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Karl im Glück

Plötzlich läuft es sensationell gut für Karl Nehammer und seine Volkspartei. Dazu hat nicht nur, aber auch das Video eines mehr als zwei Monate alten Auftritts des ÖVP-Chefs und Bundeskanzlers beigetragen, obwohl dieses eigentlich in böser Absicht von der gleichen Ecke wie das Ibiza-Video verbreitet worden ist. Der darob von SPÖ und ORF in schon bekannter Manier gestartete Angriffssturm nutzt der ÖVP und Nehammer mehr als alles, was die Schwarzen in den letzten Monaten krampfhaft versucht haben. Daran ändert es auch nichts, dass diese Attacke auf die ÖVP von allen Linksjournalisten zwischen Vorarlberger Nachrichten und oe24 mit Begeisterung weitergetragen worden ist (offensichtlich hat die Regierung im Unterschied zum Wiener Rathaus wirklich wie angekündigt ihre Inserate reduziert …). Daran ändert auch das Mittun der FPÖ nichts, die offensichtlich jedes Gespür für das, was die Menschen und gerade ihre eigenen Wähler fühlen, verloren hat. Zugleich gibt es auch noch weitere Lichtpunkte für die lange im Dunkel festgesteckten Schwarzen. Freilich: In den nächsten Tagen kommt wieder eine schlechte Nachricht auf die ÖVP zu.

Und diese schlechte Nachricht wird darin bestehen, dass binnen kurzem diese Kampagne ob des von einer linksradikalen Aktivistin an die Öffentlichkeit gespielten Videos wohl komplett wieder in Schubladen verschwinden wird. Denn mit hoher Wahrscheinlichkeit werden bald Umfragen zeigen, dass das Video und vor allem die inszenierte Aufregung Nehammer und der ÖVP genützt und nicht geschadet haben.

Die große Mehrheit der Österreicher ist nämlich absolut einig: Es gibt in diesem Land mit 200.000 offenen Stellen und einem fast Weltrekord darstellenden Sozialsystem absolut keinen zwingenden Grund für Armut und Not, es sei denn durch Krankheiten diverser Art. Aber auch für diese Fälle ist vom Pflegegeld angefangen die öffentliche Unterstützung enorm hoch. Und ebenso weiß die große Mehrheit der Österreicher, dass jene, die ihre Kinder verwahrlosen lassen, in einem massiv überdurchschnittlichen Ausmaß Migranten der diversen Schattierungen sind.

Das alles macht daher besonders unverständlich, dass sich auch die FPÖ breit auf die Attacken draufgesetzt hat. Das ist eine komplett neue Wendung in der Kickl-Partei. Daran ändert die Tatsache nichts, dass umgekehrt auch die ÖVP in den letzten Jahren einige Fouls an der FPÖ begangen hat. Aber es ist eindeutig: Mit dieser Attacke entfernt sich die FPÖ total von ihren eigenen (oft einst der ÖVP abspenstig gemachten) Wählern.

Das sieht man schon daran, dass es noch nie dagewesen ist, dass die FPÖ deckungsgleich agitiert wie der Caritas-Landau oder wie die Jungschar – der linksradikale Flügel der Kirche – oder wie die "Armutsexperten", die der ORF in den letzten Stunden rund um die Uhr im Stechschritt aufmarschieren hat lassen.

Offenbar erinnert sich in der FPÖ niemand mehr daran, dass sie ihren historischen Durchbruch genau mit dem Slogan erzielt hat, den man auch über Nehammers Auftritt stellen könnte: "Wir sind die Partei der Fleißigen und Anständigen". Aber dem Herbert Kickl fehlt halt ganz offensichtlich viel von der Intelligenz und dem Gespür des Jörg Haider. Sonst hätte er die ÖVP in Vielem, aber nicht wegen dieses Videos kritisiert.

Dahinter steht zweifellos die Tatsache, dass die FPÖ derzeit fast ebenso viele Kalamitäten am Hals hat wie die SPÖ. Die finden sich zuletzt insbesondere in den Auslandsreisen der Partei: Nicht genug damit, dass die Freiheitlichen (und nicht nur ihre einstige Außenministerin) eine dicke Verbindung mit Putin-Russland haben, haben sie als einzige Partei auch noch eine Reise des österreichischen Parlaments in die Ukraine boykottiert. Da fragt man sich schon, was am Gerede vom Vermitteln und von Neutralität eigentlich ernst zu nehmen sein soll, wenn man der einen Seite – die nach Ansicht der großen Mehrheit der Österreicher noch dazu die angegriffene ist – nicht einmal zuhören will, mit der anderen aber seit langem überaus eng ist.

