Die Redl-Papers(II): Der Gewerkschafter und der Grüne

Am 7. Juli 2017 hat Verteidigungsminister Doskozil den Ausstieg aus dem Eurofighter bekanntgegeben, am 13. Juli beendete der zweite parlamentarische Untersuchungsausschuss zu diesem Thema seine Arbeit. Grund genug, gerade jetzt vorlegende Texte zu veröffentlichen. Sie entstanden während des ersten Eurofighter-Untersuchungs-Ausschusses 2006/07 und stammen von einem Österreicher mit Heimat- und Verantwortungs-Bewusstsein und besten Verbindungen zum militärisch-ministeriellen Komplex. Es ist natürlich immer davon auszugehen, dass sich hier der Erkenntnis-Horizont von vor zehn Jahren widerspiegelt – was aber eher ein Vorteil ist, denn dadurch ist historische Authentizität gegeben. Alles ist original, es wurde nichts aus heutiger Sicht hinzugefügt. In diesem File geht es um eine Lebenslüge, eine Viererbande und zwei beste Freunde. Der Text ist dem "Tagebuch" von dritter Seite zugespielt worden und wird an dieser Stelle in loser Folge veröffentlicht.

Was einen Offizier, der sein selbstständiges Denken noch nicht am Checkpoint der Kaserne abgegeben hat, seit Jahren nahezu am meisten deprimiert, ist die Philosophie des Österreichischen Bundesheers.

In ihr kam die Luftwaffe nie über den Status eines exotischen bunten Vogels hinaus, den man aus der Ferne misstrauisch beäugte. Während die "normalen Soldaten" durch schlammige Schützengräben robben müssen, stellt man sich die Flieger als fesche Burschen mit Seidenhalstüchern vor, die am Himmel herumkurven und sich dabei die Hände nicht schmutzig machen. Typisch der Dialog zwischen einem Infanterie- und einem Fliegeroffizier, der dieses Klischee mit feinem Humor ein bisschen zurechtzurücken versucht:

- "Ihr tuat's doch nur fliagen, und danach trinkt's an Whisky. Stimmt's?"

- "Na, danach trink ma a Bier."

Um das Ganze zu verstehen, muss man zunächst einmal einen kurzen Film ablaufen lassen, der erklärt, wie das Bundesheer zu dem geworden ist, was es heute ist.

Die Augen fest auf den Boden geheftet

Für die führenden Köpfe des Bundesheers hörte die Kampfzone jahrzehntelang fünf Meter über dem Boden auf, die Luftraumsicherung war nicht mehr als ein Feigenblatt am narbenübersäten Körper des klassischen Bodenkämpfers. Dabei ist jedem Laien einsichtig, dass eine offene Feldschlacht ohne Luftunterstützung in Verbindung mit Luftüberlegenheit nicht nur nicht zu gewinnen, sondern gar nicht zu führen ist. Es wäre der pure Mord.

Aber die Kollegen von der Infanterie und den Panzern haben ihre Köpfe eingezogen und halt auf – damals noch flugeinschränkendes – Schlechtwetter gehofft. Bei größeren Manövern wurde in der Übungsannahme die "Luftlage" – also die aktuelle Situation im Luftraum über den Köpfen der Übenden – entweder gar nicht erwähnt oder manchmal sogar positiv dargestellt – , ohne auch nur annähernd die Mittel zu besitzen, um diese Lage irgendwie beeinflussen zu können. Macht nix! Es führte ja jedes Bataillon eine 2-cm-Flugabwehr-Batterie (mit Infanterie-Lafette!) mit sich, als Alibi, mit der alle sechs Monate einmal im Burgenland am Rande der pannonischen Tiefebene bei Schönwetter auf Schleppsäcke, sprich Spatzen, geschossen wurde. Über die Trefferquoten breitet sich der Mantel der Geschichte.

Das hat auch historische Gründe, denn laut Staatsvertrag war die Übernahme von Stabsoffizieren, die in der deutschen Wehrmacht gedient hatten, verboten (es gab allerdings Ausnahmen: der erste Generaltruppeninspektor des Bundesheers, General Fussenegger, war Oberstleutnant im Generalstab gewesen). Diese Reglementierung geschah aus guten Gründen, denn alte kadavergehorsame Nazis wollte niemand, gerade im Heer nicht.

