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Die Unsozialpartner

Nur eineinhalb Prozent für die Metallarbeiter: Das ist nach den satten Gehaltserhöhungen der letzten Jahre wirklich wenig. Mit diesem Unterton wird nicht nur von ORF-Redakteuren der jüngste Gehaltsabschluss kommentiert. Warum haben die Arbeitgeber wegen dieses kleinen Prozentsatzes anfänglich so herumgezickt? Der Abschluss ist in der Tat ein unsoziales Signal. Freilich aus ganz anderen Gründen.

Das Verhandlungsende ist jedenfalls einmal eine heftige Blamage für die Wirtschaftskammer, die zusammen mit der Arbeiterkammer wegen der beiderorts geltenden Zwangsmitgliedschaft einer der am meisten umstrittenen Vereine des Landes  ist. Wieder einmal war für die WKO die Huld ihrer gewerkschaftlichen Sozialpartner wichtiger als eine langfristige Perspektive für Wirtschaft und Arbeitsplätze.

Das ist nun seit der Machtübernahme durch Christoph Leitl in der WKO freilich nichts wirklich Neues. Aber selbst wenn man das bedenkt, hätte sich die WKO nicht so lächerlich machen müssen, indem sie sich zuerst voll aufplustert, um dann einzugehen wie ein angestochener Luftballon. Selbst in dieser Wirtschaftslage fürchtet sich die Papiertiger-Kammer vor einer Streikdrohung der Gewerkschaft. Obwohl sich angesichts der krisenbedingt geringen Streikbereitschaft der Menschen eigentlich nur die Gewerkschaft vor einem Streikbeschluss fürchten hätte müssen.

Aber warum sollen eineinhalb Prozent wirklich so problematisch sein? Ganz einfach: Nach allen früheren Berechnungsmethoden für Lohnabschlüsse – aufbauend auf Inflation und Wirtschaftswachstum – würde derzeit in Wahrheit ein klares Minus herauskommen. Deswegen sind in anderen Ländern ja von den Pensionisten angefangen auch reihenweise Null-Erhöhungen angesagt.

Anders erklärt: Wenn das BIP schrumpft, heißt das, die Summe aller in Österreich erzielten Löhne und Einkommen schrumpft. Wenn aber die Metallarbeiter gleichzeitig mehr bekommen, gibt es logischerweise andere Gruppen, deren Einkommen noch weit überdurchschnittlich sinken muss.

Wer aber sind diese Verlierer? Da rührt sich ja niemand!

Nun, die Verlierer sind alle jene Menschen, die von der stark steigenden Arbeitslosigkeit getroffen werden. Und es sind noch mehr die Jungen, die keine Chancen am Arbeitsmarkt finden, die sich die gewerkschaftlich geschützte Privilegienwelt nur von außen anschauen können. Die Jungen werden als freie Dienstnehmer ausgebeutet, sie arbeiten „prekär“, bangen von Projekt zu Projekt, gründen verzweifelt ein-Mann-Firmen, sitzen (streiken) in universitären Wärmestuben oder sind einfach arbeitslos.

Die glücklichen Besitzer von Arbeitsplätzen verteidigen diese auf Kosten der draußen Stehenden massiv – so wie einst mittelalterliche Schuster-Zünfte jeden Neueindringling in ihr Business verhindern konnten.

Aber wegen unbedeutender eineinhalb Prozent wird doch niemand Arbeitskräfte abbauen? Gewiss, da wird jetzt niemand direkt gekündigt werden. Aber in Österreich haben sich im Lauf der Jahrzehnte viele im einzelnen immer „unbedeutende“ Lohnkosten akkumuliert, sodass praktisch jeder größere Betrieb schon massenweise Jobs ins Ausland verlagert hat. Der ÖGB möge nur Parteifreund Androsch fragen, weshalb er in Österreich zusperrt und in China aufsperrt.

Als letztes Argument für nicht begründbare Gehaltserhöhungen wird dann immer davon geredet, dass dadurch der Konsum wieder angekurbelt wird. Das Argument ist aber kompletter Unsinn: Mehr Konsumausgaben dienen fast nur dem Ausland. Denn rund 60 Prozent dessen, was wir einkaufen, kommt aus dem Ausland – und zugleich kommen auch 60 Prozent unserer Einkommen durch Verkauf von Waren oder Dienstleistungen ans Ausland zustande. Wenn wir also diese Exporte durch Lohnerhöhungen teurer machen, ist der Schaden für die Arbeitsplätze weit größer als das bisschen, was vielleicht im Weihnachtsgeschäft mehr an österreichischen Waren eingekauft wird.

Das Ausland schaut jedenfalls blöderweise beim Einkauf sehr genau auf den Preis (natürlich neben der Qualität).Wenn die österreichischen Waren zu teuer sind, wird halt anderswo bestellt. Aus reiner Liebe zu österreichischen Metallprodukten wird leider weltweit nur sehr selten gekauft. Selbst wenn die Sozialpartner wieder einen diesbezüglichen Zwang in die Verfassung schreiben lassen.

Daher schaden auch bloße eineinhalb Prozent sowohl den Betrieben wie auch den Arbeitsplätzen (natürlich nicht den der Gewerkschafter). Die eineinhalb Prozent sind vielleicht schon der letzte Strohhalm, der dem Kamel den Rücken bricht; und sie sind jedenfalls ein ganz falsches Signal.

Diesmal hätte aber sogar die Möglichkeit bestanden, der Wirtschaft ohne ein Lohnminus zu günstigeren Produktionsbedingungen zu verhelfen: durch den an sich cleveren Vorschlag einer Flexibilisierung der Arbeitszeit. Da könnte dann, wenn einmal ein dicker Auftrag hereinkommt, mehr gearbeitet werden, ohne dass der Arbeitgeber Überstundenzuschläge kalkulieren müsste. Und in ruhigeren Zeiten genießt man dann einen Zeitausgleich.

Aber auch das war – vorerst? – für die Gewerkschaft unakzeptabel. Und der weichen WKO sowieso keinen Kampf wert.

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