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Gott und die Liberalen

Manche Medien haben sich gewundert, aber in Deutschland ist es Realität geworden: In der FDP, einer klassisch liberalen Partei, hat sich die halbe Fraktion als bewusste Christen deklariert.

Wenn diese FDP-Christen im Bundestag den Andachtsraum benutzen, ist der voll wie nur selten, berichtete der „Spiegel“. Der neue FDP-Gesundheitsminister – ein aus Vietnam stammendes Waisenkind – ist vor einigen Jahren gläubiger Katholik geworden. In Österreich findet man rund um die Österreichische Schule der Nationalökonomie besonders viele Gläubige, also rund um die  heute zweifellos spannendste Form liberalen Denkens (auch wenn sie ausgerechnet in Österreichs Hochschulen kaum vertreten ist).

Wie das? Hat nicht die Kirche einst gegen die Liberalen, haben nicht die Liberalen einst gegen die Kirche gehetzt? Zweifellos ja. Aber das waren primär Kämpfe des 19. Jahrhunderts, mit etlichen Ausläufern ins 20. Jahrhundert. Besonders im k. und k. Österreich war die Kirche einst allzu eng mit der politischen Macht verfilzt. Was freiheitsliebende Liberale zu einer massiven Opposition veranlassen musste.

Heute ist die Kirche kein politischer Faktor mehr – der Glaube kann sich, soweit er sich mit Politik befasst, auf die Frage nach Sinn und Verantwortung konzentrieren. So waren es seit der Mitte des 20. Jahrhunderts vor allem christliche Politiker, die sich rund um die ordo- oder neoliberale Idee der sozialen Marktwirtschaft geschart haben (besonders rund um Freiburger Schule, Ludwig Erhard und die CDU). Wobei die meisten von ihnen das Wort „sozial“ nicht, wie es heute viele tun, als Einschränkung der Marktwirtschaft verstanden haben, sondern als Beschreibung dessen, was eine wirklich funktionierende Marktwirtschaft darstellt: Wohlstand für alle.

Wer sich heute als Christ wie als Liberaler um die Verantwortung gegenüber der nächsten Generation sorgt, der wird zu sehr ähnlichen Ergebnissen kommen müssen, wenn er sich nicht von tagespolitischen Hypes treiben lässt: Er wird vor allem gegen die skandalöse Verschuldungspolitik aufbegehren müssen.

Christen finden im Evangelium etliche Stellen, die Leistung loben, und die jene Menschen tadeln, die sich in der sozialen Hängematte zu Lasten anderer ausruhen (siehe etwa das Gleichnis von den vergrabenen Talenten oder den Satz, dass nicht essen solle, wer nicht arbeite). Das stellt keineswegs einen Widerspruch zum Gebot der Nächstenliebe dar, sondern die Pflicht zu Arbeit und Leistung. Denkende Christen spüren auch, wie verantwortungslos es gegen die Dritte Welt ist, dass die EU ihren Agrarmarkt protektionistisch stützt, was den Bauern der Dritten Welt alle Exportchancen nimmt (und sie zunehmend in die Migration treibt). Christen wissen, dass das Subsidiaritäts- und das Personalitätsprinzip etwas ganz anderes heißen als den in den letzten Jahrzehnten angewachsenen Megastaat, der alles und jedes Übel zu regeln vorgibt. Und dabei längst selbst zum Hauptübel geworden ist.

Liberale begreifen immer mehr, wie wichtig die vom Christentum ausgehenden Werte als Basis einer funktionierenden Gesellschaft ist. Denn die Gesellschaft braucht externe Kräfte, die ihre Grundlagen schaffen.

Christen wie Liberale haben Eigenverantwortung, Freiheit und Menschenwürde als zentrale Werte (neben all den transzendentalen Werten der Religion). Daher müssen sich auch beide gegen neue Bedrohungen der Freiheit und der Menschenwürde wappnen: Die aktuellen Bedrohungen kommen zum einen von der laizistischen Politischen Korrektheit, die immer mehr Denkverbote aufstellt, die den Menschen immer öfter vorzuschreiben versucht, was sie zu sagen und wollen haben (wie es bis zur Aufklärung die Kirche auch gegenüber Nichtchristen versucht hatte). Dazu gehört auch die Absurdität, dass diese Politische Korrektheit jede Attacke auf das Christentum, aber keine Kritik an anderen Religionen zulässt.

Die zweite Bedrohung kommt von einem im Eilschritt vordringenden politischen Islam, der zahllose Freiheiten von Angehörigen anderer Religionen wie auch von unreligiösen Menschen massiv einschränken will. Das tut er mit großer Wahrscheinlichkeit dann, wenn er die Mehrheit errungen hat, wie man es am Verhalten der Moslems in den meisten moslemischen Ländern ablesen kann.

Gewiss: Noch gibt es bei den Liberalen viele, die nostalgisch in alten Kulturkämpfen ihren ideologischen Lebenssinn sehen, wie etwa die geistig eher im 19. Jahrhundert steckengebliebene Heide Schmidt (die freilich im Grund gar keine Liberale, sondern eine klassische Linke ist). Noch sind bei den Katholiken umgekehrt viele Verbands-Funktionäre – etwa die beinahe wie Kryptokommunisten wirkenden Männer an der Spitze der österreichischen Caritas – offensichtlich der Meinung, die wichtigsten neuen Gebote hießen: „Du sollst ständig noch höhere Forderungen an den Staat stellen, egal ob er sich das leisten kann.“ Und: „Nimm dem Staat, was der nächsten Generation gehört.“ Und: „Die kollektiven Aufgaben des Staates haben die biblische Aufforderung zur individuellen Nächstenliebe abzulösen.“

Aber weder Schmidt spricht heute für die große Mehrheit der Liberalen noch die Caritas für die große Mehrheit der Gläubigen. Das macht hoffnungsvoll.

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