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Wie entwickelten sich die Leserzahlen österreichischer Printmedien prozentuell? drucken

Die Leserzahlen einiger Medien in den Jahren 1995, 2000, 2002, 2004 und 2010 bis in die Gegenwart

Dieser Überblick findet sich sonst nirgends. Die Ersteller der Media-Analyse weisen aus formalen Gründen darauf hin, dass sich die Erhebungsmethode in dieser Zeit ein wenig geändert hat. In Wahrheit aber fürchten sich die Medien vor solchen Langfristvergleichen, weil sie bei einigen dramatische Abwärts-Entwicklungen zeigen. Um den ständigen Abwärtstrend der Zeitungen optisch zu verwischen, sind seit einigen Jahren auch die Werte für elektronische e-paper-Ausgaben in den von der Arbeitgemeinschaft Media-Analyse veröffentlichten Daten enthalten (nicht jedoch die in den sonstigen Internet-Formaten - was in Relation die Position von "Standard" und "heute" verbessern würde). Wenn es also nur um die bloßen Papierzeitungsleser ginge, wäre die Entwicklung noch dramatischer. Diese Zahlen werden aber geheimgehalten.

Überregionale Tageszeitungen

 

Der
Standard

Die
Presse

Kurier

Kronen
Zeitung

Täglich
Alles

1995

5,0

3,9

 12,7

40,9 

 12,7

2000

5,7

5,4

11,8 

43,4 

– 

2002

5,7

5,3

11,1 

43,4 

– 

2004

5,4

4,4

10,3 

43,7 

– 

2010

5,3

3,8

8,1 

38,9 

– 

2011

5,0

3,7

8,1 

38,2 

– 

2012

5,0

3,7

8,5 

37,4 

– 

2013

5,5

3,8

7,6 

34,3 

– 

2014

5,7

4,2

8,2 

31,6 

– 

2015

5,4

4,0

8,3 

32,0 

– 

2016

5,3

4,0

7,6 

30,5 

– 

2017

6,5

4,2

7,3 

29,2 

– 

2018

7,8

4,6

7,4 

27,2 

–  

2019

6,6

4,2

7,0

27,2

2020

7,0

4,3

6,7

25,0

2021

7,2

3,8

6,3

23,3

2022

6,8

3,3

5,6

22,2

2023

6,6

3,5

5,5

22,3

2024

-

-

-

-

Regionale Tageszeitungen 

 

Kleine
Zeitung

OÖN

SN

TT

VN

1995

11,2 4,7 4,0 4,4 3,1

2000

12,5 5,6 4,5 5,2 3,6

2002

12,4 5,3 4,5 5,1 3,1

2004

12,2 5,5 3,9 5,0 3,0

2010

12,0 4,8 3,6 3,9 2,6

2011

11,3 5,0 3,4 3,9 2,4

2012

11,2 4,3 3,7 4,0 2,4

2013

11,2 5,0 3,6 3,7 2,3

2014

11,9 5,5 3,9 4,1 2,1

2015

11,5 5,0 3,2 3,7 2,3

2016

11,6 4,8 3,4 3,7 2,2

2017

10,5 5,0 3,5 4,0 2,2

2018

9,8 5,0 3,4 3,8 2,1

2019

10,4 4,7 2,9 3,7 1,8

2020

10,2 5,2 3,0 3,9 2,0

2021

9,3 5,4 3,1 3,1 2,1

2022

8,6 4,3 3,1 3,1 2,0

2023

7,6 4,7 3,1 3,3 2,0

2024

- - - - -

Gratisblätter

 

Heute

Österreich

1995

2000

2002

2004

2010

12,0

2011

13,1

2012

13,9

9,0

2013

13,8

10,6

2014

13,8

12,4

2015

12,9

12,6

2016

13,3

12,9

2017

11,7

13,5

2018

11,6

11,4

2019

12,2

8,8

2020

9,5

7,5

2021

9,3

6,8

2022

8,2

6,1

2023

8,8

4,7

2024

-

-

 Monats- bzw. Wochenmagazine

 

Servus

ORF-Nachlese

Gewinn

Die ganze

Woche 

1995

11,3

 6,9

– 

2000

10,5

8,8 

– 

2002

– 

– 

2004

7,3

5,9 

– 

2010

5,9

4,1 

13,2 

2011

6,3

3,5 

13,4 

2012

9,0

6,5

3,7 

13,4 

2013

10,6

6,2

3,4 

13,3 

2014

12,4

5,9

3,2 

10,6 

2015

12,6

5,7

3,3 

10,3 

2016

12,9

5,7

3,3 

10,6 

2017

13,5

8,6

2,7 

10,3 

2018

11,4

4,9

3,1 

10,3 

2019

11,1

5,5

2,5

9,8

2020

11,3

5,9

2,5

9,5

2021

10,3

5,6

2,2

9,4

2022

9,4

5,0

2,3

8,7

2023

10,8

5,1

2,9

8,5

2024

-

-

-

-

 Weitere Wochenmagazine

 

Nachrichten

Falter

News

Profil

Trend

1995

9,6

1,0

 19,7

8,5 

 7,3

2000

10,7

1,4

19,3 

9,4 

8,2 

2002

11,2

1,3

17,8 

8,1 

– 

2004

10,9

1,2

15,8 

6,5 

5,6 

2010

9,2

1,4

10,3 

6,3 

3,7 

2011

7,7

1,3

9,3 

5,9 

3,3 

2012

8,2

1,5

9,0 

6,2 

3,5 

2013

7,9

1,6

7,7 

6,0 

3,5 

2014

8,0

1,5

5,7 

4,7 

2,9 

2015

7,3

1,4

5,8 

4,8 

3,0 

2016

7,2

1,6

5,1 

4,5 

1,5 

2017

7,0

1,9

4,3 

4,1 

1,7 

2018

6,8

2,6

4,0 

4,0 

1,2 

2019

6,5

2,9

3,3

3,8

1,1

2020

6,1

3,2

2,5

3,7

1,2

2021

5,9

3,6

2,3

3,2

1,0

2022

5,1

3,3

2,2

3,1

2023

6,1

3,3

2,5

3,4

2024

-

-

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 Reichweite in Prozent

Quelle: Media-Analyse

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(Merk)würdig gedenken drucken

Im Kontext des 60. Jahrestages der Ungarnrevolution hat Paul Lendvai jüngst über einen „merkwürdigen Gedenktag“ in Budapest geschrieben. Er hat dabei die Art und Weise der Veranstaltungen sowie die Rede von Ministerpräsident Viktor Orbán reichlich kritisiert. Zugegeben: Man kann derzeit – schon wegen der zeitlichen Nähe – kaum auf die Ereignisse von 1956 zurückblicken, ohne sich auch mit deren aktuellen politischen Zusammenhängen beschäftigen zu müssen. Wir sollten aber eines klarstellen: Verzerrte, oberflächliche – eventuell politisch-ideologisch motivierte – Parallelen zwischen der damaligen Flucht der Ungarn und der jetzigen Migrationswelle sind völlig irreführend.

Die Flüchtlinge von 1956 sind aus einem Nachbarland im Kriegszustand gekommen. Sie haben die großzügige Hilfe der Österreicher mit Dank empfangen, aber die hiesigen Regeln eingehalten. Und die etwa 20.000 Ungarn, die längerfristig in Österreich geblieben sind, haben alles getan, sich baldmöglichst in ihrer neuen Heimat zu integrieren. Ob sich das mit der jetzigen Situation vergleichen lässt, kann jeder selbst beurteilen.

Was das „merkwürdige Gedenken“ betrifft: Die Lehren von 1956 für heute werden noch stark diskutiert – ebenso wie bei anderen historischen Ereignissen der letzten Jahrzehnte. Da scheint es umso merkwürdiger, wenn Herr Professor Lendvai „mit seinem durchaus kurvigen Lebenslauf“, jedoch offenbar im Besitz vermuteter Deutungshoheit (be)urteilt, wer die würdigen Vertreter der ungarischen Nation sind, und welche Folgerungen der ungarische Ministerpräsident aus den damaligen Ereignissen ziehen sollte.

Als merkwürdig – oder eher fragwürdig – sollte man auch bezeichnen, wenn in einem ’56-er Gedenkprogramm auf ORF III Lendvais neuestes Buch über Viktor Orbán präsentiert wird. Oder wenn er im Rahmen des „ORF-Schwerpunktes zum 60. Jahrestag des Ungarnaufstandes“ stundenlang die Persönlichkeit des ungarischen Ministerpräsidenten und das vermutete „Gift des Nationalismus“ in Ungarn analysiert.

Wenn wir schon bei diesem ORF-Schwerpunkt sind, sollte ich auch ein Beispiel erwähnen, das nicht einmal als fragwürdig bezeichnet werden kann. Wenn „Hörbilder“, wie bei der Ö1-Sendung „Grenzen – Ungarn 1956, 1989 und 2016“, drei verschiedene Vorgänge ohne Differenzierung zusammenmischt, kann man das zwar Collage nennen und dadurch dramatische Stimmungen erwecken. So werden aber die historischen Rahmenbedingungen sowie die oben erwähnten schwerwiegenden Unterschiede zwischen den einzelnen Ereignissen völlig außer Acht gelassen. Damit werden sowohl die damaligen als auch die jetzigen Geschehnisse falsch und verzerrt dargestellt.

Ich befürchte, solche Beiträge helfen keinesfalls weiter, wenn wir die für unsere Zeit geltende Botschaft von 1956 erkennen wollen. Umso mehr schaden sie dem Gedächtnis der Revolution. Im Sinne einer besonnenen Vergangenheitsbewältigung und in der Absicht eines würdigen Gedenkens möchte ich sagen: Wir neigen den Kopf vor den Helden des Ungarnaufstandes. Wir danken vom Herzen allen, die damals in Österreich den ungarischen Flüchtlingen mit Tat und Kraft geholfen haben – und auch denjenigen, die auch jetzt im gleichen Sinne für die Freundschaft unserer Länder auftreten.

János Perényi ist ungarischer Botschafter in Wien. Dieser Text war vom „Standard“ abgelehnt worden.

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Staaten, Völker, Nationalitäten: Anmerkungen zur Europäischen Minderheitenpolitik drucken

Mehr als ein Vierteljahrhundert ist verstrichen, seit mit der Öffnung des Drahtverhaus an der ungarisch-österreichischen Grenze die Friedhofsruhe der Völker, die unter der Pax Sovietica lebten, beseitigt wurde. Was bis 1989/90 mehr oder weniger mit der Ideologie vom neuen, dem sowjetischen Menschen zusammenzuschweißen versucht worden war, brach danach unter (zum Teil kriegerischem) Lärmen auseinander.

Da der marxistisch-leninistische „Internationalismus“ wich, meldeten sich Nationen und Völker(teile) zu Wort, die es eigentlich gar nicht mehr hätte geben dürfen, wenn das kommunistische Weltbild vom Aufgehen in einer neuen, friedliebenden und angeblich allen zwischennationalen Hader hinter sich lassenden Menschengemeinschaft den Sieg davongetragen hätte. Dass dem nicht so war/ist, führ(t)en zum Teil kriegerische Nationalitätenkonflikte zwischen Mare Balticum und Ochotzkischem Meer vor Augen.

