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Die Ministerin, ihr Pilz und die unter den Tisch gekehrte Falschaussage

Immer neue Details, die rund um den Tod und die letzte Lebenszeit von Christian Pilnacek bekannt werden, aber auch die erstaunliche Beziehung zwischen Peter Pilz und einem jetzt geschnappten russischen Spion lassen die Gewissheit wachsen: Wir sind mit dem größten politischen Kriminalfall und Justizskandal seit dem jahrelang von der Staatsanwaltschaft gedeckten sechsfachen Lucona-Mord konfrontiert. Einziger Unterschied: Es gibt vorerst nur einen Toten.

Aber statt dem mit aller Energie nachzugehen, begeilen sich das Parlament und die Medien lieber an Interventionsmails von H.C. Strache rund um den ORF (die unappetitlich, aber nicht strafbar sind, die es mit Sicherheit von Rot und Schwarz auch gegeben hat – nur hat sich da die WKStA halt nicht die relevanten Handys gekrallt, damit deren Inhalte an die Öffentlichkeit gespielt werden können). Ferner erregen sich Parlament und Medien über die banale Tatsache, dass an größere Unternehmen – deren Eigentümer man in alter Klassenkampfmethode "Milliardäre" nennt – bei der umfangreichen Corona-Umsatzausfall-Ersatzaktion logischerweise meist mehr Geld geflossen ist als an kleine Friseure.

Aber die Parlamentarier wundern sich, dass sie Tag für Tag mehr an Reputation verlieren ...

Wechseln wir zumindest hier zu den wirklichen und ständig neu aufbrechenden Skandalen.

Die Staatsanwaltschaft Wien – ein Verein, der eine Spur korrekter arbeitet als die WKStA – hat den früheren Mitarbeiter des staatsoffiziellen Verfassungsschutzes Egisto Ott festnehmen lassen und auch Untersuchungshaft beantragt. Das ist nur bei schwerwiegendem Verdacht der Fall. Der besteht unter anderem darin, dass der Mann ganze Handy-Inhalte von Spitzenbeamten des Innenministeriums und andere brisante Inhalte an den russischen Geheimdienst weitergeleitet hat. Dabei fällt zumindest auf, dass erst wenige Tage zuvor zwei russische Geheimdienstmitarbeiter, die wie üblich als Diplomaten getarnt agiert haben, von Österreich hinausgeworfen worden sind. Beides ist jedenfalls extrem unüblich: Sowohl der Hinauswurf von Russen wie auch das Erwischen eines österreichischen Beamten, der sein Einkommen durch das Putin-Regime aufbessern hat lassen. Da muss mehr passiert sein als das Übliche. Da müssen die Russen und ihre Helfer wirklich massiv gegen Österreich gearbeitet haben.

Noch viel ungewöhnlicher ist die Tatsache, dass der Herr Ott nicht nur mit dem Wirecard-Haupttäter Marsalek, der sich – gewiss ganz zufällig – nach Russland abgesetzt hat, engen Kontakt gehabt hat. Ott war in Chatgruppen auch noch mit einer weiteren bekannten Szene-Figur verbunden gewesen (wie die "Presse" schon vor längerer Zeit berichtet hatte): Das ist niemand anderer als der langjährige Parteichef und Fraktionskollege der jetzigen grünen Justizchefin Alma Zadic namens Peter Pilz.

Noch fassungsloser macht, dass der SPÖ-Mann Ott schon einmal – 2021 – wegen des Vorwurfs der Spionage für Russland und der Hilfe für Marsalek, nach Russland zu entkommen, festgenommen worden ist, aber dann erstaunlicherweise von der Strafjustiz wieder freigelassen worden ist.

Wirklich atemberaubend ist aber die Tatsache, welches Medium damals nach der ersten Festnahme Ott in einem Video-Interview am 17. September 2021 die Gelegenheit gegeben hat, nicht nur alles zu leugnen, sondern im Gegenzug andere Verfassungsschützer als kriminell anzuschwärzen. Das war niemand anderer als die aus früheren Steuergeldern finanzierte Plattform des Peter Pilz. Sie stellte nicht etwa kritische Fragen, sondern ergriff während des ganzen Textes die Partei von Ott und empörte sich sogar, dass seine Verhaftung eine "brutale" gewesen wäre (ohne sagen zu können, was denn so brutal gewesen sei).

Dennoch hat sich Frau Zadic nie auch nur andeutungsweise von ihrem langjährigen politischen Hauptpartner Pilz distanziert; dennoch gibt es keine Anzeichen, dass die grüne Partei auf Distanz zu dieser Ministerin geht; dennoch begreift ÖVP-Bundeskanzler Nehammer nicht, dass er zur Rettung des Ansehens seiner Regierung, aber auch seines eigenen Ansehens dringend diese Ministerin verabschieden müsste.

