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Sieben Jahre: Das schwarze Loch in Faymanns Lebenslauf

Kurze Erinnerung an die Causa Waldheim, also eine der schwersten innen- und außenpolitischen Krisen der zweiten Republik. Die einzige Untat, die Waldheim jemals nachgewiesen werden konnte, war, dass er in seiner Biographie unangenehme Passagen ausgelassen hat. Dieselbe Untat in noch viel größerem Ausmaß hat ein penibler Tagebuch-Leser nun Werner Faymann nachgewiesen.

Es bleibt vorerst freilich eher offen, ob auch bei Faymann die internationale Gemeinschaft und alle politkorrekten Journalisten dieses Landes in dieselbe Empörung über einen „Lügner“ an der Staatsspitze ausbrechen werden wie bei Waldheim.

Aber der Reihe nach: Kurt Waldheim hat in einem autobiographischen Buch die Zeit seines Kriegseinsatzes am Balkan übergangen, verschwiegen. Die Empörung darüber war im In- wie Ausland groß. Waldheim wurde als Lügner gebrandmarkt. Alle anderen an dieses Schweigen geknüpften Anschuldigungen gegen ihn, vor allem der Verdacht, in dem grausamen Partisanenkrieg am Balkan direkt in Kriegsverbrechen verwickelt gewesen zu sein, konnten freilich nie erhärtet werden. Gutachter sprachen lediglich davon, dass er in der „Nähe“ von Kriegsverbrechen gewesen sein dürfte.

Es war auch sehr bald klar, dass der wirkliche Anlass der Empörung die Tatsache war, dass erstmals ein ÖVP-Kandidat die vermeintliche SPÖ-Erbpacht auf den Job eines Bundespräsidenten durchbrochen hatte. Rechtskräftige Gerichtsurteile entlarvten die SPÖ später als Drahtzieher der Diffamierungskampagne.

Wechsel in die Gegenwart. Ein Tagebuch-Leser hatte sich für die Biographie Werner Faymanns zu interessieren begonnen. Er stellte dem SPÖ-Vorsitzenden vor Monaten fünf konkrete Fragen zu dessen mehr als lückenhaftem Lebenslauf – und hat von einer Johanna Dollhäubl im Namen Faymanns genauso lückenhafte Antworten bekommen. Das ist nun einige Zeit her. Der Leser hoffte, dass im Lauf der Zeit wenigstens in den veröffentlichten Lebensläufen geklärt wird, was Faymann in den Jahren zwischen 1978 und 1985 eigentlich so gemacht hat.

Nichts, kein Wort wurde ergänzt. Kein Schulbesuch, kein Job, keine Universität. Volle sieben Jahre sind damit bis heute ein absolut schwarzes Loch in der Biographie des österreichischen Bundeskanzlers (außer die Übernahme der nicht gerade als vollberuflich geltenden Funktion eines Landesvorsitzenden der Sozialistischen Jugend während vier dieser sieben Jahre).

Das ist nun doch mehr als erstaunlich. Faymann behauptete ja unlängst in Interviews, nie durchgefallen zu sein. Da müsste er eigentlich 1978 maturiert haben. Aber laut Wikipedia hat er erst 1985 – erfolglos – vier Semester Jus zu studieren begonnen. Seine offizielle Karriere verschweigt auch das. Der Beginn dieses Kurzstudiums hat dann jedenfalls Faymanns Karriere ganz offensichtlich unheimlich beschleunigt: im gleichen Jahr 1985 wird er auch schon SPÖ-Gemeiderat in Wien. Und will seinen Lebenslauf ab diesem Zeitpunkt nicht mehr verstecken.

Das Loch in Faymanns Biographie ist also deutlich länger als jenes in der Waldheim-Biographie. Da stellen sich viele Fragen: Ist es nur bei einem bürgerlichen Politiker ein Skandal, wenn er riesige Löcher im Lebenslauf hat? Haben die Bürger keinen Anspruch, den ganzen Lebenslauf des amtierenden Bundeskanzlers zu kennen? Hat Faymann etwa sieben zusätzliche Jahre gebraucht, um die Matura abzulegen? War er vielleicht gar im Gefängnis? Oder hat er etwa Tag und Nacht in Spielcasinos zugebracht, bis er dort gesperrt wurde?

Nun, solange der SPÖ-Vorsitzende nicht Rechenschaft über sein Leben ablegt, ist es legitim, jedes Gerücht, dass da durch Wien läuft, für bare Münze zu halten. Wobei ausdrücklich hinzugefügt sei, dass für das Tagebuch natürlich die volle Unschuldsvermutung gilt.

Jedenfalls muss die Wahrheit  ziemlich schlimm sein, wenn es nicht einmal den Schönschreibern von Partei, Rathaus und Kanzleramt bis heute gelungen ist, sie in irgendeiner verdaulichen Weise zu formulieren.

Der neugierige Leser wurde jedenfalls von der Frau Dollhäupl folgendermaßen beschieden, als er mehrfach eine Antwort auf seine Fragen urgierte:

„Ich habe Ihre Fragen sehr wohl verstanden, aber es ist leider nicht möglich, diese in der von Ihnen gestellten Form zu beantworten. Es ist das Recht jeder/s Einzelnen, zu entscheiden, wieviele Daten aus der eigenen Vergangenheit in den beruflichen Lebenslauf einfließen.
Mit freundlichen Grüßen
Johanna Dollhäubl“

Was halt weitere Fragen aufwirft: Etwa die, ob es neben dem „beruflichen“ noch andere Lebensläufe Faymanns gibt. Und wer die zu Gesicht bekommen darf. Und warum bei jedem anderen Job außer dem eines Bundeskanzlers sehr wohl ein vollständiger Lebenslauf vorzulegen ist.

Zum Abschluss der Wortlaut der Fragen des Bürgers an den

„Sg. Herr Faymann!

Habe als politisch interessierter Bürger einige Fragen zu Ihrem Lebenslauf und Ihren Qualifikationen, zumal ich via Internet die tiefer stehende Fragen nicht beantwortet finde:

1) Sie sind Jahrgang 1960. Gehe ich daher zu Recht davon aus, daß Sie 1978 maturiert haben?

2) Welchen Beruf haben Sie bis 1981 und danach bis 1985 ausgeübt?

3) Welche Qualifikation war erforderlich, um schon in so jungen Jahren – mit 25 – Konsulent der Z zu werden?

4) Zu welchen grundsätzlichen Fachthemen wurden Sie dort jeweils konsultiert?

5) Welche Qualifikation war erforderlich, um danach Geschäftsführer und Landesvorsitzender der Wiener Mietervereinigung zu werden?“

Man wird ja noch fragen und sich seinen Teil denken dürfen.

 

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