Allerdings blieben damit eben auch jene auf der Strecke, die "nur" Soldaten waren, oft sogar in Opposition zur Politik, und die ihre rein militärischen Kenntnisse hätten einbringen können und wollen. So fehlte dem jungen Bundesheer erfahrenes Führungspersonal zur Entwicklung übergeordneter Konzepte, gewachsen in der Kontinuität mit früheren Generationen. Zumal der Austausch mit fremden Armeen, heute eine Selbstverständlichkeit, damals gerade einmal innerhalb der beiden großen Militärblöcke in Gang gekommen war.

Zum ersten Mal weiter und tiefer gehende Gedanken machte sich Armeekommandant General Spannocchi in den Siebziger Jahren, der Aufbruchszeit der Ära Kreisky, in der die Starrheit der Nachkriegsverhältnisse auf vielen Gebieten überwunden wurde. Unvergessen etwa die legendären "Club 2"-Diskussionen, in die der General als Shooting Star eingeladen war.

Die Spannocchi-Doktrin

Spannocchi entwickelte ein umfassendes modernes Konzept, wie einer Bedrohung zu begegnen wäre: nämlich durch "Verteidigung ohne Schlacht" (was auch der Titel seines zusammen mit dem französischen Offizier und Militärtheoretiker Guy Brossolet verfassten Buches ist). Dem General ging es darum, die Irrealität einer offenen Feldschlacht zwischen massierten Kräften im Atomzeitalter durch eine Strategie der tausend kleinen Nadelstiche aus Rückzugsgebieten heraus abzulösen. Natürlich war dafür ein großes Vorbild Vietnam, wo es einer technisch hoffnungslos unterlegenen Armee gelungen war, eine Weltmacht hinzuhalten und schließlich zu vertreiben. Aber natürlich ist dafür eine besondere Topografie, nämlich die eines Dschungelgebietes, eine günstige Voraussetzung – was Spannocchi nun versuchte, auf die Alpen zu adaptieren.

Was er außer Acht ließ, war die "notwendige" Mitarbeit der Bevölkerung, die sich in einem ostasiatischen Schwellenland wohl anders darstellt als in einer hochentwickelten mitteleuropäischen Konsumgesellschaft. Für unseren Zusammenhang relevant ist, dass es für dieses Verteidigungskonzept keine Luftüberlegenheit braucht, ja dass es eigentlich ziemlich unbedeutend ist, was da am Himmel oben geschieht, wenn man sich in Heustadln verkriecht.

Die wenigen, die sich tatsächlich mit dem beschäftigten, was in der Luft passieren könnte, drehten sich im Kreis. Nach dem Motto Was soll zuerst da sein – die Henne oder das Ei? verhinderten da das Fehlen eines flächendeckenden Radars und das der zugehörigen Abfangjäger einander gegenseitig – mit dem Argument, dass aufgrund des Fehlens des einen Elements die Beschaffung des anderen sinnlos sei.

Eine zwischenzeitlich eingerichtete "Luftraumverteidigungskommission" empfahl dann, schwedische Flugzeuge "zur Beschaffung vorzuschlagen". Gedacht war an eine Staffel Jettrainer und zwei Staffeln Abfangjäger. Auch ein vier Jahre, von 1971 bis 1975, dauernder Untersuchungsausschuss war nicht imstande zu klären, wieso das Bundesheer schließlich 40 Jettrainer als Mehrzweckkampfflugzeuge aufs Auge gedrückt bekam und auf das eigentliche Ziel der Beschaffung – die Abfangjäger – gänzlich verzichtet wurde. Diese Saab 105XT waren auch nie von österreichischen Piloten evaluiert worden. Was aber nicht viel ausmachte, wurde doch die Saab-Lösung nur als "Zwischenlösung" betrachtet, die pikanterweise die "Zwischenlösung" Fliegende Tonne ablöste.