Dies müsste er umso mehr, als Zadic unter dringenden Verdacht geraten ist, Amtsmissbrauch begangen zu haben. Seltsame Machenschaften ihres Ministeriums, die mit Sicherheit nicht hinter dem Rücken von Zadic passiert sein können, haben diesen Ott-Sympathisanten Peter Pilz davor bewahrt, wegen mutmaßlicher falscher Zeugenaussage angeklagt zu werden. Dieser Vorwurf geht aus einem rechtskräftigen Disziplinarerkenntnis gegen den Staatsanwalt und späteren Kurz-Richter Radasztics hervor, in dem eine Aussage, die Pilz unter Wahrheitspflicht gemacht hat, ausdrücklich als "unglaubwürdig" bezeichnet wird. Pilz hatte mit dieser Aussage offensichtlich Radasztics vor der drohenden Verurteilung retten wollen.

Dieses Radasztics-Disziplinarerkenntnis aus dem Mai(!) 2023 ist – sicher ganz, ganz zufällig – erst Ende Februar 2024 im offiziellen Rechtsinformationssystem veröffentlicht worden. Diese Veröffentlichung erfolgte

  • erstens deutlich nach Beginn des Prozesses gegen Sebastian Kurz im Oktober 2023: in diesem Prozess war Radasztics direkt auf Pilz angesprochen worden – er erwähnte dennoch das schon beendete, nur öffentlich noch nicht bekannte Disziplinarverfahren mit keinem Wort;
  • zweitens genau zu jenem Zeitpunkt, als die Strafbarkeit des mutmaßlichen Delikts von Pilz – ganz, ganz zufällig – gerade ein paar Stunden verjährt war;
  • drittens nachdem sowohl Radasztics als auch der gegen ihn vorgehende Oberstaatsanwalt gleichzeitig – also zweifellos nach Absprache – auf die mögliche Berufung gegen das Erkennnis verzichtet haben. 

Zusätzlich unerträglicher Randaspekt: Einerseits ist diese höchstwahrscheinliche Absprache während des Kurz-Prozesses erfolgt. Andererseits sind jener Oberstaatsanwalt und eine der gegen Kurz vorgehenden Staatsanwältinnen verheiratet. Das lässt starke Vermutungen aufkommen, dass es zwischen den beiden Verfahren im Vorgehen Beziehungen gegeben hat.

Außer den unmittelbar beteiligten Richtern, Staatsanwälten und dem Justizministerium als Strafbehörde wusste niemand von dem Disziplinarverfahren und damit auch nicht von der mutmaßlichen Falschaussage. Sehr wohl hätten jedoch alle, die das Disziplinarerkenntnis schon vor Verjährung gekannt haben, die Möglichkeit gehabt, Anzeige zu erstatten. Sie hatten nicht nur die Möglichkeit, sondern als Beamte auch eindeutig die Pflicht dazu. An der Spitze hätte Zadic als Chefin der Justiz-Disziplinarbehörde das tun können und müssen.

Sie aber hat das ebensowenig getan wie alle anderen, die dienstlich mit dem Disziplinarverfahren zu tun hatten. Ganz im Gegenteil und damit läuft das Fass des Erträglichen endgültig über: Zadic hat zugesehen, wenn nicht gar veranlasst, dass Radasztics am Beginn des Jahres 2023 in den Richterdienst übernommen wurde – obwohl das Disziplinarverfahren gegen ihn zu diesem Zeitpunkt schon im Laufen gewesen ist. Eine Übernahme in den Richterdienst ist während eines Disziplinarverfahrens absolut unüblich. Sie ist ein Riesenskandal.

Das wäre eine solche Übernahme selbst dann, wenn Radasztics als neubestallter Richter nicht bald danach – natürlich wieder ganz zufällig – das Verfahren gegen Kurz zugeteilt bekommen hätte, wo er als Einzelrichter allein das Urteil über ihn zu fällen hatte. Er hat sich dennoch nicht für befangen erklärt.

Das ist gleich fünffach skandalös und inakzeptabel:

  1. Der Einzel(!)-Richter im prominentesten Verfahren der Republik seit Jahrzehnten gegen einen Bundeskanzler hat eine noch dazu anfangs verheimlichte Verurteilung wegen eines schweren Disziplinardelikts am Hals.
  2. Radasztics hat noch dazu einen Teil seiner Disziplinarvergehen zum schweren Nachteil eines anderen prominenten ÖVP- (und früheren FPÖ-)Spitzenmannes, nämlich des Karl-Heinz Grasser, begangen, der beinahe ÖVP-Obmann geworden wäre. Dennoch führt er den Prozess gegen einen ÖVP-Obmann und fällt das Urteil.
  3. Radasztics hat als Staatsanwalt außerdem – der weitere Grund, warum er zu einer empfindlichen Geldstrafe verurteilt worden ist und nicht nur zu der in Diszilinarverfahren häufigen Rüge – in unerlaubter Weise die politische Agitation des bekanntermaßen größten ÖVP-Hassers Österreichs, also des Peter Pilz, gegen die ÖVP unterstützt, indem er diesem rechtswidrigerweise Informationen für seine parlamentarische Agitation zugespielt hat, und er hat dann dennoch als Richter den Prozess gegen einen anderen Spitzenmann der ÖVP übernommen.
  4. Er hat dabei pikanter Weise genau das getan, was er Kurz vorwirft: Er hat in einer wichtigen Frage nicht die volle Wahrheit gesagt.
  5. Und Radasztics hat fünftens das Risiko in Kauf genommen, dass durch sein Verhalten überflüssigerweise für das Ansehen der Justiz ein schwerer Schaden zu entstehen droht, der auch zu einem großen finanziellen Schaden für die Republik führen kann – obwohl er das alles mit einer einfachen Befangenheitserklärung am Beginn des Kurz-Prozesses verhindern hätte können.

Viele dieser Punkte sind der Justizministerin rechtzeitig bekannt gewesen. Sie hat jedoch zum Schaden der Justiz nichts unternommen. Das ist überaus schlimm, selbst wenn der sich immer mehr aufdrängende Verdacht nicht stimmen sollte, dass sie es sogar aktiv unterstützt hat, dass Radasztics Richter wird und das Kurz-Verfahren übernimmt.

Das sind noch lange nicht alle Merkwürdigkeiten, die in den letzten Tagen und Stunden bekannt geworden sind. Viele andere drehen sich um die Pilnacek-Freundin Karin W., zu der der Justizsektionschef in der Nacht seines Todes alkoholisiert mit dem Auto unterwegs gewesen ist, bis ihn die Polizei erwischt hat. Pilnacek hat nach der Abnahme des Autos zuerst mit einer Wiener Rechtsanwältin telefoniert, die ihn zu beruhigen versucht hat; er ist dann von einer anderen Freundin zu W. gebracht worden und hat diese dann aber seltsamerweise – höchstwahrscheinlich hat W. ihn ob seines alkoholverursachten Missgeschicks verhöhnt oder beschimpft, statt ihn zu trösten – wieder verlassen und ist in die Donauauen gegangen, wo er dann nächtens von einer Böschung gestürzt und in seichtem Gewässer ertrunken sein dürfte (es gab nur Beinverletzungen an ihm zu finden, die auf einen Sturz etwa über einen Zweig im Gestrüpp hindeuten, aber keine Spuren einer Fremdeinwirkung).

Karin W. versuchte sich in den Folgetagen als " die" Lebensgefährtin Pilnaceks in den Vordergrund zu spielen, obwohl dieser viele Frauenbekanntschaften hatte, und obwohl er vor allem in einer aufrechten und seit vielen Jahren als Wochenendbeziehung praktizierten Ehe mit einer Grazer Richterin gelebt hat.

Während man diesen Aspekt als allzumenschlichen Zickenkrieg abtun kann, wird es wieder extrem sensibel und bekommt einen ganz verdächtigen Beigeschmack, wenn man erfährt, in welchem Medium Frau W. Gelegenheit bekommen hat, ihre Version des Pilnacek-Todes breit darzulegen. Es war natürlich die Online-Plattform des Peter Pilz, die dieser mit Geldern – Steuergeldern – seiner einstigen kurzlebigen Parlamentsfraktion gegründet hat. Das ist genau jene Fraktion, in der er gemeinsam mit der nunmehrigen Justizministerin gesessen ist und der in Finanznöten jetzt ausgerechnet ein Neos-Abgeordneter beigesprungen ist.

Pilz und W. versuchen in ihren Formulierungen, von der eigenen Rolle abzulenken und den Ereignissen nach dem Tod Pilnaceks einen neuen politkriminellen Touch zu geben. Die zum Todesfall gerufene Polizei hatte bei ihr über Pilnacek recherchiert und nach seinen Schlüsseln, Geldbörse, Handy und Computer gefragt. Der Computer ist im Gegensatz zu den anderen Dingen jedoch nicht ausgehändigt worden. Pilz und W. versuchen nun das Verhalten der Polizei zu kriminalisieren, weil diese für ihr Verlangen nach Schlüssel & Co keinen staatsanwaltlichen Auftrag gehabt hat (sie deuten in einer abenteuerlichen Verschwörungstheorie sogar an, dass da sicher die ÖVP nachts den Auftrag zur Schlüsselsuche gegeben hätte, die ja in der engen Denkwelt des Peter Pilz neben der FPÖ an allem Bösen in Österreich schuld ist).

