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Ethische Atomspezialisten, schuldige Unschuldige, neoliberale Kulturmenschen

Diese Welt ist voller seltsamer Merkwürdigkeiten – auch außerhalb Österreichs. Viele weltweite Beobachtungen aus den vergangenen Tagen haben den kleinen Beobachter immer wieder ins Staunen versetzt.

In Deutschland etwa hat eine Ethik-Kommission nun für die dortige Regierung die Entscheidung über die Zukunft der Atomkraftwerke getroffen. Und sie hat dabei ein präzises ethisches Urteil abgegeben: Bis 2022 sind AKW ethisch korrekt, nachher nicht mehr. Das hat eine bunte Mischung aus Bischöfen, Soziologieprofessoren, Geschichtslehrern, Altpolitikern usw. erkannt. Irgendwie bewundernswert.

Ob danach (oder auch schon am Weg dorthin) Deutschland seinen Wohlstand halten kann, wie es die Stromversorgung seiner Bürger und Arbeitsplätze regelt, welche Auswirkungen der deutsche Stromkollaps auf die Nachbarstaaten haben wird, wie hoch die in den letzten Jahren von Gerhard Schröders fünf auf drei Millionen abgesunkenen Arbeitslosenzahlen als Folge der Energieverknappung wieder steigen werden: Das sind alles offenbar unethische Fragen, die niemanden scheren. Und deshalb saßen auch nur wenige Energieexperten und Ökonomen in der Kommission.

Aber Angela Merkel glaubt, solcherart wieder die verloren gegangenen Wähler zurückholen zu können. Und sie übersieht, dass diese in dem wirren ethischen Gerede nur noch eines heraushören: Merkel hat neuerlich ihre Führungsschwäche unter Beweis gestellt.

Die Bundeskanzlerin übersieht aber auch, dass Deutschland hurtig dabei ist, seine plötzlich wirtschaftliche Erholung nach zwei Jahrzehnten depressiver Krise durch diese Schockreaktion auf die grünen Wahlerfolge schon wieder im Eiltempo zu verspielen.

In China hingegen hat man keine Ethik-Kommissionen – und prompt forciert das Land den Ausbau der Atomenergie. Es tut das nicht zuletzt im Kampf gegen die Umweltverschmutzung – und zwar gegen die echte, nicht gegen eine in den Computern der Global-Warming-Industrie errechnete. In China sind jedenfalls mehr als doppelt so viele Reaktoren in Bau, wie dort schon in Betrieb sind. Und China will sich nun auch die jetzt arbeitslos werdenden deutschen Atom-Ingenieure holen. Ist es sehr schwer zu erraten, ob es in ein paar Jahrzehnten Europa oder China besser gehen wird?

In Russland ist der einstige Unternehmer Michail Chodorkowski in zwei grotesken Prozessen zu langen Serienstrafen verurteilt worden, ohne dass unabhängige Rechtsexperten auch nur ein einziges Delikt des Mannes erkannt hätten. Außer dass er es gewagt hat, Machthaber Putin zu kritisieren; außer dass in Russland (und vielleicht auch schon bei uns?) jeder Unternehmer automatisch als Mafioso gilt; außer dass er ein Jude ist. Der sogenannte Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg (in den bekannte Rechtsstaaten wie Aserbaidschan, Serbien und Mazedonien genauso einen Richter entsenden wie Österreich oder Deutschland) hat die Urteile jedenfalls stehen gelassen.

Der Gerichtshof tat dies noch dazu mit einer sensationellen Begründung: Die Anwälte Chodorkowskis hätten zuwenig Beweise für dessen Unschuld vorgelegt. Als ich einst Jus studiert habe, da hatten noch Gerichte und Staatsanwälte vor einer Verurteilung die Schuld eines Angeklagten beweisen müssen. Beim Menschenrechtsgerichtshof ist es heutzutage offensichtlich umgekehrt; da muss ein Angeklagter seine Unschuld beweisen. Wirklich toll, wie sich die Menschenrechte weiterentwickelt haben. Bravo! Und Russlands Machtelite – also die Geheimdienste – haben jetzt endgültig freie Bahn, sich unter fadenscheinigsten Vorwänden weitere Firmen zu schnappen und die bisherigen Eigentümer einzulochen. Noch einmal ein doppeltes Bravo!

