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Familien: Die Stiefkinder der Nation

Das ist die nächste Selbstbeschädigung der Volkspartei: Arbeitsminister Kocher schlägt Einschränkungen der Sozialleistungen bei Teilzeitarbeit vor. Er agiert wie der Elefant im Porzellanladen und zertrümmert das Profil der ÖVP als wertkonservative Familienpartei. Zwar hat Bundeskanzler Nehammer nachträglich zu bremsen versucht, aber seinen Minister doch nicht ganz desavouieren wollen. Zwar hat Kocher in einem bestimmten Bereich völlig Recht, aber eben nur dort und in einem anderen Bereich völlig Unrecht. Dieser Unterschied ist ihm aber wahrscheinlich gar nicht bewusst – was er aber auch seinen roten und blauen Kritikern absolut nicht ist. Vor allem begreift er nicht, dass eine große Mitte-Rechts-Partei nur dann überleben kann, wenn sie es versteht, die wirtschaftsliberalen Notwendigkeiten mit unverrückbaren Werten in gute Übereinstimmung zu bringen, zu denen Begriffe wie Familie, wie Heimat, wie Pflicht- und Leistungsbewusstsein und wie das christliche Erbe zählen.

Nur wenn diese Zusammenführung gelingt, sind Parteien wie die ÖVP erfolgreich. Wie sie es oft in ihrer Geschichte gewesen ist, zuletzt unter Schüssel und Kurz. Wenn sich aber das wirtschaftsliberale Denken (das von Linken und Populisten gerne als neoliberal denunziert wird, das aber in Wahrheit als einziges Wohlstand schaffen kann) nicht mit dem der wertkonservativen Wähler verbindet, dann gerät es in eine hoffnungslose Minderheit. Wie etwa die Neos zeigen, wo man in allen gesellschaftspolitischen Fragen radikal links steht, und wo man dieser Haltung nur ein paar wirtschaftsliberale Fußnoten hinzugefügt hat.

Das Motiv für Kochers Vorstoß ist klar: Österreich leidet unter einem wachsenden und schon dramatisch gewordenen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Deshalb richtet sich zunehmend der gierige Blick der Arbeitgeber auf die Frauen, die ja seit längerem die Männer schon an guten Qualifikationen übertreffen (wenn auch mehr in unbrauchbaren Orchideenfächern wie Publizistik und weniger bei den gesuchten MINT-Studien), die jedoch zu einem deutlich geringeren Anteil im formalen Arbeitsprozess tätig sind.

Das ist aus drei Gründen so:

  1. Ein großer Teil der nur Teilzeit oder gar nicht arbeitenden Frauen widmet sich der Kindererziehung oder auch der Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger, die sonst etwa in Altersheimen landen würden.
  2. Es gibt gar nicht so wenige Luxusfrauen, die auch ohne Aufgaben in diesem Bereich (die entweder keine Kinder haben oder deren Kinder schon über 14 Jahre alt sind) nicht oder deutlich weniger arbeiten, etwa weil der Ehemann sagt: "Ich verdiene so gut, da brauchst du nicht oder nicht so viel zu arbeiten."
  3. Frauen gehen deutlich früher in Pension als Männer.

Kocher hätte total Recht, würde er sich mit voller Intensität den Punkten 2 und 3 widmen. Da würde keinerlei Wert-Argument dagegensprechen. Da müsste man nur gegen nackten Populismus kämpfen. Diesen fürchtet die ÖVP freilich besonders, wenn er in Form des linken Kampffeminismus auftritt. Daher hat sie einst nachgegeben und dem SPÖ-Verlangen nach einem verfassungsrechtlichen Ausnahmegesetz zugestimmt, das weiterhin und noch auf viele Jahre ein deutlich niedrigeres Frauenpensionsalter vorsieht, obwohl dieses eigentlich verfassungswidrig ist.