Nationale Frage

Mit der Auflösung des russisch dominierten Sowjetimperiums und seines ihm ideologisch verbunden gehaltenen Vorhofs entstanden ebenso neue Nationalstaaten wie dort, wo unter serbischer Dominanz die balkanische Spielart des Stalinismus, der titoistische Jugoslawismus, Völker und Volksgruppen zu assimilieren trachtete. Dass die „nationale Frage" in Europa virulent ist, zeigten just die mit Waffengewalt ausgetragenen Sezessionskonflikte des nach Titos Tod rasch erodierenden südslawischen Staatsgebildes.

In den Nachfolgestaaten der Sowjetunion legten zunächst die moldauisch-transnistrischen, die georgisch-ossetischen sowie die armenisch-aserbaidschanischen Auseinandersetzungen blutige Nationalitätenkonflikte offen. Wenngleich derartige Konflikte im Baltikum, im Transkaukasus und in den vorwiegend orientalisch-muslimisch geprägten zentralasiatischen Staaten der Betrachtung von außen meist nur unterschwellig ins Auge fallen, sind sie von nicht minderer Brisanz. Dass dabei stets auch russische Interessen im Spiel waren/sind, zeigten die beiden Tschetschenienkriege und offenbaren die Vorgänge rund um die Annexion der Krim.

Am Verhalten einiger westeuropäischer Regierungen gegenüber den Selbständigkeitsbestrebungen der Slowenen und Kroaten, aber auch der Esten, Letten und Litauer (vor der völkerrechtlichen Anerkennung ihrer staatlichen Gemeinwesen, ja mitunter danach auch noch) war augenfällig geworden, dass die Furcht vor Separatismus im eigenen Lande das Handeln bestimmte. Dies rührte von der sich nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst verbreitenden Zuversicht her, wonach im Zuge der Europäisierung die Nationalstaaten allmählich verschwänden und somit die „nationale Frage" gleichsam als Erscheinung des 19. Jahrhunderts überwunden würde.

Vor allem die (westeuropäische) Linke – aber nicht nur sie – leistete mit der theoretisch-ideologischen Fixierung auf die Projektion der „multikulturellen Gesellschaft" einer geradezu selbstbetrügerischen Blickverengung Vorschub, indem man glaubte, mit deren Etablierung sei die infolge zweier Weltkriege entgegen dem Selbstbestimmungsrecht erfolgte willkürliche Grenzziehung quasi automatisch aufgehoben. Dabei hatte just die machtpolitische Ignoranz historisch-kulturräumlicher Bindung, ethnischer Zusammengehörigkeit sowie von Sprachgrenzen insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg zu spezifischen Minderheitensituationen geführt, deren Konfliktpotential bis in unsere Tage fortwirkt.

Während sich im Westen die Nationalstaaten überlebt zu haben schienen, sind die Völker Mittelost-, Ost- und Südosteuropas noch immer dabei, Sowjetismus und Titoismus abzustreifen. Der Denkfehler in der westlichen Welt bestand darin, zu glauben, staatliche Gebilde wie die „Jugoslawische Föderation" oder die „Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken" hätten sogleich etwas gemein mit der Europäischen Gemeinschaft, sobald man sich dort der Fesseln des Kommunismus entledigt habe. Anstatt dies zu unterstützen oder wenigstens Sympathie dafür aufzubringen und vor allem den „kleinen Völkern“, als die die in fremdnationaler Umgebung beheimateten Minderheiten bisweilen genannt werden, Gehör zu schenken, zeigt(e) sich zuvorderst in den Hauptstädten der zentralstaatlich geprägten Länder Westeuropas, dass die Sorge vor dem möglichen Aufbegehren der eigenen Minoritäten das Verhältnis zu den Eigenständigkeit einfordernden und zwischen Selbstverwaltung, Autonomierechten, Unabhängigkeit bis hin zu (klein)staatlicher Souveränität changierenden Nationen und Volksgruppen im Osten und Südosten des Kontinents bestimmt(e).

Zentralstaaten als Bremser

Frankreich gilt bisher geradezu als Verkörperung des Zentralismus. Weshalb viele der 370.000 Bretonen mit Sympathie die nach dem mehrheitlichen Brexit-Votum im Vereinigten Königreich wieder vernehmlicher werdenden Töne der schottischen Unabhängigkeitsbewegung verfolgen, welche im Referendum 2014 nur knapp gescheitert war.

Ähnliches gilt für die 150.000 Korsen, wobei die Nationalpartei PNC (Partitu di a Nazione Corsa) nicht unbedingt für die Unabhängigkeit Korsikas eintritt, was das Ziel bisweilen bombender Extremisten war/ist. Sie verlangt aber doch mehr Selbständigkeit anstatt politischer Steuerung durch Paris. Im Elsass sowie in Lothringen begnügt man sich hingegen offenbar mit einigen Zuständigkeiten in (sprach)kulturellen Angelegenheiten. Wenngleich nicht wenige der 978.000 deutschsprachigen Elsässer und Lothringer gegen die Verschmelzung ihrer Provinzen mit der Champagne und den Ardennen zur Region Alsace-Champagne-Ardenne-Lorraine protestierten, welche seit 1. Oktober 2016 kurz „Région Grand Est“ heißt.

In Spanien bekunden besonders die gut 10 Millionen Katalanen (in Katalonien, Valencia und Andorra) sowie 676.000 Basken (im Baskenland und in Navarra) immer wieder machtvoll ihren Willen, die Eigenstaatlichkeit zu erlangen. Davon wäre naturgemäß auch Frankreich betroffen, denn jenseits der Pyrenäen, im Pays Basque, bekennen sich gut 55.000 Menschen zum baskischen Volk. Der 2015 von der baskischen Regionalregierung verabschiedete Plan „Euskadi Nación Europea" enthält das Recht auf Selbstbestimmung und sieht ein bindendes Referendum vor.

In Belgien hat sich der (nicht nur sprachliche) Konflikt zwischen niederländischsprachigen Flamen und französischsprachigen Wallonen seit den 1990er Jahren zu einer latenten institutionellen Krise ausgewachsen und kommt einer Staatskrise ziemlich nahe. Von den 5,8 Millionen Flamen (52,7 Prozent der Bevölkerung), die sich ökonomisch gegen die Alimentierung der „ärmeren“ Wallonie (3,9 Millionen Wallonen; 35,8 Prozent der Bevölkerung) wenden und zunehmend für die Eigenstaatlichkeit eintreten, sprechen sich die wenigsten für den Erhalt des belgischen Zentralstaats aus. Die deutschsprachige Gemeinschaft, ein von 87.000 Menschen (0,8 Prozent der Bevölkerung) bewohntes Gebilde mit autonomer politischer Selbstverwaltung, eigenem Parlament und eigener Regierung, entstanden auf dem nach Ende des Ersten Weltkriegs abgetretenen Gebietes Eupen-Malmedy, gehört zwar territorial zur Wallonie, hält sich aber aus dem flämisch-wallonischen Konflikt weitgehend heraus. Dasselbe gilt für die 13.000 Luxemburger/Lëtzebuerger (0,1 Prozent) und 1.166.068 Ausländer (10,6 Prozent), die in Belgien leben.

Norditalien – unterschätzte Sprengkraft

Außerhalb Italiens werden die Unabhängigkeitsverlangen im Norden des Landes meist unterschätzt und zumindest in der Wissenschaftspublizistik weitgehend ausgeblendet. Die politische Klasse in Rom muss hingegen angesichts regionaler Erosionserscheinungen befürchten, dass Bestrebungen, sich von Italien zu lösen, an Boden gewinnen. So beteiligten sich im März 2014 im Veneto 2,36 Millionen Wahlberechtigte (63,2 Prozent der regionalen Wählerschaft) an einem Online-Referendum zum Thema Unabhängigkeit Venetiens, von denen 89,1 Prozent - das waren immerhin 56,6 Prozent aller Wahlberechtigten - auf die Frage „Willst Du, dass die Region Veneto eine unabhängige und souveräne Republik wird?", mit einem klaren „Ja“ antworteten. In unmittelbarer lombardisch-„padanischer“ Nachbarschaft zündelt die Lega Nord immer wieder mit Unabhängigkeitsverlangen und strebt ein aus der Lombardei, Piemont und Venetien zu bildendes Unabhängigkeitsbündnis an.

Nebenan, in der mit Sonderstatut, wie sie die Lega für die Lombardei anstrebt, versehenen Region Trentino-Alto Adige, ist in der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol (520 000 Bewohner; davon 62,3 Prozent Deutsch(sprachig)e; 23,4 Prozent Italiener; 4,1 Prozent Ladiner und 10,2 Prozent Personen, die sich bei der Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung nicht den genannten Autonomiestatuts-Ethnien zugehörig erklärten) seit zwei Landtagswahlperioden die verstärkte Hinwendung von deutschtiroler Wählern zu den deutschtiroler Oppositionsparteien zu registrieren. Dies rührt, neben unübersehbaren Abnutzungserscheinungen der seit 1945 dominanten Regierungspartei SVP und deren Aufgabe ihrer gut sechs Jahrzehnte gewahrten Äquidistanz zu den römischen Parteien, auch von den vielfältigen Maßnahmen Roms seit einigen Jahren her, sozusagen scheibchenweise die ansonsten international als Vorbild gerühmte Autonomie auszuhöhlen und damit zu entwerten. Dies könnte sich mit der anstehenden, auf noch mehr Zentralismus hinauslaufenden Staats- und Verfassungsreform, welcher die SVP-Kammerabgeordneten – wider die Warnungen der Opposition und von ehedem langjährigen politischen Verantwortungsträgern der eigenen Partei – zustimmten, noch weiter verstärken.

„Los von …“

Angesichts dessen ist es nicht allzu verwunderlich, dass die Befürworter des „Los von Rom“ in Südtirol Zulauf erhalten. Und sich, wie der 2014 in Meran sowie im Mai 2016 in Bruneck vom Südtiroler Schützenbund initiierter „Unabhängigkeitstag“ erwies, mit den politischen Kräften jener Bewegungen verbünden, welche das „Los von London, Madrid, Paris, Brüssel …“ für sich beanspruchen, sowie die Gewährung und Ausübung des Selbstbestimmungsrechts verlangen.

Warum hat die EU keine substantiellen Volksgruppen-Schutzmaßnahmen ergriffen? Weil zentralistisch organisierte Staaten wie Frankreich, Italien, Spanien, Rumänien, um nur die ärgsten Bremser zu nennen, deren Begehr prinzipiell ablehnend gegenüberstehen. Hinsichtlich Rumäniens ist beispielsweise darauf zu verweisen, dass das Verlangen der ungefähr 1,4 Millionen ethnischen Ungarn – und insbesondere der ca. 700.000 Szekler – nach Autonomie von der gesamten politischen Klasse des Staatsvolks sofort als Sezessionsbegehr (Stichwort: Trianon) gebrandmarkt wird.

