Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (10 Euro pro Monat) ist jederzeit beendbar und endet extrem flexibel einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Ein Paket mit viel Licht und viel Schatten

Das "Antiteuerungspaket" der Regierung ist ein Chamäleon. Auf der einen Seite hat es viele schöne Lichtseiten, bei näherem Hinsehen auf der anderen jedoch auch viele Schattenseiten. Dass jedoch in diesem Land offenbar fast niemand zu differenzierter Sichtweise bereit ist, dass es fast nur Entsetzen auf der einen und Jubel auf der anderen über das nun vorgestellte Paket gibt, sind wir zwar geradezu gewohnt. Das stellt aber dennoch der politischen und intellektuellen Klasse kein gutes Zeugnis aus.

Da die konkreten Inhalte inzwischen durch alle Medienkanäle bekannt sind, beschränkt sich das Tagebuch auf deren Bewertung (diese Bewertung könnte sich freilich dann, wenn es konkrete Gesetzestexte geben wird, durchaus noch ändern – steht doch oft im quasi Kleingedruckten ein dicker Hund versteckt).

Die positiven Punkte seien zuerst angeführt:

Die Positiva

  1. Zu loben ist vor allem das klare Eingeständnis, dass die Regierung die durch die Inflation ganz automatisch erzielten höheren Einnahmen bei Einkommen- wie Umsatzsteuer den Steuerzahlern zurückzugeben hat.
  2. Ebenso zu loben ist die weitgehende und seit Jahren versprochene Einschränkung der Stillen Progression. Diese hat bekanntlich darin bestanden, dass die Österreicher seit Jahrzehnten alle – in Wahrheit oft nur die Inflation ausgleichenden – Einkommenszuwächse mit einem höheren Prozentsatz der abzuliefernden Steuer zu büßen hatten (Dieses Lob ist freilich untrennbar mit den weiter unten genannten Negativpunkten verbunden).
  3. Besonders hervorzuheben ist, dass Kinder und Familien gezielt und spürbar bedacht worden sind. In den letzten Jahren war ja oft auf die Familien vergessen worden (auch wenn wir noch weit von dem attraktiven und klugen ungarischen Familienförderungsmodell entfernt sind).
  4. Ebenso auf der Liste des Lobenswerten steht die Tatsache, dass es eine Senkung der Lohnnebenkosten geben wird (auch wenn deren Senkung in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit zweifellos viel wichtiger gewesen wäre als in einer Epoche des fast allgemeinen Arbeitskräftemangels).
  5. Im Gegensatz zu manchen Ökonomen, die klassenkämpferisch den Mittelstand ignorieren, sei ausdrücklich gelobt, dass diesmal die meisten Bonus-Zahlungen an alle Österreicher gleichmäßig ausbezahlt werden. Schließlich werden ja auch der Mittelstand und die Besserverdienenden von der Inflation voll getroffen. Und der Mittelstand ist es ja auch, wo jeder einzelne eine viel höhere Steuerleistung erbringt als die bisher von allen Parteien so beharrlich als Zielgruppe angesehenen Wenig- und Nichtsverdiener (und -Leister).
  6. Ähnlich positiv ist auch hervorzuheben, dass man wieder davon abgekommen ist, den sogenannten Klimabonus je nach Wohnlage zu staffeln, sondern ihn gleichmäßig an alle zahlt. Der noch vor Wochen gehegte Glaube, solcherart Gerechtigkeit schaffen zu können, würde zwangsläufig in die Hose gehen, zu einer zusätzlichen komplizierten Bürokratie führen und zweifellos zu Versuchen, in breiter Front zu tricksen.
  7. Besonders zu loben ist, dass man allen (von SPÖ und ihrer Arbeiterkammer kommenden) Rufen widerstanden hat, die Inflationsabgeltung über eine Senkung der Mehrwertsteuer bei einzelnen Produkten zu machen. Denn auch das wäre erstens bürokratie- und betrugsanfällig. Und zweitens würden ja vielfach auch importierte Produkte davon profitieren!

