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Sieg für Österreich und EU-Fundamentalisten – schlecht für Europa

Alles in Österreich jubelt: Der EU-Gerichtshof hat auf österreichischen Antrag hin die Einführung einer Autobahnmaut in Deutschland verboten. Obwohl es eine solche in so gut wie allen EU-Ländern gibt. Obwohl sowohl die EU-Kommission wie der Generalanwalt des Gerichtshofs das deutsche Vorgehen für zulässig gehalten haben. Doch vielen Österreichern wird der jetzige Jubel darüber, dass man weiterhin gratis durch Deutschland fahren kann, noch im Hals steckenbleiben.

Aus mehreren Gründen. Der erste hängt mit den deutschen Entwicklungen zusammen. Diese werden mit großer Wahrscheinlichkeit in Bälde einen neuen Ansatz zur Einführung einer Maut beim großen Nachbarn bringen – die möglicherweise sogar höher ausfallen könnte als die geplant gewesene. Das ist nämlich logische Folge der EuGH-Entscheidung.

Der Gerichtshof hat nämlich zwei rechtlich voneinander völlig unabhängige deutsche Gesetzesmaterien als Einheit gesehen, woraus er eine zu verbietende Ausländerdiskriminierung ableitet. Dabei ist völlig unbestritten, dass bei beiden Materien an sich jedem EU-Land die Regelung völlig freisteht: nämlich einerseits bei der Autobahnmaut (das ist in Österreich die inzwischen teilweise elektronisch gewordene Vignette) und andererseits bei der Kfz-Steuer. Beide Rechtsbereiche werden in jedem EU-Land ganz unterschiedlich gehandhabt. Nur der EuGH sieht plötzlich in Hinblick auf Deutschland eine Einheit zwischen den beiden Bereichen.

Sein Argument: Die Zusatzbelastung der Autofahrer (der deutschen wie der ausländischen) durch die Autobahnmaut entspricht sehr genau dem, was sich – nur – die deutschen Autofahrer durch die Senkung der Steuer ersparen. Diese Entsprechung und die Gleichzeitigkeit beider Neuregelungen sind nun vom EuGH als eine mittelbare Diskriminierung der Autofahrer aus anderen EU-Ländern interpretiert geworden. Weshalb er die Neuregelungen – die ihn getrennt eigentlich nichts angegangen wären – zu verbieten beschlossen hat. Durch diese sehr EU-fundamentalistische Sichtweise des EuGHs ist nun Deutschland plötzlich nicht mehr frei, Maut und Steuer selbst zu regeln. Wie es alle anderen Länder sind.

Das ist unbestreitbar eine sehr kühne juristische Argumentation.

Diese Gleichzeitigkeit der deutschen Neuregelung war einst Folge des Populismus der deutschen Regierungsparteien: Einerseits wollte man – vor allem die Bayern in Hinblick auf Österreich – es nicht mehr hinnehmen, dass man als Deutscher im Ausland überall Maut zahlen muss; die Ausländer in Deutschland hingegen nicht. Zumindest die Österreicher haben auch über die deutschen Zapfsäulen praktisch nichts zur Renovierung der in die Jahre gekommenen deutschen Autobahnen bezahlt – haben sie doch in Österreich stets billiger getankt.

Andererseits wollte die Koalitionsregierung in Berlin keinesfalls die eigenen Bürger zusätzlich durch die Kfz-Steuer belasten. Deshalb hat man die komplizierte Konstruktion zweier paralleler Gesetze gewählt: Dadurch ist gleichzeitig die Kfz-Steuer für deutsche Autobesitzer im gleichen Ausmaß reduziert worden, wie die Zusatzbelastung durch die Maut ausmacht. So konnte sich kein deutscher Autofahrer aufregen.

Nun wird Deutschland halt mit hoher Wahrscheinlichkeit – zumindest falls die marode Koalition noch arbeitsfähig ist – die beiden Gesetze entzerren, um dem EuGH zu entsprechen. Diese werden halt nicht mehr gleichzeitig in Kraft treten. Und die Plus- und Minus-Auswirkungen werden einander halt auch nicht genau entsprechen.

