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Wie kann man nur so eingehen!

Noch nie wohl ist eine Partei so beschämend in die Knie gegangen wie die Kärntner ÖVP. Sie hat sich einem 24-Stunden-Ultimatum des SPÖ-Landeshauptmanns voll unterworfen. Sie hat akzeptiert, dass das Einstimmigkeitsprinzip der Kärntner Verfassung ohne Grund einfach abgeschafft wird.

Sie hat sich den Kärntner Sozialdemokraten wie ein Hofhund untertänig zu Füßen gelegt – ganz offensichtlich nur, um ein paar Posten zu erobern, um einen kleinen Zipfel der Macht zu behalten und nicht in den nächsten Jahren auf den harten Oppositionsbänken sitzen zu müssen. Ihre Demütigung ist so schlimm, dass sie sich von dieser wohl auch bis zu den nächsten Wahlen nicht erholen wird können.

Offenbar herrschen in Kärnten – schon wieder – so absolutistische Zeiten, dass die ÖVP erst die dortigen Sozialdemokraten um Erlaubnis fragen muss, bevor der schwarze Parteiobmann zurücktreten darf. Damit ist natürlich auch die Bundes-ÖVP bis auf die Knochen blamiert.

Damit hat die SPÖ österreichweit ihren ersten taktischen Sieg seit Jahren errungen. Die Sozialdemokraten haben gepokert und gewonnen. Dabei haben sie kein einziges sachliches Argument gegen den Wechsel des Kärntner ÖVP-Obmannes oder gegen den neuen Mann vorzubringen gewusst.

Es gibt nur zwei Denkmöglichkeiten, welche Rolle sie in Kärnten gespielt hat:

A) Kurz als Benger-Killer

Die eine ist die von der SPÖ ausgestreute Version, dass Landesparteiobmann Benger auf Anordnung von Sebastian Kurz und seiner Kärntner Lieblingsministerin Elisabeth Köstinger zurücktreten hat müssen. Dann hätten Kurz-Köstinger jedoch absolut den falschen Zeitpunkt gewählt. Sie hätten Benger entweder noch am Wahlabend zum Rücktritt zwingen oder aber ihn ein halbes Jahr wider alle Proteste schwarzer Dorf-Wichtigmacher durchtragen müssen. Aber ihn ausgerechnet jetzt fallen zu lassen – nach den Verhandlungen, jedoch vor Amtsantritt – ist wirklich nur dumm.

Noch schlimmer ist jedoch – wenn man schon diesen suboptimalen Zeitpunkt gewählt hat –, dass man sich dann einige Stunden später einem so brutalen Kurzfrist-Ultimatum vollinhaltlich beugt. Hat man da das Falsche aus Kurt Schuschniggs Verhalten 1938 gelernt?

B) Benger als Opfer Kärntner Intrigen

Die zweite Denkmöglichkeit: Der Kärntner Chef-Tausch war gar kein Kurz-Köstinger-Diktat, sondern Folge schwarzer Biertisch-Intrigen in Kärnten selbst. Die in Kärnten immer gut informierte "Kleine Zeitung" kolportiert einen offenen Brief von acht Oberkärntner Bürgermeistern mit wilden Attacken auf Benger.

Wenn wirklich eine Bürgermeister-Revolte das Schlammassel ausgelöst hat, dann müsste aber Kurz jetzt klar und eindeutig sagen: Mit dieser Versager-Partie haben wir nichts mehr zu tun. Wir gründen eine eigene türkise Kärntner Partei.

Zumindest müsste er den acht Bürgermeistern sagen: "Wir können Intriganten nicht brauchen. auf Wiedersehen." Und vor allem müsste er auch sagen: Wir lassen uns schon gar nicht als Folge des Pfusches dieser Versager-Partie von einem Herrn Kaiser per Ultimatum diktieren, dass Kärnten eine Vorzugsbehandlung zu bekommen hat, dass der Bund ein teures Kärnten-Paket auf Kosten der anderen Bundesländer finanzieren muss und dass er auch sonst jeden Kärntner Wunsch erfüllen muss. Genau das hat aber jetzt die neue Führung der Kärntner Schwarzen zugesagt. Ohne bisher auf Widerspruch aus Wien gestoßen zu sein.