Jetzt wechseln wir aber zu den zum Teil mit den zu lobenden eng verbundenen Kritikpunkten:

Die Negativa

  1. Die teilweise Abschaffung der Stillen Progression ist leider auch mit mehreren Negativpunkten verbunden – eben weil sie nur teilweise ist. Denn auch in Zukunft sollen nur zwei Drittel der versprochenen jährlichen Anpassung der Steuertarife an die Inflation automatisch von Gesetzes wegen erfolgen. Damit verschafft sich die Regierung auch künftig zusätzliche Steuereinnahmen durch ein wachsendes Mitschneiden bei Einkommenserhöhungen (wenn auch eben nur noch zu einem Drittel), wenn sie "ihr" Drittel  nicht anpasst.
  2. Noch viel schlimmer ist, dass man den Höchststeuersatz völlig unverändert lässt. Offenbar begreift in der ganzen Regierung niemand: Dabei geht es nicht um Sympathie für die scheinbar relativ wenigen hochverdienenden Mitbürger, sondern darum, dass früher oder später alle Einkommen in Folge der Inflation zu Spitzeneinkommen werden, für die bis zu 55 Prozent zu zahlen sind. Wer das bezweifelt, denke daran, dass der Großteil der Österreicher heute schon Millionäre sind – würde es den Schilling noch geben. Zu Schillingzeiten war es aber noch ein Riesenskandal, als ein Minister gesagt hatte, dass er "leider nicht" Millionär sei, weil das als unsittliche Vorstellung galt.
  3. Durch ein einseitiges Senken der unteren Steuertarife macht man naturgemäß die Steuerprogression noch steiler, wenn man oben nichts ändert. Dabei müsste man sie in Wahrheit flacher machen – bis hin zur Ideallösung einer Flat Tax, einem bei allen Einkommenshöhen völlig gleichen Prozentsatz, wie er in sehr vielen Nachbarländern mit großem Erfolg eingeführt worden ist, von dem die Bürger dieser Länder heute sehr profitieren.
  4. Beim Höchststeuersatz geht es aber auch um die Optik: 55 Prozent wirken extrem abschreckend auf wirklich reiche Ausländer, nach Österreich zu übersiedeln und hier ihr Geld auszugeben beziehungsweise zu versteuern. Dabei sind es – derzeit besonders aus Russland – alljährlich Zehntausende reiche Menschen, die wegen der unterschiedlichen Steuersätze in andere Länder umziehen. Jene Länder, die diese wirklich Reichen mit niedrigen Steuersätzen anlocken, profitieren davon enorm, wie dieser Bericht zeigt.
  5. Etwas enttäuschend ist auch, dass die sogenannte CO2-Bepreisung im Oktober kommen wird (ursprünglich hätte sie sogar im Juli kommen sollen). Sie wird zwangsläufig einen weiteren Schub bei den ja in fast allen Produkten steckenden Energiepreisen auslösen.
  6. So wie oben die Bundesregierung zu loben war, weil sie nicht mehr wie etwa bei der jüngsten Energiekosten-Entschädigung je nach Einkommen unterschieden hat, ob jemand eine Inflations-Entschädigung erhält oder nicht, so ist jetzt die Gemeinde Wien zu tadeln, die bei ihrer Inflations-Abgeltung (mit der sie von der Preisverdopplung gerade bei den Wiener Energierechnungen ablenken wollte) wieder klassenkämpferisch nur die unteren Einkommen bedient und entschädigt. So wird also sogar über die Energiepreise sozialistische Umverteilung betrieben.
  7. Zurück zum Gesamtstaat: Bedrückend ist, dass man jetzt schon davon ausgeht, dass das sogenannte Maastricht-Defizit (also jenes des Gesamtstaates) durch die nun angekündigten Maßnahmen von 1,5 auf 2,4 Prozent steigen wird. Und üblicherweise kann man fast wetten, dass die Entwicklung dann im Rückblick noch viel negativer sein wird. Daneben ist das oft versprochene Nulldefizit sogar als Ziel völlig und endgültig entsorgt worden. Das ist logische Folge der Tatsache, dass all die Wohltaten, die jetzt über uns Volk ausgestreut werden, deutlich mehr ausmachen als das, was der Staat an Körberlgeld infolge der Inflation ungeplant und zusätzlich einnimmt.
  8. Völlig unverständlich ist auch, dass man trotz des katastrophalen Arbeitskräftemangels gleichzeitig die Kurzarbeitsregelung verlängert und sogar attraktiver gemacht hat.
  9. Nicht nur bei diesem Paket, sondern auch bei vielen anderen Maßnahmen und Paketen der letzten Jahre hat man total auf das vergessen, was unangenehme, aber absolute Pflicht jeder Regierung wäre, was aber im Grund seit Schwarz-Blau 1 völlig ignoriert wird: auf das Sparen. Im Grund hätte genausoviel Gehirnschmalz wie in die Verteilung der Inflationsgewinne auch darin investiert gehört, nachzudenken, wo der Staat überflüssige Ausgaben hat. Beispiele dafür sind im Tagebuch schon vielfach ausgeführt worden. Sie werden aber nie abgeschafft, weil die Politik immer Proteste der jeweiligen Profiteure fürchtet. Daher bleiben sie wohl ewig. Die Beispiele reichen vom viel zu niedrigen und daher für uns alle besonders teuren Pensionsalter über den völlig überflüssigen Reparaturbonus, über die vielen Steuermillionen für Medienbestechung (durch Bund, Länder und besonders arg das Wiener Rathaus) bis zu den links-woken Gehirnwäsche- und Umerziehungsprogrammen (von der derzeit besonders aufdringlichen und eigentlich Amtsmissbrauch darstellenden Schwulenpropaganda auf Steuerkosten über das durchaus viele Kosten verursachende Zwangsgendern bis zu den völlig überflüssigen, aber dennoch in jedem Amt sitzenden und dessen Effektivität noch mehr behindernden Gleichstellungsbeauftragten).

Leider geradzu selbstverständlich ist, dass die Regierung (aber auch die Opposition) nicht eine Sekunde darüber diskutiert hat, wie ein wirklicher Strukturwandel ausschauen müsste, wie man Österreich wirklich zukunftsfit machen würde: Das ginge vor allem über ein automatisch mit der Lebenserwartung mitsteigendes Pensionsantrittsalter, über eine Flat Tax (statt jeder Steuerprogression) mit großzügiger Berücksichtigung von Kindern, über die Übertragung der Steuerverantwortung auf Länder und Gemeinden für all ihre eigenen Ausgaben und über einen Wechsel von der Pflichtversicherung zur Versicherungspflicht.

Trotz all dieser Kritikpunkte überwiegen für den gelernten, daher realistischen Österreicher die positiven Seiten des – allerdings noch nicht in Gesetzesform vorliegenden – Regierungspaketes. Dass da trotz allem für österreichische Verhältnisse etwas gelungen ist, kann man am deutlichsten an den zum Teil grotesken Reaktionen von Rot und Blau ablesen:

Die Oppositionsparteien

  • Wenn der sogenannte Wirtschaftssprecher der SPÖ als seiner Meinung nach wichtigsten Kritikpunkt den Umstand nennt, dass durch die vielfältigen Regierungsmaßnahmen kein einziges Produkt billiger wird, kann man sich nur noch an den Kopf greifen. Das zeigt, dass der Mann keine Ahnung von der Funktion der Preise hat. Denn diese transportieren die dringend notwendige Information, dass bestimmte Produkte auf dem Weltmarkt knapp geworden ist.

Würde man durch die von der SPÖ (aber in Hinblick auf Treibstoffe auch vom populistischen Salzburger Landeshauptmann) vorgeschlagene Regulierung oder Subventionierung der Preise verhindern, dass diese steigen, hätte das schlimme Folgen: Niemand würde dann noch zu spezifischer Sparsamkeit bei den knapp gewordenen Produkten ermutigt, wenn sie eh weiter billig sind; Verschwendung knapper Dinge wie etwa Energie würde gefördert; niemand würde motiviert, auf andere, nicht knapp gewordene Produkte umzusteigen; kein Unternehmen würde Anstrengungen unternehmen, um mehr von dem knapp gewordenen Produkt zu erzeugen, oder etwa um weltweit nach mehr Gas- und Ölvorräten zu suchen.

Besonders erschütternd ist, dass die SPÖ und auch Herr Haslauer nichts aus der so dramatisch gescheiterten kommunistischen Wirtschaft gelernt haben: Dort waren ja auch alle Produkte auf staatliche Anordnung billig – nur zu kaufen gegeben hat es das allermeiste davon dann bald nicht mehr, oder nur nach jahrelangen Wartelisten etwa für ein neues Auto.

  • Nicht intelligenter ist die Reaktion des FPÖ-Parteiobmannes. Er hat es wieder einmal geschafft, die in den letzten Wochen so dramatisch gestiegene Inflation primär auf die österreichischen Corona-Maßnahmen zurückzuführen, sein Leib-und-Magen-Thema.

So primitive Argumentation schmerzt, ist doch ganz eindeutig, dass die Inflation ganz andere Ursachen hat: erstens den (von Kickls Freunden gestarteten) Überfall auf die Ukraine und die folgenden Sanktionen und Gegensanktionen; und zweitens den für etliche Produkte sehr folgenreichen Totallockdown in Chinas Metropolen und Häfen (dieser hängt zwar tatsächlich mit Kickls Lieblingsthema Corona zusammen, aber sicher nicht mit österreichischen Maßnahmen). Nur bei der Kritik an der Nullzinspolitik der EU-Zentralbank hat Kickl recht – aber die ist erst in dritter Linie schuld, da sie ja schon viele Jahre falsch läuft, die Preisexplosion aber erst im heurigen Jahr begonnen hat.

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)
Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print



© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung