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Flache Steuern, steile Ideen

Paul Kirchhof strahlt vor Optimismus. Der Vordenker der konservativ-liberalen Politökonomie Deutschlands glaubt, dass zumindest in seinem Heimatland jetzt viele Dinge in die richtige Richtung bewegt werden. So ist er überzeugt, dass Deutschland sehr bald die Flat-tax haben wird. Oder so etwas Ähnliches.

Wie das?

Nimmt doch keine Partei diesen Ausdruck mehr in den Mund, gilt doch Kirchhofs Gedanke von einem (prozentmäßig) einheitlichen Steuersatz auf alle Einkommen als der Hauptgrund, weshalb die CDU 2005 mit dem damaligen Finanzminister-Kandidaten Kirchhof lange nicht so gut abgeschnitten hat wie zuvor prophezeit. Weil die flache Steuer (die alle Einkommen mit dem gleichen Prozentsatz versteuert) oberflächlich betrachtet vielen als unsozial erscheint.

Kirchhofs Zuversicht gründet sich auf die in Deutschland eingeführte Kapitalertragssteuer: Wenn dort neuerdings (so wie in Österreich schon seit Jahrzehnten) alle Einkommen aus Vermögen einheitlich mit 25 Prozent besteuert („endbesteuert“) werden, dann widerspreche es dem deutschen Gerechtigkeitsempfinden und dem Gleichheitsprinzip, wenn die Einkommen mit mehr als 25 Prozent besteuert werden. (In Deutschland geht die Einkommensteuer bis zu 45 Prozent, in Österreich sogar bis zu 50 Prozent).

Eine Erhöhung der Kapitalertragssteuer, um diesen Unterschied auszugleichen, scheint unmöglich; da würde zu viel Geld abfließen, daher rechnet Kirchhof mit einem Sinken der Einkommensteuer – wahrscheinlich durch das deutsche Verfassungsgericht (dem Kirchhof selbst zwölf Jahre angehört hatte). Aber auch schon das FDP-Konzept von nur noch 3 Steuersätzen (15, 25, 35 Prozent) ist für ihn ein deutlicher Schritt hin zur Flat tax.

Aber das würde doch die maroden Staatsfinanzen endgültig ruinieren? Kirchhof ist vom Gegenteil überzeugt. Es müssten nur alle Ausnahmen, welche die Steuerpflicht reduzieren, abgeschafft werden. In Deutschland gibt es mehr als 500 davon. Von Investitionen im Schiffsbau bis zu solchen in Filmproduktionen haben zahllose Lobbies ein dichtes Netzwerk an Privilegien erkämpft, das niemand mehr durchschaut, das zu so hohen Steuersätzen geführt hat.

Womit der Heidelberger Professor zu einem liberalen Grundprinzip kommt: Niemand solle deshalb investieren, weil es steuerlich gefördert wird, sondern immer nur dann, wenn man sich auch einen echten Ertrag seiner Investition erwarten kann. Das würde zu einem viel klügeren Investitionsverhalten führen – und auch zu mehr Steuereinnahmen. Kirchhof empfiehlt daher, dass all jene, die etwa nach dem FDP-Konzept 35 Prozent Steuer zahlen werden, bei höheren Einnahmen des Staates im Folgejahr eine Steuergutschrift bekommen.

Eine brillante Idee Kirchhofs (von vielen), die sicher das Wachstum ankurbeln, Arbeitsplätze schaffen, und die Steuermoral deutlich erhöhen würde.

Und wo liegt der Haken, weshalb der traditionell zu Skepsis neigende Österreicher annimmt, dass die flache Steuer doch nicht kommen wird, wahrscheinlich nicht einmal eine flachere? Weil vor einem solchen Reformschritt in jedem westeuropäischen Land sofort Hunderte Lobbies und  Sozialpartner aufheulen würden, weil sie überflüssig würden, weil zahllose Journalisten den Egoismus dieses Aufheulens nicht durchschauen würden, und weil sofort die Propagandakeule „Unsozial!“ eingesetzt würde.

Einige weitere Ideen Kirchhofs, die zumindest ernsthaft nachdenken lassen:


  • Wenn das Steuer- und Transfersystem immer komplizierter wird (was auch für die EU gilt, die jeden Tag sechs neue Richtlinien oder Verordnungen erlässt), dann wird das System automatisch als ungerecht empfunden;

  • Jede Frau bekommt im Schnitt nur noch 0,29 Urenkelinnen: Wir brauchen daher dringend Menschen, die in unsere Kulturgemeinschaft hineingeboren werden. Was, so wagt Kirchhof zu sagen, weit mehr bedeutet als nur das Erlernen der Sprache;

  • Die Menschen sollen früher das Abitur (die Matura) und dann den Studienabschluss machen können, damit sie auch früher Kinder bekommen können (was viele junge Menschen an sich auch wollen);

  • Wer Kinder hat, sollte bei der Berufswahl bevorzugt werden, denn: Erfahrung in der Familie ist berufsqualifizierend wertvoll;

  • Wir haben keine Frauendiskriminierung, sondern – dafür umso folgenreicher – eine Mütterdiskriminierung;

  • Hätte jeder Vater, jede Mutter für jedes Kind eine halbe Stimme mehr am Wahltag abzugeben, dann würde die Politik viel mehr auf die Familien und weniger auf die Pensionisten schauen;

  • In Deutschland denken immer mehr private Krankenversicherungen ans Zusperren, weil sie ihren Kunden keinen Zusatznutzen mehr verschaffen können: die oft als Bevorzugung kritisierte Spezial-Behandlung für Privatversicherte sei jedoch ein  Modernisierungsmotor für die Medizin, was letztlich allen zugute kommt.


Der Österreicher denkt sich: Auch wenn man nicht in jedem Fall den Optimismus Kirchhofs teilt, so wäre es doch schon erfrischend, wenn in diesem Land solche Themen wenigstens eingehend diskutiert würden. Damit nicht unbedingt der einjährige Todestag Jörg Haiders als das zentrale Problem der Nation erscheint.

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