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Das türkische Diktatur-Referendum hat längst stattgefunden

In der Türkei wird am Sonntag nicht über die Einführung der Diktatur entschieden. Sie ist schon eine.

Das Referendum in der Türkei – ausgerechnet am christlichen Osterwochenende – ist nicht die Beachtung wert, die es bekommt. Die türkische Propaganda erweckt zwar in ihrem taktischen Mobilisierungseifer den Eindruck, dass die Umfragen sehr knapp stehen würden, aber viele Türkei-Experten sind wohl zu Recht der Meinung, dass es keine korrekte Etnscheidung geben kann, dass die zu großen Teilen im Gefängnis sitzende Opposition gar keine Möglichkeit mehr hat, eine korrekte Abstimmung zu kontrollieren.

Und selbst für den überaus unwahrscheinlichen Fall, dass die türkischen Machthaber eine Niederlage beim Referendum ohne Manipulationen zugeben sollten, bedeutet das nichts: Wer jetzt schon alle Macht uneingeschränkt hat und Zehntausende ohne Gründe einkerkert, kann auch ohne Verfassungsänderung absolutistisch weiterregieren. Ein Sieg des Neins wäre lediglich politpsychologisch ein Dämpfer für Präsident Erdogan.

Im Vergleich zur jetzigen Realität ist der Inhalt der verlangten Verfassungsänderung ja ohnedies weitgehend harmlos. Insbesondere das oft in den Vordergrund geschobene Referendums-Anliegen, dass es neben dem Präsidenten keinen Ministerpräsidenten mehr geben soll, ist irrelevant. Ist doch längst der Ministerpräsident nur noch eine unbedeutende Nebenfigur. Außerdem: Auch in den USA hat es seit Jahrhunderten nie dieses Amt gegeben, ohne dass das für irgendjemanden demokratierelevant gewesen wäre.

Wirklich gravierend an der abzustimmenden Verfassungsänderung scheint nur der komplette Durchgriff des Präsidenten auf die Bestellung von Richtern und Staatsanwälten. Haben sich doch diese durch eine weitgehende Autonomie lange resistenter gegen Erdogans Machtanspruch gezeigt als etwa die russische Justiz gegen die Wünsche der dortigen Machthaber.

Freilich: Inzwischen ist auch der türkischen Justiz durch willkürliche Massenverhaftungen und -entlassungen total das Rückgrat gebrochen. Ebenso wie der gesamten Verwaltung, Medienwelt und Wissenschaft.

Das wirklich Erschreckende, was der Erdogan-Wahlkampf zusätzlich gebracht hat, waren seine unglaublichen Aggressionen gegen das westliche Ausland. Zwar dürfte Erdogan geglaubt haben, seine Hassorgien und Beschimpfungen Europas zu brauchen, um die Wähler zu den Wahllokalen zu treiben. Offenbar in der Annahme: nationalistische Scharfmache zieht immer bei einigen Wählern, auch wenn rund die Hälfte der im Westen lebenden Türken von ihm absolut nichts wissen will, weil sie sein Spiel durchschauen.

Aber Faktum bleibt: Erdogan hat sich damit nicht nur als innenpolitischer De-facto-Diktator, sondern auch als außenpolitischer Risikofaktor erster Ordnung entpuppt. Wer hemmungslos Tausende radikalislamische Islamisten zu ihrem mörderischen Treiben nach Syrien und in den Irak geschleust hat, wer in diese beiden Länder gegen den Willen der dortigen Regierung Kampftruppen geschickt hat, ohne angegriffen worden zu sein, der ist für die Umwelt ein gefährlicherer Akteur als selbst der syrische Machthaber.

Besonders absurd war, dass Erdogan in den letzten Wochen ständig gegen die „Nazis“ in der EU gehetzt hat. Das war so, wie wenn er die einstige kommunistische Antifa-Propaganda des Sowjetimperiums kopieren wollte. Dabei ist in der Türkei der Antisemitismus heute voll gesellschaftsfähig. Dabei hat die Türkei während des zweiten Weltkriegs friedlichen Handel mit Deutschland betrieben und sogar einen Freundschaftsvertrag gehabt.

Sie hat dem Hitler-Reich erst im Februar 1945 pro forma den Krieg erklärt, ohne einen einzigen Schuss abzugeben. Man wollte halt schnell noch auf der Seite der Sieger  sein, als der Krieg längst entschieden war. Die Türkei hatte in der Zeit davor durchaus Sympathien für Hitler gezeigt. Und sie hat lange Russen wie Briten viel mehr als gefährliche Bedrohung empfunden (auch wenn sie mit ihnen ebenso Handel betrieben hat). Daher ist das jetzige Erdogan-Verhalten nur noch lächerlich.

Aus all diesen Gründen ist der samtweiche Umgang der EU und insbesondere Deutschlands mit der Türkei nicht nur dumm, sondern auch skandalös. Dass ein solches Land noch immer zumindest pro forma EU-Kandidatenstatus hat (wogegen sich außer dem österreichischen Außenminister nur wenige auszusprechen wagen), zeigt, dass die EU vor lauter Opportunismus und Feigheit jede Selbstachtung verloren hat.

Da verhalten sich sogar die westlichen Touristen weit anständiger als Europas Regierungen (was man Touristen sonst selten nachsagt). Sie meiden das Land komplett. Das hat der Türkei schon acht Milliarden Euro gekostet. Dieser zweifellos sich noch jahrelang hinziehende Schaden macht dem kleinasiatischen Land wohl noch eher Eindruck als das Herumgelabere westlicher Politiker, auch wenn es traurig ist, dass erstes Opfer des Touristenboykotts nicht Erdogan ist, sondern die schuldlosen türkischen Hoteliers, Kellner und Taxifahrer.

