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Die SPÖ geht endlich, wenn auch widerwillig, den Weg der Demokratie

Erst als die Genossen keinen anderen Ausweg mehr sahen, erklärten sie sich zu einem ersten Schritt in jene Richtung bereit, die in der Demokratie eigentlich die normalste sein sollte: Über eine schwierige Frage, wo man sich nicht einigen hat können, lässt man jetzt die Bürger entscheiden und nicht nur Funktionäre, die immer sehr eigene Interessen haben. Dass die SPÖ diesen Schritt geht, wenn auch erst unter dem Druck geschickter Schachzüge des Hans Peter Doskozil, der sich unter den Parteimitgliedern bessere Chancen ausrechnet als bei einem eigentlich statutengemäß für die Vorsitz-Entscheidung zuständigen Parteitag, ist sehr zu begrüßen. Freilich fehlen vier noch ebenso wichtige Schritte, bis sich eine Partei zu Recht sozial"demokratisch" nennen darf.Dieses positive Urteil über den Entschluss der Parteispitze, über den nächsten Vorsitzenden die Mitglieder abstimmen zu lassen, ist an sich davon unabhängig, ob man Doskozil oder Pamela Rendi-Wagner für den besseren Parteichef hält. Es ist auch davon unabhängig, dass es schon sehr lange her ist, dass man selbst einmal bei einer sehr spezifischen Wahl SPÖ gewählt hat. Der SPÖ-Vorsitz ist vielmehr eine Frage, die alle Österreicher – also weit über den Kreis der SPÖ-Mitglieder hinaus – angeht. Schließlich hat ja der SPÖ-Parteivorsitzende eine nicht nur theoretische Chance, einmal Bundeskanzler (oder auch Vizekanzler) der Republik zu werden.

Damit sind wir aber auch gleich bei den vier Defiziten des SPÖ-Beschlusses angekommen.

  1. Das erste Defizit besteht darin, dass die SPÖ die Parteimitglieder nicht entscheiden, sondern rechtlich nur unverbindlich abstimmen lässt. Auch wenn es nur schwer vorstellbar ist, dass eine solche Befragung dann vom formell abstimmenden Parteitag ignoriert wird, so ist noch schwerer vorstellbar, dass sich die Funktionärsriege die juridische Macht in der Partei aus der Hand reißen ließe. Dabei bräuchte man nur beim nächsten Parteitag eine Änderung der Statuten zu beschließen, die solche Voten verbindlich macht.
    Zwar ist  recht auffällig, dass Rendi-Wagner mehrfach betont hat, dass es jetzt nicht nur um eine, sondern um zwei Abstimmungen gehe. Sollte das ernst gemeint sein, dass sie auch nach einem klaren Umfrage-Ergebnis im Amt bleiben könnte, wäre das ein so schwerer Schlag ins Gesicht einer ganzen Republik, dass sich die Partei lange nicht davon erholen könnte.
  2. Eng damit zusammen hängt der nächste Einwand: Es gibt weiterhin keinerlei Ansatz, dass eine bestimmte Anzahl von Parteimitgliedern – egal, ob 10.000 oder 100.000 oder 5000 aus drei verschiedenen Bundesländern – eine Abstimmung über wichtige Fragen erzwingen könnte. Die innerparteiliche Demokratie bleibt also ein einmaliger Gnadenerweis, der nur deshalb erfolgt, weil unter den Ängsten des Rendi-Wagner-Lagers eine größer war als die andere. Die eine, die offensichtliche Angst der Medizinerin und ihrer Freunde, war eindeutig die, dass sie bei einem Basisvotum deutlich schlechter abschneiden dürfte als bei einem nur von Funktionären beherrschten Parteitag. Die noch größere Angst war aber jene vor den Folgen eines Neins zu Doskozil: Denn dann stünde Rendi als eine da, die Angst vor der eigenen Parteibasis hat. Mit diesem Image im Gepäck hätte sie ihre Chancen für die nächsten Wahlen oder auch den jedenfalls einmal fälligen Parteitag noch weiter verschlechtert.
  3. Das dritte Defizit ist der fehlende Mut, die Abstimmung auch über die Parteimitglieder hinaus zu öffnen. Das hätte man etwa, um Missbrauch zu verhindern, – nach etlichen internationalen Vorbildern – so regeln können, dass nur abstimmen darf, wer etwa zehn Euro für die Partei spendet. Das hätte einerseits den maroden, selbst durch noch so viel direkte und indirekte Hilfe aus dem Rathaus, aus Gewerkschaft und Arbeiterkammer nicht leicht rettbaren Parteikassen geholfen. Das hätte andererseits etliche Menschen aus dem sehr diffusen linken Lager näher an die Partei gebunden.
  4. Und das vierte Defizit: Es gibt weiterhin absolut kein Anzeichen dafür, dass sich die SPÖ auch bei der staatlichen Gesetzgebung in Richtung direkte Demokratie bewegt. Hingegen gab es in schwarzen, blauen und grünen Programmen schon starke Sympathie für eine echte direkte Demokratie. Aber ohne SPÖ ist kaum eine Verfassungsmehrheit erreichbar. Und ohne eine solche könnte ja der Verfassungsgerichtshof alles blockieren, der noch viel mehr als rote Parteifunktionäre eine Umsetzung des Artikels 1 der Bundesverfassung blockiert, wonach "das Recht vom Volk ausgeht". Parteifunktionäre wie Höchstrichter haben beide die gleiche Angst: dass sie dann bei mehr Demokratie persönlich nicht mehr so wichtig sind.

