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Was die Kirche in der Diaspora tun müsste

Die Christen feiern ihr höchstes Fest, bei dem Tod und Auferstehung, Trauer und Freude fast unmittelbar ineinander übergehen. Noch nicht geschafft haben Europas Christen hingegen die Herausforderung der grundlegendsten Änderung ihrer Existenz in den letzten 1700 Jahren. Das ist der Übergang zu einer Diaspora-Religion, in der sie fast nirgendwo mehr die allein relevante geistige Kraft eines Landes sind. Die Christen hatten ja in Europa seit der Endphase des römischen Imperiums und in Amerika seit rund 500 Jahren fast alles geprägt. Das ist in den letzten Generationen anders geworden. Aus den christlichen Wurzeln wuchert vieles, was sich nicht mehr als christlich empfindet.

Die Geschichte dieser zwei Kontinente ist im Guten wie im Bösen vor allem eine christliche Geschichte. Vom benediktinischen "Ora et labora" bis zu allen möglichen wissenschaftlichen Fortschritten an den anfangs fast durchwegs christlich geführten Universitäten war alles wichtige Voraussetzung, dass Europa und dann Amerika die erfolgreichsten Kontinente der Weltgeschichte geworden sind, die  den Menschen ein längeres und gesünderes, ja auch glücklicheres und freieres Leben in Wohlstand ermöglicht haben, als die Mehrheit der Menschheit es je kannte. Man kann mit Fug und Recht sogar sagen, dass selbst Bewegungen, die sich keineswegs als christlich definieren, ohne den Humus des Christentums nicht denkbar gewesen wären. Das reicht vom Liberalismus über die Aufklärung bis zum Sozialismus. Sie sind keineswegs zufällig alle nur in christlich geprägten Kulturen entstanden.

Christen waren aber zweifellos auch für zahllose schlimme Kriege, Konflikte und Greuel verantwortlich. Dennoch war das Christentum in Summe, wenn man Plus und Minus nebeneinanderstellt, der wichtigste Motor für die Fortschritte der Menschheit, für das Besserwerden der Welt.

Jedoch: In den letzten Jahrzehnten ist dieses Christentum, insbesondere das katholische und protestantische, an den Rand gedrängt worden. Und das orthodoxe hat die Marginalisierung nur deshalb vermeiden können, weil es sich zum Instrument der jeweiligen nationalen Identität osteuropäischer Völker gemacht hat. Unter den Ursachen dieser Marginalisierung war sicher der historisch ungeahnte Wohlstand ein wichtiger Faktor. Das, worum so viele Christen gerungen haben, hat sie letztlich scheinbar überflüssig gemacht, sobald es da war. Not – also die so lange dominierende Conditio humana – lehrt Beten; ihr Gegenteil lässt es verlernen.

Weder hat allzu krampfhaftes Anpassen, das eine Zeitlang gepriesene Aggiornamento, den Prozess der Marginalisierung verhindern können. Noch gelang das dem krampfhaften Klammern an allem, was einmal Tradition gewesen ist.

Was das Christentum in Wahrheit braucht, wäre, dass sich die Christen dem Kampf mit den neuen Herausforderungen stellen müssen, dass sie die Tatsache erkennen müssen, dass nichts mehr selbstverständlich ist. Es gibt – etwa in Österreich – keinen Kaiser mehr, der dafür sorgt, dass das Christentum geschützt wird und relevant bleibt. Das müssen sie selber tun. Sonst tut es niemand für sie. Die Christen müssen Stärke aus sich selbst heraus finden.

Dazu vier ganz unterschiedliche Überlegungen grundsätzlicher, wie sehr pragmatischer Art, deren Realisierung aber jeweils Mut erfordern würde:

  1. Die Christen müssen begreifen, dass sie sich in der Zange eines unheilvollen Zweifrontenangriffes befinden, in der für sie – und in Wahrheit die ganze Welt – von keiner Seite her Gutes zu erwarten ist. Es macht keinen Sinn, sich mit einer Seite dieser Zange zu verbinden.

Die eine Seite ist ein kämpferischer Islam, der schon in seinen ersten Schriften sich aggressiv gegen Christen und Juden wendet, der mit Gewalt und Zwang die noch nicht unterjochten Völker zuerst unterwandern und dann beherrschen will, um ihre Freiheit zu zerstören, die in Wahrheit das wichtigste Produkt der 2000 Jahre Christentum ist.

Die andere Seite ist der Angriff einer woken Ideologie, die voller Trans- und Schwulen-Schwurbelei das Christentum auf die Anklagebank setzen und die Familie als wichtigsten Kern zerstören will – und die glaubt, eine Gesellschaft des Genusses ohne Kinder, ohne funktionierende Familie könne überleben.

