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Ein Ausschuss wird zur Ausschussware

Noch nie hat ein parlamentarischer Ausschuss die repräsentative Demokratie so diskreditiert wie der jetzt in die Sommerpause gehende. Seine Tätigkeit bestand von Anfang an nur im Aufstellen wilder Verschwörungstheorien und gegenseitigem Anpatzen auf Beislniveau. Die Abgeordneten missbrauchen ihre Macht (die sie sich selbst gegeben haben) und versuchen ständig, in die unabhängige Justiz einzugreifen. Sie behandeln Zeugen übler, als der rüdeste Richter es tut. Dabei wären die ständig ausposaunten Themen "Gesetzeskauf!" und "Postenschacher!" eigentlich enorm wichtig. Nur müsste man die seriös wie gesamthaft und nicht anekdotisch oder gar polemisch untersuchen. Denn in diesen Themen verstecken sich tatsächlich zentrale Konstruktionsfehler der Zweiten Republik. Aber zu einer solch seriösen Arbeit ist dieser Ausschuss gar nicht imstande.

Zum Glück gibt es in Österreich noch gute Gerichte, sodass sich der Schaden durch diese Parlamentarier, aber leider auch durch Teile der auf ähnliches Niveau abgesunkenen Staatsanwaltschaft in Grenzen hält. Parlament und die sogenannte Korruptionsstaatsanwaltschaft können keine Glaubwürdigkeit mehr beanspruchen, solange sie nicht dem weitaus größten Korruptionsskandal in diesem Lande nachgehen. Das ist, wie unzählige Male nachgewiesen, die breitangelegte Medienbestechung durch freihändig an willfährige Medien vergebene (und inhaltlich völlig überflüssige) Inserate beziehungsweise "Kooperationen" aus Steuermitteln.

Die Korruptionsstaatsanwaltschaft jedoch ist unfähig und ideologisch einseitig. Sie verzettelt sich in lächerlichen Verfahren gegen kleine Beamte wegen absoluter Nicht-Delikte. Und die Parlamentarier selbst greifen das Thema Medienbestechung noch viel weniger an, weil ja Minister, Landes- und Stadträte fast aller Parteien dabei Täter sind. Nicht einmal die Neos schneiden das Thema an, obwohl sie als jüngste Partei relativ am wenigsten Gelegenheit zur Vergabe von Bestechungsinseraten hatten. Aber auch sie fürchten so wie die anderen die Rache der Medien, sollten sie es wagen, diesen übelriechenden Geldfluss zu stoppen.

Die Abgeordneten des Ausschusses fallen statt dessen fast nur durch hasserfüllte Wadlbeißerei und schlechtes Benehmens auf (wie Oasch-Sager, wie schlechte Behandlung von Zeugen, wie Wurstsemmelessen während des U-Ausschusses, wie ständiges Aufstellen unbewiesener Verschwörungstheorien, wie Hinausspielen vertraulicher Unterlagen).

Scheinbar im Zentrum stehen die Themen "Gesetzeskauf" und "Postenschacher". Dabei wird jedoch völlig ignoriert, dass sowohl Gesetzkauf wie Postenschacher von Anfang an zentrale Elemente der Realverfassung der Zweiten Republik gewesen sind. Sie wurden nur anders genannt. Aber an sich wären beide Themen sogar dringend wert, dass man sie untersucht – aber eben gesamthaft, seriös und ehrlich.

Der Postenschacher

"Postenschacher" hieß mehr als ein halbes Jahrhundert lang "Proporz". Dieser war jedem Österreicher als Eckstein im Gefüge dieser Republik bekannt, insbesondere unter den meistens amtierenden Koalitionsregierungen von Rot und Schwarz. Damals war jedem klar: Diesen Posten darf nur ein Roter und jenen nur ein Schwarzer bekommen. Bei jeder Regierungsbildung gab es (mehr oder meist weniger) geheime Beipackzettel mit schwarz-roten Postenzuordnungen.

Schon unmittelbar nach Kriegsende gab es beispielweise den Proporz in den Staatsmedien: Im "Neuen Österreich" durften anfangs auch noch die Kommunisten als Dritte neben Schwarz und Rot mitmischen. Bei der Wiener Zeitung war die Chefredaktion lange für die SPÖ reserviert, und die Geschäftsführung für die ÖVP. Und beim Rundfunk war klar: Radio ist Schwarz, Fernsehen ab seiner Entstehung ist Rot.

Das starre Schwarz-Rot hat sich dann in den Medien zeitweise gelockert. Ursachen der Lockerung waren das Rundfunkvolksbegehren, die ORF-Führung in der Ära Gerd Bacher und die zeitweise Regierungsbeteiligung von FPÖ beziehungsweise BZÖ. Die Rückkehr der SPÖ in die Regierung hat aber wieder zu beinhartem Parteizugriff geführt.

Daher ist es ziemlich erstaunlich, dass es jetzt insbesondere der SPÖ gelungen ist, "Postenschacher" bei Schwarz-Blau groß zu dramatisieren. Dieser bestand darin, dass nach 2017 auf einigen roten Posten – etwa in den Casinos oder in der Nationalbank – Blaue gelandet sind. Diese Besetzungen werden durch SPÖ, ORF, Falter und WKStA nun schon monatelang zum zentralen Verbrechen der Republik hochstilisiert, während die genauso rein parteipolitisch motivierten roten Besetzungen in den Jahrzehnten davor völlig außerhalb des Scheinwerferlichts bleiben. Das ist ziemlich verlogen, aber machttaktisch ein genialer Erfolg der Linken.

Egal. Denn dieser Aspekt ist ja letztlich nur ein Problem von Schwarz wie Blau, die sich halt beide im Parlament derzeit taktisch als erstaunlich unfähig erweisen.

Für uns Bürger sollte eine ganz andere Frage im Vordergrund stehen: Kann der Staat überhaupt ohne (partei-)politische Postenbesetzungen funktionieren? Diese Frage ist interessanterweise mit einem klaren Nein, wie auch mit einem ebenso klaren Ja, wie aber auch mit einem Hinweis auf jene (wenigen) Sektoren zu beantworten, wo sich ein dritter Weg als möglich erwiesen hat:

  • Nein: Denn Postenbesetzungen sind überall dort automatisch parteipolitisch gefärbt, wo Jobs direkt mit der Regierung zusammenhängen, wie etwa die von Botschaftern oder Verwaltungsbeamten. Dort, wo es um den Zusammenhalt einer Regierung geht, wo Minister Weisungsbefugnis haben, wo sie die politische Verantwortung tragen, wenn etwas schief geht, wird es immer – wie in jedem Land – zu parteipolitischen Postenbesetzungen kommen. Wenn jemand für etwas verantwortlich ist, soll er sich die dort tätigen Leute auch selbst aussuchen können. Und das bedeutet immer politische Nähe. Ich habe zu oft gesehen, wie mühsam und teuer es für die Republik wird, wenn Minister an Beamten vorbei Strukturen aufbauen müssen, da sie den Beamten nicht trauen können (oder wollen).
  • Ja: Völlig überflüssig, unnötig, vermeidbar und schädlich sind politische Postenbesetzungen in all jenen Bereichen, wo eine Ausgliederung möglich ist. Daher sollten Ausgliederungen auch wirklich erfolgen: einerseits eben genau zur Vermeidung von Postenschacher, andererseits zur Erhöhung der Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit. Der Staat hat absolut nicht die Aufgabe, Eigentümer eines Casino-Betreibers oder eines Telekom-Anbieters oder der hunderten Betriebe der Gemeinde Wien wie etwa einer Veranstaltungshalle zu sein. Dort führt Staatseigentum und der damit untrennbar verbundene politische Einfluss (auch) auf Postenbesetzungen praktisch immer zu suboptimalen Postenbesetzungen und Unternehmensführungen. Das ist doppelt schlecht, weil der Staat gleichzeitig auch Aufseher, Gesetzgeber und Kontrollor über alle Glücksspiel-, Telekom-, Medien- und Veranstaltungshallen-Betreiber ist. Also über die staatlichen ebenso wie über die privaten Konkurrenten der Staatsbetriebe. Das führt immer zum Verdacht von Ungerechtigkeiten.
  • Ja: Bei den Richtern ist es – weitgehend – gelungen, in einer staatlichen Institution von Parteipolitik freie Besetzungen durch die Richter selber zu ermöglichen. Das funktioniert gut, weil die Richter sich nur an den Gesetzen (plus Vorjudikatur), aber nicht an den Vorgaben eines Politikers zu orientieren haben. Außerdem haben die Richter mit ihrem nach wie vor eindrucksvollen Ethos selber höchstes Interesse am eigenen Image und an der Qualität der eigenen Kollegen (da muss man es ihnen – fast – nachsehen, dass etliche ihre Unabhängigkeit als Lizenz zur Halbtagsarbeit missverstehen). Ähnliches sollte auch in Schulen und Universitäten möglich sein, wo etwa Schuldirektoren nur von den Lehrern und Eltern gewählt werden sollten. In diesen Bereichen sollte der Staat nur klare Rahmenbedingungen setzen – etwa den Unis nur so viel Geld geben, wie deren Absolventen nachweislich in der Berufswelt erfolgreich reüssieren können.

Politiker und Medien, die das Thema Postenschacher beziehungsweise Proporz nicht von einer solchen abgehobenen Gesamtsicht aus zu beurteilen versuchen, meinen es hingegen nicht ernst, sondern sind nur Agitatoren.

Der "Gesetzeskauf"

Ein ähnlicher Perspektivenwechsel von der parteipolitischen Hickhack-Warte auf eine höhere Ebene ist auch beim Bereich "Gesetzeskauf" angebracht. Sollte irgendwo das nachgewiesen werden, was Rot und Pink behaupten, dann wäre das eindeutig strafbar: Das wäre eine Vereinbarung, wo ein bestimmtes Gesetz nur deshalb zustandekommt, weil vorher oder nachher dafür Geld geflossen ist. Bisher haben sich solche Deals aber nur in den Verschwörungstheorien roter und pinker Abgeordneter vor den Sitzungen und in den Faktenfälschungen durch ORF-Redakteure stattgefunden, nie jedoch in konkreten Zeugenaussagen oder Beweisstücken.

