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SN-Kontroverse: Schüssels FPÖ-Zähmung

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Ist der FPÖ-Zähmungsversuch Wolfgang Schüssels gescheitert?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Elitenkorruption und Unfähigkeit

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Seit Sonntag ist diese Frage mit einem mehrfachen Ja zu beantworten. Der Erdrutschsieg der FPÖ bei der Wiener Wahl zeigt, dass die Rechtsaußenpartei unter Heinz Christian Strache genau so stark ist wie einst unter seinem politischen Ziehvater Jörg Haider. Ihr Potenzial auf Bundesebene dürfte ebenso wie 1999 an die 30 Prozent herankommen.

Damals glaubte ein gewisser Wolfgang Schüssel die FPÖ durch die Beteiligung an seinem Wendeprojekt „zähmen" zu können. Schüssel stilisierte sich frei nach Saint-Exupéry zum kleinen Prinzen, dem der „Fuchs" FPÖ sozusagen aus der Hand frisst und sich zivilisiert benimmt. Ein ziemlich großes Märchen, das ziemlich schlecht ausgegangen ist. Denn statt die Freiheitlichen in ihre Schranken zu weisen, ist die schwarz-blaue Koalition das Pleiteprojekt der österreichischen Zeitgeschichte. Schwarz-Blau steht für Elitenkorruption, politische Unfähigkeit in Fortsetzungen, Zerstören von demokratischen Strukturen und einer Herabsetzung der politischen Moral, die ihresgleichen sucht.

Beispiele gefällig? - Da gab es einen gewissen Finanzminister KHG, der sich schamlos von Interessensgruppen finanzieren ließ, einen Justizminister, der es für „überlegenswert" fand, Oppositionelle einzusperren, es wurde privatisiert auf Teufel komm raus, Staatsvermögen unter dem wahren Wert (Stichwort  Austria Tabak Werke) verscherbelt und die Freunderl wurden eifrig finanziell bedient (Stichwort Verkauf der Bundeswohnungen). Der Rechtsstaat (Stichwort Ortstafelerkenntnis) wurde mit Füßen getreten. Das alles wusste und deckte Schüssel und schwieg dazu im Interesse seines Machterhalts. Statt die FPÖ zu zähmen bleibt ihm das historische Verdienst eine Rechtsaußenpartei mit schlampigem Verhältnis zum Nationalsozialismus hoffähig gemacht zu haben. 


Gescheitert sind die Nachfolger

Andreas Unterberger

Die Fragestellung klingt, als ob die FPÖ eine gefährliche Bestie wäre, die den braven Bürgern an die Gurgel will. Als ob andere Parteien keine Probleme mit demokratischen Mindeststandards hätten. Als ob es nicht etwa auch bei der Wiener SPÖ aggressiv verhetzende Wahlkampf-Comics oder eine Homepage mit Videos gegeben hätte, auf der politische Gegner in den Tod gehetzt werden. Als ob Grüne nie Nähe zu gewalttätigen Demonstrationen gehabt hätten.

Mir ist nicht bekannt, dass Wolfgang Schüssel jemals eine Zähmung der FPÖ angekündigt hätte. Was er aber getan hat, war die FPÖ als eine normale Partei zu behandeln. Was segensreich für die Demokratie war. Nur dadurch konnte sich zeigen, dass die FPÖ in keiner Weise den Faschismus bringt, dass sie aber eine sehr geringe Regierungsfähigkeit hat und dass ihr politisches Personal quantitativ wie qualitativ noch viel magerer ist als das der anderen Parteien (soweit das überhaupt möglich ist). Ohne Schüssel wäre Haider mit großer Wahrscheinlichkeit bei der nächsten Wahl überhaupt zur Nummer eins geworden. Ohne ihn hätte freilich auch die SPÖ die absolute Garantie auf eine Regierungsteilnahme bekommen - bis die FPÖ eine absolute Mehrheit hat.

Gescheitert sind hingegen SPÖ und Schüssels Nachfolger in der Volkspartei, die wieder in die Ausgrenzungspolitik der 90er Jahre zurückgefallen sind. Das bringt die FPÖ heute wieder in eine extrem aussichtsreiche Perspektive für die nächste Nationalratswahl. Daran wird auch der Kampfsender ORF nichts ändern können, der etwa nach der Wiener Wahl gleich sieben Linke und keinen einzigen Sympathisanten von ÖVP oder FPÖ über das Ergebnis diskutieren lässt. Daran wird auch der Umstand nichts ändern, dass H.C. Strache lange nicht so intellektuell und brillant ist wie Jörg Haider - dafür aber auch viel weniger sprunghaft und exzessiv. 

 

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