Ganz gewiss kann jedenfalls das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei keine Rechtfertigung für die Charakterlosigkeit der europäischen Politik sein. Denn längst ist klar: Dieses Abkommen ist entgegen den ständigen Behauptungen aus Brüssel und Berlin weitgehend irrelevant. Denn auf Grund dieses Abkommens sind in seinem ganzen ersten Jahr nur knapp mehr als tausend illegale Migranten in die Türkei zurückgebracht worden. Also weit weniger, als früher innerhalb eines einzigen Tages aus der Türkei gekommen sind. Dass die Türkei dafür noch drei Milliarden Euro von Europa bekommt – und dass sie überdies ebensoviele syrische Migranten auf korrektem Weg nach Europa schicken kann! – potenziert die Groteske. Daher lösen die ständigen Drohungen Ankaras, dass man das Abkommen mit Europa kündigen könnte, nicht einmal mehr einen Gähnreiz aus.

Es kann ja überhaupt keinen Zweifel geben: Der Migrationsstrom ist nicht wegen dieses Abkommens versiegt, sondern weil im vergangenen Spätwinter Wochen vor dem Abkommen den in der Türkei sitzenden „Flüchtlingen“ blitzschnell bekanntgeworden ist, dass die Balkanroute gesperrt ist (übrigens das wohl größte außenpolitische Verdienst Österreichs während der letzten Jahre); dass dort fast kein Weiterkommen mehr möglich ist; und dass in den griechischen Lagern unerträglich schlechte Zustände herrschen. Da war dann kaum mehr einer unter ihnen bereit, für die Schlepper-Überfuhr auf griechische Inseln auch noch viel Geld zu bezahlen.

Die deutsche Regierung behauptet freilich weiter, dass das Abkommen mit der Türkei zum Austrocknen der Balkanroute geführt hat. Wenn das so wäre, dann hieße das im Grund Ungeheuerliches: Dann wäre das der nachträgliche Beweis, dass sich die türkische Regierung jahrelang selbst als Schlepper betätigt hat, dass sie hauptverantwortlich dafür ist, dass mehr als eine Million Menschen illegal nach Europa geschleust worden ist. Denn nur wenn die türkische Regierung dafür verantwortlich gewesen ist, hätte sie die Massenmigration auch stoppen können. Die vielen kleinen Gauner, die Geld für Schlepperboote kassieren, hätten sich hingegen dadurch gewiss nicht beeindrucken lassen. Damit hätte die türkische Regierung selbst in hohem Ausmaß kriminell gehandelt, damit hätte sie einen eindeutigen – wenn auch unbewaffneten – Aggressionsakt gesetzt. Ist Angela Merkel klar, dass sie will, daran zu glauben?

Zurück zum Referendum. Es ist nicht seriös zu klären, ob auch bei einem wirklich freien Referendum eine Mehrheit der Türken den Weg in die Diktatur gehen würde. Das kann aber auch nicht ausgeschlossen werden. Einseitige Hetze, Aggression und Scharfmache haben schon oft Wirkung auf die Volksmassen erzielt. Und es ist recht unklar, wieweit die Türken jetzt schon mehrheitlich erkennen, welch hohen Preis sie langfristig dafür zahlen müssen.

Aber unabhängig von dieser nicht beantwortbaren Frage sollten die letzten türkischen Wochen auch den vielen naiven westlichen Medien endlich eine Lehre sein. Sie sollten endlich darüber tiefer nachdenken: Was ist alles notwendig, dass man überhaupt von korrekten Wahlen in einem Land sprechen kann?

Denn zu korrekten Wahlen gehört nicht nur die geheime Stimmabgabe, gehören nicht nur korrekte und von allen Parteien kontrollierte Auszählungsvorgänge, gehört das Unmöglichmachen jedweder Manipulation und ein korrektes Wahlrecht samt ordentlichen Wählerlisten. All das ist in der heutigen Türkei mehr als fragwürdig. Man denke nur an die Groteske, dass bei der letzten Kommunalwahl 2014 in nicht weniger als 80 Provinzen während der Auszählung „zufällige“ Stromausfälle passiert sind.

Aber zu korrekten und zu respektierenden Wahlen gehören auch die Wochen davor, also der gesamte Wahlkampf. Das heißt insbesondere: gleicher Zugang aller Seiten zu den Medien, vor allem wenn diese staatlich kontrolliert werden, und neutrales Verhalten der Behörden. Hingegen gehören keinesfalls die Verhaftungen von Tausenden Oppositionellen unter läppischen Vorwänden dazu; ebensowenig die grundlose Festnahme in- und ausländischer Journalisten; ebensowenig die massive ökonomische und polizeiliche Einschüchterung sämtlicher Privatmedien, bis fast alle zu gehorsamen Regierungsorganen geworden sind.

Das heißt jetzt schon ganz eindeutig: Am Sonntag findet in der Türkei kein in irgendeiner Hinsicht freies und demokratisches Referendum statt.

Aber weder EU noch Europarat noch OSZE haben es gewagt, das laut und deutlich zu sagen. Das zeigt: Europa ist schon jetzt vor dem Diktator in die Knie gegangen. Nicht weil es diesen Erdogan braucht, sondern weil viele Regierungen Europas panische Angst vor den fünf Millionen hier lebenden Türken haben, von denen rund die Hälfte zunehmend national-selbstbewusst auftritt, die Überlegenheit ihrer Religion zunehmend deutlich postuliert und im Grund jede Integration ablehnt. Sie sehen sich auch auf Grund ihrer Geburtenfreude schon als die künftigen Sieger.

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