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Iran und Russland: ein ungewöhnlicher Vergleich in dreizehn Etappen

Die Internationale der Diktatoren ist zumindest an zwei Stellen ins Wanken geraten, sodass manche schon glauben, dass sich ein neues 1989 anbahnt, das ja das beste Jahr für die Freiheit seit vielen Generationen gewesen ist. Aus Russland werden nach – vorerst allerdings wieder unterdrückten – Massendemonstrationen und der erfolgreichen Flucht Hunderttausender Männer erstmals regimefeindliche Partisanenaktionen bekannt. Noch viel ernster ist die Lage für Irans Mullahs, gegen die in mehreren Städten Aufstände ausgebrochen sind. Zwar soll man sich vor dem voreiligen Wunschdenken hüten, dass die Moskauer Neostalinisten und die schiitischen Islamisten unmittelbar vor einem Sturz stünden. Aber viel eher könnten wir jetzt schon die sich aufdrängenden Lehren aus beiden Vorgängen ziehen.

Die Lehren in dreizehn Stichworten:

  • Die erste bezieht sich auf die Wirksamkeit der gegen beide Imperien seit Jahren verhängten und in den letzten Monaten intensivierten Sanktionen. Es kann heute überhaupt kein Zweifel mehr bestehen, dass diese massiv wirksam geworden sind, dass das Austrocknen wichtiger Handelslinien für beide Länder inzwischen sehr spürbar geworden ist.

Da wie dort sind viele Waren nicht mehr erhältlich, was den Bürgern eine deutlichere Botschaft über die Haltung des Auslandes schickt als irgendwelche Politikererklärungen.

Insbesondere die russische Armee spürt bei immer mehr Waffensystemen das Fehlen von wichtigen Bestandteilen. Es ist mehr als symbolisch, dass die Russen deshalb jetzt ausgerechnet iranische Drohnen erworben haben, sich also noch enger als bisher an die islamistischen Schiiten gebunden haben.

Die Sanktionen wirken, und zwar umso mehr, je länger sie schon im Einsatz sind. Das sind sie gegen beide Länder schon seit vielen Jahren, was man nur bei uns ob der spektakulären Eskalationen der letzten Monate oft vergisst.

Es wäre zwar naiv zu glauben, man brauche nur Sanktionen zu verhängen und schon gingen die Herrscher in Moskau oder Teheran binnen weniger Wochen – oder auch Jahre – in die Knie.

Aber umgekehrt ist auch völlig klar, dass es verheerend wäre, wenn die Machthaber da wie dort den gegen die Diktatur aufbegehrenden Menschen voll Hohn zurufen könnten: "Schaut her: Euer Schicksal und eure Forderungen interessieren die demokratisch-kapitalistische Außenwelt nicht, sie macht lieber weiter ihre Geschäfte mit uns und verkauft uns auch noch den Strick, an dem wir euch aufhängen werden."

  • Das russische Kriegsgerät hat sich rasch als so unzureichend und veraltet und ihre eigenen Soldaten haben sich als so wenig motiviert erwiesen, dass nur noch die ständige Drohung mit Atomwaffen als strategische Option übriggeblieben ist. Deren Einsatz wäre aber für Wladimir Putin selbstmörderisch.

Denn einerseits erhöht er mit jedem Schritt in Richtung Atomwaffeneinsatz die Gefahr, dass am Ende auch Moskau und er selbst physisch zerstört werden; andererseits spürt er wohl, dass die Annäherung an atomare Aktionen auch die Wahrscheinlichkeit eines Putsches durch andere Angehörige der Machtelite erhöht, die das nicht wollen und angesichts einer atomaren Perspektive doch das eigene Gewissen entdecken.

  • It’s the economy, stupid. Oder genauer formuliert: Noch nie hat eine Revolution siegreich geendet, die nicht auch – oder sogar primär – einen Antrieb aus der ökonomischen Unzufriedenheit der Menschen gehabt hätte.

