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Der VfGH, die ÖVP und das Lakaientum

Die ÖVP ist ein Koalitionspartner, wie man ihn sich nur wünschen kann. Sie lässt sich alles gefallen und bleibt zugleich immer freundlich und nett: Wie soeben bei der – in den Printmedien noch gar nicht bekannten – neuesten Groteske um den Verfassungsgerichtshof.

Die Vorgeschichte ist bekannt. Reihenweise hat die SPÖ informelle wie offiziell bekannt gewordene koalitionsinterne Vereinbarungen und Zusagen nicht eingehalten. Ein Höhepunkt war etwa die Nominierung eines österreichischen EU-Kommissars, wo die ÖVP auf Grund ihres vereinbarten Vorschlagsrechts Wilhelm Molterer und dann Othmar Karas nehmen wollte.

Geworden ist es dann ja Johannes Hahn, der weder in Europa sonderliche Begeisterung auszulösen imstande war noch irgendein wichtiges Ressort in Aussicht hat. Seine Nominierung ist einzig auf die vernichtenden Niederlagen der SPÖ in diversen Wahlen zurückzuführen, nach denen Werner Faymann seiner Partei zeigen wollte, dass er ja doch noch zu irgendetwas gut ist. Und wenn man schon vom Regieren nichts versteht, sind doch Demütigungen der ÖVP bei SPÖ-Chefs immer ein bewährtes Instrument, um Beifall aus den Rängen zu erhalten.

Faymanns Gegenspieler Josef Pröll hingegen hat ein viel zu sonniges Gemüt, um darauf mit Schärfe zu reagieren. Oder gar um Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Er steckt alles frohgemut weg, glaubt er doch den nächsten Wahlsieg schon gesichert. Vielleicht kann er als braver katholischer Landbauernbub aber auch die charakterliche Struktur seines Gegenübers aus der Wiener Vorstadt nicht ganz verstehen.

Da vergisst er lieber, dass er für das (natürlich nur informelle) Vorschlagsrecht der ÖVP beim EU-Kommissar schon zahlreiche Vorleistungen erbracht hat: etwa die Bestellung der durch keinerlei richterliche Tätigkeit qualifizierten Sozialdemokratin Maria Berger zur EU-Richterin (eine ideologisch sogar wichtigere Position als die eines Kommissars der zweiten Linie) oder die Ernennung des der SPÖ gegenüber immer fügsamen Nullgrupplers Holzinger an die Spitze des Verfassungsgerichtshofs. Beides waren früher von konservativen Spitzenjuristen besetzte Funktionen.

Nun wollte es der Zufall, dass knapp nach der EU-Demütigung gleich zwei Richterpositionen im Verfassungsgerichtshof neu zu besetzen sind. Und dass beide Male SPÖ-nahe Richter abgehen. Was läge da näher, als Gleiches mit Gleichem zu vergelten, wenn auch bei weit weniger wichtigen Funktionen? Die ÖVP lud sogar einen prominenten Verfassungs- und Vergabe-Spezialisten ausdrücklich ein, sich zu bewerben, der noch dazu parteiunabhängig ist.

Ergebnis: die ÖVP-Spitze beschließt wenige Tage später – und zwar schon vor dem geplanten Hearing! –, dass doch beide Stellen sozialdemokratisch besetzt werden. Wobei es sie auch nicht stört, dass sich einer der künftigen Richter primär dadurch ausgezeichnet hat, dass er oberster Kabinettschef Alfred Gusenbauers gewesen ist. Dass er also nicht einmal den Hauch von Unabhängigkeit mitbringt.

Das Faymann-Prinzip ist klar: Molterer wird für das Scheitern der Koalition Gusenbauer/Molterer bestraft; der hinter den Kulissen bei vielen koalitionswidrigen Handlungen aktive Gusenbauer-Kabinettschef wird hingegen belohnt. Wobei freilich den ärgsten Koalitionsbruch Werner Faymann selbst zu verantworten hat, der hauptschuld daran ist, dass drei Tage vor der letzten Wahl die Steuerzahler um zwei Milliarden beraubt worden sind. Das hat die ÖVP bekanntlich ebenfalls freundlich bis süßsauer weggesteckt.

PS.: Objektiverweise darf man aber als Gegenleistung die Huld Faymanns nicht vergessen, dass Außenminister Spindelegger bei allen Auslandsreisen als sein Oberministrant und Dolmetscher amtieren darf. Freilich ohne je eine eigene Meinung äußern (haben?) zu dürfen.

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