Mindestlöhne und Steuergeschenke

In Wahlkampfzeiten ist, so scheint es, alles möglich. Was im Moment zwecks Stimmenmaximierung noch fehlt, ist die Ankündigung, demnächst zur Verteilung goldener Uhren zu schreiten. An kreativen Ideen zur Bereicherung der proletarischen Massen auf Kosten von Leistungsträgern im Allgemeinen und Unternehmern im Besonderen fehlt es jedenfalls nicht. Als "soziale Umverteilung" beschönigte Raubzüge gegen den Klassenfeind zählen – wie immer – zum Standardrepertoire aller neidgenossenschaftlich organisierten Linken. Im Land der Hämmer verhält es sich nicht anders.

Die österreichischen Sozialisten – allen voran ihre Führerin Rendi-Wagner – sind davon überzeugt, dass Politik nicht etwa Probleme, sondern stets Lösungen für die unter dem Joch des Turbokapitalismus darbenden Lohnsklaven liefert. Und die sehen nach den Vorstellungen der gelernten Tropenmedizinerin zum Bespiel so aus: 1.700 Euro monatlicher Mindestlohn für alle. Damit nicht genug, soll dieser Betrag den Werktätigen auch noch steuerfrei ausgehändigt werden, wodurch deren Kaufkraft sprunghaft ansteigen wird.

Dass vor der feschen Pamela noch keiner auf diese geniale Idee gekommen ist, möchte man kaum glauben! Dass sich der Anteil derjenigen im Lande, die keinen müden Cent an direkten Steuern bezahlen, damit kräftig erhöhen wird (von derzeit 2,5 Millionen auf knapp unter drei), stellt für sie kein Problem dar. Warum sollte es auch, denn ihr Klientel sind ja die Anspruchsberechtigten, nicht die Leistungspflichtigen.

Dass dieser Spaß den Fiskus natürlich einen schönen Batzen an Einnahmen kostet, liegt auf der Hand. Das Geld muss irgendwo eingebracht werden. Da der Staat aber ausgabenseitig über keinerlei Spielraum verfügt – Kaputtsparenkommt ja sowas von überhaupt nicht in Frage –, gibt es dafür nicht viele Möglichkeiten. Lösung: die Einführung von "Millionärssteuern" und saftigen Erbschaftssteuern, sowie die Rücknahme der von der gestürzten türkis-blauen Regierung beschlossenen Senkung der Körperschaftssteuer.

Zunächst zur letzteren: "Keine Steuergeschenke an Konzerne" lautet die zur Unterfütterung des Feldzugs gegen die Arbeitgeber ersonnene Parole, der jeder Bewohner eines der zahlreichen Wiener Proletariersilos sofort begeistert zustimmen wird. Die Sache stimmt so allerdings nicht, da die apostrophierten "Steuergeschenke" künftig nämlich jedem Gewerbetreibenden vorenthalten werden sollen, der sein Unternehmen leichtfertig als GmbH organisiert hat – also etwa der Installateur oder der Automechaniker um die Ecke. Keine Rede also von einer Sonderbehandlung für Konzerne, die ihre Gewinne (legal!) in Steueroasen ausschütten. Keine noch so kleine GmbH wird ausgenommen sein.

"Eigentum ist Diebstahl"erklärte weiland der Syndikatsanarchist Pierre-Joseph Proudhon. Ohne auf den logischen inneren Widerspruch dieser Aussage einzugehen, der sich roten Klassenkämpfern ohnehin nie erschließen wird, bleibt festzustellen, dass Rendi-Wagner & Genossen diesen Satz tief verinnerlicht haben: Wer über Eigentum verfügt, tut das unrechtmäßig. Dieser Gedanke befeuert den räuberischen Furor aller Sozis, seit dem Tag, an dem der erste von ihnen aufrecht stehen konnte.

Ein paar Worte zum Begriff "Steuergeschenk", der sich bei den Umverteilern in allen Parteien größter Popularität erfreut: als Geschenkwird gemeinhin die gegenleistungsfreie Übertragung des Eigentums an einer Sache von einer Person an eine andere verstanden. Die Oma schenkt ihrem Enkel hundert Euro. Der zuvor im Besitz der Oma befindliche Hunderter gehört nun dem Enkel. Dessen eingedenk, fragt sich, wie es sich mit der Logik verträgt, von einem "Steuergeschenk" zu reden, wenn doch nur der Grad der Enteignung eines Steuersklaven reduziert wird? Würde jemand auf die absurde Idee kommen, ein Wegelagerer, der zwei Wanderer überfällt und einem der beiden hundert, dem anderen aber nur achtzig Euro raubt, hätte letzterem 20 Euro geschenkt? Wohl kaum.

Damit der sinnfreie Begriff "Steuergeschenk" nicht mit fundamentalen Grundsätzen der Logik kollidiert, bedarf es daher folgender Voraussetzung: In Wahrheit gehört das besteuerte Eigentum nicht dem Zahlungspflichtigen, sondern dem Fiskus! Wenn der nun den Steuertarif senkt, dann wird die Steuerersparnis – Simsalabim – tatsächlich zum Geschenk.

Da, schlag´ nach bei Proudhon und Marx, Eigentum an den Produktionsmitteln einen Diebstahl an den um den Mehrwert ihrer Arbeit betrogenen Werktätigen bedeutet, ist es nur recht und billig (naja, billig nicht…), die ausbeuterischen Unternehmer ihrerseits kräftig auszunehmen. Um derartige geistige Kapriolen schlagen zu können, bedarf es einer gründlich schiefgelaufenen Sozialisation und der grundsätzlichen Weigerung, theoretisch-ökonomische Gesetzmäßigkeiten oder empirische Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen.

Zu den geplanten Substanzsteuern: Bis zu einer Million Euro Gesamtvermögen (alles inklusive, und zwar vom Sparbuch über die Schrebergartenhütte, allfällige Schmuckstücke bis zur Briefmarkensammlung!) gedenkt Pamela großzügig unangetastet zu lassen. Danach wird´s allerdings teuer: 25 Prozent bis 10 Mio. Euro und darüber 35 Prozent. Wie genau dieser Raubzug ins Werk gesetzt werden soll, speziell dann, wenn es sich – und das wird den Löwenanteil der Vermögen und Erbschaften betreffen – um Unternehmensanteilehandelt, ist noch unklar. Sicher ist nur, dass künftig kein bei Sinnen befindlicher Mensch jemals wieder einen müden Cent in Österreich investieren wird, wenn er so unverfroren mit der Enteignung bedroht wird. Das ist wirklich ein großartiges Signal, ausgerechnet in einem Moment, in dem die Konjunktur zusammenbricht und Investoren und Unternehmer (d. h. Arbeitgeber!) so dringend gebraucht werden, wie schon lange nicht.

Noch etwas ist hochinteressant: die Begründung, die für die Einführung von Erbschaftssteuern geliefert wird. Beim Erben geht es demnach um einen Zugewinn, für den der Erbberechtigte nichts geleistet hat. Dass die Sozialisten plötzlich zu Leistungsbefürwortern mutieren, ist bemerkenswert. Ohne auf den Wahrheitsgehalt dieser von purem Neid getriebenen Behauptung einzugehen, denn schließlich arbeiten nicht wenige Junge in den von den Alten gegründeten Betrieben längst fleißig mit, bleibt festzuhalten, dass die ins Auge gefassten Profiteure der Umverteilung (Minderleister, und Nettosteuerempfänger) es mit Sicherheit nicht verdient haben, mit dem rechtmäßigen Erbe wildfremder Menschen bereichert zu werden. Erneut erhebt sich die Frage: wo bleibt die Logik?

Darüber hinaus erklären eigentumsfeindliche Geistesathleten einen Nachlass kurzerhand zum Einkommenfür den Empfänger und merken empört an, dass ein Werktätiger für seine Bezüge Lohn- und Einkommenssteuern zu zahlen habe, das Erbteil für den Nachlassnehmer ungerechterweise aber steuerfrei bleibt.

Es erfordert eherne Nerven und eine Engelsgeduld, mit Menschen zu diskutieren, die einen Bestand nicht von einer Flussgröße unterscheiden können oder wollen: Kapital ist von Einkommen verschieden. Punkt. Durch einen Erbfall ändert sich daran nicht das Mindeste. Eine Fabrik mutiert auch dann nicht zum Einkommen, wenn sie an einen Rechtsnachfolger übertragen wird. Einkommenssteuern für einen Nachlass festzusetzen, wie es den Genossen vorschwebt, ist Irrsinn, der sich aus der völligen Unkenntnis deren Protagonisten für den zivilisatorischen Wert privaten Eigentums speist.

Rendi-Wagner hat, wie die meisten Parlamentarier, das gilt übrigens ungeachtet ihrer Parteizugehörigkeit, keinen Tag ihres Lebens unter Marktbedingungen gearbeitet. Auch ihr Ehemann ist – als Diplomat – Bewohner einer geschützten Werkstätte. Bei der Wirtschaftsferne von Parlamentariern handelt es sich um ein in allen demokratischen Wohlfahrtsstaaten grassierendes Problem, das durch die Entkoppelung politischer Mandate von jeglicher bürgerlich-rechtlicher oder strafrechtlicher Verantwortung noch massiv verschärft wird: Welches Denken und Handeln ist von Leuten zu erwarten, die – anders als in der Privatwirtschaft tätige Menschen – sämtliche negativen Konsequenzen ihres Handelns an den Steuerzahler abwälzen können?

Rendi-Wagner und/oder ihre Genossen mit maßgeblichen Staatsämtern zu betrauen, ist, als würde man Müllkutscher als Operateure in Herz-OPs stellen. Wer wäre wohl scharf darauf, sich einer Behandlung durch solche Typen anzuvertrauen? Was es daher dringend braucht, ist eine grundlegend andere Auswahl des politischen Personals! Aber das ist eine ganz andere Geschichte.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien. 

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