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Die Tussis und die Sprache der Politik

Warum man den oberösterreichischen SPÖ-Linksaußen Josef Ackerl auch einmal in Schutz nehmen sollte.

Ackerl hatte die Stronach-Statthalterin Kathrin Nachbaur nach einem etwas seltsamen Fernsehinterview als „Tussi“ bezeichnet. Mehr hatte er nicht gebraucht. Schon brach der feministisch-korrekte Sturm über ihn her. Schon musste er auf Knien rutschend Abbitte leisten. Nun, ohne sonstige Sympathien für den hauptberuflichen Sozial-Lizitator: Das ist schon ziemlich lächerlich.

Ich sah das Interview mit einer Gruppe von Bekannten. Und zufälligerweise wurde auch dabei von allen genau das T.-Wort zur Charakterisierung Nachbaurs verwendet. Etwa durch den nachdenklichen Satz: „Kann man mit einer solchen Tussi wirklich ernsthaft eine Koalition versuchen?“ Es blieb einem jedenfalls der Mund offen, wie die attraktive Blondine mit fünfminütigem Dauergrinsen die Existenz schwerer Konflikte in der Stronach-Truppe weglächelte.

In einer ähnlichen Runde wurde übrigens auch tags darauf der TV-Auftritt von Matthias Strolz mit einem eher distanzierten Vokabel belegt, nämlich „jenseitig“. Dies geschah, als der Neos-Mann mit einem Wortschwall sondergleichen auf die Frage nach der Zwangsgesamtschule antwortete, besser gesagt: nicht antwortete. Denn er wollte uns offenbar klarmachen, dass er sowohl dafür wie auch dagegen ist (aber vielleicht ist er auch sowohl dagegen wie dafür. Genau begriffen hab ich‘s ja nicht. Seine Gebetsmühle „Mittlere Reife“ – die übrigens auch von anderen Parteien mit einer etwas klareren Bildungspolitik befürwortet wird – ist ja absolut keine Antwort auf diese Frage).

Aber zurück zu „Tussi“: Ob der Ausdruck nun treffend für Frau Nachbaur ist oder nicht, lassen wir dahingestellt. Widerlich ist nur etwas anderes: die Macht der politischkorrekten Erregungsmaschine und die Aufregung wegen eines Wortes, das schätzungsweise 95 Prozent der Österreicher schon verwendet haben, egal ob nun zutreffend oder nicht.

Ständig beklagen wir – insbesondere nach den lähmenden Politiker-Runden in allen Sendern – zu Recht, dass diese alle total übertrainiert nur noch eingelernte Flachsätze absondern. Sie reden und antworten nicht wie normale Menschen, sondern sprechen nur noch eine Sprache, die nichts mehr mit unserem Kommunikations-Gewohnheiten zu tun hat. Und dann kommt einer und verwendet einmal ein total gebräuchliches Wort aus der ganz normalen, keineswegs nur in Randschichten gesprochenen Umgangssprache und schon kommen die strengen Verbotstanten mit spitzem Zeigefinger: „Aber das sagt man nicht!“ Wie im Kindergarten.

Noch mehr ärgert, dass die Sprachwächter mit ihrem Rohrstaberldenken sofort Erfolg haben. Dass ihre Zimperlichkeit nicht einfach ignoriert wird. Dass auch ein politisches Urgestein wie Ackerl sofort Abbitte leistet. Dabei hat sicher die große Mehrheit der Österreicher kein Problem mit dem T.-Wort, geschweige denn die Wähler von Ackerls Partei.

 

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