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Acht üble Heucheleien

Es sind immer wieder Aussagen der Politik, aber auch der Medien, die zornig machen. Weil diese Aussagen klare Heuchelei sind. Weil sie zeigen, dass man Politikerworte nicht ernst nehmen darf und viele Journalisten schon gar nicht. Weil Politiker zu 90 Prozent nicht das sagen und tun, was notwendig und richtig ist, sondern das, wovon sie glauben, dass es gut ankommt. Womit sie aber in Wahrheit gar nicht gut ankommen, weil die Menschen immer mehr merken, dass ihnen nur nach dem Mund geredet wird.

Im Einzelnen:

Der Ungarnhasser Kogler

Der grüne Vizekanzler hat im ORF sehr erfreut davon gesprochen, dass Österreich für die illegalen Migranten mittlerweile in erster Linie ein Transitland geworden ist. Seine Botschaft: Deshalb sei das Flüchtlingsproblem für Österreich eh nicht so schlimm, wie manche glauben.

Bei solchen Äußerungen bleibt einem der Mund offen. Denn zahllose Male haben sich die Grünen – und etliche andere Politiker – maßlos darüber aufgeregt, dass Ungarn als Transitland agiere und die Migranten auf dem Weg nach Österreich einfach durchwinke. Das wurde immer wieder als Beweis auf den Tisch gelegt, was für ein übles und unglaubwürdiges Land das konservativ regierte (in der Diktion der Grünen: rechtsextreme) Ungarn denn sei.

Jetzt macht Österreich haargenau dasselbe mit den hereinströmenden asiatischen und afrikanischen Massen – und plötzlich findet man kein Wort der Kritik oder des Bedauerns oder der Reue dafür. Für Österreich gilt bei dem gleichen Sachverhalt wie in Ungarn: eh alles in Ordnung.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: In beiden Fällen ist das Durchwinken nicht in Ordnung, sowenig es in den anderen Ländern weiter östlich oder südlich in Ordnung ist, wo die Migranten vorher durchmarschiert sind. Auch EU-rechtlich ist das verboten. Aber Ungarn hat wenigstens durch Bau einer Grenzbefestigung versucht, das Problem in den Griff zu bekommen. Das hat zwar nur eine Teillösung gebracht – aber auch die hat den Ungarn gleich die nächste wütende moralistische Kritik von den Grünen und anderen Linken gebracht.

Bei uns dürfen und sollen die illegalen Migranten nach grüner Ansicht offenbar ungehindert durchziehen. Bei uns ist das dann nicht mehr völker- und europarechtswidrig. Da freut sich Herr Kogler sogar darüber. Sollen halt die Deutschen ihre Probleme mit den Migranten haben, solange wir sie wieder los sind (was ohnedies leider nur sehr teilweise zutrifft!). Wenn Ungarn dasselbe macht, ist das jedoch ein Beweis für Faschismus, Bösartigkeit und Rechtsextremismus.

Wie kann man nur so doppelbödig sein?

Der Inflationskämpfer Hoyos

Der zweite, bei dem eine seltsame Äußerung nicht untergehen sollte, ist der pinke Abgeordnete Hoyos: Österreich habe die höchste Inflation in Europa; das müsse sich ändern "und zwar rasch".

Gewiss: Aus sozialistischem Mund ist man solche Äußerungen längst gewöhnt. Nur hatte man bei den Neos – so links sie gesellschaftspolitisch auch sind – doch immer Restbestände an ökonomischer Vernunft, also an Wirtschaftsliberalismus gewähnt. Solche Äußerungen sind jedoch primitivster Linkspopulismus und könnten keinem wirklich Liberalen über die Lippen kommen.

Denn es gibt nur vier Möglichkeiten, "rasch" die Inflationsrate zu senken:

  • Erstens, die Wiedereinführung von Preisregelungen, wie es sie in der Nachkriegszeit gegeben hatte, also von amtlichen Preisen, die unter dem Marktpreis liegen: Diese führen mit absoluter Sicherheit entweder zur Entwicklung eines Schwarzmarktes oder dazu, dass ein zwangsweise unter dem Marktpreis zu verkaufendes Produkt bald in den Geschäften nicht mehr leicht oder gar nicht mehr erhältlich ist, weil die Produzenten das Produkt anderswo verkaufen, wo sie den Marktpreis bekommen, oder weil sie es zu diesem Preis überhaupt nicht mehr erzeugen wollen und können. Diese Konsequenzen sozialistischer Wirtschaftspolitik haben Millionen unter dem Kommunismus lebende Menschen viele Jahrzehnte lang erdulden müssen. Will Herr Hoyos nun auch uns diese Folgen erleben lassen?
  • Zweitens, Lohn- und Pensionskürzungen. Ganz eindeutig ist die herbstliche Lohnrunde in Österreich viel zu hoch gewesen und hat deshalb die Preisspirale angetrieben. Lohnkürzungen hätten zwar eine inflationsdämpfende Hebelwirkung, wären aber ein massiver Eingriff in die Autonomie der Sozialpartner. Sie würden wohl zu einer Beinahe-Revolution und jedenfalls einem Generalstreik führen. Sie werden daher von niemandem ernsthaft vorgeschlagen.
  • Drittens, Rücknahme der österreichischen Steuersenkung. Denn diese hat trotz der hohen Zinsen bis auf den Bau und die Industrieinvestitionen dafür gesorgt, dass die Nachfrage und damit der Preisdruck höher ist als in einigen anderen Staaten. Wollen die Neos das?
  • Und viertens, Preisstützung aus Budgetmitteln, wie beim  Haushaltsstrom. Preisstützungen führen jedoch immer dazu, dass einerseits mit einem auf dem internationalen Markt knapp gewordenen Gut (wie es der Strom nach Schließung der deutschen Atomkraftwerke trotz Verschandelung halb Europas mit Windmühlen und Solarpaneelen ist) verschwenderisch umgegangen wird, oder dass es gar ins Ausland teurer – eben zu den Marktpreisen – weiterverkauft wird. Und dass überdies die ohnedies viel zu große Staatsverschuldung noch größer wird.

Eigentlich sollten Menschen mit wirtschaftlichem Sachverstand die von SPÖ-nahen Quellen mit Entsetzensrufen verbreitete Tatsache, dass wir zuletzt die höchste Inflationsrate hatten, primär in den notwendigen Zusammenhang stellen. Denn dann würde man sehen, dass sich die statistischen Zacken über mehrere Monate und Jahre gesehen deutlich glätten. Und wenn wir eine unterdurchschnittliche Inflation haben, schreit ja auch niemand nach mehr "Feuer!"

Etliche Länder mit zuletzt niedrigerer Inflationsrate haben genau das getan, was ein wirklich liberal denkender Mensch eben nie tun würde: Sie haben massiv Schulden gemacht, um die Preise zu subventionieren. Ein liberal denkender Mensch wüsste im Unterschied zu Herrn Hoyos, dass Schulden auch zurückgezahlt werden müssen, dass für sie überdies Zinsen zu zahlen sind; und dass sie die künftige Entwicklung eines Landes viel mehr schädigen, als kurzfristige Preisreaktionen es tun.

Die Neutralitätsschützer

Das bringt uns zur dritten österreichischen Heuchelei. Die aber ist die größte und gefährlichste, weil sie geradezu zur Staatsräson geworden ist. Das ist die von fast allen Parteien und Politikern immer wieder ausgestreute und daher von noch immer vielen Menschen geglaubte Behauptung, dass die Neutralität irgendeinen positiven Nutzen für Österreichs Sicherheit und Unabhängigkeit hätte.

Was, wie hier schon mehrfach dargelegt, absoluter Nonsens ist. Was zweifellos auch viele in der Politik wissen. Aber sie behaupten es weiterhin, weil die Mehrheit der Bevölkerung noch immer an die Neutralität glaubt. Und die Menschen glauben deshalb daran, weil es ihnen von der Politik und den Schulen so vermittelt worden ist. Und die Politik vermittelt es immer weiter, weil viele in der Bevölkerung an die Neutralität glauben. Und in der Bevölkerung glauben viele deshalb daran, weil … usw.

Die Pensionsschützer

Die vierte nationale Heuchelei ähnelt dieser. Das ist der Glaube, dass das gegenwärtige viel zu niedrige Pensionsantrittsalter nicht angerührt werden dürfe, weil man sonst die Wahlen verliert. Die ÖVP hatte diesbezüglich zuletzt während der Regierungszeit von Wolfgang Schüssel noch die Wahrheit zu sagen gewagt und einige kleinere Pensionsreformen durchgesetzt. Heute geht auch sie der inzwischen weiter gewachsenen Notwendigkeit einer großen Pensionsreform aus dem Weg. Denn sie meint – irrigerweise –, deswegen die Wahl 2006 verloren zu haben (Das hatte ganz andere Gründe: vor allem den Glauben vieler Wähler, Schüssel würde eh die Wahl gewinnen und es ginge nur noch darum, welche Partei sein Koalitionspartner sein werde und daher zu stärken ist). Heute sagen in Sachen Pension nur noch bisweilen die Neos die Wahrheit, sonst niemand.

