Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (10 Euro pro Monat) ist jederzeit beendbar und endet extrem flexibel einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Der Iran wäre der ideale Partner des Westens

Die jahrelangen Verhandlungen über die atomare Aufrüstung des Irans haben einen positiven – freilich nur vorläufigen Abschluss gefunden. Wenn bis zum Sommer alles klappt, wird der Iran tatsächlich keine Atombombe bauen; und die internationalen Sanktionen gegen Iran werden tatsächlich suspendiert. Freilich: Selbst ohne dass man noch alle Details analysieren konnte, bleiben viele große Aber, bleiben viele Sorgen.

Vor allen Sorgen muss man jedoch eine Tatsache ansprechen: Wenn es jetzt tatsächlich eine Lösung gibt, was so aussichtsreich erscheint wie noch nie, dann ist das einem einzigen Faktor zu danken: den Sanktionen! Ohne diese (und die dabei nötige Geduld) wäre die Welt nie so weit gekommen, wie sie jetzt scheint. Ohne die wirklich schmerzhaften Sanktionen der Außenwelt hätte Teheran nicht einmal verhandelt, geschweige denn nachgegeben. Dies allen ins Stammbuch (etwa einem Christoph Leitl oder den Putin-Partisanen auf der politischen Rechten), die in den letzten Monaten ständig behauptet haben: Sanktionen sind völlig nutzlos.

Aber dennoch sollte man nüchtern bleiben. Alle Jubelmeldungen sind noch sehr mit Vorsicht zu behandeln. Denn:

  • Wie bringt man das den Mullahs in Teheran bei?
  • Akzeptiert Israel – wenn auch sicher zähneknirschend – das Abkommen oder schlägt es militärisch zu?
  • Werden die Republikaner im US-Kongress dem ungeliebten Präsidenten diesen Triumph gönnen?
  • Und vor allem: Werden sich nicht in den nächsten Monaten bei den Detailausarbeitungen der Vereinbarung noch zahllose unüberbrückbare Differenzen im Kleingedruckten ergeben, die man auf Ministerebene bisher großzügig übersehen hat? Zu oft ist ja bei internationalen Konflikten schon ein Durchbruch verkündet, aber letztlich nie realisiert worden.

Die allergrößte Sorge aber: Selbst, wenn jetzt in den nächsten Monaten wider Erwarten alles bestens weitergeht, und wenn in den nächsten Jahren das Übereinkommen auch penibel eingehalten werden sollte, bleibt der Iran nur wenige Monate – maximal ein Jahr – vom Bau einer Atombombe entfernt. Mit anderen Worten: ein schlechter Präsidentenwechsel in Teheran, ein Hardliner als Khamenei-Erbe, ein neuer Konflikt in der Region, der nicht so wie die jetzigen Kriege im Irak und in Syrien die Amerikaner und Iraner zu De-facto-Verbündeten macht – und schon ist die Bombe Realität.

Sehr viel Sicherheit ist also noch nicht erkauft. Und es ist mehr als unsicher, ob dann die Sanktionen gegen Teheran rasch genug wieder in voller Stärke eingeführt werden.

Dennoch steht hinter all den Detailfragen eine ganz große und sehr positive Zukunftsperspektive, die weit über den Atomvertrag hinausgeht: Denn eigentlich ist Iran kulturell und von seiner zum Gutteil hochentwickelten und gebildeten Bevölkerung her der ideale Partner für den Westen. Die große Mehrheit der Menschen dort möchte längst die wahnsinnigen Fieberschübe des schiitischen Fundamentalismus abschütteln. Die große Mehrheit weiß: Ohne Bombe, ohne Mullahs und ohne Sanktionen winkt ihnen eine blühende Zukunft. Die große Mehrheit der Iraner könnte also zu einer besseren Zukunftsgarantie werden als alle Paragraphen des jetzt in Aussicht stehenden Vertrags.

Zugleich könnte der Iran – neben den Kurden und Israel – der einzige verlässliche Partner der zivilisierten Welt in der ganzen riesigen Region zwischen Atlantik und Indien werden. Zum Unterschied von der Türkei ist ja der Iran weder für Al Kaida noch für den „Islamischen Staat“ anfällig, die beide sunnitisch geprägt sind.

Die anderen beiden Großmächte in dem Raum – Ägypten und Saudi-Arabien – müssen in Wahrheit froh sein, wenn nicht auf ihrem eigenen Boden größere Unruhen ausbrechen. Und die kleineren arabischen Staaten erst recht.

Die Hoffnung sagt uns, dass wir das Positive nicht nur sehen sollen, sondern dass es in der Tat einige wunderbare Perspektiven gibt. Die Erfahrung und die Vernunft sagen uns jedoch, dass wir all die Aber sehr ernst nehmen sollten.

PS.: Ins Kapitel Hoffnung gehört auch die Tatsache, dass Amerika und Russland erstmals wieder gemeinsam agiert haben. Auch wenn die Russen offenbar etliche Male zu früh nachgeben hätten wollen.

 

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)
Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print



© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung