Die Redl Papers (V): Der Wörgl Incident

Am 7. Juli 2017 hat Verteidigungsminister Doskozil den Ausstieg aus dem Eurofighter bekanntgegeben, am 13. Juli 2017 beendete der zweite parlamentarische Untersuchungsausschuss zu diesem Thema seine Arbeit. Grund genug, gerade jetzt diesen Text – in Fortsetzungen – zu veröffentlichen. Er entstand während des ersten Eurofighter-Untersuchungs-Ausschusses 2006/07 und stammt von einem Österreicher mit Heimat- und Verantwortungs-Bewusstsein und besten Verbindungen zum militärisch-ministeriellen Komplex. Es ist natürlich immer davon auszugehen, dass sich hier der Erkenntnis-Horizont von vor zehn Jahren widerspiegelt – was aber eher ein Vorteil ist, denn dadurch ist historische Authentizität gegeben. Alles ist original, es wurde nichts aus heutiger Sicht hinzugefügt. In dieser Folge geht es um die Aufstellung der Luftstreitkräfte.

Die Papers sind dem "Tagebuch" von dritter Seite zugespielt worden und werden an dieser Stelle in loser Folge veröffentlicht.

Der österreichische Luftraum ist kein Heiligtum, in den man nur nach Kniefall und Beichte Einlass erlangt. Aber natürlich brauchen Militärluftfahrzeuge besondere Überflugsbewilligungen, die meist innerhalb von zwei, drei Tagen im Ministerium ausgestellt werden. Und wenn's schnell gehen muss, etwa bei Sanitätsflügen, kann der Diensthabende Offizier unmittelbar die Bewilligung erteilen. Fünfzig bis achtzig genehmigte Überflüge pro Tag können da schon zusammenkommen.

Der Militärtourismus boomt

Bereits 1998 gab es über 16 000 Überflüge durch Militärluftfahrzeuge, und jedes Jahr werden es mehr. Spötter sprechen auch von "Militärtourismus". Es handelt sich dabei um den Anflug zu Übungen, um Verlegungen, um Transport und Versorgung von Truppen, aber auch um Reisen von Regierungsmitgliedern oder Militärdelegationen.

Österreich ist nun einmal ein Durchzugsland, wie am Boden so auch in der Luft. Der Verkehr bewegt sich in geregelten Bahnen, den von der Austrocontrol zugewiesenen "Luftkorridoren", das sind so etwas wie Luftautobahnen, deren wichtigste von Nordwest nach Südost (beziehungsweise umgekehrt) führen. Nicht zu vergessen natürlich die hochfrequentierte vielspurige Autobahn über Tirol zwischen Deutschland und Italien. Die wird sogar von der deutschen Flugsicherung verwaltet, kann aber auf Verlangen jederzeit und sofort der österreichischen Flugkontrolle übergeben werden.

Wobei an den Grenzen überhaupt andauernd ein wildes Treiben herrscht. Man schaue nur einmal in die sogenannte Grenzüberflugs-Verordnung, wo in bilateralen Verträgen mit allen Nachbarstaaten rund um Österreich sämtliche Eventualitäten geregelt sind.

In den über zwanzig Jahren seit Inbetriebnahme der Goldhaube hat es kaum unautorisierte Überflüge gegeben. Jetzt kann man sagen: Es war entweder die Angst vor Zores mit den Bundesheer-Draken in der Luft oder der diplomatische Respekt vor der Republik Österreich, dass man jedesmal brav um eine Bewilligung nachsuchte. Sagen wir doch, es war beides. Das ist kein beschönigendes Wunschdenken, das ist nachprüfbares Faktum. Denn seit Beginn der Luftraumüberwachung sind alle Daten gespeichert. Gespeichert sind auch die berühmten CIA-Überflüge: aber das waren zivile Flüge, die ihren ganz normalen Weg über die Austrocontrol genommen haben, dafür brauchte man das Verteidigungsministerium nicht um die Ausstellung einer Bewilligung ersuchen. Da hätte schon einer an Bord gerade einen Prügel nehmen und losprügeln müssen, damit etwas unternommen hätte werden können. Die Maschinen, die der Abgeordnete Pilz nannte, hatte die Goldhaube jedenfalls registriert – sie waren alle im Archiv zuordenbar. Man hätte das Material sofort der EU übergeben können, wenn man gewollt hätte. Aber der politische Wille war wie so oft nicht da.

Zwischenfall über Wörgl

Ein einmaliger Zwischenfall spielte sich im Jahre 1998 über Tirol ab. US-amerikanische F-16 Jäger wollten sich von Norditalien nach Süddeutschland über den Nordtiroler Riegel drüberschwindeln. Die Goldhaube hatte das natürlich registriert und sofort eine Rotte Draken angefordert, die sich über Tirol positionierte. Die Amerikaner warteten so lange, bis die Österreicher abdrehen mussten, denn sogar mit zwei Zusatztanks kann man maximal nur zwei Stunden "Verweilzeit" erreichen, dann muss man einfach landen, um nachzutanken.

Dann überflogen sie wohlgemut die Grenze – und gingen in die Falle, die wir ihnen gestellt hatten. Plötzlich sahen sie sich einer zweiten Rotte gegenüber, die im Raum Wörgl in niedriger Höhe versteckt gehalten worden war. Die amerikanischen Maschinen wurden alle schön säuberlich fotografiert und dieses Beweismaterial dem State Department in Washington übergeben.

Die Folge war eine offizielle Entschuldigung gegenüber Österreich und ein Köpferollen bei den Verantwortlichen, dessen Auswirkungen von der US-Basis Aviano angefangen sogar bis ins Pentagon gingen. So viel zum Thema "Man kann eh nix machen".

Interessante Frage: verletzen auch österreichische Piloten manchmal fremde Lufträume? Die Antwort ist: in keinem Fall absichtlich. Und in den ganz seltenen Fällen, in denen sich ein Flieger doch einmal verirrt, handelt es sich nur um ein paar hundert Meter. Er wird dann sofort zurückgepfiffen. Noch nie hat ein Nachbarstaat wegen einer Luftraumverletzung protestiert, nicht zuletzt deshalb, weil die dortigen Pendants der Goldhaube lange nicht so gut arbeiten wie diese und von derart marginalen "Überflügen" gar nichts mitbekommen. Aber unser Kommando kriegt das sofort mit und bestraft den Piloten mit einer Verwarnung, er muss zur Nachschulung, und die Fliegerzulage ist für zwei Monate weg.

Der vorgeschriebene "Sicherheitsabstand" zur Grenze liegt übrigens bei hundert bis zweihundert Metern, nur in speziellen Situationen wird er auf einige Kilometer erweitert, um einen ohnehin vielleicht schon nervösen Nachbarn nicht noch nervöser zu machen.

Die größte Luftflotte des Landes

Kaum jemand weiß, dass das Bundesheer über die größte Luftflotte in Österreich verfügt. Während die Austrian Airlines Group mit rund 100 Maschinen fliegt, stehen im Dienst des Heeres ein Drittel mehr, nämlich zusammengerechnet rund 150 Stück. Dabei handelt es sich um "Luftfahrzeuge" (das ist die offizielle Bezeichnung für alles, was fliegt) der verschiedensten Typen und Provenienzen. Zunächst einmal muss man unterscheiden zwischen Kampfflugzeugen und Nicht-Kampfflugzeugen. Letztere Kategorie bildet die Mehrheit der Maschinen im österreichischen Bundesheer, wie in der Regel auch in jedem anderen Heer. Das ist Fluggerät, wie es so große Organisationen, wie Heere nun einmal sind, einfach für die verschiedensten Aufgaben brauchen – und primär gerade für "zivile" Einsätze in Friedenszeiten.

Die Flächenflugzeuge

Bei den Nicht-Kampflugzeugen herrscht im Bundesheer eine große Typenvielfalt. Das Prunkstück sind drei – generalüberholt gekaufte, dreißig Jahre alte – Hercules-Transportmaschinen. Dieser Geniestreich von Lockheed, 1954 entworfen und seitdem in seinem bulligen Aussehen unverändert, steht bei 64 Luftstreitkräften und unzähligen privaten Transportfirmen im Einsatz. Über 60 Versionen gibt es davon, und über 24 Millionen Flugstunden wurden damit absolviert.

Die Hercules ist ein echtes militärisches Transportflugzeug, das sogar gepanzerte Fahrzeuge mitnehmen kann, mit einer Reichweite von rund 3.500 Kilometern: das reicht locker für Europa und das angrenzende Umfeld. Mit der Minimalzuladung von 12 Tonnen ist der Radius um Österreich herum extrem weit hinausgeschoben: er geht im Süden bis Mali, im Westen bis an die kanadische Küste, im Norden bis an den Pol und im Osten bis an die pakistanische Grenze.

Diese viermotorigen Riesen wurden unterstützt von kleineren, zweimotorigen Skyvans. Darauf sammelten auch die Transportflugzeug-Piloten genügend Flugstunden, um dann problemlos auf mehrmotorige Maschinen umsteigen zu können. Die einmotorige Turbo Porter des Schweizer Herstellers Pilatus scheint mit seinem fest ausgefahrenen Fahrwerk und seiner geringen Transportkapazität von maximal sieben Personen eigentlich nichts Besonderes zu sein, ist aber gerade für die topographischen Verhältnisse in den Alpen hervorragend geeignet. Das Flugzeug kann praktisch ohne Landebahn auskommen und selbst noch von Hängen aus operieren: so hält es mit einer Landung im Himalaya auf knapp 6.000 Metern den Höhenrekord unter allen "normalen", mit starren Flügeln gebauten Flugzeugen. Das Bundesheer hat eine Staffel davon, die sich auch hervorragend zur speziellen Alpinpilotenausbildung eignet.

So viel zu den Flächenflugzeugen. Der Star unter den Hubschraubern ist der Sikorsky S-70 BLACK HAWK, bekannt aus Film und Fernsehen ("Black Hawk Down" von Ridley Scott). Der Landesverteidigungsrat hat unmittelbar nach der Galtür-Katastrophe 1999 die Bestellung von neun Stück – mit Option auf drei weitere – befürwortet, als die Peinlichkeit publik wurde, dass wir schon bei einer – flächenmäßig – relativ kleinen Naturkastastrophe mit unseren Flugkapazitäten am Ende waren und ausländische Streitkräfte zu Hilfe rufen mussten.

Die Hubschrauber

Die Haupttransportkapazität der Österreichischen Luftstreitkräfte ruht aber nach wie vor auf den Rotoren zweier Staffeln ebenfalls US-amerikanischer Agusta Bell 212-Hubschrauber, verlässlichen alten Herren, jetzt schon seit bald fünfundzwanzig Jahren im Dienst. Mögen es nach erfolgter Modernisierung noch viele mehr werden! Nach unten abgerundet wird das System durch die leichteren Bell Kiowa und die noch leichteren Agusta-Bell Jet Ranger, die zur Pilotenausbildung verwendet werden. Mit vieren davon fliegt auch unsere Hubschrauber-Kunstflugformation "Kleeblatt". Schließlich stehen noch für den alpinen Bereich zwei Staffeln Allouette III zur Verfügung, die speziell auf Einsätze im Hochgebirge abgestimmt sind.

Das Spektrum der Einsatzmöglichkeiten in Friedenszeiten ist weit gespannt: von Rettungsflügen, Bergeflügen und Krankentransporten über Lastabwurf und Evakuierung bei Katastrophen bis zu Luftbild- und Messflügen. Im Ernstfall transportieren die Nichtkampf-Luftfahrzeuge Truppen und Ausrüstung, sie setzen Fallschirmjäger ab und fungieren als Luftlazarett. Im Krisen- und Konfliktfall können aber auch einige Typen bewaffnet werden und Einsätze zur Unterstützung der Bodentruppen fliegen. So werden alle diese Typen, wenn schon nicht zu Kampfflugzeugen, so doch zu kämpfenden Flugzeugen, ebenso wie die Hubschrauber jederzeit zu kampfunterstützenden Helikoptern umfunktioniert werden können.

Und: die Flugzeuge dienen auch zur Luftraumsicherung. Was die Abfangjäger hoch oben besorgen, das ergänzen die kleineren Flugzeuge in Bodennähe. Denn wenn sich einmal ein harmloses Sportflugzeug über die Grenze verirrt, muss man auch in so einem Fall erstens feststellen, ob es wirklich ein harmloses Sportflugzug ist, und ihm dann zweitens aus der Orientierungslosigkeit helfen. Und ganz unten sichert etwa der mit Infrarotkameras und Scheinwerfern ausgerüstete Bell Kiowa im Rahmen des Assistenzeinsatzes des Bundesheeres die Ostgrenze des Landes. Es ergibt sich so ein integriertes System.

Die echten Kampfflugzeuge

Bei der anderen Spezies der Militärflugzeuge, den reinen Kampfflugzeugen, handelt es sich grundsätzlich um drei Kategorien:

  1. (Abfang)jäger (Fighter im internationalen Militärjargon);
  2. Schlachtflugzeuge (Attacks);
  3. Bomber (Bomber).

Die Abfangjäger sind für den Luftraum zuständig, während Schlachtflugzeuge bewegliche und Bomber starre Ziele am Boden angreifen. Einige Abfangjäger-Typen sind so angelegt, dass sie für den Luft- und den Bodenkampf eingesetzt werden können: man spricht dabei von Multirole Fighter.

Um es gleich zu sagen: Österreich braucht den Typ 2 und vor allem den Typ 3 nicht, nicht weil es sich ihn nicht leisten kann, sondern weil es ihn nicht will. Wir haben eine Verteidigungs- und keine Angriffsdoktrin, und Bomber sind eindeutig Offensiv-Flugzeuge. Sie zielen mit Bomben, Raketen oder Marschflugkörpern aus großer Höhe auf Flughäfen, Fabriken oder eben auch zivile Ziele. Das bedeutet Eindringen in "Feindesland", Brechung des Gegners. Natürlich ist manchmal auch Angriff die beste Verteidigung, aber für eine Bomberflotte braucht ein Land ein gewisses geostrategisches Potential, das uns aufgrund unserer Größe erspart bleibt. Länder, die darum nicht herumkommen, haben zudem mehr oder weniger große Arsenale von bodengestützten Raketen, die noch dazu punktgenau treffen (siehe Irak-Krieg), viel präziser als die herkömmlichen Bomben, mit denen nur brutale Flächenbombardements gelingen.

Die Attacks sind Schlachtflugzeuge, was heißt, sie greifen in eine "Schlacht", also in Kämpfe von Bodentruppen ein. Dieser Typ wird deshalb auch als Erdkampfflugzeug bezeichnet und hat eine ganz besonders starke Panzerung, damit ein Treffer von unten nicht den sofortigen Verlust bedeutet. Für die österreichische Situation kommt er deshalb nicht in Frage, weil richtige große Feldschlachten, "Entscheidungsschlachten", aufgrund sowohl der Vernunft als auch der immer noch nachwirkenden Spanocchi-Doktrin gar nicht angestrebt werden. Und punktuelle Luftunterstützung für Bodenkämpfe können, wenn's wirklich drauf ankommen sollte, in begrenztem Umfang auch die Mehrzweck-Abfangjäger geben.

Außerdem nagt auch an diesem klassischen Kampfflugzeugtyp der Zahn der Zeit. Die modernere Version sind sogenannte "Gunships", mit seitlich feuernden Waffen bestückte Flächenflugzeuge, und Kampfhubschrauber. Denn ein frontal angreifendes klassisches Flugzeug hat nur eine kurze Feuerzeit, und wenn die um ist, muss es von Neuem anfliegen. Dagegen können Flugzeuge, die im Kreis fliegen und Hubschrauber, die über dem Zielgebiet stehen, das Ziel mit seitlich feuernden Waffen so lange unter Beschuss nehmen, wie eben die Munition reicht. Natürlich sind diese Maschinen extrem empfindlich gegen Feuer von unten, sodass heute mit weit reichenden, hochpräzisen Waffen, die außerhalb es Bedrohungsbereiches abgefeuert werden, gekämpft wird.

Was Österreich jedoch braucht, sind Abfangjäger. Jäger, die dazu da, sind den österreichischen Luftraum zu kontrollieren, zu schützen und notfalls auch gegen eindringende Kampfflugzeuge zu verteidigen. Jäger der verschiedensten Arten, die auf unterschiedlichste Bedrohungen gezielt reagieren können. Denn nicht jeder "Abfangjäger" muss ein Überschallflugzeug sein.

Über und unter dem Schall

Technisch haben sich die hochmodernen Mach-2-Düsenflugzeuge ja über mehrere Stufen zu dem Podest hin entwickelt, auf dem sie jetzt stehen, ebenso wie sich die Piloten dafür in der Ausbildung über Einsteigermodelle herantasten müssen. Und all diese Unterschallflugzeuge der verschiedensten Entwicklungsstufen existieren ja gleichzeitig nebeneinander und können jederzeit wie jedes Flugzeug zu einem "Feindflieger" werden.

Da man die Leute nicht gleich in einen 2-Mach-Überschalljäger setzen kann, gibt es Schulflugzeuge. Das Bundesheer hat dafür, wie zwei Dutzend andere Luftwaffen auch, die Schweizer Pilatus PC-7, einen gutmütigen, kostengünstigen Turboprop-Trainer, mit dem man von der Basis-Flugschulung über Instrumentenflug, Kunstflug und Nachtflug bis zum taktischen Training alles machen kann. Auch dieses Schulflugzeug kann – und wird auch – im Krisenfall mit Bordkanonen und ungelenkten Raketen bewaffnet werden.

Das ist die erste, niederste Stufe zu den höchsten Weihen moderner Überschalljets. Die nächste heißt SAAB 105 Ö. Ja, es gibt ihn noch, diesen hierzulande legendären Flugzeugtyp, der auch nur speziell für Österreich gebaut wurde. Von den zu Beginn der 70er-Jahre gelieferten 40 Stück sind noch 28 übrig. Diese Strahltrainer bildeten über 30 Jahre lang das Rückgrat der österreichischen Kampffliegerei: vor allem als Ausbildungsmaschinen, aber auch als Einsatzflugzeuge im Rahmen des martialisch "Jabo (Jagdbomber)-Geschwader" genannten Verbandes, obwohl es dafür nie Bomben gab.

Nun sind die Flugzeuge praktisch gegroundet, das heißt technisch außer Dienst gestellt, aber cirka zwanzig davon sollen einem Update unterzogen werden, das ihre Lebensdauer um noch einmal 15 Jahre verlängern würde. Was auch dringend nötig wäre, um die Lücke im System zu schließen: den unteren Luftraum zu sichern und das stückzahlschwache Überschallelement zu entlasten.

Und über diesen drüber dann als Krönung die Überschalljets, Flugzeuge, die schneller als der Schall fliegen, der sich unter normalen Bedingungen mit 1220 Kilometern in der Stunde ausbreitet: zuerst die gekauften gebrauchten Draken, dann die gemieteten gebrauchten Tiger und jetzt die gekauften neuen (oder nur mehr zum Teil neuen) Eurofighter.

Die Königsklasse

Die Chronologie der Königsklasse der österreichischen Luftwaffe sieht zusammengefasst so aus:

  • 1955 - 1961 Aufbau des Bundesheeres, es gibt überhaupt nur einige ausrangierte sowjetische Maschinen, ein Geschenk der ehemaligen Besatzungsmacht, als Mädchen für alles.
  • ab 1961 SAAB J-29F, Unterschall, die in Österreich wegen ihres gedrungenen Aussehens gleich den Beinamen "Fliegende Tonnen" erhielten. Die letzten wurden 1972 aus Altersgründen ausgeschieden.
  • ab 1970 SAAB 105 Ö, Unterschall, die heute noch im Dienst stehen und diesen nach Renovierung weiter versehen sollen.
  • ab 1988 SAAB 35 OE "Draken", Überschall, Ende 2005 aus Altersgründen außer Dienst gestellt.
  • 2004 - 2008 Northrop F-5E "Tiger II", Überschall, gemietet von der Schweizer Luftwaffe.
  • seit 2007 Eurofighter "Typhoon", Überschall.

Ein Flieger, viele Rollen

Beim Eurofighter handelt es sich um ein Multi-Role Combat Aircraft, das heißt um ein Mehrzweck-Kampfflugzeug. Alle Standard-Kampfflugzeuge der jüngsten Generation werden so gebaut, denn aufgrund des rasanten technischen Fortschritts ist die Übernahme mehrerer "Rollen" heute flug- und bewaffnungstechnisch kein Problem. Und aus Kostengründen naheliegend. Schon die Entwicklung eines Flugzeugtyps verschlingt Unsummen und dauert heute im internationalen Durchschnitt 20 Jahr und länger. Also baut man wenige Mehrzwecktypen anstatt vieler Spezialisten.

So können Flugzeuge wie der Eurofighter sogar zum Teil mitten im Flug von einer Einsatzrolle in die andere wechseln, wenn man die dafür notwendige Ausrüstung und Bewaffnung an Bord hat und einen Piloten, der für alle Rollen ausgebildet ist. Derartige Rollen können sein:

  • Wahrung der Lufthoheit,
  • Überwachung,
  • Aufklärung,
  • aber auch Bodenunterstützung und Gegenangriff.

Und so ist der Eurofighter eben nicht nur ein reines Jagdflugzeug für Abfang und Luftüberlegenheit, sondern kann auch als Erdkampfflugzeug eingesetzt werden.

Durch solche Multi-Role-Flugzeuge sparen sich die großen Länder Kosten, weil sie sich sonst für jede Funktion einen eigenen Flugzeugtyp zulegen müssten, was im Betrieb extrem aufwendig wäre. Aber auch kleineren Ländern schadet es ja nicht gerade, wenn sie ein Flugzeug haben, das alles oder fast alles kann. Vor allem, wenn es praktisch nur mehr solche Flieger gibt. Man kriegt ja auch kein Handy, mit dem man nur telefonieren kann. Die Funktionen, die man gerade oder überhaupt nicht braucht, lässt man eben links liegen. Und das Handy ist durch seine "Multi-role"-Ausstattung auch nicht teurer, weil es eben industriell produziert ist. Teuer käme nur die Sonderanfertigung eines reinen Telefonier-Handys.

Damit ist auch dieses ständige "Kampfbomber"-Gejeiere von Pilz und Genossen gegenstandslos. Wobei einmal mehr die Unwissenheit dieses friedensbewegten Kreises sichtbar wird: man kann heute gar kein Flugzeug mehr kaufen, das nur ein Jäger ist. Das gibt's nicht. Genau aus diesem Grund wurde in der Ausschreibung die Mehrzweck f ä h i g k e i t  der einzelnen Flugzeugsysteme abgefragt – ohne die Absicht, dann tatsächlich etwas aus dem Bodenkampf-Segment zu bestellen.

Ein Luftballett

Was auch so kleine Luftwaffen wie die österreichische zu leisten imstande sind, hat sich beim Bush-Besuch am 20. Juni 2006 gezeigt. Hier wurde zwei Tage lang in einer konzertierten Aktion aller Kräfte ein komplettes System der Rund-um-die-Uhr-Luftüberwachung aufgezogen. Ganz oben die F 5, darunter die SAAB 105, darunter wiederum die Pilatus und dicht über dem Grund die Black Hawks und Kiowas. Alle Maschinen bis auf die Black Hawks waren bewaffnet. Ein weltweit einmaliger Einsatz, der von ausländischen Fachleuten einhellige Anerkennung erfuhr.

Um vom Paragleiter in Bodennähe bis zum Jet im oberen Luftraum auf wirklich jedes Luftziel adäquat reagieren zu können, hat das Bundesheer nicht nur die F-5E Abfangjäger zum Einsatz gebracht, sondern sich des gesamten Spektrums seiner Mittel bedient. Und dabei kamen auch jene Heeresflieger dran, die nicht speziell für den Luftverteidigungsdienst ausgebildet sind. Beginnend bei Null in Bodenhöhe kamen folgende Luftfahrzeuge zum Einsatz:

  1. Die untere Zone wurde von den Hubschraubern gegen Gleitschirmflieger, Ballonfahrer, Paragleiter, Segelflugzeuge und kleine Sportflugzeuge gesichert, in einer Höhe von bis zu 3.000 Metern mit geflogenen Geschwindigkeiten von 150 - 180 km/h.
  2. Die mittlere Zone überwachten die Pilatus PC 7 (bis zu 4.000 m, 150 - 300 km/h) und die Saab 105 OE (4.000 - 6.000 m, 300-500km/h) gegen mittlere und größere Privat- und Militärflugzeuge, propeller- oder düsengetrieben.
  3. Im oberen Luftraum sicherten die Tiger gegen zivile Linienmaschinen sowie andere Militärjets (6.000-15.000 m, bis 1.200 km/h).