Spannend wird es in Hinblick auf diese vier Defizite dann, wenn Doskozil gewinnen sollte. Denn eigentlich müsste er sich für die Behebung aller vier Defizite einsetzen, wenn seine jetzigen Aktionen ernst zu nehmen sind. Es kann ja nicht so sein, dass "die Leit", wie man in der SPÖ gerne herablassend sagt, nur dann gefragt werden, wenn man selbst nicht mehr ein und aus weiß.

Aber vielleicht haben SPÖ-Parteimitglieder durchaus ihre bisherige Statisten-Rolle gern. Dann müssten sie ja eigentlich mit Mehrheit für Rendi-Wagner stimmen und Doskozil bestrafen, weil er die innerparteiliche Beschaulichkeit und Kadaverdisziplin durchbrochen hat, die in Rendis Weltbild und dem der Gewerkschaft einzig darin besteht, täglich eine neue unfinanzierbare  Forderung zu stellen.

Noch etwas lässt die Chancen für Rendi durchaus intakt erscheinen. Denn so klar ist, dass Doskozil bei Nationalrats-Wahlen erfolgreicher abschneiden und vor allem der FPÖ etliche Stimmen abnehmen wird, so klar ist ebenso, dass die Parteimitglieder viel stärker als der Rest Österreichs sich mit jenen Ideologien identifiziert, die ihnen die Parteispitze seit Jahrzehnten eingehämmert hat, die sie für Werte halten dürften.

Doskozil hat nicht nur mit seiner Rolle als innerparteilicher Bösewicht und undisziplinierter Ehrgeizling zu kämpfen. Er hat zweifellos auch noch das Defizit seiner schweren sprachlichen Behinderung zu überwinden. Überdies hat er zumindest im parteiinternen Wahlkampf mit erbitterter Gegnerschaft des ORF zu kämpfen, wie man etwa schon an der Agitation der ORF-ZiB1 sofort nach Beschluss der Parteiabstimmung überdeutlich merken konnte.

Was jetzt leicht untergehen dürfte: Es geht ja nicht nur um zwei rivalisierende Namen, sondern auch um zwei völlig unterschiedliche politische Konzepte, über die aber nicht einmal geredet wird, außer dass Rendi düster vor einer Rechtsentwicklung der Partei warnt.