Gemengelage

Was Inguschen sind oder Tschetschenen, Tataren oder Gagausen, Georgier (Grusinier) oder Abchasen, Osseten respektive Tscherkessen/Adygen unter den mehr als 100 kaukasischen und transkaukasischen Völkerschaften, das ist aufmerksamen Medien-„Konsumenten“ und politisch interessierten Zeitgenossen in den letzten 25 Jahren immer wieder durch Nationalitätenkonflikte bis hin zu kriegerischen Handlungen bekannt geworden. Doch viele der zahlreichen europäischen Minderheiten – wie beispielsweise in Russland Agulier, Awaren, Balkaren, Baschkiren, Bessermenen, Darginer, Ingrier/Ischoren, Kabardiner, Karatschaier, Karaimer, Kalmücken, Karelier, Lakken, Lesgier, Lipowenr, Mordwinen, Nogaier, Permjaken, Rutuler, Udmurten, Syrjänen, Tabasaraner, Taten, Tscheremissen, Tschurier, Tschuwaschen und Wepsen; und auf dem Balkan beispielsweise Aromunen/Wlachen, Arvaniten, Bunjawatzen, Goranen und Lasen – sind dem Namen nach oder der Zugehörigkeit zu Staaten oder Sprach(familie)n nach allenfalls Spezialisten bekannt.

Dies führt ein soeben in überarbeiteter und aktualisierter Auflage erschienenes „Volksgruppen-Handbuch“ deutlich vor Augen. (Christoph Pan, Beate Sibylle Pfeil, Paul Videsott: Die Volksgruppen in Europa, Wien; Verlag Österreich / Berlin; BWV- Berliner Wissenschafts-Verlag 2016; XLIX, 477 Seiten, gebunden; 88,-- €, Buch bei Amazon) Die umfassende Bestandsaufnahme fußt auf der Auswertung aller relevanten Volkszählungsergebnisse der Jahre 2009 bis 2014 und ruht analytisch auf jahrzehntelanger Arbeit des in Bozen ansässigen Südtiroler Volksgruppen-Instituts.

Demnach leben zwischen Atlantik und Ural 768 Millionen Menschen in 47 Staaten und 100 größeren oder kleineren Völkern. Jeder siebte Bewohner Europas fühlt sich einer Minderheit zugehörig, denn ein Siebtel aller Europäer, nämlich gut 107 Millionen Menschen, sind Angehörige größerer respektive kleinerer Minderheiten. Europa ist überaus reich an Kulturen und Sprachen; sie sind sozusagen konstitutives Element des Kontinents. Dabei sind ausweislich der klaren und präzisen Zu- sowie Einordnung die meisten der „38 minderheitenrelevanten Staaten Europas als Nationalstaaten konzipiert“, wenngleich sie tatsächlich „ethnisch inhomogen und in Wirklichkeit multinationale Staaten mit traditionellen Volksgruppen bzw. nationalen oder ethnischen Minderheiten sind, deren Bevölkerungsanteil von einigen wenigen Prozent bis zu 48 Prozent (z.B. Montenegro) reicht.“

Daher auch wird festgestellt: „Ethnische Homogenität in einem Staat, wie z.B. in Island oder San Marino, ist also die auf einige Zwergstaaten beschränkte Ausnahme und keinesfalls die Regel. Das hieraus sich ergebende Spannungsverhältnis zwischen nationalstaatlichem Organisationsmodell und dem soziologischen Phänomen Ethnizität markiert einen wichtigen Gesichtspunkt dessen, was unter dem herkömmlichen Begriff Nationalitätenkonflikt die europäische Entwicklung bis zur Gegenwart nachhaltig beeinflusst.“

Die beeindruckende Publikation möge zur Selbstvergewisserung dienen. Politischen Entscheidungsträgern in (und zwischen) den Nationalstaaten sei es geradezu als „Handwerkszeug“ empfohlen. Insbesondere die „Denkanstöße“ im Kapitel „Kollektiver Volksgruppenschutz und Separatismus“ seien ihnen nachdrücklich ans Herz gelegt.

Der Autor ist deutsch-österreichischer Historiker und Publizist

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Das Martyrium der Margarethe Ottillinger drucken

Man schreibt den 5. November 1948. Mit gebieterischem „Stoj“ („Halt“)und der MP im Anschlag beenden zwei Rotarmisten die Fahrt eines aus Linz kommenden und auf St. Valentin zusteuernden Pkw auf der Brücke über die Enns. Der Fluss bildet die Demarkationslinie zwischen amerikanischer und sowjetischer Besatzungszone in Österreich. Im Wagen sitzen Peter Krauland, Minister für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung, und Margarethe Ottillinger, mit 29 Jahren die jüngste Ministerialbeamtin der (wie das geteilte Deutschland) unter Besatzungsstatut stehenden Republik Österreich. Die promovierte Ökonomin leitet die Planungsabteilung des Ministeriums und ist die Vertraute des Ministers. Während Krauland unter Berufung auf seine Immunität als Regierungsmitglied alsbald die Fahrt nach Wien fortsetzen kann, wird seine „rechte Hand“ festgesetzt und nach ersten Vernehmungen in die Verhörzentrale der NKWD-Gegenspionage-Truppe „Smersch“ nach Baden bei Wien verbracht.

Wochenlang wird sie verhört, mal bei Tag, meist in der Nacht. Es ist eine Tortur. Stundenlang muss sie aufrecht stehen, nicht selten in eiskaltem Wasser. Die Pein heißt „Stehkarzer“: Schlafentzug, die Verweigerung des Gangs zur Toilette sowie unter die Dusche sollen sie zum „Geständnis“ bringen.

Doch längst ist in Moskau ihr Urteil gefällt: 25 Jahre Zwangsarbeit. Begründung: Spionage für die USA und Fluchthilfe für Andrej Didenko, einen russischen Erdöl-Fachmann, den sie im Zuge ihrer Arbeit kennengelernt hat. „Wir haben uns geliebt“, bekundet sie den Geheimdienstoffizieren gegenüber, die sie verhören. Und sie versteckt ihn in Graz, von wo aus er zu den Briten überläuft, die ihn an die Amerikaner weiterreichen, von denen er sich anwerben lässt.

Die beiden sollen sich nie mehr wiedersehen: Sie wird am 24. Mai 1949, kurz vor ihrem 30. Geburtstag, mit anderen Gefangenen in einem Viehwaggon in den Gulag-Bezirk 385 Potma in Mordwinien, 500 Kilometer südöstlich von Moskau, verbracht, wo 40.000 Männer und Frauen in Straflagern interniert waren. Den „Vaterlandsverräter“ Didenko hingegen entführen KGB-Agenten 1951 aus der Bundesrepublik Deutschland, wo er für die Amerikaner tätig war. Sein aus KGB-Akten erschlossener Weg endet in einer psychiatrischen Anstalt in Kasan an der Wolga, 800 Kilometer östlich Moskau.

Derweil ist das Martyrium der Margarethe Ottillinger noch lange nicht ausgestanden. Nach diversen Eingaben, in denen sie beteuert, nie für die USA spioniert zu haben, überstellt man sie im März 1950 in das berüchtigte Moskauer Massengefängnis Butyrka, wo sie das verlangte Geständnis trotz schmerzhafter und erniedrigender Untersuchungsmethoden nicht ablegt. Obwohl sie aufgrund verheerender hygienischer Verhältnisse an Ruhr erkrankt, wird sie nach Potma zurückgebracht und einen Monat später wieder nach Moskau überführt, nunmehr in eine Zelle in der KGB-Zentrale Lubjanka. Wiederum ist sie Schlaf entziehenden und auf psychischen Zusammenbruch zielenden nächtlichen Verhören sowie peinlichen, auch ins Körperliche gehenden Schikanen der Tschekisten unterworfen.

All ihre Beschwerden werden abgewiesen; es bleibt bei 25 Jahren Gulag. Bevor man sie im September 1952 in einem Güterwaggon in den „Polit-Isolator“ nach Vladimir 220 Kilometer nordöstlich von Moskau verbringt und der zunehmenden offiziellen Anfragen aus Österreich wegen die Arbeitslagerhaft in Gefängnisstrafe umwandelt, erkrankt sie schwer. So sie überlebe und heimkehre, gelobt sie, werde sie eine Kirche bauen.

Das Gelübde löst sie 20 Jahre nach ihrer Heimkehr in Österreich ein. Ottillingers Repatriierung wird im Zuge des zwischen Wien und Moskau geschlossenen Staatsvertrags von 1955 möglich, der auch die Amnestie von noch in sowjetischem Gewahrsam befindlichen Gefangenen vorsieht. Am 25. Juni 1955 fährt der Zug mit Heimkehrern in Wiener Neustadt ein. Margarethe Ottillinger, die man ob ihres geschwächten Zustands auf einer Bahre aus dem Waggon tragen muss, beschreibt den Augenblick später so: „Ich fand die Meinen wieder und erschrak, dass ich keine Tränen mehr hatte. So sehr war ich der Freude und Rührung entwöhnt“.

Nach Monaten der Rekonvaleszenz kommt sie – ihr vormaliges Amt existiert ebensowenig wie das Ministerium, in dem sie tätig gewesen – auf Empfehlung von Kanzler Julius Raab zur OMV, der „Österreichischen Mineralölverwaltung“, als deren Vorstandsmitglied sie 1962 erstmals wieder nach Moskau reist, um Gaslieferverträge auszuhandeln. In den 1970er Jahren lässt sie auf dem Georgenberg hoch über Wien nach einem Entwurf des Bildhauers Fritz Wotruba die aus 152 übereinander getürmten Betonblöcken gefügte Kirche „Zur Heiligsten Dreifaltigkeit“ errichten. Seinerzeit ob ihrer Monstrosität umstritten, sollte die „Wotruba-Kirche“ zu einer zwar abseits gelegenen, aber doch magnetisierenden Touristenattraktion werden.

Die tiefgläubige Frau, die die „schönsten Jahre des Lebens“ im Gulag verbringen muss, geht 1982 in Pension und tritt als Terziarin in die Ordensgemeinschaft der Servitinnen ein, die nach einer anerkannten Regel, jedoch nicht im Kloster leben. Zehn Jahre später, am 30. November 1992, stirbt sie 73jährig an einem erlittenen Blutsturz, dem Symptom einer fortgeschrittenen Krebserkrankung, welche wohl auf Spätfolgen der einst erlittenen physischen Torturen und psychischen Qualen zurückzuführen waren. Und sie beschließt ihr irdische Existenz, ohne je mit Bestimmtheit die Ursachen für sieben Jahre unvorstellbar harter sowjetischer Gulag-Haft erfahren zu haben.

Dem Grazer Historiker Stefan Karner ist es nunmehr gelungen, den „Fall Ottillinger“ restlos aufzuklären. Davon zeugt das hier ob seiner umsichtigen und sorgfältigen Edition zu rühmende Buch. Der Leiter des „Ludwig-Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgenforschung“, der sich unter anderem durch die Aufarbeitung der Akten und somit Klärung des Schicksals von Hunderttausenden in sowjetischem Gewahrsam befindlichen österreichischen und deutschen Kriegsgefangenen sowie mit gewichtigen, erkenntnisstarken und international beachteten zeitgeschichtlichen Publikationen zum Ost-West-Konflikt einen Namen machte, war indes schon 1991 anlässlich erster Einblicke in Akten des KGB auf den Fall gestoßen.

Zwar konnte er ihn in einem ersten 1992 erschienenen Buch schon aufrollen und einigermaßen erhellen. Doch die gänzliche Enträtselung gelang Karner erst, nachdem ihn „eine kleine Karteikarte, handgeschrieben, im Erdgeschoß des ehemaligen Sonderarchivs des Ministerrats der UdSSR, im Nordwesten der Stadt auf ihre Spur führte“. Aus ihrem Personalakt sowie den erst nach mehr als 20 Jahren einsehbaren, jahrzehntelang unter Verschluss gehaltenen KGB-Verhörprotokollen stieß Karner auf Details in Ottillingers Umfeld, die zuvor nicht bekannt waren und nunmehr die letzten Geheimnisse zu enträtseln halfen.

Entstanden ist daraus ein Buch, das sich – wiewohl als streng wissenschaftliche Publikation angelegt und allen Erfordernissen an Quellenkritik sowie Präzision voll entsprechend – spannend wie ein Kriminalroman ließt. Die photographische und/oder faksimilierte Wiedergabe von Dokumenten sowie Bildnisse untermauern die Authentizität der Geschehnisse sowie die Fährnisse, Schrecken und Grausamkeiten, welche das Schicksal dieser tapferen, auf Gottvertrauen bauenden Frau im Gulag vor Augen führen.

Der Fall ist alles andere denn singulär. Was Ottilinger widerfuhr, durchlitten auch Tausende andere Frauen und Männer, die – ob schuldig oder unschuldig – dieser Art sowjetischen Gewahrsams teilhaftig wurden. Stefan Karner hat mit der fundierten Darlegung und Darstellung des Schicksals der Margarethe Ottillinger zugleich auch den vielen Namenlosen, von denen die meisten irgendwo diesseits und jenseits des Urals verscharrt worden sind, einen Namen gegeben.

Der Autor ist deutsch-österreichischer Historiker und Publizist

Informationen zum Buch:

KARNER, STEFAN
Im Kalten Krieg der Spionage. Margarethe Ottillinger in sowjetischer Haft 1948-1955;
Innsbruck (Studien-Verlag) 2016;
244 Seiten, zahlreiche Abbildungen;  
19,90 EUR

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Die Kerzenmanifestation von Pressburg drucken

Wir schreiben das Jahr 1988, genauer gesagt den 25. März – 10.000 Bürger der Tschechoslowakei demonstrieren in Bratislava gegen ein Regime, das 19 Monate später völlig unerwartet kollabieren sollte. Damals, März 1988, haben wir in Wien dieses Vorgeschehen zur Samtenen Revolution vom November 1989 im Ausland kaum wahrgenommen. An der Spitze des Staates stand Gustav Husak, in den legendären Tagen des Prager Frühlings ein Reformer, der nach dem Einmarsch der Warschauerpakt-Staaten am 21. August 1968 in Prag, Pressburg und Kaschau (Kosice) wieder zum Stalinisten mutiert war. Er hatte Vasil Bilak und zwei seiner Genossen, die im August 68 die Sowjetunion um Hilfe gegen die Reformer um Parteichef Alexander Dubcek gerufen hatten, in die Regierung geholt und von dort aus sorgten die dann für eine 21-jährige politische Nacht, für eine neue Eiszeit des Kommunismus in Mitteleuropa.

Wir springen in die Gegenwart: Eine kleine Gruppe des Wiener Akademikerbundes unter der Leitung von Professor Günter Danhel (von 1996 bis zu seiner Pensionierung 2013 Direktor des Instituts für Ehe und Familie der Österreichischen Bischofskonferenz) machte sich Anfang April 2016 per Bahn auf den Weg nach Bratislava, um das Institut für nationales Gedächtnis kennenzulernen. Ein Mitarbeiter, Dozent Babal, betreute uns im Institut, dolmetschte und führte uns zuletzt zum Memorial der Kerzenmanifestation vor der Pressburger Oper.

Der Direktor des Instituts UPN (Ustav Pamäti Naroda) hieß uns willkommen und erläuterte das Projekt und die Geschichte des Instituts für nationales Gedächtnis. Während die Wende 27 Jahre zurückliegt, existiert UPN erst seit 14 Jahren. Es ist vergleichbar mit der ostdeutschen Gauck-Behörde, welche die Verbrechen der Stasi aufzuarbeiten hat. Hier geht es um die Rolle des StB (Státna bezpecnost´, StB), der tschechoslowakischen „Staatssicherheit“). UPN dient als Zeuge von Relativierungen der Wahrheit auch nach der Wende.

So ist es in der Slowakei kaum zu Gerichtsprozessen gegen kommunistische Funktionäre gekommen.

In einem Dorf in der Ostslowakei gibt es sogar eine Statue von Vasil Bilak, der seinerzeit als Mitglied des Zentralkomitees der tschechoslowakischen KP mit zwei Kollegen jenen berühmten Brief an die KPdSU gerichtet hatte, der die Invasion der Warschauerpakt-Truppen im August 1968 legitimierte. Der Brief enthielt eine Attacke auf den Reformer Alexander Dubcek und verwies auf die Gefahr für den Kommunismus, wenn nicht von Moskau aus eingeschritten würde. Bilak und Genossen forderten eine militärische Niederschlagung der Reformbewegung unter Dubcek. In seinem Heimatdorf hat Bilak allerdings sehr positiv gewirkt, weshalb die Dorfbewohner dem mittlerweile Verstorbenen bis heute die Treue halten. Wenn auch offensichtlich nicht alle. Eines Tages wurde rote Farbe auf den steinernen Herrn Bilak geschüttet. Es gab zwei Anzeigen wegen Beschädigung von fremdem Eigentum. 

In der CSSR darbten von 1948 bis 1989 an die 250.000 politische Gefangene, davon 71.000 in der Slowakei. 250 wurden hingerichtet, 600 sind im Gefängnis gestorben, vor allem jene, die in den tschechischen Urangruben arbeiteten. 400 Menschen wurden an den Grenzen der CSSR zu Deutschland und Österreich erschossen. 8.000 kamen in Arbeitslager, 5.000 haben den Militärdienst verweigert und wurden zu Schwerarbeit verdonnert. Zudem waren davor ab 1944 bis 1949 mehr als 6000 Menschen in die Sowjetunion entführt worden, um dort als billige Arbeitssklaven zu dienen. Erst nach Stalins Tod konnten jene, die überlebt haben, in die Heimat zurückkehren.

Als die Kommunisten 1948 die totale Kontrolle über die CSR übernahmen, unterdrückten sie sofort die Katholische Kirche. Alle Klöster wurden aufgelöst, Mönche und Nonnen kamen in Arbeitslager. Die Bauern mussten Kontingente abliefern und in LPGs eintreten, deren Vermögen wurde eingezogen. Eine Lebensmittelkrise war die Folge. Und sowieso wurden alle Privatbetriebe verstaatlicht.

Die schwerste Verfolgung geschah in den 1950er Jahren, das war die Zeit unter Parteichef Klement Gottwald, in der ein Gustav Husak gezwungen wurde, seinen eigenen Kot aufzuessen. Auch KP-Anhänger und Funktionäre wurden hingerichtet. Und dann kam es noch einmal hart daher – nach dem Einmarsch 1968. „Heute ist es wichtig zu sagen, wer Opfer war und wer Verfolger“, meint der UPN-Direktor.

2002 wurde im Parlament das Gesetz über das Nationale Gedächtnis nach polnischem Muster verabschiedet. Dieses Gedächtnis ruht in 10.500 Schachteln auf 70.000 Mikrofilmen. 2015 gab es eine Konferenz mit dem österreichischen Universitätsprofessor Stefan Karner vom Boltzmann-Institut über den StB. Mit Karner wurde eine Monographie produziert: „STOP“. Es kam zu einer Anzeige gegen UPN, weil Täternamen veröffentlicht worden waren. UPN verlor den Prozess und muss nun eine Entschädigung über 1,3 Millionen € zahlen. „Das führt dazu, dass die Opfer das Vertrauen verlieren. Sie selber bekommen nämlich keine Entschädigung“, bedauert der Herr Direktor diese Entscheidung der Justiz.

Premier Robert Fico hat sich im Institut noch nicht blicken lassen. Aber es gibt in den Schachteln eine Akte über ihn. Neben Archiv und der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Dokumente gehört auch die „oral history“ zu den Aufgaben des UPN. Hier werden Zeugenaussagen aus der Zeit unter dem Kommunismus und Nationalsozialismus gefilmt, aufbewahrt und der Forschung zur Verfügung gestellt. 

Ein Botschaftsrat der Russischen Botschaft in Bratislava hat sich eine Woche vor unserem Besuch bei UPN gemeldet. Die Russen wollen Mitglied einer internationalen Gedächtnisorganisation werden. Der Botschaftsrat sah sich auch den Film über die Kerzenmanifestation an. Der Film, den wir hier auch gleich zu sehen bekamen, ist insoferne sensationell, weil er ausschließlich aus Material des Archivs des StB besteht – ungekürzt und unbearbeitet. Niemand sonst hatte damals filmen dürfen und Handykameras gab es ja noch nicht.

Wir hörten beim Betrachten des Films alle Anweisungen und Kommentare der vorgesetzten Offiziere und Parteifunktionäre im Originalton. Beim Mitlesen der vom UPN eingefügten englischen Untertitel wird rasch klar, dass damals, im März 1988, die Polizei ihren Einsatz absichtlich verzögerte, und wir hörten, wie die Anweisungen immer aufgeregter wurden und die Polizei mit ihren Wasserwerfern immer langsamer. Der stille Widerstand hatte bereits Partei und Sicherheitsorgane erfasst. In der CSSR herrschte noch der Bilak´sche Stalinismus, ein Regime wie eingefroren in der sowjetischen Diktatur ab August 1968. Aber in der UdSSR waren 1988 bereits seit drei Jahren neben Gorbatschow die Reformer Anatoli Sobtschak, Georgi Arbatow, Alexander Jakowlew, Valentin Falin u.v.a. am Werk, und in Moskau war Boris Jelzin bereits Bürgermeister, der dann am 11. Juni 1991 in der ersten freien Wahl Russlands zum Präsidenten der RSFSR gewählt werden sollte. Die Situation des Widerstands war ab 1985 demnach eine andere als ab 1968, anders als 1956 in Ungarn und anders als 1953 in Ostberlin.

Sensationell auch der Auftritt eines guten alten Bekannten. Jan Carnogursky, später als Obmann der christdemokratischen Partei KDH Regierungschef der Slowakei, zeigte sich im Film als von der StB verfluchter Organisator der Kerzenmanifestation. Es war eine Demonstration gegen den Kommunismus, für Bürgerrechte und Religionsfreiheit, die erste ihrer Art seit der Invasion 1968. Als Rechtsanwalt hatte Carnogursky davor auch Dissidenten vertreten. Danach wurde er eingesperrt. Mir war das bis dato unbekannt.

Wir haben ihn erstmals kennengelernt, als Christian Zeitz 1990 in seiner Funktion als Landesgeschäftsführer der ÖVP-Wien Stadtfeste in Wien, Budapest und Pressburg organisierte. Später gab es mehrere Anlässe, Jan zu erleben: bei Vorbereitungen zu Fahrten zur EZB in Frankfurt, zur Europäischen Investitionsbank EIB in Luxemburg und zum Europaparlament in Strassburg samt Empfang durch Otto von Habsburg. Die slowakischen Dissidenten, die wir mitnahmen, sind später alle etwas geworden, Europaparlamentarier, Minister, Botschafterinnen usw. Als wir versuchten, ein Wasserkraftwerk bei Devin (gegenüber von Wolfsthal) anzuleiern, sprachen wir ebenso mit Jan Carnogursky wie mit seinem Bruder Ivan Carnogursky (er gilt als der Erbauer des Donaukaftwerkes Gabcikovo), sowie, als Christian Zeitz später gar ein ganzes, komplexes S-Bahnsystem für die Region Bratislava vorschlug. Wir hatten nicht gewusst, dass Jan Carnogursky früher schon so aktiv im slowakischen Widerstand verwurzelt gewesen war. Nun verdanken wir also dem StB diesen Filmbericht mit der Information über Jan Carnogursky – und danken dem UPN, das ihn uns zugänglich machte. 

Das Archiv des Instituts enthält auch Daten über die Verbrechen der Nazi-Deutschen. So wurden 1944 an die 70.000 Juden und Roma in die Vernichtungslager geschleust. Danach hatte die Gegenseite tausende Slowaken in die sowjetischen Gulags transportiert. Man beschuldigte sie der Kollaboration mit Hitler, aber die meisten waren unschuldig. Russland brauchte nach dem Krieg Arbeitskräfte.

Eine Ahnung des Kommenden hatte Kardinal Tomaschek im April 1989 einer Delegation des Wiener Akademikerbundes vermittelt. Eine Petition der Katholischen Kirche nach Restitution und Wiedereinführung des Religionsunterrichts an den Schulen haben 1,6 Millionen Menschen unterschrieben. Der Kardinal:

Überlegen Sie doch, was es bedeutet, wenn so viele Bürger des Landes keine Angst mehr haben und so etwas offen mit Angabe der Adresse unterschreiben, worauf normalerweise schwere Sanktionen folgen. Das Regime ist am Ende. Es steht auf tönernen Füßen“.

Der damals 89-jährige Tomaschek war noch aus einem anderen Grund überzeugt, dass die Stunde der Freiheit bald schlagen würde:

„Ich habe mit Gott einen Pakt geschlossen, dass er mich nicht eher sterben lässt, bevor ich nicht die Freiheit von Böhmen, Mähren und der Slowakei erlebt habe.“

Und in der Tat: Am 12. November 1989 wurde Agnes von Böhmen in Rom heiliggesprochen.

Agnes von Böhmen (auch Agnes von Prag; Svatá (heilige) Anežka ?eská, auch Anežka P?emyslovna), geboren am 20. Januar 1211 in Prag; gestorben am 6. März 1282 ebenda, war eine Klostergründerin und böhmische Prinzessin, die jüngste Tochter von Ottokar I. P?emysl und Konstanze von Ungarn. Von 1235 bis 1237 wirkte sie als Äbtissin des Agnesklosters in der Prager Altstadt. Die Kanonisierung gilt heute als ein Vorzeichen für die Samtene Revolution, die knapp eine Woche später ihren Anfang nahm. Der Heiligsprechung gingen im Jahr 1989 monatelange Verhandlungen und Vorbereitungen in der damaligen Tschechoslowakei voraus. Denn viele tschechische Pilger wollten nach Rom reisen. Der Herr des Prager Veitsdoms erlebte aber nicht nur das mit, sondern auch einen großen Papstbesuch im April 1990 durch den Slawen Karol Wojtyla aus Krakau, der im Oktober 1978 zum Papst Johannes Paul II. aufgestiegen war. Kardinal Frantischek Tomaschek trat 1991 mit 92 Jahren von seinem Amt als Erzbischof von Prag zurück und starb am 4. August 1992. Johannes Paul II. besuchte Böhmen, Mähren und die Slowakei noch einmal 1995; und die Slowakei – er war schon schwer von Parkinson gezeichnet – wieder im Jahr 2003.

Der 25. März 1988 hätte den Westen aufrütteln können, aber wir hörten damals nichts von einem Lichtermeer vor der Pressburger Oper, von Kerzen rund um den großen Theaterplatz nahe der Donau. Das Regime hat die Manifestation tausender flackernder Lichter an diesem Regentag verschwiegen und keine Kunde drang nach außen, auch nicht ins nahe Wien. Hugo Portisch, die österreichische Ikone für Zeitgeschichte, hatte ja noch im Mai 1968 in einer Fernsehreportage aus Bratislava gemeint, wir lebten nicht mehr in der Zeit von Budapest 1956 und der Einsatz sowjetischer Panzer sei in der neuen Zeit unwahrscheinlich geworden. Es kam aber doch dazu – In der Nacht vom 21. August besetzten sowjetische Fallschirmjäger die Flughäfen von Prag, Brünn, Pressburg und Kaschau. Dubcek gab die Anweisung, keine Gewalt anzuwenden. Am Vormittag strömten bereits hunderttausende Truppen aus Polen, der Ukraine, Ungarn und Bulgarien in das Land. Rumänien unter Nicolae Ceausescu und Josip Broz Tito in Jugoslawien fühlten sich ebenso bedroht.

50.000 Soldaten der Nationalen Volksarmee der DDR gingen bei Dresden in Stellung, bereit, im Notfall den Bruderarmeen des Warschauer Paktes auf tschechischem Territorium zu Hilfe zu kommen. Freilich wünschte sich niemand einen neuen Einfall deutscher Truppen in Böhmen. Es blieb dann gegen den Protest von Parteichef Walter Ulbricht bei der Stationierung einer kleinen Truppe einer ostdeutschen Nachrichteneinheit in Pilsen, die jedoch für die Koordination der Warschauerpakt-Truppen in der CSSR sehr wichtig war. 

Parteichef Alexander Dubcek und die gesamte Riege der Reformer des Prager Frühlings mussten gehen. Staatspräsident General Ludvik Swoboda, beileibe kein Liberaler, schmiss in Moskau vor Breschnew alle seine sowjetischen Orden aus dem Zweiten Weltkrieg hin, konnte aber keinen Rückzug der Russen bewirken. In diesem Sommer 1968 wurde der Frühling schlagartig zum Winter.

Und so blieb es bis zum 17. November 1989. Diesmal regierte in Moskau ein Parteichef der Hoffnung und Öffnung, Michail Sergejewitsch Gorbatschow, der während seines Jusstudiums an der Lomonossow-Universität in Moskau in den fünfziger Jahren den späteren tschechischen Reformer und Chef des Zentralkomitees der KPC, Zdenek Mlynar, zum Zimmergenossen hatte. Sie haben damals nächtelang die Notwendigkeit einer Reform des Kommunismus diskutiert. Mlynar war neben Josef Smrkovsky, Frantischek Kriegel und Eduard Goldstücker die treibende Kraft des Prager Frühlings. Als Generalsekretär des ZK saß er an einer entscheidenden Stelle. Er war jene Sorte von Politiker, der nach einem Besuch in Paris 1967 im engsten Kreis sagen konnte: Mein Gott, was machen wir eigentlich unseren Leuten vor! Unser System ist ein Betrug am Volk.

Mlynar war 1988 bei der IASA in Wien beschäftigt, als ich selber gerade bei der deutschen Prawda für Adolf Winter arbeitete, Inserate einholte und auf einer speziellen Seite eigene Beiträge brachte. Winter war zuvor wegen Korruption beim Bau des AKH zu 8 Jahren Jahren Haft verurteilt worden und musste nach 4 Jahren nur mehr die Nacht im Gefängnis verbringen. Mit einem Dolmetscher hatte er die Königsidee, die russische Prawda täglich per Standleitung nach Wien zu leiten, und hier übersetzen und bei Goldmann in Tulln drucken zu lassen. In der Prawda hatte 1985 das begonnen, was in Prag zuvor als „Frühling 68“ bezeichnet wurde. In Russland hieß das mit Amtsantritt von Gorbatschow „Glasnost und Perestroika“ (Politische Transparenz und Umbau der ineffektiven Planwirtschaft in Richtung Marktwirtschaft). Die deutsche Prawda – eine 1 : 1- Übersetzung des sowjetischen Originals – eignete sich daher gut, den Diskussionsprozess in der Sowjetunion zu verfolgen.

Von der Kerzenmanifestation in Pressburg, März 88, freilich, war in der Prawda nichts zu lesen. Am Höhepunkt, Juli 1988, wurden täglich per Kolporteuren an die 6000 Exemplare auf den Wiener Straßen und Plätzen verkauft. Ein paar hundert wurden in Südtirol an den Mann gebracht, in West- und Ostdeutschland und in Dänemark. Im Dezember 1988 hatte dann das Interesse nachgelassen und Freigänger Winter stellte die Produktion ein. Immerhin war es mir im Sommer noch gelungen, den Evolutionsphilosophen Prof. Christof Günzl aus Velden am Wörthersee mit Zdenek Mlynar zu einem Treffen zu bringen und einen Artikel darüber in der deutschen Prawda zu veröffentlichen (Was übrigens bei Erich Honecker in Ost-Berlin gar nicht gut angekommen ist). Günzl hatte 1968 beim ersten Philosophenkongress in Wien die Auswirkungen des Prager Frühlings voll gespürt und die beiden nun alten Männer hatten viel miteinander zu besprechen. So sagte damals Mlynar:

Das ist das also, was dieser Vasil Bilak erreicht hat, dass nämlich heute das traditionell antikatholische und atheistische Böhmen nun zur Kirche zurückkehrt“.

Paul Fischer ist langjähriger Redakteur, er schreibt an mehreren Büchern und ist Mitglied im Vorstand des Wiener Akademikerbundes. Dieser Text stammt aus dem Buch „Die Erde in ihren Wehen“, das im Herbst 2016 im Novum-Verlag, München, erscheint (bzw. united p.c., Neckenmarkt). 

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Blut, Ehre und Scharia - Hitler und Rosenberg drucken

Wer behauptet, niemand habe gewusst, was die Nationalsozialisten beabsichtigen, war entweder Analphabet, Ignorant oder von den plakativen Heilsversprechungen der Nationalsozialisten geblendet. Als Adolf Hitler nach der Wahl zum 8. Deutschen Reichstag im März 1933 Reichkanzler wurde, musste zumindest allen Intellektuellen klar gewesen sein, was kommen würde. Die Bücher „Mein Kampf“ von Adolf Hitler (erschienen in zwei Teilen 1924 und 1925), „Blut und Ehre[1]“ von Alfred Rosenberg (Sammelband mit Aufsätzen ab 1919) und „Der Mythus des 20. Jahrhunderts“ von Alfred Rosenberg (erstmals erschienen 1930) enthielten die gesamte Ideologie des Nationalsozialismus.