Noch schlimmer aber ist die Reise zweier prominenter Freiheitlicher (Mölzer und Hübner) zum afghanischen Taliban-Regime, also zur übelsten und terrorismusnahen Variante des islamischen Fundamentalismus, die Frauen sogar den Besuch von Schulen verweigert. Dabei sind die beiden Reisenden immer als jene Freiheitlichen hergezeigt worden, die der Beweis sein sollten, dass es bei der FPÖ auch Intellektuelle geben würde. Der Gipfelpunkt: Die Reise wurde sogar vom Präsidenten des freiheitlichen Bildungsinstituts (der bis vor wenigen Stunden auch außenpolitischer Sprecher der Partei gewesen ist), Axel Kassegger, arrangiert, der zugibt, selber fast mitgefahren zu sein.  

Was treibt neuerdings um Himmels willen diese Partei? Ist dort jetzt wieder oberster und einziger Bewertungsmaßstab gegenüber anderen Ländern, ob die mit den USA verfeindet sind? Und hängt das wiederum damit zusammen, dass die USA der Hauptfaktor der Niederlage des Hitler-Reichs gewesen sind? Müssten sich nicht die "Identitären" jetzt eigentlich von der FPÖ distanzieren, die ja den von so vielen Österreichern gewünschten Kampf gegen die Islamisierung auf ihre Fahnen geschrieben haben (und deshalb vom linken Flügel des – angeblichen – Verfassungsschutzes verfolgt werden)?

Gewiss: Ablenkungsversuche sind Teil des politischen Spiels. Sie sind aber mehr als doof, wenn man dabei komplett die eigene Identität verrät und Nehammer dafür haut, dass er den Zorn der Fleißigen und Anständigen über die Schmarotzer artikuliert, die nicht arbeiten wollen, obwohl sie keine Betreuungspflichten haben. Also genau jene Kritik artikuliert, die der FPÖ so viel Zustimmung eingebracht hat.

Genauso hat die SPÖ Ablenkung dringend nötig. Sie wollte durch Hinausspielen des Videos unbedingt jene beiden Skandale aus den Medien verdrängen, die in den letzten Tagen so geschmerzt haben. Der eine ist der SORA-SPÖ-ORF-Skandal, wo eine für den ORF tätige Agentur jetzt doppelt Geld für das wollte, was der ORF rund um die Uhr betreibt: nämlich das propagandistische Spiel der SPÖ. Das andere ist der Wiener Umwidmungsskandal, der so ziemlich allen Österreichern klar gemacht hat, wie sehr sich jene bereichern, die immer die große Armut im Munde führen.

Aber die SPÖ versucht die Ablenkung im Unterschied zur FPÖ gemäß schon vertrauten Strategien:

  • Einerseits mit der verlogenen und nur eine sehr kleine Minderheit ansprechenden Linie: "Wir sind die Partei der Armen, die von der Regierung (angeblich) im Stich gelassen werden."
  • Andererseits mit Zusammenschneiden von heimlich aufgenommenen Videos, die dann irgendwann hinausgespielt werden, wenn man von irgendetwas ablenken will. Solche Schmutzkübelaktionen dieser und ähnlicher Art haben bei der SPÖ eine lange Tradition: Man denke an Ibiza; man denke an die Silberstein-Affäre; man denke an die diversen Liederbuch-Aufregungen; man denke an das gezielte Hinausspielen einer privat gefallenen Bemerkung Wolfgang Schüssels über den deutschen Bundesbankpräsidenten, über eine SPÖ-nahe Zeitung; man denke an die Attacken auf Kurt Waldheim. Letztlich ist die SPÖ eine reine Schnüffel- und Denunziationspartei geworden.

Freilich: All diese Strategien machen einem die SPÖ nicht gerade sympathisch.

Welche Faktoren aber lassen Karl Nehammer und seine ÖVP – die gerade in diesem Tagebuch oft kritisiert worden sind – heute erstmals strahlend dastehen? Welche Faktoren haben fast über Nacht aus der Pechmarie eine Goldmarie gemacht? Oder, um das märchenhafte Comeback der schon totgeglaubten Schwarzen noch mit einem anderen Märchen zu vergleichen, warum wurde ihr Parteichef zum Karl im Glück?

Dabei spielt das Video gewiss eine Schlüsselrolle, aber nicht nur dieses:

  1. Am Allerpositivsten für die ÖVP ist das jetzt bekannt gewordene Herabsinken der Inflation auf 5,8 bis 6,1 Prozent. Da Nehammer ja von allen Oppositionsparteien persönlich zum Schuldigen an der Inflation gestempelt worden war, und da das "Inflation!"-Gebrüll der SPÖ fast deren einziger politischer Inhalt gewesen ist, als vor neun Monaten die Inflation auf fast das Doppelte, nämlich 11,2 Prozent gestiegen war, ist der jetzige Rückgang natürlich logischerweise auch sein persönlicher Erfolg (auch wenn beides so nicht stimmt …).
  2. Karl Nehammer erscheint in dem Video den Österreichern erstmals wirklich als authentisch, glaubwürdig und emotional – und nicht mit der hölzernen Fadesse seiner bisherigen Agentur-gestreamten Auftritte. Er wirkt besonders deshalb überzeugend, weil dieser Auftritt eigentlich nie für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen ist.
  3. Er hat wenige Tage vor Veröffentlichung des Videos bei einem Pressegespräch endlich offene Kritik am ORF gewagt, was zwar dann dessen Reaktion auf das Video besonders aggressiv ausfallen hat lassen, womit Nehammer aber einer großen Mehrheit aus dem Herzen spricht.
  4. Er hat dabei vor allem angedeutet, dass er das jetzige (von der SPÖ-Burgenland angezettelte) Verfahren beim Verfassungsgerichtshof nutzen will, um das – hauptsächlich durch Schuld der ÖVP-Ministerin Raab – völlig schief gegangene ORF-Gesetz komplett zu überarbeiten.
  5. Es ist für jeden, der das Video ganz gesehen hat (auch wenn es ganz offensichtlich in böser Absicht nur Teile des Nehammer-Auftritts wiedergibt), eindeutig, dass die Kritiker dem ÖVP-Chef in allzu plumper und verlogener Weise das Wort im Mund verdreht haben. Er hat weder die Österreicher als Ganzes noch die nicht oder nur wenig arbeitenden Mütter "verhöhnt" oder als faul attackiert, sondern ausdrücklich nur jene, die "ohne Betreuungspflichten" sind und dennoch keinen der 200.000 unbesetzten Vollzeitjobs übernehmen wollen. Damit hat er die massive Zustimmung der unter der hohen Abgabenlast wie auch unter den diversen Personalmängeln leidenden und über das exzedierende Wohlfahrtssystem empörte Österreicher erobert.
  6. Er hat in der Video-Unterhaltung auch gewagt, die Sozialpartnerschaft und damit die WKO zu kritisieren. Damit steht er erstmals nicht als Marionette des WKO-Mahrer da.
  7. Er hat zu Recht die Gewerkschaft als mitschuldig an der Inflation herausgearbeitet, weil diese mit ihren Lohnabschlüssen (neben der EZB, neben den Folgen des Krieges, neben den zu üppigen Corona-Hilfen) die Inflation angekurbelt und alle zur Entlastung beabsichtigten Steuergeschenke der Regierung abgelehnt hat.
  8. Er hat erstmals offen (wenn auch vermeintlich nur in einem internen Forum) gesagt, dass mit einem linksalternativen Regierungspartner (dessen Auswahl der größte Fehler von Sebastian Kurz gewesen ist) leider die meisten notwendigen Reformen nicht gehen.
  9. Sein Innenminister hat gewagt, in der EU dem – trotz einiger positiver Details verheerenden – Migrationskompromiss der Union nicht zuzustimmen, der vor allem die zwei wichtigsten Dinge nicht enthält: einen effizienten Rückführungsmechanismus für die illegal Gekommenen und bindende völkerrechtliche Verbote für die Oberstgerichte, wodurch diese nicht mehr an illegal gekommene Millionen Afrikaner und Moslems Bleibeberechtigungen verschleudern können. Statt dessen enthält der EU-Plan eine zwangsweise Umverteilung der illegal Gekommenen auf ganz Europa statt deren sofortige Abweisung.
  10. Nehammer ist damit mutig an die Seite Ungarns und Polens getreten, die diese EU-Pläne vehement ablehnen. Die die entschlossensten Gegner der illegalen Migration in Europa sind. Deren Regierungsparteien genau wegen dieses Kurses die erfolgreichsten Parteien Europas bei Wahlen sind. Die aber vom EU-Mainstream vehement bekämpft werden.

Jetzt bleibt nur noch eines abzuwarten: Wird Nehammer bei diesem klaren Kurs bleiben, auf den er mehr zufällig durch eine linke Intrige gestoßen worden ist? Oder werden in der ÖVP wieder Typen wie ein Karas oder ein Mahrer oder die Landeshauptleute aus dem Westen das Sagen haben? Dann war das Ganze nur ein kurzes und ungeplantes Lucidum intervallum.

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