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Erpresser besiegen die Demokratie

Es ist eine der schlimmsten Entscheidungen, in die politische Verantwortungsträger hineingeraten können: Soll man, darf man, kann man, muss man einer Erpressung nachgeben, um das Leben von Geiseln zu retten, wenn die Erpresser Rechtswidriges wollen, wenn sie die Freilassung anderer, schon verurteilter Verbrecher wollen, selbst wenn an deren Händen Blut klebt? Auch jeder einzelne kann in ähnliche Entscheidungssituationen geraten, wenn er etwa mit einer Selbstmorddrohung konfrontiert ist. Das dramatischste Beispiel für dieses Dilemma ist zweifellos die Situation Israels, ganz besonders seit dem Terrorüberfall der Hamas auf israelische Dörfer und auf ein Musikfestival. Vieles deutet darauf hin, dass Israel die falschen Antworten auf Erpressung gegeben hat.

Vor allem tat es das schon im Jahr 2011.

Aber auch 2023 hat Israel zumindest teilweise der Hamas-Erpressung nachgegeben und im Gegenzug für die Freilassung eines Teils der Geiseln – so viel man weiß, allerdings nur von Frauen und Kindern – palästinensische Strafgefangene freigelassen. Diese waren wohlgemerkt alle von einem israelischen Gericht korrekt wegen konkreter Straftaten verurteilt worden, wobei diese Gerichte in anderen Verfahren durchaus auch angeklagte Palästinenser freigesprochen haben, also durchaus den Ansprüchen eines Rechtsstaats genügen.

Das stellt einen dramatischen Unterschied zur Behandlung der jüdischen Geiseln in den Händen der Hamas dar: Bei denen gibt es nicht einmal die Behauptung, dass sie ein Delikt begangen hätten (außer jenem, jüdisch zu sein, was in den Augen von Antisemiten und Israel-Feinden offenbar ein Delikt ist), geschweige denn einen fairen Prozess. Statt dessen erlitten sie in der Zeit der Geiselnahme Vergewaltigungen, Psychoterror und Folter, wie inzwischen aus den Berichten der Freigekauften klar hervorgeht.

Zusätzlicher Beweis einer deprimierenden Asymmetrie ist, dass der Tausch Geiseln gegen verurteilte Strafgefangene im Verhältnis 3:1 erfolgt ist, dass also Israel dreimal so viele schuldige Personen freigelassen hat, um eine unschuldige freizubekommen.

Diese Aktion ist also etwas ganz anderes als der Gefangenenaustausch zwischen Russland und der Ukraine, der oft vergleichend zur Rechtfertigung herangezogen wird. Dort wird Soldat gegen Soldat ausgetauscht; dort gibt es ein Tauschverhältnis 1:1.

Zeitsprung rund ein halbes Jahrhundert zurück: Damals hat vor allem der deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt ganz anders auf Geiselnahmen und erpresserische Flugzeugentführungen durch deutsche Linksextremisten der Baader-Meinhof-Bande, in linken Medien euphemistisch "RAF" genannt, reagiert (Diese waren übrigens damals bezeichnenderweise direkt mit palästinensischen Terroristen verbündet gewesen). Die Geiselnehmer wollten in deutschen Haftanstalten einsitzende Strafgefangene freipressen, die der gleichen Bande angehört hatten, aber von der Polizei nach schweren Verbrechen erwischt worden waren.

Schmidt lehnte damals jede Freilassung und Konzession an die Erpresser ab. Er nahm auch die von den Linksterroristen tagelang angedrohte Ermordung von Geiseln, etwa des hochrangigen Wirtschaftsfunktionärs Hanns Martin Schleyer, in Kauf. Schmidt gelang es dadurch – und durch eine jahrelange dichte Bewachung aller wichtigen deutschen Spitzenpersönlichkeiten –, den Linksterrorismus frustriert ins Leere laufen zu lassen und zu zerstören. Zwar finden sich bei Grünen und der (nun zerfallenden) Linkspartei Reste von Sympathien für jene damaligen Linksterroristen, die einst vor allem antikapitalistische Phrasen ausgestoßen haben. Aber zumindest in den Linksmedien sind inzwischen die einstigen Sympathien für den RAF-Terror verschwunden.