Inhaltlich geht es etwa um folgende Stichwörter (auch wenn sie nur selten direkt ausgesprochen werden):

  1. Junge Frau gegen alten weißen Mann – ein in der SPÖ total dominant gewordenes Thema.
  2. Rendi-Wagner steht für das Bobo-Biotop, das vor allem, aber keineswegs nur in der Wiener SPÖ vorherrschend ist;
  3. Doskozil steht hingegen für jene, denen es um ihren kleinbürgerlichen Wohlstand und Aufstieg geht;
  4. die Diplomatenfrau mit dem Doppelnamen vs. aufgestiegener Polizist;
  5. das von der SPÖ zur Religion erhobene Gendern (bezeichnenderweise wird auf der Seite der SPÖ-Burgenland nur sehr unvollständig gegendert, wo etwa immer nur von "Bürgermeistern" die Rede ist);
  6. der restliche feministische Ballast wie die absurdeste aller Politlügen, das jederzeit frei wählbare "soziale Geschlecht";
  7. Engagement für LGBTQ, die Tarnbewegung der Schwulen und Lesben;
  8. eine doktrinäre und besonders harte Corona- und Impflinie;
  9. eine positive "Haltung" zur illegalen Migration.
  • Während die fünf letztgenannten Positionen klar mit Rendi identifiziert werden, steht Doskozil für eine Linie der strengen Abwehr, ohne aber, dass er irgendwo Anzeichen zeigt, wo er dabei strenger als die ÖVP sein wollte;
  • ideologischer Kampf gegen Kapitalismus und Eigentum vs. Doskozils Öffnung der Genossenschaftswohnungen für den Eigentumserwerb;
  • Wien gegen Bundesländer;
  • und schließlich die Möglichkeit einer Öffnung zur bisher von der SPÖ (allerdings erst seit 1986) radikal ausgegrenzten FPÖ, wenn Doskozil obsiegen sollte.

Man kann das Dilemma der SPÖ auch in Wählerströmen beschreiben: Siegt die Doskozil-Linie, dann profitieren die Grünen und vielleicht auch die Pinken von enttäuscht abwandernden linken SPÖ-Wählern; siegt die Rendi-Linie, dann können ÖVP und FPÖ (weiterhin) davon profitieren.

In Relation dürfte sich jedenfalls ein Doskozil-Sieg an den Wahlurnen für die SPÖ positiver auswirken als ein Verbleib bei Rendi. Innerparteilich aber würde er in einer von ideologie-affinen und lebensfremden Kaffeehausrevolutionären dominierten Partei eine schlimme innerer Krise auslösen.

Wenn man geschichtlich analysiert, dann ist in den Siebziger Jahren unter Kreisky und Brandt die linke, die sozialistisch-ideologische Linie eine Zeitlang erfolgreich gewesen. Aber auch diese beiden historischen Sozialistenführer mussten am Ende schon einen deutlichen Abstieg miterleben. Nennenswerte Erfolge hat es für die "Bewegung" später nur noch unter rechteren Sozialdemokraten gegeben, wie Vranitzky und Gusenbauer, wie Schmidt und Schröder, wie Blair und die heutigen skandinavischen Parteichefs, die sogar laut "Ja!" zur Nato sagen, was die Altsozialisten im Grab rotieren lässt.

PS: Interessant ist, dass ich den Vorschlag einer Urabstimmung unter allen Parteimitgliedern zum ersten Mal vor einer Woche vom Ex-Klubobmann und Ex-Zentralsekretär Josef Cap, einem in vielen innerparteilichen Konflikten zum erfahrenen "Older Statesman" gewordenen Sozialisten, gehört habe. Obwohl er ja immer als Parteilinker gegolten hat.

PPS: Die SPÖ der Rendi-Wagner ist auch eine des ununterbrochenen Rechtsbruchs. So gibt es keine einzige klare, auch das Strafrecht ansprechende Stellungnahme gegen die kriminellen Klebeaktionen der Klimaterroristen. So wird auf einem offiziellen SPÖ-Video der letzten Tage zum illegalen Zukleben von Torschildern anderer Parteien und öffentlichen Laternenmasten mit SPÖ-Zetteln aufgefordert. Bei Corona hingegen war die Partei der Hort der allerstrengsten Pocher auf alle Verbotsvorschriften ...

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