Dabei wissen sie alle genau, dass das Ignorieren der Reformnotwendigkeit pure Heuchelei ist. Dieses Ignorieren muss in absehbarer Zeit – aber erst nach den nächsten Wahlen, also dem einzigen Interessenspunkt der politischen Klasse, – zu einem Kollaps des Pensionssystems und/oder der Staatsfinanzen nach italienischem, griechischem oder argentinischem Muster führen.

Der Mordanstifter

Fünftens: Das hat eigentlich längst schon die Grenze von der Heuchelei zur Anstiftung zum Mord überschritten. Der linksradikale deutsche Agitator Jan Böhmermann (für den die deutschen Gebührenzahler alljährlich 651.000 Euro blechen müssen!) forderte wörtlich dazu auf: " … vielleicht einmal ein paar Nazis keulen." Da für die Linke jedenfalls alle rechts von der CDU, wenn nicht auch deren Wähler selber, Nazis sind, ist völlig klar, gegen wen sich dieser Mordaufruf richtet.

Wieder muss man sich vorstellen, was wäre, wenn etwa ein AfD- oder CDU-Mann so etwas gesagt hätte! Der säße heute schon in Untersuchungshaft. Bei Böhmermann werden sie wohl wieder heucheln: Das sei ja nur Satire gewesen.

Der Detektiv, der einen Mörder sucht

Als sechster Heuchler tritt uns wieder einmal Andreas Babler entgegen. Der SPÖ-Vorsitzende erklärte zur Ermordung von Alexej Nawalny: Diese mache "eine unabhängige Untersuchung notwendig".

Geht’s noch? Zählt Babler jetzt wieder (oder noch immer) zu den großer Russlandverstehern?  Oder ist der Mann wirklich so dumm, dass er ernstlich glaubt, im Putin-Reich wäre eine unabhängige Untersuchung möglich? Aber vielleicht fordert er ja als nächstes auch eine unabhängige Untersuchung, wer eigentlich an den mutmaßlichen Todesfällen in Auschwitz schuld gewesen sei …

Die Säuberungsbejubler

Die siebente Heuchelei ist zwar auch in anderen Ländern verbreitet, wird aber besonders in Österreich von Politik und Medien intensiv betrieben: In Polen schmeißt die neue Regierung sowohl die Führung der Geheimdienste wie auch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als erste Aktion hinaus. Dennoch jubeln alle der Regierung Tusk lautstark zu.

Gar nicht vorstellbar, welche Aufregung in den österreichischen und europäischen Medien aber auch in Parteisekretariaten herrschen würde, sollte eine schwarz-blaue Regierung nach der nächsten Wahl dasselbe tun. Dann wäre in Pressekonferenzen und Leitartikeln zumindest das Ende von Demokratie und Rechtsstaat erreicht. Macht dasselbe hingegen eine linksliberale pro-EU-Regierung, dann jubeln alle. Und die EU denkt nicht daran, gegen Polen ein Verfahren wegen Verletzung des Rechtsstaats anzustrengen. Sondern sie hat statt dessen gleich eine Sonderladung Geld nach Warschau geschickt.

Die Ukraine-Helfer

Achtens: Die deutsche Koalition hat wieder einmal ein Hilfspaket an Waffen für die Ukraine beschlossen. Doch ausgerechnet das, was die Ukrainer am dringendsten erbeten haben, wird nicht geliefert: Das sind Taurus-Marschflugkörper. So kann man vorheucheln, dem geschundenen Land zu helfen. Und hilft ihm dennoch nicht wirklich.

Damit sei für heute Schluss. Zuviel Heuchelei löst einen zu intensiven Brechreiz aus.

PS: Eine weitere Mega-Heuchelei habe ich dieser Tage in einer TV-Sendung gehört – finde sie aber nicht wieder. Da hat meiner Erinnerung nach eine angebliche Journalistin zu einem Politiker gesagt: "Weichen Sie nicht auf die Sachebene aus." Wer kann da aushelfen und die Quelle nennen?

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