Auch das spricht für die Sanktionen.

  • Es sind am Ende immer noch die Menschen, die am wichtigsten sind, ihre Entschlossenheit, ihre Wut, ihr Mut.

Alle Analysen der Machtverhältnisse hingegen, die sich nur auf die Zahl der Panzer, Flugzeuge, Raketen oder Soldaten stützen, gehen daneben. Wären diese Zahlen alleine entscheidend, hätten die gegen die iranischen Mullahs von den Kurden über die Frauen bis zu den Studenten aufbegehrenden Massen keine Chancen; dann hätte ebenso die deutlich kleinere Ukraine keine Chance gegen die russischen Panzermassen.

  • Es wäre ein fataler Fehler, wenn die Außenwelt sich jetzt entweder auf die Seite Putins oder auf die der Mullah-Diktatur schlagen würde, um gegen den anderen Aggressor eine Front zu schmieden. Das ist aussichtslos.

Die beiden kann man nicht mehr trennen. Wie zwei Ertrinkende klammern sie sich aneinander. Jetzt haben sie auch eine Kooperation gleichsam in Sachen Totalitarismus verkündet, die sie "Terrorbekämpfung" nennen. Schon im Syrienkrieg waren die beiden ja auch militärisch de facto Verbündete an der Seite von Diktator Assad, einem "würdigen" Dritten im Bunde. Die Differenzen in der Syrienfrage sind freilich gleichzeitig der Hauptgrund, warum nicht auch der türkische Diktator Erdogan trotz vieler sonstiger Ähnlichkeiten der vierte im Bunde ist, der gegen Assad kämpft.

  • Offen ist hingegen, ob es gelingt, den chinesischen Diktator Xi Jinping von Moskau wegzulotsen.

Das wäre zumindest einen Versuch wert, dessen Chancen größer als Null sind. Xi hat ja jetzt seine totale und wahrscheinlich lebenslange Macht intern abgesichert, da braucht er vielleicht kein außenpolitisches Säbelrasseln mehr. Gleichzeitig leidet China zunehmend unter wirtschaftlichen Problemen, da sich viele internationale Handels- und Produktionsströme von China zu anderen Staaten umzuorientieren begonnen haben, wo es ja inzwischen ebenfalls viele engagierte Arbeiter und Unternehmen gibt. Überdies hat die Ukraine den Chinesen die Lehre geliefert, dass der entschlossene Widerstand eines von der freien Welt unterstützten Kleineren oft unüberwindlich sein kann.

Vielleicht ist Xi daher jetzt bereit, sich international an Regeln zu halten und Taiwan verlässliche Sicherheitsgarantien zu geben, damit China wie in den Jahrzehnten vor ihm wieder zum anerkannten Partner der Welt werden kann. Notfalls müssen aber Europa und Amerika auch ohne China die Isolation der wankenden Machthaber in Moskau und Teheran fortsetzen. Man sollte ja nicht vergessen, wie viele große und aufstrebende Länder in Süd- und Südostasien weder den chinesischen noch den russischen Weg gehen wollen. Und schon gar nicht den des Iran (wenngleich man dessen Öl gerne haben will).

Andererseits müssten diese Länder von Indien über Thailand bis zu Indonesien, den Philippinen, Taiwan, Südkorea und Japan aber auch selbst viel mehr zusammenarbeiten und sich der chinesischen Bedrohung entgegenstellen. In Kooperation könnten sie das. Es kann ja nicht immer Amerika sein, auf das sich alle Welt für die eigenen Sicherheitsinteressen verlässt.

  • Beklemmend ist ein historischer Rückblick: Denn viele im Westen haben einst die Entwicklungen in Russland wie auch im Iran mit großer Sympathie verfolgt. Da wie dort haben Umstürze, die dem äußeren Anschein nach demokratisch orientiert waren – hier die Gorbatschow/Jelzin-Wende gegen das Sowjetsystem, dort der Sturz des Schah –, Schritt für Schritt (wieder) ins Unheil, wieder zu einer neuen Diktatur geführt.

Wir lernen: Demokratie lässt sich nicht so einfach von oben einführen oder anordnen (und nicht jeder, der das Wort "Demokratie" im Mund führt, ist auch wirklich gesinnt, demokratische Verhältnisse zu schaffen).

  • in Hinblick auf Russland wie auch den Iran ist den bei uns in manchen Kreisen beliebten  Denkkonstruktionen der Boden unter den Füßen weggezogen: Es habe uns nicht zu interessieren, was in einem Land geschieht, solange dieses nicht auch andere Länder und Völker bedroht. Aber genau das tun ja Moskau und Teheran.

Beide Mächte sind nicht nur nach innen, sondern auch nach außen bösartig. Die einen in der Ukraine, in Georgien oder Syrien; die anderen im Jemen, im Libanon und (ebenfalls) in Syrien.

Dieses Zusammenfallen von innerer und äußerer Aggressivität ist kein Zufall. Es gibt in der Geschichte sehr oft einen Zusammenhang zwischen dem Verhalten von Diktatoren nach außen und innen: Erstens suchen sie oft die Aggression nach außen, um von der inneren Aggression abzulenken  und dieser gar eine Legitimation verleihen. Oder sie wollen, zweitens, durch Forcierung einer äußeren Konfrontation und Militarisierung des eigenen Staates die Bürger wieder hinter sich zwingen und vielleicht sogar motivieren. Oder, drittens: Sie sind so trunken von ihrer innerstaatlichen Allmacht, dass sie diese automatisch nach außen fortsetzen.

Ein Zusammenfallen der äußeren und inneren Bösartigkeit einer Diktatur rechtfertigt es aber wiederum moralisch, wenn sich die restliche Welt auch in deren innere Angelegenheiten einmischt. Dann gilt jedenfalls nicht mehr die alte und immer schon problematische Völkerrechtsregel, dass man sich nicht in andere Staaten einmischen dürfe. Diese Regel ist freilich zumindest angesichts eines staateninternen Genozids schon lange in Frage gestellt worden.

  • Gegenüber Iran wie Russland wird es von Tag zu Tag daher auch wichtiger und richtiger, all jenen Kräften und Personen attraktive Angebote zu machen, die dort zur Machtelite gehören und die imstande wären, Putin beziehungsweise den Obermullah Khamenei zu stürzen. Man muss diesen Kräften zeigen, dass sie ihr eigenes Los retten könnten, wenn sie den Diktator stürzen, einen demokratisch-rechtsstaatlichen Weg eröffnen und auf Abenteuer außerhalb der Landesgrenzen verzichten.

Sei es, dass man ihnen für den Fall des Misslingens eines Putschversuchs ein sicheres Asyl anbietet. Sei es, dass man ihnen garantiert, ihr (wie auch immer erworbenes) Vermögen behalten zu können und in Hinblick auf die im Dienste der Diktatoren begangene Verbrechen straffrei zu bleiben. Das wäre eine in einer ethischen Güterabwägung durchaus akzeptable Form der tätigen Reue und Kronzeugen-Konstruktion (die sich ziemlich von der gegenwärtigen Farce in der österreichischen Justiz unterscheidet).

  • Gleichzeitig sollte man sich aber auch darüber klar werden, dass von Tag zu Tag die Hoffnung unrealistischer geworden ist, dass die Mullahs oder Putins zu Frieden und Nachgeben bereit wären.

Beide werden sich bis zum letzten Tag an die Macht klammern. Beide spüren, dass es inzwischen wohl zu spät für eine Umkehr in die zivilisierte Welt ist. Bei beiden ist die Gefahr groß, dass sie lieber ihr Land mit sich in den Untergang reißen wollen.

  • Am Rande des Konflikts gerät ein anderes Land derzeit zunehmend zwischen die Fronten: Das ist Israel.