Die dringend notwendige Differenzierung zwischen 1 und 2, also zwischen den Betreuungspflichten nachgehenden Müttern einerseits und den Luxusfrauen andererseits, scheint bei der Politik noch überhaupt nicht angekommen zu sein. Dabei wäre sie nicht nur bei den von Kocher angesprochenen Sozialleistungen, sondern insbesondere auch beim Pensionssystem angebracht, nämlich bei den Witwenpensionen. Denn die einzige gesellschaftlich akzeptable Berechtigung, jemandem eine durch keinen einzigen Euro Beitragsleistung gedeckte Witwenpension zu zahlen, liegt darin, dass der Betreffende Jahre seines Lebens der Kindererziehung gewidmet hat. Die bloße Tatsache, nur verheiratet gewesen zu sein, kann es hingegen niemals rechtfertigen, von anderen Mitbürgern die Bezahlung einer lebenslangen Pension zu erzwingen. Statt dass Politiker oder Höchstrichter aus dieser zwingenden Logik längst die notwendigen Folgen gezogen hätten, haben sie in ihrer unerträglichen Feigheit und wirtschaftlichen Kurzsichtigkeit das Witwenpensions-System zuletzt auch noch auf homosexuelle Paare ausgedehnt.

Statt wenigstens im Bereich Witwenpension eine Unterscheidung zwischen jenen Frauen zu treffen, die gesellschaftlich wertvolle Erziehungs- und Betreuungsarbeit leisten, und jenen, deren Wenig- oder nicht-Arbeit mit Null Nutzen für die Allgemeinheit verbunden ist, werfen Kocher und Wirtschaftslobbyisten sie neuerlich in einen Topf.

Die Tatsache, dass die linke Feministinnenlobby in SPÖ und Gewerkschaft dasselbe Delikt einer undifferenzierten Gleichbehandlung aller Frauen begeht – nur gleichsam mit umgekehrten Vorzeichen –, ist alles andere als ein Milderungsgrund. Die Feministinnen wollen Dinge, die nur für Mütter (und in sehr genau kontrollierten Fällen für Altenpflegerinnen) begründbar sind, pauschal auch für alle anderen lukrieren, wo kein Anspruch begründbar ist. Also insbesondere auch für Politikerinnen und Funktionärinnen selber, die ja im Schnitt viel seltener Kinder haben.

Der infame Trick der Gleichsetzung aller Frauen wird durch die Zahlen entlarvt. Selbst der – Kocher heftig kritisierende – Katholische Familienverband muss zugeben, dass nur 43 Prozent aller Teilzeitbeschäftigten mit Kindern unter 14 Jahren in einem Haushalt leben! Nach anderen Angaben haben 20 Prozent der Teilzeitbeschäftigten überhaupt nie Kinder gehabt.

Das Gejeiere, dass die Frauen ja gerne arbeiten würden, aber leider, leider keine Vollzeitstellen finden, ist immer schon glatte Lüge von Politfunktionärinnen gewesen. Die in Zeiten des Arbeitskräftemangels als doppelt absurd gelten muss.

Ebenso unwahr ist die auch von der Wirtschaft gerne ausgestreute Behauptung, es gäbe zuwenig Kindergartenplätze. Der Hauptgrund, warum Frauen – und bisweilen auch Väter – bei den Kindern bleiben, ist ganz eindeutig die bewusste Hinwendung zur wichtigsten (und schönsten) Passage in ihrem Leben und dem ihrer Kinder. Sie wissen, was auch viele Studien bestätigen, dass es für Kinder besser ist, wenn Eltern deutlich mehr Zeit für sie aufwenden, wenn der Kontakt mehr ist als ein gehetztes In-den-Kindergarten-Bringen und gehetztes Aus-dem-Kindergarten-Abholen, wie es an den meisten Tagen im Leben von zwei Vollerwerbseltern der Fall ist.

Was der angebliche Ökonom Kocher und die Wirtschaftslobbyisten überhaupt übersehen und was den Linken natürlich wurscht ist: Bei diesem Thema geht es nicht nur um die Familie als gesellschaftsbildenden Zentralwert (was ohnedies gar nicht hoch genug einzuschätzen ist). Sondern auch volkswirtschaftlich ist es ein Wahnsinn, Frauen die Mutterrolle noch zusätzlich zu erschweren, wie es die Wirtschafts- und Kocher-Ideen tun.

Denn ganz eindeutig ist das qualitätsvolle, also viel Zeit konsumierende Aufziehen von Kindern die allerbeste Investition in die wirtschaftliche Zukunft. Zugegeben: nur in die mittel- und langfristige Zukunft, nicht in eine, deren Horizont in Quartalsergebnissen besteht. Denn längst ist das Fehlen von qualitätsvoll aufgezogenen Jugendlichen das weitaus größte Ressourcenproblem unserer Wirtschaft geworden – und wird es immer mehr, wenn wir nicht imstande sind, wieder mehr Paare für die Elternrolle zu begeistern.

