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Das europäische Handy ist ganz uneuropäisch

Soll Telefonieren europaweit im Ausland genauso viel kosten wie im eigenen Land? Die Kommission will das, kann sich aber nicht durchsetzen. Deshalb ist in den vergangenen Monaten wieder eine eigentlich schon fertige Lösung gescheitert. Das Ganze ist nur scheinbar ein bloß technisches Problem. Dahinter steckt in Wahrheit ein massiver Interessengegensatz zwischen der europäischen Elite und den europäischen Durchschnittsbürgern – auch wenn beide Seiten die Roaming-Frage (noch) gar nicht als solchen begriffen haben.

Die EU-Kommission möchte unbedingt diese Vereinheitlichung. Sie glaubt, damit endlich wieder ein Projekt zu haben, das die Union und ihr Werken bei Hunderten Millionen Europäern populär macht. Es ist ein Versuch in Europopulismus. Jedoch unterliegt sie damit einem gewaltigen Irrtum.

Zwar gibt es massive Zustimmung der Menschen, wenn sie gefragt werden, ob etwas billiger werden soll. Welcher Konsument will das denn nicht? Viele Europäer sehen es als ungerechtfertigt an, dass sie beim Telefonieren ins oder im Ausland deutlich mehr zahlen müssen als daheim, obwohl das durch die technischen Kosten keinesfalls gerechtfertigt ist. Mit diesen Roaming-Einnahmen kompensieren die Telekom-Betreiber in der Tat ihre im harten Inlandswettbewerb kaum noch Gewinn bringenden Tarife. Also weg damit – oder?

Nein, nicht weg damit.

Denn kluge und vorausschauende Politik sollte begreifen: Das bittere und verbitterte Erwachen vieler Europäer wird kommen, wenn auch erst viel später. Es wird kommen, sobald die Menschen merken, dass die Telekoms nach Wegfallen der Roaming-Erträge allesamt mit ihren Tarifen fürs Inland hinaufgehen werden, hinaufgehen müssen. Denn jenes Unternehmen, das nur Verluste machen will, ist noch nicht gegründet worden. Bei den Telefonbetreibern schon gar nicht.

Das bedeutet aber: Jene Menschen, die nur ein- oder zweimal im Jahr Auslandsreisen machen, und die auf diesen auch nur eher selten telefonieren, werden zugunsten jener Menschen deutlich mehr zahlen müssen, die viel reisen, die viel beruflich telefonieren, und die daher von einem europaweit einheitlichen Tarif profitieren.

Wenn das aber einmal den Menschen klar geworden ist, dann wird der von den Europapopulisten erhoffte Imagegewinn wieder einmal ins Gegenteil kippen.

Gegen das Aus für unterschiedliche Roaming-Tarife sprechen aber auch noch eine Reihe weiterer Argumente:

  1. Die jetzigen Handy-Tarife sind in Europa total unterschiedlich: In Teilen Westeuropas kostet ein Handyvertrag mehr als sechs Mal so viel wie im Osten. Ein Wegfall der Roaming-Gebühren würde dazu führen, dass viele Westeuropäer plötzlich mit Osthandys telefonieren. Das wird sich kaum unterbinden lassen (wie man beispielsweise auch, trotz aller Vorschriften, Verbote und Strafen auf dem Autosektor sieht: Viele besonders teure Autos der höheren SUV-Klasse tragen osteuropäische Kennzeichen, gehören aber Österreichern und fahren meist in Österreich. Diese melden das Auto einfach im Osten an, etwa bei einer Firmentochter, und ersparen sich dadurch viele Tausender an Steuern).
  2. Es wäre absolut unmöglich, diese Mobil-Tarife zu vereinheitlichen. Denn entweder könnte sich im Osten dann niemand mehr das Telefonieren leisten, oder im Westen müssten alle Mobilfunk-Betreiber sofort den Konkurs anmelden.
  3. Es gibt ja auch sonst in Europa keine einheitlichen Preise, Tarife und Gehälter. Vom Briefporto bis zur Pensionshöhe trifft man auf krasse Unterschiede. Die sind auch politökonomisch unbedingt notwendig, damit die (etwa durch jahrzehntelange kommunistische Herrschaft) benachteiligten Regionen wettbewerbsfähig werden. Das ist im Norden Osteuropas schon teilweise ganz gut geglückt, im Südosten noch gar nicht.
  4. Die geplante Roaming-Tarif-Abschaffung wäre wieder einmal eine Top-Down angeordnete Reform. Sie würde damit zur langen Reihe jener bürokratischen, aber unausgegorenen EU-Reformen zählen, welche Europa in den letzten Jahren so zunehmend unbeliebt gemacht haben.

Statt dessen sollte dem Markt die freie Entwicklung ermöglicht werden. Es sollte also zugelassen werden, dass sich die Menschen frei entscheiden können. Die einen werden dann eben einen nur im Inland billigen Tarif wählen; die anderen, die Vielreiser, werden einen europaweit einheitlichen Tarif wählen. Es würde beispielsweise völlig genügen, wenn sich die EU auf die Vorschrift beschränken würde, dass jeder Anbieter AUCH einen europaeinheitlichen Tarif im Sortiment hätte.

Dann entkämen die Brüsseler Politiker und Beamten auch dem üblen Geruch, sich auf Kosten der übrigen Europäer etwas ersparen und das eigene Leben erleichtern zu wollen. Und dieses Vorhaben populistisch getarnt zu haben, dass man es ja nur für die Durchschnittseuropäer täte, die einmal im Jahr länger ins Ausland fahren.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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