Die österreichische Lösung: "Zwischenlösung"

In den späten 70er, frühen 80er Jahren, also gegen Ende der Ära Kreisky, wurde dann doch immer deutlicher, dass man den Luftraum nicht sich selbst überlassen kann. Und so flogen die Luftstreitkräfte in ein Zwischenhoch. Das Überwachungssystem Goldhaube wurde geplant und dann im Mai 1986 in Betrieb genommen, ein Werk des legendären General Tauschitz, eines der wenigen deklariert sozialdemokratischen Offiziere der Republik (was ihm wahrscheinlich dazu verhalf, ein Ohr bei der in den 70er und beginnenden 80er Jahren allein regierenden SPÖ zu finden). Um den Beobachtungen der Goldhaube auch Taten folgen lassen zu können, wurden schließlich nach einem guten halben Dutzend erfolgloser Anläufe sogar 24 – gebrauchte – Abfangjäger angeschafft. Wieder einmal eine "Zwischenlösung".

Am 2. April 1985 beschloss der Ministerrat der Regierung Sinowatz-Steger den Kauf der Draken mit einer Restlebensdauer von mindestens 10 Jahren und 1.000 Flugstunden je Maschine. Was auch damals schon, die Älteren werden sich noch gut daran erinnern, zu wütenden Protesten führte. Sozial engagierte Bürger (Stichwort: Geldverschwendung) vereinigten sich mit Friedens-Aktivisten der damals noch voll im Saft stehenden 68er-Bewegung (Stichwort: love, peace, happiness) und sogar Politikern wie dem damaligen steirischen Landeshauptmann (Stichwort: Populismus) zu einer Interessengemeinschaft, die dank der Vernunft des Parlaments mit zwei Volksbegehren scheiterte und auch Pläne, die Rollbahn von Zeltweg zu blockieren, nicht in die Tat umsetzen konnte. Und so landeten 1988 die ersten beiden von der schwedischen Luftwaffe übernommenen und generalüberholten Maschinen.

General Othmar Tauschitz wurde 1986 als erster – und einziger Angehöriger der Fliegertruppe jemals – in die höchste Stellung berufen, die das Bundesheer zu vergeben hatte: Er wurde Generaltruppeninspektor. Eigentlich war Tauschitz selbst gar kein Pilot, er gehörte dieser Waffengattung als Fernmelder an. 1960 kam er zu einem einjährigen Studienlehrgang für Luftraumüberwachung an die Keesler-Air Base der US-Luftwaffe in Biloxi, Mississippi. Auf Grundlage der dort gewonnenen Kenntnisse verfasste er in der Folge die militärwissenschaftliche Studie "Luftraumüberwachung", die damals einiges Aufsehen erregte. Was ihn natürlich zur Schaffung einer Institution wie der Goldhaube prädestinierte.

Allerdings musste man da auch erst einmal die Initiative ergreifen und das Projekt mit Klugheit und Zähigkeit zu Ende verfolgen. Eine große persönliche Leistung. Ob seine Beförderung die Anerkennung dafür war, ist nicht überliefert. Immerhin stand dieses eine Mal kein Bodenkämpfer, sondern ein "Lufttechniker" und vernetzter Denker an der Spitze des gesamten Bundesheeres.

Neue Bedrohungen, altes Schmarotzertum

Derweil war am Boden das Spannocchi-Konzept zwar irgendwie angenommen, aber in der Praxis schnell wieder von der täglichen Schützengraben-Routine eingeholt. Dann aber vor allem von den neuen Zeitläufen. Mit der Auflösung der beiden Blöcke und der darauf folgenden rasant fortschreitenden europäischen Einigung war das klassische Bedrohungsbild verschwunden, obwohl es 1991 noch einmal zu einem Aufflackern kam, als Panzer der jugoslawischen Bundesarmee an der Grenze zu Österreich ihren slowenischen Landsleuten Feuergefechte lieferten. Da waren dann alle froh, dass das Bundesheer an der Grenze Stellung bezog und die Draken permanent Patrouille flogen. Und vielen ist noch die Kronenzeitungs-Schlagzeile in Erinnerung: "Jugo-Bomber über Graz".

Das neue Bedrohungsbild, das dann auch in der Heeresreformdiskussion unter Vorsitz von Helmut Zilk und Assistenz von Verteidigungsminister Platter in den vergangenen Jahren lang und breit diskutiert wurde, ist eigentlich ein Sittenbild. Es geht um die Frage: wie weit kann Trittbrettfahren gehen, ohne dass es peinlich wird und internationale Ächtung auf sich zieht. Wir sind derzeit zweifellos von lauter Freunden umgeben, die uns nichts tun werden.

Andererseits stellen sich diese Freunde natürlich die Frage, wie weit man für jemanden den Kopf hinhalten soll, der zufälligerweise aus geografischen Gründen mitten im Nest sitzt und jede Menge Knautschzonen um sich hat. Was ist, wenn diese Nachbarn auch sagen: Das soll wer anderer machen?

Also ist Österreich dazu aufgerufen, sich wenigstens doch auch an internationalen Friedenseinsätzen zu beteiligen, was es ja auch tut, äußerlich etwa daran erkennbar, dass es zum ersten Mal in der österreichischen Militärgeschichte Truppen in Khaki-Uniform gibt. Wobei wir äußerst bemüht sind, uns von der Farbgebung der US-Wüstenuniformen deutlich abzuheben.

Nicht aus politischen Gründen, sondern aus militärischen. In Zeiten, in denen nicht mehr bunte Uniformen getragen und klare Fronten gezogen werden, ist es irrsinnig schwer, Freund und Feind oder mehrere davon zu unterscheiden. Auch Kennungen mit elektronischen Mitteln sind nicht das Gelbe vom Ei, die kann man leicht fälschen. Hier ist ein weites technologisches Betätigungsfeld, aber bis zu einem Durchbruch auf diesem Gebiet sind es vor allem die Fähigkeiten der taktischen Führung, die hier zur Geltung kommen.

Die Zerschlagung der Luftstreitkräfte

"Ecclesia semper reformanda", heißt es in der katholischen Kirche, und in Anlehnung daran könnte man formulieren: Exercitus semper reformandus. Soll heißen, nichts in diesem Staat ist so oft reformiert worden wie das Bundesheer. Was ja auch prinzipiell durchaus in Ordnung ist, man muss sich neuen Gegebenheiten, Ressourcen und Lagen anpassen. Nur wer sich ständig selbst erneuert, wird überleben.

Das Problem dabei ist nur, dass dabei auch eine gewisse Nachhaltigkeit beachtet werden muss. Man darf nicht sprunghaft reformieren. Und man darf auch nicht bestimmte Dinge wegreformieren, die dann nie wieder herbeireformiert werden können.

Ein besonders gutes Beispiel für eine Reform, die in die genau entgegengesetzte Richtung wie beabsichtigt losgeht, ist die Heeresreform 2006. Bis dato gab es ein Kommando Landstreitkräfte und ein Kommando Luftstreitkräfte, jetzt nur mehr ein Kommando Streitkräfte, in das die Luftwaffe integriert ist. Das bringt keinen einzigen Vorteil, sondern hat auf der ganzen Linie nur Nachteile. Ein Panzergeneral kann auch Pioniere sinnvoll einsetzen und ein Infanteriegeneral Panzer – Flugzeuge aber nicht. Das ist einfach zu weit auseinander. Für die Luft braucht man spezielle Kenntnisse und deshalb eine spezielle Ausbildung, die natürlich keiner der "normalen" Stabsoffiziere hat. Und da es sich um eine derart hochkomplexe technische Materie handelt, noch dazu eine ellenlange Erfahrung.

Im Grunde gibt es ohnehin nur diese zwei Argumente für eine solche Maßnahme: Systemzusammenführung und Einsparung. Beide kann man leicht entkräften. Das Konzept der Zusammenführung ist schon richtig, aber es wird nicht dadurch erfüllt, dass man alles in einen Topf wirft und alle in einer Einheit aufeinander drauf hocken. Und die Sparsamkeitsgründe, die vorgebracht wurden, sind wieder so eine typisch österreichische Pseudosparsamkeit, wie wir sie auch bei den Nachverhandlungen erlebt haben. Da kommt unterm Strich das Gleiche heraus, oder es wird nur noch teurer.

