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Demokratie mit eingebauter Zeitbombe

Es wird zur vielleicht wichtigsten Überlebensfrage der demokratischen Systeme: Wie kann die Diktatur der nur noch profitierenden, aber immer zahlreicher werdenden Transferempfänger über die leistungsorientierten und werktätigen Teile der Bevölkerung noch revidiert werden? Wie werden diese zunehmend entmachteten, aber für die Erhaltung des Wohlstands essenziellen Leistungsträger in ihrer Frustration reagieren? Werden immer mehr von ihnen in die innere oder äußere Emigration gehen, also entweder selbst die Leistungsbereitschaft einstellen oder in solche Länder auswandern, wo sie noch auf Anerkennung stoßen? Pessimisten meinen freilich, für eine Entschärfung dieser Zeitbombe sei es in vielen europäischen Ländern ohnedies schon viel zu spät.

Die Zunahme des Anteils der profitierenden und nicht (mehr) durch Abgabenzahlungen zum Gemeinwohl beitragenden Wähler ist jedenfalls in vielen Ländern längst Faktum.

Die Ursachen dieser Verschiebung sind: die kontinuierlich steigende Lebenserwartung, die gleichzeitige Senkung des Pensionsantrittsalters und damit die steile prozentuelle Zunahme der Rentner unter der Wählerschaft; die absurde Vermehrung der Invaliditätspensionen junger Menschen; die Zuwanderung von Menschen vor allem aus dem Balkan und dem arabischen Raum, die signifikant weniger erwerbstätig sind als die restliche Bevölkerung; die Auswirkungen des seit 1970 stattfindenden Geburtenrückgangs, die selbst bei einer Nichtzunahme der Lebenserwartung zu einer Verschiebung des Gewichts von den Erwerbstätigen zu den Nichterwerbstätigen führen würden; die Einkommensteuerbefreiung eines Gutteils der Erwerbstätigen; und last not least die mangelnde politische Teilnahme der Jungen.

Dieser Prozess hat längst schon massive politische Auswirkungen. Das zeigt etwa Österreich: Während in den 70er Jahren Bruno Kreisky mit einer Verkürzung des Präsenzdienstes und Heiratsprämien, also Zuwendungen an junge Wähler, Wahlen gewinnen konnte, denken alle Parteistrategen in den letzten Jahren primär an eine Verbesserung der Pensionen.

So hat beispielsweise der französische Wahlsieger François Hollande nicht zuletzt deshalb gewonnen, weil er eine Senkung des Pensionsantrittsalter von 67 auf 65 Jahre versprochen hat. So hat Werner Faymann die von den Meinungsforschern schon als fix bezeichnete Wahlniederlage 2008 noch dadurch abwenden können, dass er die Hacklerregelung – also einen für viele Österreicher, vor allem Beamte früheren Pensionsantritt – verlängern ließ.

Nimm den Kindern und gib den Pensionisten

So ist auch das soeben beschlossene Pensionskonzept der deutschen Sozialdemokraten zu sehen. Obwohl viele auf Peer Steinbrück als Vertreter der ökonomischen Vernunft an der SPD-Spitze und damit auch als eventuellen nächsten Bundeskanzler gehofft haben, bedeutet dieser Pensionsplan eine Totalunterwerfung unter die Interessen der nichtwerktätigen Klassen. Die Kosten seines Pensionsplans liegen deutlich im zweistelligen Milliardenbereich.

Den Ostdeutschen wird durch diesen Plan eine Angleichung ihrer Renten auf Westniveau versprochen, obwohl ihre Wertschöpfung noch immer deutlich unter jener der alten Bundesländer liegt. Das einst unter führender Mitwirkung der Sozialdemokraten fixierte Rentenalter von 67 soll nun doch erst dann in Kraft treten, wenn mindestens die Hälfte der älteren Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist – also wohl nie. Denn gleichzeitig soll auch eine deutsche Form der Hacklerregelung eingeführt werden, bei der man mit 45 Beitragsjahren auch schon vor dem 65. Geburtstag abschlagfrei in Pension gehen kann. Ferner sollen die Erwerbsminderungsrenten deutlich günstiger berechnet werden.

Das sind nur die wichtigsten unter zahlreichen Versprechungen, die ganz, ganz zufällig Monate vor dem deutschen Wahltag gemacht werden. Finanziert sollen sie über Steuererhöhungen werden – und skurrilerweise laut SPD auch über eine Erhöhung des Mindestlohns. Dabei bleibt freilich völlig unklar, wie die dadurch zwangsläufig erhöhte Arbeitslosigkeit zu höheren Einnahmen der Rentenkassen führen soll. Aber ökonomische Logik ist ja ohnedies in der Partei, die einst tolle und mutige Reformer wie die Herrn Clement und Müntefering hatte, außer Mode.

Ja, und dann gibt es auch eine Einsparungsforderung: Gleichzeitig will Steinbrücks Partei nämlich die Sozialleistungen für kleine Kinder reduzieren, welche die ebenfalls nicht gerade sparsamen Unionsparteien jetzt beschlossen haben. Das sogenannte Betreuungsgeld für Mütter, die ihre Kinder in den ersten Lebensjahren selbst und nicht auf Kosten des Staates betreuen, soll wieder abgeschafft werden. Was auch immer man von der Debatte Kindergarten vs. Mütter hält: Es ist jedenfalls ein verheerendes Signal für die Prioritäten und die Zukunft einer Gesellschaft, wenn man gleichzeitig bei den – ohnedies weniger werdenden – Kindern noch etwas wegnimmt, bei den Alten hingegen kräftig zubuttert. Zukunft brauchen wir offenbar nicht mehr, es geht nur noch um die Vergangenheit und einen allerletzten kräftigen Schluck an der Konsumflasche in der Gegenwart.

Beweise für diesen Trend kann man auch in Österreich finden: Dort sind die Familienbeihilfen seit langem eingefroren, während es für Pensionen regelmäßig eine Inflationsanpassung gibt. Diese Pensionserhöhungen haben vor allem den Ausgleichszulagenbeziehern mehrere echte Realzuwächse gebracht. Also ausgerechnet jenen, die – etwa nach einem Leben der Schwarzarbeit – nur einen besonders kleinen Teil ihrer Rente versicherungsmathematisch wirklich eingezahlt haben.

In Zahlen heißt das für die letzten zehn Jahre: Der Ausgleichszulagen-Richtsatz ist um mehr als 29 Prozent höher geworden. Hingegen sind die ASVG-Höchstpensionen nur um 14,5 Prozent gestiegen, also weniger als die Hälfte. Zum Vergleich: Die Verbraucherpreise sind in der gleichen Zeit um 22 Prozent gestiegen. Das heißt, jenen Leistungswilligen, die lebenslang ordentlich ins System eingezahlt haben, werden die Renten real spürbar gekürzt; jene, die fast nichts gezahlt haben, bekommen hingegen mehr (Bei diesen Daten geht es wohlgemerkt nur um ASVG-Pensionen, hingegen nicht um jene der Beamten mit einer wiederum ganz anderen Problematik).

Noch aus vielen anderen Ländern lassen sich Beispiele finden: Alle laufen sie aber auf dasselbe Muster hinaus: Die Demokratie hat sich in den letzten Jahren zu einer De-facto-Diktatur jener Mehrheit verwandelt, die von der Gesellschaft nur noch profitiert und nichts für sie leistet.

Sparsamkeit wird bestraft

Das ist ein signifikanter Systemwandel weg von der einstigen sozialen Marktwirtschaft. In dieser war noch die Leistung im Vordergrund gestanden. Damals hatte man noch sehr bewusst gewusst, dass Leistung nötig ist und belohnt werden muss, um die Absicherung für die wirklich Bedürftigen nachhaltig finanzieren zu können. Jetzt hingegen haben sich die politischen Mehrheitsverhältnisse und damit auch Mechanismen gedreht. Die Parteien sind heute überzeugt, dass sie nur noch dann reüssieren können, wenn sie der konsumierenden Masse ständig mehr Brot und Spiele servieren. Und da man aus den Leistungsträgern nichts mehr herauspressen kann, geht das halt auf Schulden.

Die Parteien haben damit in ihrer Perspektive vielleicht auch recht: Bei fast allen Wahlen der letzten Jahre bis auf Polen, Schweden und Großbritannien sind jene Parteien schwer geschlagen worden, die ihren Nationen Sparsamkeit und Reformen verschrieben haben. Selbst im schwer bankrotten Griechenland haben ausgerechnet die Parteien Zulauf, die am lautesten Nein zu jedem Sparversuch sagen.