Polen hat heute überaus eindrucksvolle Wirtschaftsperspektiven. Es konnte sogar die Krisenjahre ohne ein Wachstumsminus überstehen. Das ist klare Folge einer mutigen neoliberalen Wirtschaftspolitik mit Deregulierungen, niedrigen Steuern und Privatisierungen (und – ausgerechnet jetzt – sogar der Einführung der Atomenergie).

Dafür setzen halt andere Länder mehr auf Kultur, wissen jetzt sofort einige Besserwisser. Und irren damit. In keinem Land werden derzeit so viele Kulturbauten errichtet wie in eben diesem Polen. Museen, Theater, Konzerthallen: Alles wird dort derzeit gebaut, heftiger denn je in Polens Geschichte. Wollen diese grauslichen Liberalen jetzt auch in Sachen Kultur den Hochsteuer-Sozialismus übertrumpfen, der in anderen Ländern reihenweise Kulturausgaben streicht? Das ginge doch wirklich zu weit.

Nochmals Deutschland: Was ich hier vor einigen Wochen als theoretische Konsequenz des feministischen Quoten-Unsinns bezeichnet habe, haben die deutschen Sozialdemokraten postwendend beschlossen: Alle Führungsgremien der SPD müssen künftig mindestens 15 Prozent Mitglieder mit Migrationshintergrund haben. (Und hierzulande jubelt natürlich das „Profil“ und empfiehlt Österreich Ähnliches). Und wie ist es mit meinen Quoten als Linkshänder, Brillenträger und Hundefürchter? Wo ist mein garantierter Platz?

In Schweden ist der König arg unter Beschuss gekommen und sogar mit Rücktrittsaufforderungen konfrontiert. Er soll sich in jüngeren Jahren des öfteren bei sogenannten Herrenabenden in (meist ausländischen) Nachtklubs amüsiert haben. Jetzt könnten auch Photos veröffentlicht werden. Das erstaunt vor allem aus einem Grund: Schweden war in den Sechziger und Siebziger Jahren weltweit als Mekka der freien Liebe und sexuellen Großzügigkeit bekannt. Hat das für alle, nur nicht den König gegolten? Oder haben sich die Moralvorstellungen oben im Norden wieder in eine ganz andere Richtung gewandelt?

Zum Abschluss noch einmal Deutschland: Dort lässt sich die SPD schon in einigen Bundesländern von der neokommunistischen „Linken“ die Mehrheit verschaffen. Dass diese Partei eine Nachfolgepartei der diktatorischen SED ist, stört die Sozialdemokraten ebensowenig wie die Tatsache, dass die Linke nun immer stärker antisemitisch wird und in alter Manier sogar zum Boykott israelischer Waren aufruft. Die Sozialdemokraten schweigen dazu. Sie schweigen aber nicht nur, sondern machen sich auch selbst ganz direkt die Hände schmutzig. In Nordrhein-Westfalen haben sie jetzt sogar eine Staatssekretärin mit türkischen Wurzeln berufen, die engste Kontakte zu prominenten türkischen Rechtsradikalen unterhalten hat, darunter auch zu den Grauen Wölfen, denen der Papstattentäter Agca angehört hat. Die Sozialdemokraten werden aber mit Sicherheit neuerlich den braunen Farbkübel herauszuholen, wenn wieder irgendwo eine rechtspopulistische Partei Wahlerfolge feiert – auch wenn diese nicht das geringste mit Antisemitismus oder Neonazismus am Hut hat. Das alte Motto gilt weiterhin: Wenn einer links ist, darf er alles. Der Rest wird verboten.

 

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