Also schon daher ist der österreichische Sieg beim EuGH wohl kein wirklich nachhaltiger.

Dazu kommt, dass sich die Alpenrepublik damit jedenfalls keine großen Freunde in Berlin gemacht hat. Das wird sie auch bald spüren: Die deutsche wie die bayrische Regierung werden nun nämlich alles tun, um gegen Österreich ein Revanchefoul setzen zu können. Dafür bieten sich die österreichischen Maßnahmen im Kampf gegen den Transit auf der Inntal-Brenner-Strecke an: insbesondere die Blockabfertigungen für Lkw wie auch die doppelte Mautpflicht (am Brenner muss man ja extra zahlen!).

Ein noch viel bedrückenderer Schluss, der aus dem EuGH-Urteil folgt, hängt gar nicht mehr mit dem Verkehr zusammen. Er lautet: Im EU-Gerichtshof haben heute radikale Zentralisten, Vereinheitlicher und Fundamentalisten das Sagen. Sie sind noch viel radikaler als die EU-Kommission. Diese denkt zumindest zeitweise besorgt an die von EU-Fundamentalismus bedrohte Stimmung in Europa.  Die EU-Richter hingegen müssen sich keiner Wahl stellen.

Und sie haben schon mehrmals ihre manische Lust demonstriert, sich in alles möglichst intensiv einzumischen und Europas Länder wie Bürger wie mit einem Rasenmäher bis auf den Millimeter gleichzuscheren. Man denke nur an das völlig überflüssige Karfreitagsurteil des EuGHs, das Österreich völlig unnötige Probleme besorgt hat.

Diese Entwicklung des Gerichtshofs wird zwar im EU-Parlament einige EU-Fundamentalisten freuen, die es vor allem bei den Grünen und Linksliberalen gibt. Sie muss aber alle anderen extrem besorgt machen. Denn ein solcher brutaler Zentralismus wird mit Sicherheit zu bösen antieuropäischen Reaktionen führen, die bis hin zu Austrittsbewegungen führen könnten. Er ist damit ein absoluter Wahnsinn für die Zukunft der EU.

Man bedenke nur, dass schon derzeit der Konflikt zwischen dem EU-Fundamentalismus und dem starken Nationalbewusstsein in einigen wichtigen Ländern wie Großbritannien und der Schweiz einen absoluten Höhepunkt erreicht hat. Das EuGH-Urteil wird nun auch in Deutschland nicht sonderlich für ein Wachsen an EU-Begeisterung sorgen …

Auch Österreich wird sehr bald die Folgen des EuGH-Fundamentalismus zu spüren bekommen. Denn entsprechend der Linie des Maut-Urteils wird wohl mit Sicherheit auch die von Schwarz-Blau beschlossene Neuregelung des österreichischen Familienbeihilfenrechts durch den EuGH gehoben werden. Diese Neuregelung versucht, die Unterstützung für Kinder dem jeweiligen Preisniveau jenes Landes anzupassen, in dem die Kinder leben. Was Österreich viel Geld erspart hätte, da die meisten Kinder, für die die Republik zahlt, in billigen Ländern im Osten leben.

Über diese Neuregelung wird wohl nach dem Mauturteil mit großer Sicherheit der EU-Rasenmäher drüberfahren.

Ergebnis: Vorerst wird bis zu einer Neuregelung der österreichische Autofahrer gratis durch Deutschland düsen können. Und der österreichische Steuerzahler wird indirekt dafür zahlen.

PS.: Was besonders absurd ist: Die EU verbietet zwar jetzt plötzlich in einem Land die dort beschlossene Autobahnmaut. Aber nirgendwo wird jenes Ziel verfolgt, das wirklich im Interesse der Europäer wäre: nämlich eine einheitliche Mautregelung, damit man nicht bei Überqueren jeder Staatsgrenze sofort komplett andere Vorschriften hätte. Auch die Verkehrsregeln haben sich in den einzelnen Ländern auseinanderentwickelt, statt einheitlicher und verständlicher zu werden.

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