Besonders aufschlussreich sind die Bücher Rosenbergs, der als Student 1917 in Moskau die kommunistische Revolution erlebte, was sein späteres Leben prägte. Der Historiker Rosenberg wurde Hitlers Chefideologe. Im Klappentext zu „Der Mythus des 20. Jahrhunderts“ heißt es u.a.: „Rosenberg erweist sich […] als ein genialer Denker und ein begnadeter Seher, der mit dem untrüglichen Blick seiner hellen Augen rückschauend den Nebel von Jahrtausenden durchdringt und dann wieder vorwärtsblickend den einzig richtigen Weg in die Zukunft weist. Der Mythus des 20. Jahrhunderts ist der Mythus des Blutes, der unter dem Zeichen des Hakenkreuzes die rassische Weltrevolution entfesselt, es ist das Erwachen der Rassenseele, die nach langem Schlaf das Rassenchaos siegreich beendet.“

Selbstverständlich konnten und wollten sich große Teile der Bevölkerung keine Bücher leisten. Die Grundlagen für die anfängliche Begeisterung für den Nationalsozialismus war in einem tief sitzenden Antisemitismus und in Rachegefühlen nach dem Schmach des 1. Weltkrieges zu suchen. Das ändert nichts an der Tatsache, dass in den erwähnten Büchern die gesamte Ideologie des Nationalsozialismus samt seinen Absichtserklärungen zu finden war und heute noch ist.

Die Anmerkungen über Hitler und Rosenberg sind notwendig, um die nachfolgenden Anmerkungen besser einordnen und als Warnung verstehen zu können. 

Die Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte durch die UNO aus dem Jahr 1948 veranlasste die islamischen Länder, über eigene Menschrechtserklärungen nachzudenken. So kam es zu mehreren Beschlüssen. Die bekanntesten sind

  • „Die Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam“ (beschlossen auf der 19. Konferenz der Außenminister der Organisation islamischer Länder am 5. August 1990) und
  • „Die Arabische Charta der Menschenrechte“ (verabschiedet vom Rat der Liga der arabischen Staaten am 15. September 1994).

Beide Texte enthalten altbekannte Forderungen, die bereits im römischen Recht und in so gut wie allen Verfassungen und Grundgesetzen freier westlicher Staaten zu finden sind. Die Inhalte sind jederzeit überprüfbar. Die genannten Dokumente und viele andere sind auf mehreren Internetseiten (UNO, Internationale Gerichtshöfe usw. zu finden).

Genau das ist der Punkt.

Wir können uns – so wie die Bürger der Weimarer Republik – über die Absichten des politischen Islams informieren. Dabei ist folgendes besonders zu beachten: Es geht hier nicht um auszulegende Korantexte, obskure Äußerungen irgendeiner Muslimbruderschaft oder aggressive Drohungen des „Islamischen Staates“. Es geht hier um hochoffizielle und beschlossene Papiere hochrangiger Politiker islamischer Staaten.

Die nachfolgenden Textstellen stammen alle aus der „Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam“. Sie sprechen für sich.

Art. 2a) Das Leben ist ein Geschenk Gottes, und das Recht des Lebens wird jedem Menschen garantiert. Es ist die Pflicht des einzelnen, der Gesellschaft und der Staaten, dieses Recht vor Verletzungen zu schützen, und es ist verboten, einem anderen das Leben zu nehmen, außer wenn die SCHARIA es verlangt. 

Art. 2c) Solange Gott dem Menschen das Leben gewährt, muss es nach der SCHARIA geschützt werden.

Art. 2d) Das Recht auf körperliche Unversehrtheit wird garantiert. Jeder Staat ist verpflichtet, dieses Recht zu schützen, und es ist verboten, dieses Recht zu verletzen, außer wenn ein von der SCHARIA vorgeschriebener Grund vorliegt.

Art. 7b) Eltern und Personen, die Elternteile vertreten, haben das Recht, für ihre Kinder die Erziehung zu wählen, die sie wollen, vorausgesetzt, dass sie dabei die Interesse und die Zukunft der Kinder mitberücksichtigen und dass die Erziehung mit den ethischen Werten und Grundsätzen der SCHARIA übereinstimmt.

Art. 10) Der Islam ist eine Religion der reinen Wesensart. Es ist verboten, irgendeinen Druck auf einen Menschen auszuüben oder seine Armut oder Unwissenheit auszunützen, um ihn zu einer anderen Religion oder zum Atheismus zu bekehren.

Art. 12) Jeder Mensch hat innerhalb des Rahmens der SCHARIA das Recht auf Freizügigkeit und freie Wahl seines Wohnortes, entweder innerhalb oder außerhalb seines Landes. Wer verfolgt wird, kann in einem anderen Land um Asyl ansuchen. Das Zufluchtsland garantiert seinen Schutz, bis er sich in Sicherheit befindet, es sei denn, sein Asyl beruht auf einer Tat, die nach der SCHARIA ein Verbrechen darstellt.  

Art. 16) Jeder hat das Recht, den Erfolg seiner wissenschaftlichen, literarischen, künstlerischen oder technischen Arbeit zu genießen und die sich daraus herleitenden moralischen und materiellen Interessen zu schützen, vorausgesetzt, dass die Werke nicht den Grundsätzen der SCHARIA widersprechen.

Art. 19d) Über Verbrechen oder Strafen wird ausschließlich nach den Bestimmungen der SCHARIA entschieden.

Art. 21) Geiselnahme in jeder Form und ganz gleich zu welchem Zweck ist ausdrücklich verboten. [Anmerkung: Diesen Artikel des absoluten Geiselnahmeverbots dürften die Schariaapostel des IS übersehen haben.] 

Art. 22a) Jeder Mensch hat das Recht auf freie Meinungsäußerung, soweit er damit nicht die Grundsätze der SCHARIA verletzt.

Art. 22b) Jeder Mensch hat das Recht, in Einklang mit den Normen der SCHARIA für das Recht einzutreten, das Gute zu verfechten und vor dem Unrecht und dem Bösen zu warnen.

Art. 23b) Jeder Mensch hat das Recht, sich direkt oder indirekt an der Verwaltung der Staatsangelegenheiten in seinem Land zu beteiligen. Er hat auch das Recht, in Einklang mit den Bestimmungen der Scharia ein öffentliches Amt zu bekleiden. 

Art. 24) Alle Rechte und Freiheiten, die in dieser Erklärung genannt wurden, unterstehen der islamischen SCHARIA.

Art. 25) Die ISLAMISCHE SCHARIA ist die einzige zuständige Quelle für die Auslegung oder Erklärung jedes einzelnen Artikels dieser Erklärung.

Parallelen und Kompatibilität

Die Parallelen zwischen Nationalsozialismus, Marxismus und Islamismus (politischer Islam) sind mit Händen zu greifen. Auch Hitler, Rosenberg und Stalin hatten Mühe, Marxismus und Nationalsozialismus argumentativ zu trennen. Es würde den Platz hier sprengen, auf dieses Thema weiter einzugehen, es wäre dazu ein weiterer Aufsatz erforderlich. 

Als ‚pars pro toto‘ seien hier zwei Texte angegeben: Alfred Rosenberg schrieb in seinem Buch „Der Mythus des 20. Jahrhunderts“ auf Seite 565 (Hoheneichenverlag München, 1941): „Es ist deshalb nur zu berechtigt, endlich einmal folgende Forderung aufzustellen: Jeder Deutsche und in Deutschland lebende Nichtdeutsche, der durch Wort, Schrift oder Tat sich einer Beschimpfung des deutschen Volkes schuldig macht, wird, je nach Schwere des Falls, mit Gefängnis, Zuchthaus oder mit dem Tode bestraft. Ein Deutscher, der außerhalb der Reichsgrenzen genanntes Vergehen begeht, wird, falls er sich nicht dem deutschen Gericht stellt, für ehrlos erklärt. Er verliert alle Staatsbürgerrechte, wird für immer des Landes verwiesen und in die Acht getan. Sein Vermögen wird zugunsten des Staates beschlagnahmt.“

In der „Kairoer Erklärung“ heißt es in Artikel 22c: „Information ist lebensnotwendig für die Gesellschaft. Sie darf jedoch nicht dazu eingesetzt werden, die Heiligkeit und Würde des Propheten zu verletzen, die moralischen und ethischen Werte auszuhöhlen und die Gesellschaft zu entzweien, sie zu korrumpieren, ihr zu schaden oder ihren Glauben zu schwächen.“

Immerhin wird hier nicht die Todesstrafe gefordert.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat am 13. Februar 2003 in einem Grundsatzurteil festgestellt: „Die Scharia ist inkompatibel mit fundamentalen Prinzipien der Demokratie.“ Diese Feststellung ist deshalb von Bedeutung, weil die europäischen Moslems laut repräsentativer Umfragen mehrheitlich beteuern, dass die Scharia des Islam über unseren staatlichen Gesetzen stehe. Es ist schon eine größere Portion Dummheit und Ignoranz, zumindest aber Naivität, nötig um glauben zu können, dass diese erschreckenden Tatsachen irgendwann unter einen friedlichen Hut gebracht werden können. 

Mag. Dr. Rudolf Öller, Jg. 1950, ist gebürtiger Oberösterreicher, promovierter Genetiker und pensionierter AHS-Lehrer. Er ist freier Wissenschaftsjournalist (Blog: www.scientific.at), ehrenamtlicher Rettungssanitäter und Lehrbeauftragter beim Roten Kreuz.

Fußnote:

[1] Die Verwendung des Begriffs „Blut und Ehre“ im propagandistischen Sinn ist strafbar, die Erwähnung des Buchtitels selbstverständlich nicht.

 

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Spanien: Die manipulierte Geschichtsschreibung drucken

Am Karmelitermarkt in 2. Wiener Gemeindebezirk gibt es ein Gedenkrelief für einen gewissen Alfred Ochshorn und einige kleinere Tafeln (im Format der sogenannten „Stolpersteine“) für andere Leute, die in Spanien „gegen den Faschismus kämpften“. Da sich der Beginn des Spanischen Bürgerkriegs, der 17. Juli 1936, bald zum achtzigsten Mal jährt, sei hier auf dessen heute im Bewußtsein der Öffentlichkeit so gut wie nicht präsenten Hauptaspekt verwiesen: die Aggression von Kommunisten und Anarchisten gegen Kirche und Katholiken und die Ermordung von etwa 7.000 katholischen Priester und Ordensleuten, darunter dreizehn Bischöfe. Diese Aggression begann lange vor 1936 und war der Anlaß zur Erhebung der Generäle.

Am 17. Juli 1936 erhoben sich nach längerem Zögern Generäle der spanischen Armee gegen die „Volksfront“-Regierung. Dieser war die Kontrolle über das Land längst entglitten. Spanien war nach der erzwungenen Abdankung von König Alfons XIII. im April 1931 und der Ausrufung der Republik instabil geworden. In wenigen Jahren gab es mehrere Regierungswechsel, zuletzt im Februar 1936 mit dem Wahlsieg der von linken und liberalen Kräften dominierten „Volksfront“. Der Vorwurf von Wahlmanipulationen stand dabei im Raum.

Straßenschlachten und politische Morde waren an der Tagesordnung. Die Sowjetunion, die das Zarenreich in präzedenzlosen Terror gestürzt hatte, nahm Spanien als Revolutionsgebiet ins Visier. Man konnte sich ohne bewußte Überanstrengung der Phantasie vorstellen, wohin die Unterstützung Stalins für die spanischen Kommunisten führen mußte.

Die Feindseligkeiten hatten, wie gesagt, einen kulturkämpferischen, ja ausgesprochen religiösen Hintergrund. Sie waren gegen die Katholische Kirche gerichtet. Revolutionäre Kreise bezeichneten die Kirche als „rückständig“ und bezichtigten sie der „Unterdrückung“ der Menschen.

Mit welchem Recht? Und was heißt genau „Unterdrückung“, wenn Volk und Hierarchie denselben Glauben haben? Dieser Glaube machte Spanien zu dem, was es war.

Terror gegen die Katholiken und die Katholische Kirche – in Spanien nichts Neues

Es war erst die Zeit von etwa zwei Menschenleben vergangen, seit Spanien sich erfolgreich gegen den Terror Napoleons gewehrt hatte. Auch dieser hatte eine ausdrücklich antichristliche Stoßrichtung.

Er richtete sich in jakobinischer Tradition gegen das Heilige und versuchte es aus den Herzen und Köpfen der Spanier zu reißen. Die Spanier wehrten sich in Kleinkriegstaktik („Guerilla“) und rächten die Morde an den Priestern und die Schändung ihrer Kirchen, Klöster und Friedhöfe auf fürchterliche Weise an napoleonischen Revolutionssoldaten.

Was also am Anfang des 19. Jahrhunderts geschehen war, wiederholte sich etwa hundertdreißig Jahre später. Den Älteren mussten die Erzählungen ihrer Großeltern noch in den Ohren hallen, als sie in der neuen Republik, der zweiten in Spanien, die Klöster und Kirchen brennen sahen.

Immerhin waren damals schon katholische Priester und Nonnen ermordet und Dutzende Kirchen abgebrannt worden. Dieser Terror breitete sich nach dem 17. Juli explosionsartig aus.

Was veranlasst Menschen dazu, Priester und Ordensleute zu ermorden, lebendig zu begraben, zu verbrennen oder zu kreuzigen? Was ist das Motiv, Ordensfrauen zu vergewaltigen, sie öffentlich zu demütigen und dann umzubringen? Ganz offensichtlich nicht das Bestreben, legitime soziale Anliegen zu verwirklichen. Im Gegenteil ist es ein ideologisch verbrämter satanischer Hass, wie er knappe zwei Jahrzehnte zuvor in Rußland ausgebrochen war. Auch dort ging es nicht um berechtigte soziale Forderungen.

Beim Kommunismus handelt sich um eine irrationale und lügenhafte Ideologie, deren Hauptfeind nach einem Ausspruch Lenins Gott selbst ist. Und genau diese Sowjetunion unterstützte die spanische „Volksfront“-Regierung, unter ihnen die Sozialisten, deren Führer Francisco Largo Caballero als „spanischer Lenin“ bekannt wurde.

Terror in der Republik und die Drohung des Sowjetterrors

Es ist bekannt, daß der spätere Held der Gegenrevolution und Sieger des Bürgerkriegs, General Francisco Franco, mit der Erhebung lange zögerte. Die misstrauische Regierung hatte ihn, den siegreichen Offizier und jüngsten General Spaniens, zur Sicherheit in der Peripherie stationiert, nämlich auf den Kanarischen Inseln. Auch andere Generäle waren von der Volksfrontregierung nicht wohlgelitten und wurden weit weg von Madrid eingesetzt.

Chaos und Aufruhr, Revolution und Gegenrevolution lagen in der Luft. Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, waren zwei Morde. Diese waren für die Situation der Zeit sinnbildlich:

Die Ermordung des Leutnants José Castillo, Polizeileutnant der linksgerichteten republikanischen Guardia de Asalto (Bereitschaftspolizei), am 12. Juli 1936 durch Angehörige der Falange, veranlasste eine Razzia gegen rechtsgerichtete Aktivisten. In der Nacht des 13. Juli wurde der ehemalige Minister und rechte Oppositionsführer José Calvo Sotelo von der Bereitschaftspolizei verhaftet. Er wurde in deren Gewahrsam erschossen und vor einen Friedhof geworfen. Ob das ein Rachakt für den Mord an Castillo war oder eine schon länger geplante Aktion, ist ungeklärt und in diesem Zusammenhang unerheblich. Die Stimmung in der Bevölkerung war jedenfalls für den Militärputsch günstig geworden. Das Ziel war, die unfähige Republik mit ihrem Chaos abzulösen – die weiteren Fragen nach der zu etablierenden Staatsform würden dann später geklärt werden.

Die Erhebung der Armee stieß im Volk sowohl auf Unterstützung als auch auf Widerstand. In Barcelona ereignete sich die paradoxe Zusammenarbeit der dort maßgeblichen katalanischen Anarchisten mit der offiziellen Regierung, die „law and order“ wiederherzustellen bemüht war.

Wir wissen, wie der Bürgerkrieg weiterging und wie er – nach einigem Hin und Her – von Franco 1939 siegreich beendet wurde. Wir wissen auch, dass General Franco heute generell eine schlechte Presse hat. Er wird von einer historiographischen Einheitsmeinung ohne weitere Qualifikation papageienhaft als „Faschist“ bezeichnet.

 „Faschismus“?

Ist es nicht bemerkenswert, dass der sogenannte „Faschismus“ erst Jahre nach dem sogenannten „Antifaschismus“ auftaucht – wenn wir die heute gängige Terminologie verwenden? Denn 1917 hat der „antifaschistische“ Kommunismus das Zarenreich im Blut versinken lassen – und nicht etwa ein „faschistisches“ Regime. Die Revolution wurde auch sofort exportiert und zeigte in der Bayrischen und in der Ungarischen Räterepublik ihre Fratze. Dort gab es 1918 und 1919 aber keine „Faschisten“.  

Das ist zwar alles nichts Neues, aber erstens ist es so gut wie nicht im kollektiven Bewusstsein, schon gar nicht der Schüler und Jugendlichen, die bekanntlich mit Ideologien aller Art traktiert werden, und zweitens ist die Absurdität der heute gängigen Nomenklatur offenbar noch niemandem aufgefallen. Erst kommt die Revolution, nämlich der „Antifaschismus“, dann kommt der „Faschismus“ als Gegenreaktion. Sehr merkwürdig. Offensichtlich ist die Erkenntnis, dass die Verbrechen, die im Namen dieser der kommunistischen, „antifaschistischen“ Ideologie verübt worden sind, schon ab den 10er Jahren des 20. Jahrhunderts so monströs waren, dass eine Gegenbewegung förmlich erzwungen wurde, heutzutage völlig verschüttet.

Was aber ist dann der „Faschismus“? Das nur eine Anregung für weiteres Nachdenken. Für unseren Zusammenhang ist Folgendes maßgeblich:

In Spanien war es eine traditionelle, katholische Ordnung, die von der Revolution bekämpft wurde. Von einem totalitären System, das Volksfront, Republik und Anarchisten bekämpft hätten, kann nicht die Rede sein. Heute wird aber nicht gerne differenziert. In der „offiziellen“ Geschichtsschreibung waren alle „Faschisten“, die nicht liberal, anarchistisch oder marxistisch waren: von Adolf Hitler über Benito Mussolini zu Engelbert Dollfuß und Antonio de Oliveira Salazar und eben Franco. Durch die Überdehnung des Ausdrucks „Faschist“ verliert dieser aber jede Bedeutung. Er ist ein reines Schlagwort geworden – genauso wie sein (wirkliches oder angebliches) Gegenteil, der berühmte „Antifaschismus“.

Eine äußere Zuschreibung von „Faschismus“ an die Falange wird zwar ebenfalls oft vorgenommen und zweifellos bestehen Ähnlichkeiten mit dem italienischen System jener Zeit. Andererseits ist auch das falangistische System mit seinem starken gewerkschaftlichen Element nicht so einfach festzumachen, zumal dessen spanische Vertreter auf dessen Unabhängigkeit und Unvergleichlichkeit mit ähnlichen Systemen bestanden.

Verstrickung in komplizierte, aber nicht zu ändernden Umstände

General Franco handelte richtig und ehrenhaft, als er mit seinen Kameraden das Chaos und den Terror beenden wollte. Er wusste genau, dass die Republik dem Kommunismus nicht widerstehen würde. Man gab sich keiner Illusion hin, was das bedeuten würde. Der Völkermord an den Ukrainern durch die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft mit seinen Millionen Todesopfern („Holodomor“) lag damals nur gut drei Jahre zurück.

Dass Franco sich von Adolf Hitler und Benito Mussolini unterstützen ließ, weil ihm (zunächst) sonst niemand half, zeigt nur, dass die Westmächte mit der Restauration eines katholischen Spanien nicht sympathisierten. (Wie vor kurzem berichtet wurde, ließ sich Großbritannien die Neutralität Francos im Krieg auch einiges kosten.)

Man muß sich vor Augen führen: Der Westen pilgerte noch nach Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs nach Berlin, um Hitler aus Anlass der Olympischen Spiele seine Reverenz zu erweisen. Das war übrigens zwei Jahre nach dem Mord an Bundeskanzler Engelbert Dollfuß durch aus Deutschland gesteuerte Nationalsozialisten! Alle waren dort, auch die französischen Athleten, die mit erhobenem Arm grüßten. Freilich waren auch die Österreicher dort – Bundeskanzler Schuschnigg konnte sich in völliger internationaler Isolation keine weitere Provokation Hitlers leisten. Dem Westen lag also offenbar nichts an einem konservativen Spanien und einem konservativen Österreich.

Ganz abgesehen davon, dass der wackere Westen im Münchner Abkommen Hitler die Abtrennung der deutschsprachigen Grenzgebiete der Tschechoslowakei zugestand.

Der Westen hat also auch 1938 noch mit Hitler verhandelt, Spanien hin, Spanien her.

Franco brauchte Hilfe gegen die kommunistischen Mordbrenner. Er hatte keine Wahl. Franco wusste auch, dass Hitler nicht uneigennützig handelte, sondern selbst aus Spanien Profit ziehen wollte. Allerdings gelang es Hitler nicht, Franco in den Krieg hineinzuziehen.