Auch der geschlagene US-Präsidentschaftskandidat Mitt Romney hatte – bei all seinen sonstigen Fehlern und persönlichen Defiziten – mit Berechtigung darüber klagen können, dass er mit seinen Sparsamkeits-Vorstellungen bei jenen 47 Prozent von vornherein keine Chance hat, die vom Staat nur profitieren, aber nichts hineinzahlen.

Ungarns nationaler Irrweg

Ein anderes, aber besonders kurzsichtiges Rezept wird in diesem Dilemma von der Rechtsregierung in Ungarn verfolgt. Dort ist die Regierung Orban zwar unschuldig an der katastrophalen Lage der Staatsfinanzen, die sie nach ihren verantwortungslosen Vorgängern vorgefunden hat. Der konservative Regierungschef versucht aber nun in einer seltsamen Akrobatik die Finanzen zu sanieren, ohne seine Wähler zu treffen.

Dazu hat Orban nicht nur auf scheinbar verstecke Schätze wie etwa Privatpensionskassen zugegriffen. Er hat darüber hinaus auch gezielt alle Ausländer, die in Ungarn in den letzten 20 Jahren investiert hatten, durch maßgeschneiderte Sondersteuern auszunehmen versucht. Das hat zwar kurzfristig Geld hereingebracht. Das führt aber natürlich dazu, dass keine ausländische Firma mehr in Ungarn investieren mag. Was für die Zukunft des Landes eine Katastrophe bedeutet. Ein solcher nationaler Sozialismus wird daher erst recht die Arbeitslosigkeit vermehren.

Insgesamt scheint der Trend der Demokratien jedenfalls fast unaufhaltsam: Alle Macht den Profiteuren des Wohlfahrtssystems, keine Macht den Leistenden. Dieser Trend führt die Demokratien zwar in den finanziellen und wirtschaftlichen Kollaps – aber nicht einmal nach diesem ist ein Umdenken sicher. Zwar gab es in Skandinavien ein solches nach dem Zusammenbruch der Wohlfahrtssysteme. Zwar ist in fast ganz Süd- und Ostasien nach den leistungsfeindlichen Jahrzehnten der Armut und Not fundamental umgedacht worden. Aber von Griechenland bis Frankreich finden sich Null Anzeichen für einen echten inneren Neuanfang. In vielen anderen EU-Ländern gibt es nicht einmal mehr eine einzige Partei, welche das versuchen würde.

Klassen- oder Kinderwahlrecht als Ausweg?

Könnte vielleicht eine da und dort diskutierte prinzipielle Änderung des Wahlrechts zu einer Rückkehr des gesunden Menschenverstandes führen?  

Wenig aussichtsreich sind jedenfalls alle jene – vereinzelten – Denker, die meinen, die Entwicklung müsste wieder ein deutliches Stück in Richtung eines Mehrklassenwahlrechts gehen. Dieses im 19. Jahrhundert dominierende System hatte das Wahlrecht ganz nach der Steuerleistung geregelt: Wer mehr zahlte, hatte auch bei den Ausgaben mehr mitzureden. Das hatte auch für großen Bürgerstolz gesorgt.

Ebenso isoliert dürften auch alle jene bleiben, die das Wahlrecht an Bildungsabschlüsse binden wollen. Das scheitert freilich auch daran, dass Bildungsabschlüsse viel zu unterschiedlich und willkürlich vergeben werden. Außerdem ist zu befürchten, dass sich ohnedies bald die populistischen Ideen der Leistungsgegner durchgesetzt haben werden: Matura für alle.

Relativ mehr Unterstützer haben die Modelle eines Kinderwahlrechts: In diesem können die Eltern für ein noch nicht wahlberechtigtes Kind eine zusätzliche Stimme abgeben (oder eine halbe). Dieses Modell klingt für moderne Ohren jedenfalls gerechter als Überlegungen eines Klassenwahlrechts. Es würde ja weiterhin das demokratische Grundprinzip gelten: One man, one vote.

Aber auch dieses Modell hat kaum Durchsetzungs-Chancen: Sind doch die Schichten der Pensionisten und sonstigen leistungslosen Transferempfänger längst schon viel zu übermächtig geworden. Sie werden jedenfalls auch eine nur teilweise Entmachtung zugunsten eines stärker zukunfts- und leistungsorientierten Wahlsystems vehement verhindern. Statt dessen debattiert man völlig nebensächliche Fragen wie etwa die Wahlkreisgröße.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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