Das Konzept, das zu einer solchen Aufgabenteilung führt, hat sich erst langsam entwickelt. Jahrzehntelang war man der Meinung, der "Feind" kommt entweder oben schnell oder unten gepanzert. Dann landete der Deutsche Mathias Rust mit einer Cessna auf dem Moskauer Roten Platz unter Unterfliegung aller Luftsicherungssysteme der 1987 noch ziemlich real existierenden Sowjetunion. Und in der Folge gab es dann immer mehr Leute, die in die Innenstädte flogen, über diesen kreisten und Böses zumindest im Schilde führten, so geschehen etwa in Frankfurt und Mailand. Jetzt läuteten endlich die Alarmglocken: schnelle Jets scheinen zur Identifizierung und Bekämpfung solcher sehr tief und/oder langsam fliegenden Objekte denkbar ungeeignet. Sie sind aufgrund ihrer hohen Geschwindigkeit nicht lang genug nahe dran, und ihre Bewaffnung ist überdimensioniert. Man entdeckte die Verhältnismäßigkeit und begann, zu systematisieren.

Wir leben alle unter einem Himmel

Bei der gegebenen europäischen Kleinräumigkeit ist eine Zusammenarbeit der Luftraumkontrollen nicht nur auf zivilem, sondern auch auf militärischem Sektor naheliegend. Und schon längst kein Desiderat mehr. Das zeigte auch wiederum die Operation Bush, bei der die slowakische und ungarische Luftwaffe auf ihren Seiten der Grenze alarmiert waren, und slowakische, ungarische und österreichische Verbindungsoffiziere ausgetauscht wurden, um vor Ort so engen Kontakt wie möglich halten zu können.

Das zeigt aber auch eine sich zunehmend intensivierende Zusammenarbeit von verschiedenen Luftstreitkräften bei Übungen. In Österreich wurden 1999 und 2002 unter der Bezeichnung Amadeus jeweils Übungen mit Frankreich und der Schweiz abgehalten, bei letzterer war auch Italien dabei. Dabei ging es weniger um das Training der Piloten als vielmehr um die Abstimmung auf der Führungsebene. Denn die Ausrüstung ist nicht ident, die Kommandostrukturen sind unterschiedlich, und auch sprachlich bleibt einiges zu tun. Obwohl – oder gerade weil – die Arbeitssprache Englisch ist, traten da anfangs noch Schwierigkeiten auf, denn in "französischem Englisch" zum Beispiel muss ein Fachausdruck nicht immer dieselbe Bedeutung haben wie in "deutschem Englisch".

"Militärische Globalisierung" und Neutralität

Man sieht, dass eine Internationalisierung wie in der Wirtschaft auch im militärischen Bereich bis zu einem gewissen Grad um sich greift. Und nicht nur im großen Maßstab der "Partnerschaft für den Frieden", die die NATO so hingebungsvoll praktiziert. Auch kleinere, unabhängige Armeen pflegen bi- und multilateral Kontakte – aber ohne sich "auf ein Packl zu schmeißen". Denn immer noch gilt insbesondere dem homo militaris das Hemd mehr als der Rock.

Ein Beispiel für die guten internationalen Kontakte des Bundesheers ist die Zusammenarbeit mit der US-Army – was man natürlich nicht mit einer NATO-Mitarbeit verwechseln darf. Es besteht ein Austausch-Programm zwischen der ältesten Militärakademie der Welt, Wiener Neustadt, und der größten, West Point. Österreichische Offiziere und Anwärter absolvieren dort immer wieder Kurse. Was allerdings nichts ganz Neues ist. In der 1. Republik nahmen US-Offiziere an Übungen unseres Generalstabs teil. Trotzdem hat man später aufeinander geschossen, genauso wie es jene Japaner taten, die in der Zwischenkriegszeit mit den US-Militärs kooperierten. Der Kriegsfilm "Letters from Iwo Jima" legt ein beredtes Zeugnis davon ab.

Derartige Nettigkeiten unter Militärs sind also keine Garantie für den immerwährenden friedlichen Umgang miteinander. Und auch wenn – oder gerade weil – die praktische Zusammenarbeit auf übernationaler Ebene bei der Lösung von konkreten Luftsicherheits-Problemen so gut funktioniert, muss man sich immer wieder die Frage stellen, auf welchem staatspolitisch-militärstrategischem Fundament man da arbeitet. Und da stößt man immer wieder auf einen Fokus, auf den sich alles konzentriert und von dem alles ausgeht: die österreichische Neutralität.

Fortsetzung folgt.

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