Die Geschichtsfälscher auf frischer Tat
13. Oktober 2010 00:07
| Autor: Andreas Unterberger
Lesezeit: 3:30
Der große österreichische Philosoph Rudolf Burger hat vor einigen Jahren eine brillante Schrift verfasst, in der er nachgewiesen hat, dass es nie darum geht, was historisch wirklich vorgefallen ist, sondern immer nur darum, wer die Geschichtsschreibung kontrolliert und in seinem Sinne lenkt. An diese Schrift hat man sich in den letzten Tagen vehement erinnert gefühlt.
Noch selten ist ein an sich ganz eindeutiges Wahlergebnis so brutal und zynisch uminterpretiert worden wie die Niederlage der Wiener Volkspartei. Denn neben den Sozialdemokraten behauptet nun eine ganze Reihe von Journalisten – allesamt der Partei viele Kilometer fernstehend –, Christine Marek habe die Wahl deshalb so dramatisch verloren, weil sie sich im Wahlkampffinale nicht „liberal“ genug gezeigt hätte. Aber auch der frühere schwarze Stadthäuptling Bernhard Görg bastelt seltsamerweise eifrig an dieser Dolchstoßlegende mit.
Gegen diese skurrile These spricht so ziemlich alles, was an Beweisen gefunden werden kann. Außer dem Wunschdenken und den Manipulationsversuchen jener Menschen, welche die Volkspartei in eine zweite Grünpartei verwandelt sehen wollen.
Die wichtigsten Indizien:
- Wo sollen denn die potentiellen ÖVP-Wähler hin gewandert sein, die angeblich von einer konservativeren Parteilinie massenweise abgeschreckt worden sind? Zu den roten und grünen Wahlverlierern? Zur Gruppe der Nichtwähler – die diesmal ebenfalls kleiner geworden ist? Vor lauter Empörung in Luft aufgelöst?
- Gibt es ein einziges Meinungsforschungsergebnis, das diese krude These beweisen könnte?
- Warum soll die – völlig gesetzeskonforme – Ausweisung einer Kosovo-Familie mit zwei Kindern plötzlich einen Sturm der Entrüstung bei den Medien auslösen, nachdem das die Medien nicht einmal mit ihrer jahrelangen Kampagne gegen die Abschiebung der Familie Zogaj geschafft haben?
- Wo ist denn die Meinungsumfrage veröffentlicht worden, die Frau Marek vor ihrem angeblichen Rechtsruck einen guten Wahlausgang prophezeit hätte?
- Warum soll es in Wien nicht genauso wie in jeder anderen Großstadt der Welt ein enorm großes Potential an konservativen Wählern geben, das durch zahllose Aktionen abgeschreckt worden ist? Und zwar im einzelnen:
- durch die Dummheit des VP-Wahlkampfs (von der „geilen“ Jugendkampagne bis zum abstrusen Häupl-Plakat);
- durch die brutale Marek-Absage an Meinungsfreiheit (Ausschluss des Akademikerbundes);
- durch die völlig unnötige Anbiederung an die Häupl-Partei (statt als bisherige Nummer zwei im Gemeinderat von der ersten Stunde an für einen Machtwechsel in Wien anzutreten);
- durch die jämmerliche Charakterlosigkeit der Marek-Inthronisation an der Landesparteispitze (die sich die Wiener VP von Josef Pröll einfach oktroyieren hat lassen, obwohl sie sich schon auf einen anderen Kandidaten geeinigt hatte);
- durch die lange Ungewissheit, ob die Wiener ÖVP wirklich gegen die von den bürgerlichen Wienern zutiefst abgelehnte Gesamtschule ist (die Marek-Aussagen dazu blieben bis zuletzt recht zweideutig);
- durch die überflüssige Absage an die FPÖ (die sich zuletzt um einen etwas gemäßigteren Wahlkampfstil bemüht hatte, mit der die ÖVP in anderen Bundesländern durchaus koalitionswillig ist und mit der als Koalitionspartner die Bundes-ÖVP den größten Wahlsieg ihrer Geschichte eingefahren hatte);
- durch den für Konservative besonders verstörenden leichtfertigen Umgang des Bundesparteiobmanns mit der Verfassung (zusammen mit dem SPÖ-Chef in Sachen Budget);
- durch das für Wirtschaftsliberale besonders verstörende schwarze Umfallen in Sachen Steuererhöhung (im Gegensatz zu monatelangen Versprechungen hat Josef Pröll im Frühjahr der SPÖ plötzlich zugesagt, dass 40 Prozent des Defizitabbaus durch Steuererhöhungen erfolgen wird – und das in einem Land mit einer der höchsten Steuerquoten der Welt, während anderswo konsequent und effizient eingespart wird, samt der Hinschlachtung Heiligster Kühe);
- durch die Verschleuderung von zusätzlichen 160 Steuermillionen an den rot-grünen Kampfsender ORF;
- durch die Einführung von Schwulenehe und Mindestsicherung;
- durch die Tatenlosigkeit der gesamten ÖVP angesichts der strafrechtlich mehr als bedenklichen Bestechung von Boulevardmedien durch die SPÖ mit Steuermillionen.
Tut alles nichts. Die Fekter ist schuld. Und nicht all die Fehler von Marek und Pröll.
PS: Überraschend viele bürgerliche Wähler haben sich auch an die eiskalte Reaktion der Bundes-VP erinnert, als diese ihre EU-Stimme für Otmar Karas ignoriert hatte.