  1. Sie müssen aber ebenso begreifen, dass sie auch ihr eigenes Verhalten den für die Kirche vielfach neuen Diaspora-Verhältnissen anpassen müssen.

Da es Faktum ist, dass sich der Anteil etwa der Katholiken halbiert, und jener der Kirchgänger geviertelt hat, macht es beispielsweise keinen Sinn, mit vollem Krampf alle Kirchen und Pfarren aus einer vergangenen Zeit in Betrieb halten zu wollen und beispielsweise Priester mit dem Auto herumrasen zu lassen, um in Serie Sonntagsmessen vor halbleeren Bänken zu halten.

Warum nicht jedes zweite Kirchengebäude schließen (und dem Staat die Gebäude zur Stadtbildpflege überlassen oder anderen christlichen Gemeinschaften, die durch Migration gewachsen sind, wie den südosteuropäischen Orthodoxen) und dafür in den verbleibenden Gemeinden wieder die kritische Masse für ein echtes Gemeinschaftsleben entstehen lassen? Denn Christentum heißt ja vor allem anderen Gemeinschaft (übrigens könnten auch Fahrgemeinschaften zur Anreise zu einer etwas entfernteren Kirche eine neue Gemeinschaft entstehen lassen).

  1. Gemeinschaft sollte aber auch bedeuten, die Konflikte oft um Kleinigkeiten an den Rand zu drängen, welche freilich die ganze Geschichte des Christentums durchziehen. Zu diesen skurrilen Konflikten gehört etwa der nun schon Jahrzehnte seit dem Konzil tobende erbitterte Streit mancher Gruppen, welche Messform denn nun die richtige sei, ob der Priester nun dahin oder dorthin zu schauen hat.
  2. Ganz dringend sollten sich die Christen ganz besonders auch dort zu sich selbst bekennen, wo sie unglaublich Wertvolles machen. Es ist schlicht absurd, dass Pfarrkindergärten, katholische Volksschulen und Gymnasien oft nur noch historisch und rechtlich irgendwie mit Kirche zu tun haben, aber sehr oft nicht mehr in ihrer eigentlichen Tätigkeit.
  • Da gibt es – als positives Beispiel – in der einen Pfarre einen Kindergarten, der plötzlich wieder mit ein paar extra einstudierten Liedern zur Palmsonntagsprozession ausrückt und damit sofort für eine eindrucksvoll volle Kirche sorgt.
  • Da gibt es die andere Ordenspfarre, wo der Orden auch eine sehr beliebte Volksschule betreibt – wo aber im Gegensatz zu früher Lehrer und Kinder nicht einmal zu Fronleichnam mehr etwas mit der Pfarre zu tun haben wollen.
  • Und da gibt es das katholische Ordensgymnasium, wo sogar der Schulabschluss-Gottesdienst keine Messe mehr ist, sondern eine mehr als seltsame Veranstaltung, wo in der Schulkapelle ein Priester und die islamische Religionslehrerin im Kopftuch irgendetwas Undefinierbares tun (der eine liest etwas aus der Bibel, die andere aus dem Koran), was nicht einmal im Entferntesten daran erinnert, dass das eigentlich eine katholische Schule ist und sonst nichts.

5. Gerade das katholische Christentum sollte bei aller Großartigkeit seiner globalen Internationalität auch besser begreifen, dass der Zugang zu den Menschen auch immer den emotionalen Zugang über Heimatliebe und Patriotismus erfordert. So wie gerade die Kirche am weitaus besten die Bedeutung der Familie erkannt hat, sollte sie auch die Bedeutung der Heimat für jeden einzelnen erkennen. Es heißt ja im Deutschen keineswegs zufällig Vaterland und Muttersprache, was die zentralen Funktionen einer Familie auch für das Heimatland anspricht.  

Warum bitte kann man von Kindern, die in eine katholische Schule, einen katholischen Kindergarten gehen – und das wollen sehr viele, aus welchen Gründen immer, – nicht auch etwas verlangen, was mit der katholischen Kirche ganz massiv zu tun hat, was den Jugendlichen etwas gibt, was sie für ihr Leben prägt? Warum degradiert man sich selber zu einer Schule für die Wohlhabenden, statt eine Schule ganz bewusst für Christen sein zu wollen? Warum gibt man seine eigene Identität in einem wirren Strudel von Relativismus – ist eh alles gleich – und selbstzerstörerischem Toleranzgerede auch dort auf, wo sie durchaus noch in relevantem Umfang vorhanden ist?

Islamische oder jüdische Schulen tun das ja auch nicht. Ganz im Gegenteil.

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