Wenn es jedoch etwas Strafbares aufzudecken gibt, dann wird das mit Sicherheit nur durch Polizei und Gerichte erfolgen, aber niemals durch amateurhafte Abgeordnete voll Schaum vor dem Mund, die irrtümlich glauben, Sheriff und parteipolitische Hetzer zu sein, statt souveräner Gesetzgeber, wie es die Verfassung eigentlich vorsieht (Dementsprechend ist auch einst der ehemalige EU-Abgeordnete Ernst Strasser durch die Justiz und nicht durch einen Parlamentsausschuss der Korruption überführt worden).

Vor allem aber sollte sich eine ernsthafte Analyse noch einer anderen Tatsache bewusst werden: Im Grund sind fast alle Parteien Strukturen des organisierten Gesetzeskaufes.

Siehe etwa die ÖVP: Bauern sind zahlende Mitglieder beim Bauernbund, damit die ÖVP bauernfreundliche Gesetze macht. Gleiches gilt für die Unternehmer und den Wirtschaftsbund. Oder die Beamten und den ÖAAB. Das sind nichts anderes als Gesetzeskauf-, oder freundlicher formuliert, Gesetzesbeeinflussungs-Strukturen. Diese problematische Seite wird dadurch gemildert, dass sich diese Gesetzeskauf-Strukturen oft gegenseitig neutralisieren: Das sieht man seit Jahrzehnten immer wieder ganz besonders dann, wenn die Unternehmer mit den Bauern oder Beamten in die Haare geraten.

Die SPÖ kann nicht einmal dieses Argument sich gegenseitig konterkarierender oder bisweilen sogar austarierender Interessen verwenden. Sie ist vielmehr in ihrer ganzen Geschichte durch und durch eine politische Maschine zur einseitigen Durchsetzung der Interessen der Gewerkschaften (mit Ausnahme der ÖVP-nahen Beamtengewerkschaft). Die Gewerkschaften sind auf dem Papier zwar selbständig – aber wer das wirklich glaubt, der glaubt auch an den Weihnachtsmann. Personelle Karrieren in der Gewerkschaft und in der von der Gewerkschaft kontrollierten Arbeiterkammer verlaufen so eng mit der SPÖ verbunden, dass man das nur als Tateinheit ansehen kann. Ebenso veranstalten und finanzieren die Gewerkschaften nachgewiesenermaßen Wahlkampfveranstaltungen für die SPÖ, um nur einen der direkten materiellen Flüsse von ÖGB zu SPÖ zu nennen. Über die Kammerfraktionen fließt auch direkt Geld. Im Grund ist damit fast jede Bezahlung eines Mitgliedsbeitrags an die Gewerkschaft auch ein Gesetzeskauf. Ein durchaus erfolgreicher, wie viele Gesetzesbeschlüsse der letzten Jahrzehnte zeigen.

Ich kenne auch keine einzige Initiative der Neos, die den Interessen eines mächtigen Bauindustriellen und Parteifinanciers widersprechen würde. Nur bei Blau und Grün ist der direkte Weg "hier Parteispende, da politische Aktion" viel weniger deutlich.

Die anderen drei Parteien, vor allem die SPÖ, sollten aber jedenfalls sehr, sehr vorsichtig sein, wenn sie von Gesetzeskauf reden.

Die SPÖ hat eigentlich auch nie ein Hehl daraus gemacht, dass sie sich als große Interessenorganisation der "werktätigen Klasse" versteht. Sie war sogar stolz darauf, dass sich über die Partei die Gewerkschaften Gesetze bestellen können.

Oder wollen uns SPÖ und ÖGB gar die Über-Chuzpe einreden: Es sei edel, wenn man blind die Interessen der dafür zahlenden Arbeitnehmer vertritt – es sei aber verbrecherisch, wenn das jemand zugunsten der dafür zahlenden Unternehmer oder Bauern macht?

In Wahrheit war und ist die so hoch gepriesene "Sozialpartnerschaft" nichts anderes als organisierter Gesetzeskauf von zwei Seiten. Da diese Partnerschaft aber keineswegs die gesamte Bevölkerung umfasst, bleiben als Folge ihrer Herrschaft alle jene Gruppen oft auf der Strecke, die sich nicht an diesem strukturierten Gesetzeskauf beteiligen (wollen oder können).

  • Das sind die Angehörigen der diversen Freien Berufe.
  • Das sind jene, die außerhalb der zunftartigen Gewerbeordnung unternehmerisch tätig sein wollen.
  • Und das sind die Kinder, die eines Tages die Rechnung für den sozialpartnerschaftlich organisierten Raub an ihrer Zukunft zahlen müssen.

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