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Das Ende des Bremsens

Ökonomie und Politik haben eine Hauptaufgabe: über den Tellerrand hinauszuschauen, neben der Gegenwart auch die Zukunft im Auge zu haben. In diesem Sinne hat diese Kolumne seit Jahr und Tag für höhere Zinsen durch die EZB plädiert. Seit einigen Wochen tut das die Zentralbank endlich. Und hat die erwarteten Wirkungen erzielt.

Die steile Inflation, das größte Gift für die Wirtschaft, scheint eingebremst, wie zumindest die Zahlen aus einer ganzen Reihe von Ländern zeigen. Das geht freilich – eben weil die Zentralbank viel zu lange geschlafen hat – einher mit etlichen ebenfalls ausgelösten Krisensignalen, wie etwa der Aktienflaute, wie dem Rückgang der Bautätigkeit (diese ist freilich auch Folge der dümmlichen Ankündigungen etlicher Politiker, dass die Mieten eingebremst werden, was das Bauen von Wohnhäusern zum Verlustgeschäft zu machen droht).

Jedenfalls ist immer kritischer zu prüfen, ob weitere Zinserhöhungen gerechtfertigt sind, ob nicht die Wirtschaft kaputtgebremst wird. Aber auch: Warum haben die Banken die EZB-Zinserhöhungen nur den Kreditnehmern aus Wirtschaft und Konsumentenwelt, aber fast gar nicht den Sparern weitergegeben, obwohl diese durch die noch immer hohe Inflation enteignet werden?

Noch etwas spricht dafür, das Bremsen zu überdenken: Das überhaupt Wichtigste in der Wirtschaft, die Psychologie. Wenn schon drei Viertel der Menschen wirtschaftliche Abstiegsängste haben, wie eine neue Umfrage gezeigt hat, und wenn sich die Bürger auch gesellschaftspolitisch immer mehr von der politmedialen Welt abschotten, dann ist das ein Alarmsignal. Denn aus der Stimmung entsteht sehr leicht eine abwärtsführende Spirale, die man nur noch schwer umdrehen kann.

Auch die Energiesituation verlangt das Bremsen nicht mehr: Denn es ist national wie europaweit weitgehend gelungen, die russischen Gasschikanen unwirksam zu machen. Das ist ein wirklich ein großer Erfolg der sonst oft zu Recht gescholtenen Politik: Sie hat relativ schnell – freilich auch mit Hilfe der steil gestiegenen Preise – zusätzliche Energielieferanten sichergestellt. Das hängt ebenso mit den Preissteigerungen, mit den Verbrauchseinsparungen als Folge vielfältiger Appelle und insbesondere mit dem überdurchschnittlich warmen Wetter zusammen. Niemand braucht (bis tief in den nächsten Winter hinein) zu frieren, kein Hochofen muss abgedreht zu werden.

Das ist – zumindest vorerst – trotz der vielen Unsinnigkeiten der gleichen Politik gelungen: Also trotz des fast unveränderten Beharrens der deutschen Ampelregierung auf baldiger Abschaltung der Atom- und Kohlekraftwerke, trotz der Weigerung der gesamten österreichischen Politik, über die Nutzung der gewaltigen, in großer Tiefe unter dem eigenen Boden schlummernden Gasvorräte, auch nur nachzudenken.

Gleichzeitig werden in Europa immer mehr die Auswirkungen der sich aufbauenden chinesischen Wirtschaftskrise sichtbar (eine Folge der dortigen absurden Zickzack-Corona-Politik).

Jetzt sollte es vor allem immer mehr darum gehen, auch dem gefährlichen Stimmungsverfall in der Bevölkerung entgegenzuwirken. Auch deshalb, damit Wladimir Putin nicht doch noch einen Triumph erzielen kann.

Freilich gibt es einen Aspekt, der es fraglich macht, ob wir, ob Europa noch zu einer normalen Wirtschaftsentwicklung zurückkehren kann, egal, was die EZB tut: Denn zunehmend wird der Fachkräftemangel zum zentralen Problem und zur wahrscheinlichen Ursache einer Dauerkrise. Zumindest solange Politik und auch Teile der Bevölkerung eine spürbare Reform des Pensionsantrittsalters verhindern. Nur eine Zahl dazu: In Deutschland können jetzt schon rund zwei Millionen Stellen nicht mehr besetzt werden.

Ich schreibe in jeder Nummer von Österreichs einziger Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung "Börsen-Kurier" die Kolumne "Unterbergers Wochenschau".

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