Dafür gibt es heute auf der Linken zwei neue Extremismus-Kerne. Das eine ist der bisher unblutig gebliebene Klimaterrorismus, der ebenfalls eindeutige Erpressungen und Nötigungen versucht. Das andere ist der in Deutschland durchaus schon blutig gewordene Anti-Rechtspopulismus, der in seinem Wahn glaubt, mit allen Mitteln gegen AfD und FPÖ kämpfen zu müssen und dürfen, weil das ein Kampf gegen Adolf Hitler beziehungsweise seine Wiedergeburt wäre. Das erinnert lebhaft an den Don Quixote der spanischen Literatur, der Windmühlen für seine Feinde hielt, gegen die er anfechten müsse.

Dieser Kampf des Linksextremismus hat schon mehrere AfD-Politiker schwer verletzt zurückgelassen (ohne dass die Mainstream-Medien ihnen viel Aufmerksamkeit oder gar Mitgefühl gewidmet hätten). Das hat reihenweise schon zu erpresserischen Drohungen gegen Hotels und Veranstaltungshallen geführt, denen schlimmes Unheil angedroht worden ist, wenn sie die gebuchten AfD-Veranstaltungen wirklich stattfinden lassen. Das hat nun auch ein Innsbrucker Hotel getroffen, das vor den linken Erpressungs-Drohungen prompt in die Knie gegangen ist und eine FPÖ-Veranstaltung abgesagt hat.

In all diesen Fällen fragt man sich immer betroffener: Wie untätig kann die Justiz das noch hinnehmen? Ist sie nur noch imstande, gegen Politiker rechts der Mitte mit aller Brutalität vorzugehen, weil diese im Chaos eines Parlamentsausschusses eine widersprüchliche Antwort gegeben haben? Beginnt die Krise des österreichischen Rechtsstaats gerade im Zentrum jener Institution, die einst geschaffen worden ist, ihn zu schützen?

All das gerinnt aber angesichts der Situation Israels zur Marginalität. Soll der Staat, der den Schutz von Juden als einen seiner Hauptzwecke hat, mörderischen Erpressern nachgeben, um einzelne seiner Bürger zu retten?

In Jerusalem hat man sich entschlossen, genau das zu tun, genau das neuerlich zu tun. Denn schon einmal hat man der Freilassung von nicht weniger als 1027 palästinensischen Häftlingen im Gegenzug für einen einzigen Soldaten zugestimmt. Das ist der 2011 bereits fünf Jahre lang in Hamas-Haft befindlich gewesene israelische Soldat Gilat Schalit gewesen, für dessen Freikommen sich zahlreiche Demonstrationen in Israel eingesetzt haben, was wiederum einen wachsenden Psychodruck auf die israelische Regierung ausgelöst hat, von der Devise "Keine Konzessionen an Geiselnehmer" abzugehen. Unter den Freigekommenen war auch der spätere Gaza-Chef der Hamas ...

Heute sind die folgenden Fragen zu beklemmenden, für Israel geradezu historischen, aber auch für die restliche zivilisierte Welt zentralen Gewissenskonflikten geworden:

  • Hat Israel durch sein damaliges Nachgeben nicht Mitschuld am nunmehrigen Tod von mindestens 1400 Menschen beim Terrorüberfall und am Leiden einer dreistelligen Anzahl von Geiseln in den Tunnels der Hamas auf sich geladen?
  • Hat man mit dem damaligen Nachgeben nicht klar signalisiert, dass man sich auch in Zukunft erpressen lassen wird?
  • Hat man nicht dadurch die Hamas überhaupt erst motiviert, solche Geiselnahmen neuerlich, und noch dazu in viel größerem Umfang zu versuchen?
  • Ist das Leben eines Soldaten den Tod von so vielen anderen Menschen wert?
  • Ist es nicht Pflicht eines Soldaten zur Verteidigung seiner Heimat und ihrer Einwohner, von Freiheit und Rechtsstaat auch selbst den Tod in Kauf zu nehmen?
  • Oder ist das Schicksal als Geisel schlimmer als der Tod?
  • Oder ging es dabei mehr um den von den Palästinensern während der Schalit-Jahre inszenierten Psychoterror mit seiner ganzen politmedialen Wirkung?

Helmut Schmidt hat jedenfalls noch gewusst, dass jedes Nachgeben gegenüber Geiselnehmern und Erpressern ein extrem hohes Risiko birgt, dass dadurch die gleichen oder andere Täter zu weiteren oft noch schlimmeren Verbrechen und Erpressungen motiviert werden. Wenn sich eine Gesellschaft einmal als erpressbar erweist, dann ist das klarerweise nicht mehr abschreckend.

Es gibt in Wahrheit nur zwei Fälle, wo man Erpressern gegenüber – egal ob sie Geiselnehmer sind oder etwa behaupten, die Hand am Zünder einer Bombe zu haben, – scheinbar nachgeben sollte.

  • Der erste Fall sind jene Situationen, in denen man weiß, dass trotz eines scheinbaren Nachgebens gegenüber Geiselnehmern (etwa nach einem Banküberfall) eine extrem hohe Chance besteht, die Täter mit welchem Trick immer zu erwischen.
  • Der zweite Fall sind jene Situationen, in denen man imstande ist, der Erpressung eine Gegenerpressung gegenüberzustellen, für die man aber Zeit braucht: Genau das hat Israel im Grund mit seinen verheerenden Angriffen gegen den Gaza-Streifen und gegen alle vermuteten Hamas-Stellungen ganz offensichtlich versucht. Es will ja nicht Gaza erobern und  noch mehr Araber unter seiner Verantwortung haben.

Das Ausland täte gut daran, das zu begreifen, statt als Opfer der arabischen Propaganda herumzumoralisieren, weil dabei auch unschuldige zivile Opfer ums Leben kämen.

Zugleich sollte man auch im Ausland zur Kenntnis nehmen: So unschuldig sind die Gaza-Einwohner in aller Regel nicht:

  • Sie haben einst durchaus demokratisch die schon damals als terroristisch bekannte Hamas gewählt (auch wenn sie nachher undemokratisch geworden ist).
  • Es gibt auch heute noch keine Spur eines erkennbaren Widerstandes oder irgendeiner Kritik aus dieser "unschuldigen" Zivilbevölkerung gegen die Hamas.
  • Und die angeblich so unschuldigen Gaza-Zivilisten haben am Straßenrand gejubelt und gehöhnt, als israelische Geiseln durch Gazas Straßen geschleppt worden sind.

Sie sind damit jedenfalls in einem relativ höheren Ausmaß in die Hamas-Aktionen verstrickt, als es die Mehrheit der Österreicher in die Verbrechen der Nazi-Zeit gewesen sind. Denn diese haben nie mehrheitlich die Hitler-Partei gewählt. Denn Österreichs Regierung hat sich bis zuletzt, wenn auch von aller Welt alleine gelassen, gegen einen Anschluss an Hitler-Deutschland gewehrt. Es hat eine erkleckliche Anzahl Österreicher gegeben, die in irgendeiner Weise Kritik oder manchmal, wenn auch selten gar Widerstand versucht haben. Und doch war und ist allgemeiner Konsens, dass die flächendeckenden Bombenangriffe gegen zivile Ziele in Österreich keine Kriegsverbrechen dargestellt haben, sondern hinzunehmender Teil eines Krieges gewesen sind.

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