalten der Allgemeinen Dienstpflicht für Männer, also der Wehrpflicht und des Zivildienstes in ihrer Bedeutung für unsere Gesellschaft; um letzteres bemühen sich unter anderem Salzburgs Landeshauptmann und Bürgermeister. Die Beantwortung sollte im vollen Bewusstsein der Konsequenzen erfolgen können. Allfällige Umsetzungsmaßnahmen haben sich im Rahmen der Verfassung zu bewegen.

Ernest König ist ehemaliger Kommandant der Landesverteidigungsakademie.

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