Er ist fast unbegreiflich, wie gerade jene Kräfte, die sonst immer zu Recht die Bedeutung von Investitionen betonen, dies gerade bei der entscheidenden Ressource ignorieren (ich wähle hier ganz bewusst die Sprache der Ökonomie, um den Punkt klarer zu machen).

Was in Wahrheit not täte, wären intensive Studien und Bemühungen, wie man diese Elternrolle wieder modischer machen könnte. Sie würden (unter anderen) wohl zu folgenden Maßnahmen führen:

  • wenigstens die Hälfte der derzeitigen Stimmungsmache, die uns um viel Steuergeld Angst vor dem angeblichen "Verbruzzeln" des Planeten machen soll, müsste stattdessen der Stimmungsmache für die Familie dienen, der Verbreitung des Wissens, dass Kinder letztlich viel mehr Freude und Lebenssinn bringen als Belastung und Stress – das wäre für unsere Zukunft weit wichtiger und notwendiger;
  • automatisches Pensionssplitting (damit Frauen nicht wegen zu geringer Pension als Folge der Kindererziehungszeiten das Alter fürchten müssen, wovor ihnen derzeit ständig Angst gemacht wird);
  • Eltern, die ihre Kinder bis zum vierten oder fünften Lebensjahr selbst betreuen, sollten dem Staat ebenso viel wert sein wie jene Eltern, die schon in den allerersten Lebensjahren Kinder in Horte und Ähnliches abschieben;
  • bessere Anrechnung von Kindererziehungszeiten auf die Pension (da hat die schwarz-blaue Regierung Schüssel immerhin erste wichtige Signale gegeben);
  • jedenfalls wieder zurückzunehmen sind die familienfeindlichen Elemente der Kreiskyschen Steuerreformen (die ziemlich genau mit dem Geburtenrückgang zusammengefallen sind …);
  • Wir sollten uns auch sehr genau anschauen, welche der vielen familienfreundlichen Maßnahmen, die Ungarn in den letzten Jahren eingeführt hat, sich als zielführend erweist und daher übernommen werden sollte (statt dass die Klimahysterie jetzt dazu führt, dass auch noch die familienfreundlichen Mini-Vans verboten werden).

Spätestens jetzt werden natürlich manche sagen: Aber was soll kurzfristig helfen? Woher sollen wir heute die vielen fehlenden Arbeitskräfte bekommen? Da ist die Antwort in einem Satz komprimierbar:

Das Pensionsantrittsalter deutlich hinauf und die Steuerbelastung deutlich hinunter. Oder konkreter:

  • Geringere Steuern hätten etwa den Vorteil, dass qualifizierte Arbeitskräfte eher nach Österreich zuziehen, die nachweislich oft durch die hohen Steuersätze abgeschreckt werden (und nicht nur solche, die den hiesigen Sozialstaat ausnutzen wollen beziehungsweise vor der heimischen Polizei oder dem Militärdienst fliehen).
  • Geringere Steuern würde die Abwanderung der Bestqualifizierten reduzieren.
  • Geringere Steuern würden auch viele Menschen – die keine Betreuungsaufgaben zu erledigen haben – motivieren, mehr zu arbeiten.
  • Noch viel wirksamer wäre ein Hinaufsetzen des Pensionsantrittsalters oder dessen automatische Anpassung an die Lebenserwartung.
  • Am besten wäre – sowohl für die Anhebung der Arbeitslust wie auch die Finanzierbarkeit des Pensionssystems – die volle Übernahme des Pensionskonto-Modells: Da könnte sich jeder selbst aussuchen, wann er in Pension geht. Die Höhe der Pension würde sich rein versicherungsmathematisch aus den eingezahlten Beiträgen ergeben und müsste ohne Zuschuss aus Steuermitteln auskommen. Aus dem Steuertopf sollten dann lediglich die Beitragsjahre für Mütter substituiert werden und Behinderte oder früh Erkrankte eine ausreichende Mindestpension erhalten.

Vieles, sehr vieles wäre sinnvoll und denkbar, bevor man auf die Schwächsten und zugleich wertvollsten Mitglieder der Gesellschaft losgeht, also Kinder und Mütter.

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