Auf der einen Seite hat Israel die offenbar besten Raketenabwehrsysteme der Welt (in leidvoller Erfahrung mit dem von Iran gesponserten arabischen Terror) entwickelt, also genau das, was die Ukraine so dringend benötigen würde.

Auf der anderen Seite fürchtet Israel aber Racheaktionen der in Syrien stehenden Russen gegen sich selbst und Racheaktionen gegen die noch in Russland verbliebenen Juden. Es liefert der Ukraine daher vorerst nichts. Offen mag bleiben, ob auch die zahlenmäßig starke Gruppe jüdischer Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion innerisraelisch Einfluss ausübt, sich nicht gegen Russland zu stellen.

Auf der gleichsam dritten Seite aber ist Israel jenes Land, das das stärkste – und total legitime, wenn auch von den Europäern nie ganz begriffene – Eigeninteresse daran hat, dass der Iran keine fertigen Atombomben entwickeln kann. Dieses Ziel aber kann Israel, wenn überhaupt, nur mit Hilfe der USA erreichen. Die haben jedoch derzeit die Hilfe für die Ukraine als Hauptziel und akzeptieren nicht wirklich, warum Israel der Ukraine nicht gegen iranische Raketen hilft. Was ebenfalls verständlich ist.

Also: Je näher Russland und Iran zusammenrücken, umso mehr wird Israel doch motiviert sein, der Ukraine zu helfen.

  • Ein anderes Volk, das jahrzehntelang immer zwischen den Fronten zerrieben worden ist, steht jetzt hingegen überall auf der richtigen Seite – zumindest moralisch. Das sind die Kurden.

Sie stehen an der Spitze des inneriranischen Aufruhrs. Sie wehren sich tapfer gegen den türkischen Imperialismus. Die von ihnen kontrollierten Gebiete in Syrien und im Irak sind geradezu Inbegriff geordneter Verhältnisse im Vergleich zu den arabischen Gebieten. Sie haben Christen und Jesiden am wirksamsten gegen den – vom Nato-Land Türkei unterstützten! – islamistischen Terror unterstützt.

Sie haben sich freilich auch mit dem syrischen Diktator Assad arrangiert. Aber das war zweifellos notgedrungen. Und die Kurdengebiete sind gleichzeitig ein Gegenbeispiel, wie man im Unterschied zu Assad auch im Krieg die Menschenrechte zumindest ansatzweise beachten kann.

  • Last not least sollte man sowohl bei den Russen als auch den Persern aber eines nicht vergessen: Sie sind zu Recht stolze alte Kulturvölker.

Dies gilt es zu akzeptieren und gleichsam als Botschaft an beide Völker zu würdigen – auch wenn der in der jeweils eigenen Geschichte dieser Völker und in der Sehnsucht nach einstiger Größe wurzelnde Imperialismus inakzeptabel ist. Aber dieser Imperialismus wird da wie dort nicht vom Volk getragen, sondern von einer durch wirre Ideologen und Ideologien wie auch durch Machtgier getriebenen Führungsschicht.

PS:  Der dem "Islamischen Staat", also einer sunnitischen Terrororganisation, zugeschriebene blutige Anschlag auf eine schiitische Moschee parallel zur demokratischen, antiislamischen Massenerhebung ist mehr als mysteriös. Er erfüllt nämlich nur eine einzige Funktion: Er wird verwendet, um die Freiheitsbewegung auf den Straßen des Iran zu diskreditieren. Diese hat aber so wenig Ähnlichkeiten mit dem sunnitischen Islamismus (der ja in seinen Herrschaftsgebieten die Frauen nicht nur unters Kopftuch, sondern gleich in unförmige Säcke gezwungen hat!), sodass es überhaupt nicht überraschen würde, wenn sich  herausstellen sollte, dass dieser Anschlag in Wahrheit vom Regime selbst lanciert worden ist.

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