Qualtinger plus Kafka

Nichtsdestotrotz scheint das Konzept der Jointness heute eine internationale Militärmode zu sein (wie etwa auch die lächerlichen Pullman-Lappen auf dem Kopf statt der traditionellen Schirmmützen). Auch die Schweden haben alles unter ein Kommando gestellt. Nur: die haben lediglich das Kommando vereinigt und nicht die Teilstreitkräfte. Bei uns fungieren jetzt zwei Kommanden, eines für "Luftraumüberwachung" (Abfangjäger) und eines für "Luftunterstützung" (Transportflugzeuge, Hubschrauber) auf gleicher Stufe wie die "Landbrigaden". Das heißt, in den ganzen Stabshierarchien sitzt jetzt überall einer von der Waffengattung "Luftstreitkräfte" drinnen, ist völlig isoliert von seinen Kollegen und droht so zu einer Art Faktotum zu verkommen.

Spott und Hohn der einfach gestrickten Erdtruppe ist zu erwarten: Jö, schaut's euch den an, den von der Luftwaff'n, hot der überhaupt no an Fliaga? Es gibt keinen fachlichen, keinen intellektuellen, ja auch keinen kameradschaftlichen Austausch mehr. Das ist kafkaesk und qualtingeresk zusammen.

Dazu kommt noch: unabhängig davon wie groß eine Luftwaffe ist, sie muss selbstständig sein. Das führen uns zum Beispiel die bevölkerungsmäßig ungefähr gleich großen Schweden mit ihren hunderten Fluggeräten vor, da wird die Fliegertruppe immer ein Faktor sein, und eine Marine gibt's zudem auch noch. Bei den österreichischen Größenordnungen ohne eigene Luftwaffenakademie kann hingegen der Fall eintreten, dass es eines Tages keinen nennenswerten Nachwuchs mehr geben wird. An Piloten, an Servicetechnikern, an anderen hochqualifizierten Spezialisten.

Denn die Leute, die sich dafür interessieren, kriechen immer weniger gern im Dreck herum und lassen sich vom Spieß anbrüllen. Die wollen sich für die Luftwaffe ausbilden lassen und nur dort ihren Dienst tun oder sonst eben nicht. Die sind selbstbewusst und nicht dankbar, dass ihnen das Land so einen tollen Job gibt. Die wissen, dass umgekehrt ihnen das Land danken muss, dass sie keinen anderen Beruf gewählt haben, mit mehr Einkommen, mit mehr Reputation. Da ist international eine neue Form von Soldaten im Entstehen, der hochtechnisierte, gebildete, sich selbst verantwortende Kämpfer der Zukunft, und nicht der, der wie sein Urgroßvater vor hundert Jahren mit dem Bajonett hurrabrüllend in feindliche Schützengräben springt.

Die Rolle der Generalität

Jetzt wird sich jeder fragen: Warum? Warum hat man das dann gemacht? Die Antwort ist ebenso ernüchternd wie absurd. Im Bundesheer der Zweiten Republik war die Luftwaffe nie viel mehr als ein bunter Vogel (in der Ersten Republik war das anders, da wurde eine sogar international gesehen beachtliche Truppe aufgebaut – was auch fragen lässt, warum das Heer denn nicht gegen die deutschen Invasoren eingesetzt wurde). Es ist also weithin kein Verständnis da für diesen Bereich, und deshalb kann man jeden Unsinn, der dafür angeordnet wird, mitmachen. Und sich als General bei der Politik äußerst beliebt machen, wenn man bestätigt, dass die kostspielige Luftwaffe ohnehin nicht so wichtig oder gar – hinter vorgehaltener Hand – sinnlos ist.

Den Unsinn der letzten Heeresreform ordnete Minister Platter an. Sein Vorgänger Scheibner hatte ja schon die Truppe reformiert – und das sehr ordentlich. Jetzt wäre eigentlich die Reform des Ministeriums angestanden, wobei die etwa tausend systematisierten Arbeitsplätze dort auf 800 hätten verringert werden müssen. Das war dem in ständiger Frucht vor allem und allen lebenden Platter anscheinend ein doch zu heißes Eisen, also her mit einer Reform der Reform: gliedern wir doch wieder einmal die Truppe um. Und drüber setzen wir eine Kommission mit Ausrichtung auf 2010, sowas kommt immer gut. Aktionismus in Reinkultur, im Grunde allein zu dem Zweck, dass die Oberinntaler Leihgabe nach Wien ihre wahre Berufung würde erlangen können: den Ruf als Landeshauptmann nach Tirol. Alles, was es dazu bräuchte, wären Resultate, Ergebnisse, Erfolge – welcher Provenienz auch immer.

Das war die Stunde jener Generäle, die nicht fragen: Wie kann ich meinem Land dienen? Sondern die sich fragen: Wie kann ich mir dienen? Wie kann ich am schnellsten Karriere machen? Wie kann ich zu ein paar Euro mehr Pension kommen?

Antwort: Indem ich den Politikern in Gestalt meiner – von diesen letztlich beauftragten – Vorgesetzten nach dem Mund rede. Und da spielen dann auch Parteipräferenzen und Weltanschauungen überhaupt keine Rolle mehr. Da bilden sich informelle Systeme heraus, denen man sich zu unterwerfen hat. Reine Machtapparate, die ihre Interessen und die all jener, die sich ihnen vertrauensvoll anschließen, vertreten. Es ist wie im japanischen Shogun-System. Der Kaiser ist nichts, der Kriegsherr ist alles.

In den 90er-Jahren hatte dieses eigentliche Machtzentrum des Ministeriums die vom beamteten Volksmund so genannte "Viererbande" gebildet: ein Klub der Gleichgesinnten mit dem Chef des Heeresnachrichtenamts Generalmajor Schätz, dem Generaltruppeninspektor Pleiner, dem General Hessl, den nach dessen Pensionierung Divisionär Spinka ersetzte, und dem Kommandanten der Landesverteidigungsakademie, General Schittenhelm. Alles gestandene "Schwarze", was aber völlig egal war. Freunde der Luftstreitkräfte waren die nie.

Der Grüne und der Geheimdienstchef

Eine besonders schillernde Rolle dabei spielte Geheimdienstchef Alfred Schätz – wie könnte es bei dieser Profession auch anders sein, möchte man beinahe sagen. Er ist einer, der die Hand gar nicht zum Vorhalten braucht beim Schlechtmachen der Luftwaffe. Mit nicht zu überbietendem Sarkasmus, der sich bis zum Zynismus steigern konnte, teilte dieser oberste Geheimnisträger jedem, der es wissen wollte oder auch nicht, ganz offen mit, dass unsere Luftwaffe mehr oder weniger sinnlos sei – wozu sind's denn gut, die Flieger?

Peinlich, wenn einer der höchsten Offiziere gegen eine ganze Truppengattung Stellung bezieht – und eben nicht sachlich-argumentativ, sondern untergriffig –, noch peinlicher, wenn der Lufthorizont eines Geheimdienstchefs irgendwo in den Hügeln von Hütteldorf endet. Am allerpeinlichsten aber ist, wenn sich dieser Herr Schätz, als jahrzehntelanger Chefgewerkschafter ebenso lange Postenvermittler, beim Abgang in die Pension noch schnell zum General befördern lässt. Die Republik zeigt sich gegenüber jenen, die ihre Armee schlechtreden, auch noch erkenntlich. Wenn sie nur lange genug in jenen Organisationen, die in dieser Republik die eigentliche Macht verwalten, tätig waren.  

Nicht mehr nur peinlich dagegen ist die Pilz-Connection des Herrn Generals. Dass der oberste militärische Luftwaffengegner Schätz und der größte politische Luftwaffengegner Pilz offensichtlich die dicksten Freunde sind, ist Tatsache und natürlich irgendwie aufgelegt. Da haben sich zwei gefunden, die das Mauscheln, das Geheimniskramen, das Verdächtigen zum Beruf gemacht respektive zur Berufung erhoben haben. Sei's ihnen gegönnt. Das Problem ist aber auch noch ein anderes: der Abgeordnete Pilz stellt dauernd die geheimsten Sachen ins Internet. Der Abgeordnete Pilz bewegt sich permanent wie ein Fisch im Wasser in der Jauche der übelsten und absurdesten Raubersg'schichten der Republik. Der Abgeordnete Pilz vertritt – wahrscheinlich ganz unbewusst – US-amerikanische Interessen im globalen Wirtschaftskrieg Amerika vs. Europa. Jeder kann seine eigenen Schlüsse daraus ziehen.

Wenn schon Untersuchungsausschuss, dann hätte man auch dessen Vorsitzenden und seinen Freund vom Geheimdienst vorladen müssen. Aber kann ein Vorsitzender gegen sich selbst untersuchen? Es bleibt zu hoffen, dass es andere gegen ihn tun. Bis zur Vorlage von Beweisen gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung. Und es könnte sein, dass der Abgeordnete Pilz ein sicherheitspolitisches Risiko für diese Nation ist.

Mutig in die neuen Zeiten

Wir wissen nicht, wie die Sache mit den österreichischen Luftstreitkräften weitergehen wird. Hoffentlich – aber das ist auch ziemlich wahrscheinlich – kommt eine neue Reform, die ihnen wieder den gebührenden Platz im Gesamtgefüge zuweisen wird. Sonst sehen wir schwarz: wenn nicht, können wir unsere Eurofighter wahrscheinlich gleich einmal wieder verkaufen, weil sie kein Umfeld mehr vorfinden werden.

Was wir jedoch auch nicht wissen ist, was in ein paar Jahrzehnten überhaupt los sein wird. Wird die EU sich auflösen, werden sich wiederum Koalitionen bilden, mit denen man umgehen, gegen die man auf der Hut sein muss? Werden von außen Einflüsse kommen, derer sich die EU nicht erwehren wird können, oder die sie langsam von innen aufweichen werden? Wenn man einem am Anfang des 20.Jahrhunderts Lebenden gesagt hätte, wie der Kontinent an dessen Ende aussehen würde, er hätte es auch nicht glauben können.

Es heißt also, wachsam zu sein und sich nicht ganz zu entblößen von militärischem Potential im Lande. Es ist nicht ganz unrichtig, dass Deutschland am Hindukusch verteidigt wird und Österreich im Kosovo, und dass man auf diese Weise auch versucht, den Terrorismus niederzuhalten oder gar nicht erst aufkommen zu lassen, zumal ja, wenn es überhaupt aktuell eine Bedrohung im eigenen Land gäbe, diese eben vom Terrorismus her käme.

Das Bundesheer muss sich auch der Terror-Bedrohung stellen, denn im Gegensatz zur Deutschen Bundeswehr ist es von der Verfassung her zu Assistenz-Einsätzen im Inland verpflichtet, auch ohne offizielle "Kriegserklärung". Wobei man ja eine solche überhaupt nur gegenüber Staaten abgeben kann und nicht irgendwelchen terroristischen Vereinigungen, die völlig autark in kleinen Grüppchen operieren, welche sich nicht einmal gegenseitig kennen. In Deutschland denkt dazu der Staatssekretär des Inneren gerade über Modifikationen der Haager Landkriegsordnung und der Genfer Konvention nach.

Bei allem Respekt gegenüber Ausrüstung und Einsatzbereitschaft der Polizei und dem Können ihrer hervorragenden Spezialeinheit Cobra: ab einer gewissen Qualität und/oder Quantität einer Situation (militärisch "Lage") wird sie überfordert sein. Wozu ist das Bundesheer denn sonst da, als die Bürger seines Landes zu beschützen? Bosnische, serbische, albanische Bürger zu beschützen? Ja, auch. Aber dort unten findet ja ebenfalls kein klassischer "Krieg" statt, sondern es handelt sich eindeutig um "asymmetrische Kriegsführung".

Überhaupt ist es so, dass sich in asymmetrischen Kleinkriegs-Zeiten wie diesen Polizei und Militär immer weniger unterscheiden und abgrenzen können – auch wenn sie's wollen. Es wäre einmal nützlich und auch ehrlich, von der Zweck-Definition zur Ausrüstungs-Definition überzugehen. Bisher: Polizei sorgt für die zivile Ordnung innen – Militär verteidigt gegen Angriff von außen. Jetzt: Heer hat die schwere Ausrüstung (eben Kampfjets), Polizei die leichte (gerade mal ein paar Verkehrsleithubschrauber). Ganz egal, woher die Bedrohung kommt. Wobei nur das Heer die Schaltstelle im Führungsverbund übernehmen kann.

Ein erster Teil ist am 17. Juli erschienen. Fortsetzung folgt.

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