Für Kurz selber ist die Niederlage der ÖVP gegen Kaiser (und damit übrigens auch die erste Niederlage gegen eine zweifellos mit Christian Kern abgesprochene SPÖ-Strategie!) aber auch noch in einer weiteren Hinsicht eine schwere Demütigung: Seine ÖVP hat zugestimmt, dass Kaiser die Kärntner Verfassung zu seinen eigenen Gunsten aushebeln kann. So etwas auf dem Weg eines Kurzfrist-Ultimatums einfach hinzunehmen, ist ein politischer Offenbarungseid.

Die Abschaffung der Einstimmigkeits-Vorschrift in der Kärntner Landesregierung bedeutet, dass Kaiser absolut frei regieren kann, wie ein Diktator, der nicht von Konsens und Zustimmungen abhängig ist. Das erinnert daran, dass Kurz selber im Vorjahr für sich eine Richtlinienkompetenz verlangt hat (wie sie ein Bundeskanzler in Deutschland hat). Damit wäre die Einstimmigkeit in der Bundesregierung abgeschafft gewesen. Damit hätte er ein Weisungsrecht gegenüber allen Ministern bekommen. Das hat ihm jedoch keine andere Partei zugebilligt (so blöd ist keine).

Jetzt aber bekommt der Landeshauptmann von Kärnten ziemlich genau das, was Kurz selbst haben wollte – und er bekommt es ausgerechnet mit Hilfe der ÖVP.

Grotesker geht’s nimmer.

Köstinger: ein großer Irrtum

Hinter jeder Denkmöglichkeit, was hinter den schwarzen Kulissen im Detail abgelaufen ist, steht zumindest eine Gewissheit: Elisabeth Köstinger hat voll versagt. Kurz hat ja in Sachen Kärnten der Ministerin weitgehend freie Hand eingeräumt, die erst im letzten Jahr zur Verblüffung aller zur eindeutigen Nummer zwei in der ÖVP aufgestiegen ist.

Damit bestätigt sich erneut: Kurz ist in vielerlei Hinsicht bei politischen Sachfragen geradezu genial. Bei der Auswahl des nun in Regierung, Partei und Parlament tonangebenden ÖVP-Teams hat er jedoch gezeigt, dass er dafür kein Talent hat. Er verwechselt offensichtlich ständig persönliche Loyalität mit politischer Kompetenz.

In der Politik geht es aber auch oft um Erfahrung und taktische Begabung. Beides hat in Kärnten nur Kaiser gezeigt; er kann sich daher nun sogar über die Verfassung hinwegsetzen. In der ÖVP fehlen hingegen den meisten sowohl Erfahrung wie taktische Begabung. Was Kurz noch oft bitter bereuen wird.

Dazu kommt: Der ÖVP-Obmann ist ja auch Bundeskanzler und hätte sich als solcher erst recht niemals von einem roten Kärntner Landeshauptmann erpressen lassen dürfen – schon gar nicht vor aller Öffentlichkeit. Das ist ein Schwächezeichen von Sebastian Kurz, das nicht nur österreichweit, sondern auch international gehört wird. Und jedenfalls wird jetzt absolut jeder Landeshauptmann – auch die parteieigenen! – Kurz mit unglaublich gesteigertem Selbstbewusstsein gegenübertreten.

PS: Die nächsten Nationalratswahlen sind gewiss noch lange aus (sofern die FPÖ kein neues Knittelfeld produziert). Aber man kann jetzt schon hohe Wetten abschließen, dass ein halbes Jahr davor der Ruf überlaut werden wird: "Lieber Peter Kaiser komm nach Wien und übernimm die Bundespartei! Wir wollen wieder eine Wahl gewinnen!"

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