Dabei ist rechtlich ganz eindeutig, dass die Polizei keineswegs für solche konkreten Maßnahmen nach einem Todesfall einen Auftrag der Staatsanwaltschaft braucht. Dann schon gar nicht, wenn nichts auf ein strafbares Delikt hindeutet (unsensible Reaktionen einer Freundin auf einen Mann, der einen Fehler begangen hat, sind ja noch kein Strafdelikt). Diese lächerliche Annahme von Pilz hat dennoch sofort die Oppositionsparteien und den Vertrauten von Zadic, den von ihr mit der Post-mortem-Untersuchung gegen Pilnacek beauftragten Martin Kreutner auf den Plan gerufen, die alle die kühne Verschwörungstheorie von Pilz übernehmen. Was bei dieser Gruppe freilich wenig überraschend ist.

In Wahrheit aber wurden Schlüssel, Börse und Handy völlig zu Recht an die Kinder Pilnaceks ausgehändigt, die sie dann der Witwe weitergaben (die ja an den Wochenenden die Wohnung auch gemeinsam mit Pilnacek benutzt hat). Frau W. hatte hingegen keinerlei rechtliche Beziehung zu Pilnacek, auch wenn er mit ihr ein Verhältnis hatte.

Der verschwundene Computer Pilnaceks, ein angeblich ebenfalls vorhanden gewesener Daten-Stick und/oder die Zugangsdaten zu diesen sind nun das besondere Objekt der Begierde von Pilz & Co. Sie wollen unbedingt, dass der Laptop bei der WKStA landet, obwohl diese gar kein Recht darauf hat und obwohl sie nicht zuständig ist für jemanden, der durch einen Sturz umgekommen ist (dass die niederösterreichischen Staatsanwälte wahrscheinlich auf Weisung aus dem Justizministerium später ein Verfahren wegen "fahrlässiger Tötung" durch unbekannte Täter aufgenommen haben, um sich doch noch in den Fall einmischen zu können, gehört zu den weiteren unglaublichen Aspekten dieses Falles). Aber ein Unfall eindeutig ohne Fremdeinwirkung ist rechtlich mit Sicherheit kein Fall für den Staatsanwalt und schon gar nicht für die Korruptionsstaatsanwaltschaft. Daher gehören auch alle Besitztümer des zu Tode Gekommenen nur den Erben.

Eine Weitergabe des Computers an die WKStA hätte für Pilz & Co allerdings einen riesigen Vorteil: Von dort sind noch so gut wie alle Akteninhalte auf geheimnisvollem Weg nach außen gedrungen. Und irgendein Aspektchen wird sich schon finden, an das man neue Verschwörungstheorien knüpfen kann.

Der verdächtigen Merkwürdigkeiten ist noch immer nicht genug: Frau W. lässt sich von einem Anwalt vertreten, der – natürlich ganz zufällig – auch Pilz vertreten hat. Und auch dieser Rechtsanwalt hat – ganz zufällig – früher als Staatsanwalt gearbeitet. Und er ist – natürlich ebenfalls ganz zufällig – als solcher ausgerechnet in der Wirtschaftsgruppe der Wiener Staatsanwaltschaft tätig gewesen, in der – zufällig – auch ein gewisser Radasztics gearbeitet hatte. Die beiden sollen sich, so heißt es in Justizkreisen, auch privat sehr gut verstehen. Und der Rechtsanwalt von Pilz & Co war – zufällig – auch einer jener drei Staatsanwälte, die Pilnacek einst bei einer Dienstbesprechung heimlich und rechtswidrig aufgenommen haben. Ein zweiter damals Anwesender hat – zufällig – auf den Namen Radasztics gehört (und der dritte hat diesen im Disziplinarverfahren vertreten) …

Manche misstrauischen Menschen in diesem Land wollen nicht an so viele Zufälle glauben, sondern sehen das übelste Netzwerk, das es je in der österreichischen Strafjustiz gegeben hat. Ein Netzwerk, von dem nicht nur ein Faden zur – noch – amtierenden Justizministerin geht.

Ausdrücklich sei betont, dass für alle hier Genannten die Unschuldsvermutung gilt.

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