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Semmering: die zwei Schuldigen

Jahrzehnte zu spät ist jetzt der Semmering-Tunnel rechtlich fix. Hoffentlich zumindest. Diese Verzögerung hat die Steiermark, Kärnten und damit auch ganz Österreich viel an Wohlstand und Arbeitsplätzen gekostet. Die Verzögerung hat zwei Hauptschuldige.

Der eine Schuldige ist der unerträglich hypertroph gewordene Wust an überdetaillierten, kasuistischen und oft zueinander in Widerspruch stehenden Gesetzen, Regeln, Kompetenzen, Verordnungen, Instanzenzügen. In diesem Wust werden viele sinnvolle Investitionsvorhaben lange verzögert oder ganz erstickt. Zusätzlich entstehen in jedem einzelnen Fall auch gewaltige und total unproduktive Kosten für Anwälte, Verwaltungsbeamte und Richter, die letztlich immer der Steuerzahler zu tragen hat.

Es wäre dringend nötig, hier radikal zu durchforsten (was noch lange nicht die Abschaffung des Rechtsstaats bedeutet!). Aber ein solches Durchforsten ist den meisten Politikern viel zu mühsam. Sie glauben noch immer, sich durch ständige neue Produktion von Rechtsregeln verewigen zu müssen.

Diese schädliche Politiker-Attitüde geht auf den Druck durch viele Lobbys, organisierte Interessen und finanzstarke NGOs zurück. Für die Reduktion der Gesetzes-Flut kämpft hingegen keine NGO. Obwohl das genau das wäre, was die meisten Bürger wollen.

Der zweite Schuldige an der Verzögerung heißt Erwin Pröll. Der niederösterreichische Landeskaiser hat mit Angstmache gegenüber dem Semmering-Tunnel zwei Wahlkämpfe bestritten. Er hat dabei allen Ernstes Argumente verwendet wie: „Wenn man ein Loch unten in einen Berg bohrt, rinnt ja das ganze Wasser heraus.“ (was nach Prölls Erfahrungsschatz also offenbar bei jedem Straßentunnel passiert . . .)

Als Pröll gemerkt hat, dass er mit Semmering-Panik nichts mehr gewinnen kann, hat er endlich grünes Licht gegeben. Freilich hat er zuvor, um sein Gesicht zu wahren, eine andere, längere Variante durchgesetzt. Die ist nun viel teurer. Aber das muss uns das Gesicht Prölls ja offenbar wert sein.

PS: Die klare Aussage, dass der Semmering-Tunnel sinnvoll und notwendig ist, kann keinesfalls auf die anderen Riesentunnels übertragen werden. Vor allem der einst von Jörg Haider durchgesetzte Koralm-Tunnel ist eine Geldverschwendung. Denn die Bahnverbindung von Wien und Niederösterreich Richtung Kärnten und Italien wird mit Sicherheit auch in Zukunft hinter dem Semmering-Tunnel über die alte Südbahn-Route durch die Mur/Mürz-Furche besser und schneller sein als auf dem Umweg über Graz und durch kaum besiedelte Berggebiete. Und auch beim Brenner-Basistunnel ist es noch sehr fraglich, ob es gelingt, dort nennenswerte Verkehrsmassen von der Straße auf die Tunnelschienen zu bringen.

PPS: Unabhängig von der Verachtung für Prölls Semmering-Taktik halte ich Pröll jedoch für eine durchaus positive Erscheinung. Er ist beim heutigen Zustand der ÖVP einer der letzten Exponenten, der in der Partei noch wertkonservative Positionen vertritt, wie etwa bei Familie oder Gesamtschule. Und er zeigt neuerdings auch als fast einziger Politiker Mut und setzt sich für das – enorm wichtige – Freihandelsabkommen TTIP ein. Auch wenn er sich damit etliche Feinde eingehandelt hat.

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