General Franco war am Beginn der Erhebung ein militärischer Pragmatiker. Über seine weltanschaulichen Präferenzen zu jener Zeit ist so gut wie nichts bekannt, außer dass er zunächst zwar loyal zur Republik war, aber im Herzen Monarchist blieb. Er wusste, dass er so unterschiedliche Gruppen wie die CEDA von José Mará Gil-Robles, die traditionalistischen Katholiken der Karlisten, die Alfonsisten und die Falangisten mit ihren sehr verschiedenen Vorstellungen unter ein einziges Kommando bringen musste. Das ist ihm auch gelungen.

… mit tragischen Implikationen

Es erscheint tragisch, dass Franco die islamischen Marokkaner einsetzen musste. Deren Greueltaten sind bekannt. Es wurde auch gespottet, dass Francos „Kreuzzug“ mit maurischer Unterstützung geführt wurde.

Es ist tragisch, dass das baskische Volk mit seiner starken Anhänglichkeit an die Katholische Kirche und der baskische Klerus mit der Republik gemeinsame Sache machten, um Autonomie oder Eigenstaatlichkeit zu erlangen. Damit geriet das Baskenland ins Visier der Militärs.

Das Muster der Bruchlinien war sehr kompliziert und kann hier nicht adäquat dargestellt werden.

Francos Verdienste – und die problematischen Seiten

Franco rettete Spanien vor Stalin. Er stellte die Ordnung wieder her und schützte die Katholiken vor dem Terror von Kommunisten und Anarchisten. Er hielt Spanien aus dem Weltkrieg und rettete es vor Hitler. Er rettete geschätzte 60.000 sephardische Juden aus Griechenland durch die Ausstellung von Pässen. Er stabilisierte Spanien nach dem Krieg bis zu seinem Tod im Jahr 1975.

Der Preis war allerdings hoch und klarerweise müssen auch die unerfreulichen Entscheidungen benannt werden: Franco unterzeichnete Todesurteile und konnte (oder wollte oder beides) Racheakte seiner Verbündeten an den Besiegten nicht verhindern. Wie weit er hätte anders handeln können, ist hier schwer zu beurteilen. Angesichts der Brutalität und Grausamkeit, die die späteren Verlierer zuvor gegenüber Gefangenen, Zivilisten und Priestern und Ordensleuten gezeigt hatten, sind die Reaktionen der Sieger nachvollziehbar, aber im Fall von Racheaktionen nicht gutzuheißen.

Leider gelang ihm als postumes Vermächtnis nicht, wofür die Erhebung der Militärs ursprünglich gedacht war: Die Verteidigung von Glauben und Kirche und ein Spanien unter Gott. Denn im Taumel einer „neuen Zeit“ hat die kirchliche Hierarchie in den 1960ern selbst einen Irrweg eingeschlagen. Papst Pius XI. hatte das Unternehmen Francos gesegnet. Sein Nachfolger Pius XII. gratulierte Franco zum Sieg seines „Kreuzzuges“. Natürlich, denn es ging um Glauben, Kirche, Freiheit der Religionsausübung, Schutz der Gläubigen vor dem Terror der Linken!

Aber mit dem Pontifikat von Johannes XXIII. und vor allem von Paul VI. war die kirchliche Hierarchie mehr auf den irrealen weltlichen Optimismus einer „Neuen Zeit“ und auf die Verständigung mit der Sowjetunion bedacht („Ostpolitik“) als auf den Schutz der katholischen Zivilisation.

Alte Gespenster wieder aktiv

Die Folgen zeigten sich bald:

Einundvierzig Jahre nach dem Tod Francos wird man auch die Einsetzung der Bourbonen als unglückliche Eingebung betrachten müssen. Der große spanische Staatsmann Juan Donoso Cortés (1809 – 1853) hatte es schon Mitte des 19. Jahrhunderts vorhergesehen, dass eine liberale Regierung zwangsläufig dem Totalitarismus den Boden bereitet. Auch Papst Leo XIII. hat das gesehen (Enzyklika Libertas praestantissimum von 1888).

Leider hat die spanische Operettenmonarchie das Land nach 1975 doch noch in marxistische und kulturkämpferische Umstände geführt, wie besonders am Beispiel von Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero (2004 – 2011) sichtbar wurde.

Wie Medienberichten zu entnehmen ist, ist der antichristliche Terror in Spanien derzeit wieder im Kommen. So wurde vor kurzem die Kapelle an der Autonomen Universität Madrid verwüstet und mit linken Parolen pro Abtreibung beschmiert. Die linke Politikerin Rita Maestre, Sprecherin der Madrider Stadtregierung, stürmte 2011 im Femen-Stil einen Gottesdienst an der Madrider Complutense-Universität. Bekannt sind auch die Beschimpfungen und Anklagen gegen glaubenstreue Bischöfe (wobei die jüngste Attacke gegen Kardinal Antonio Cañizares Llovera von Valencia vom Gericht abgewiesen wurde – immerhin). Trotz des überraschenden Wahlsieges von Mariano Rajoy bei den vorzeitigen Neuwahlen im Juni und des unter den Erwartungen zurückgebliebenen Ergebnisses der extremen Linken ist die Stimmung aggressiv.

Die Dämonen der 30er Jahre sind wieder aktiv.

Resümee

Von daher wird man resümieren können, dass diejenigen, die die Tafeln am Karmelitermarkt anbringen ließen, einen kritischen Blick auf die Geschichte der betreffenden Personen werfen sollten. Was haben diese Leute in Spanien genau gemacht? Haben sie Gefangene, Zivilisten und Ordensleute ermordet?

Wir wissen es nicht. Aber ausschließen kann man es erst recht nicht. Daher wären erklärende Zusatztafeln durchaus angebracht. Oder die Entfernung der bestehenden. 

Angesichts des (nach den Worten des israelischen Staatspräsidenten Chaim Herzog im Jahr 1986) überproportional starken jüdischen Elements in den Internationalen Brigaden sollten deren Nachfahren die Ehrenhaftigkeit haben, Schuld und Mitschuld an Greueltaten einzubekennen. „Schalom Libertad!“ ist, um auf ein einschlägiges Werk anzuspielen, ein irreführender Slogan: Welche „Freiheit“ ist hier gemeint?

Es ist auch lächerlich und heuchlerisch, wenn die „offizielle“ Geschichtspolitik Österreich zum Mittäter des NS-Regimes erklärt – ein Österreich, das damals bekanntlich nicht existierte und von der „internationalen Gemeinschaft“ auch nicht unterstützt worden war – und gleichzeitig dem roten Terror in Spanien Denkmäler setzt.

Und überdies: Was hat Österreichs Schutzbundführer Julius Deutsch in Spanien gemacht? Und Ungarns Béla Kun? Gäbe es nicht auch hier Aufarbeitungsbedarf?

Achtzig Jahre nach Beginn des Spanischen Bürgerkriegs wäre ein guter Zeitpunkt für eine wahrheitsgemäße Darstellung der Geschichte – und für eine Abkehr von kommunistischen Wahnideen aller Art.

MMag. Wolfram Schrems, katholischer Theologe, Philosoph, Katechist

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Terror - im Namen welches Islams? drucken

Unfassbarer Weise war es nun wieder einmal so weit, doch ehrlich betrachtet ist es nur eine Frage der Zeit gewesen. Ein fanatischer Moslem hat sich in Orlando offenbar die Aufforderung der Koransure 9,5 zum konkreten Handlungsleitmotiv gemacht, in der zu lesen ist: „Tötet die Ungläubigen, wo ihr sie findet, fangt sie ein, belagert sie und stellt ihnen aus jedem Hinterhalt nach.“

Nimmt man sich den Propheten Muhamad und das, was er sagte und lebte, ganz strikt zum Vorbild, lässt sich damit auch ein aus humanistischer Sicht absolut inakzeptables Verhalten rechtfertigen – wie man sieht. An den entsprechenden Versen dafür mangelt es nicht und gerade die Auslegungsregel, die bestimmt, späteren Verse den Vorrang vor früheren zu geben, führt dazu, dass erheblich problematische Aussagen als jedenfalls gültig gesehen werden. Doch es stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Sprüche Muhamads und seine Taten so überhaupt stattgefunden haben.

Erstaunlich wenig bekannt ist, dass eine Reihe hochrangiger westlicher, insbesondere deutscher und meist jüdischer Forscher (beginnend bereits mit dem 19. Jhdt), allen voran Ignaz Goldziher (1850-1921), größte Bedenken gegen die Übernahme vieler innerislamischer Positionen als wissenschaftlich verbürgt entwickelten. Gerade die Judenverfolgung des Nationalsozialismus führte schließlich zu einer abrupten Zäsur dieser Forschungen, deren Ergebnisse über lange Zeit in der Versenkung verschwanden und erst in den letzten Jahrzehnten von einigen Forschern vermehrt aufgegriffen und vertieft wurden.

Man kann wesentliche Erkenntnisse dieser Forscher kurz so skizzieren:

  1. Wer davon ausgeht, der Koran sei eine völlig neue Offenbarung, die keinerlei Wurzeln in davor bestehenden Überlieferungen habe, übersieht Entscheidendes.
  2. Wer davon ausgeht, die Sira (Lebensgeschichte des Propheten) würde eine historisch auch nur einigermaßen haltbare Vita Muhamads bieten, ist gefordert, sich mit den Quellen neu zu befassen.
  3. Wer davon ausgeht, der Prophet Muhamad habe den Islam gegründet und diesen, so wie er sich heute darstellt, als sein unverfälschtes Erbe hinterlassen, sollte einen neuen Blick in die vorliegenden Forschungsergebnisse tun.

Damit stellt sich die Grundsatzfrage: Wie belegt ist denn all das, was man heute über die Gründung und die Geschichte des Islam zu wissen meint? Wie gesichert ist das, was in den Moscheen oder Schulen darüber gelehrt wird? Wie verbindlich ist der Teil der Lehre, worin Attentäter ihren Auftrag wahrnehmen?

Hier nun einige der (naturgemäß sehr heiß diskutierten, wild umstrittenen, aber dennoch sehr plausiblen) Fragestellungen und Erkenntnisse aus Kreisen historisch-kritischer Islamgelehrter zu drei ganz zentralen Themen, nämlich zum Koran, zum Propheten Muhamad und zur Entstehungsgeschichte des Islam, die geeignet sein könnten, unser Denken über den Islam gründlich infrage zu stellen.

A.   Der Koran

a)    Das Dogma

Ein zentrales islamisches Dogma postuliert, dass der Koran unerschaffen sei, sowie dass der Prophet Muhamad diesen Text direkt von Gott durch den Erzengel Gabriel empfangen und völlig unverändert überliefert habe. Darum sei jedes einzelne Wort unverrückbar, heilig und ewig gültig.

b)   Welcher Koran?

Doch welche der vorliegenden Versionen des Koran ist nun dermaßen heilig und einzigartig? Auch darauf gibt es eine klare Antwort. Der einzig authentische Koran, der jedoch z.B. von den Schiiten nicht anerkannt wird, ist jener in der Fassung des dritten Kalifen Othman, von dem die islamische Tradition annimmt, dass diese schon Mitte des 7. Jahrhunderts entstanden ist. Handschriftenfunde aus ?an?â’ im Jemen zeigen aber, dass der Koran jedenfalls bis mindestens Mitte des 8. Jahrhunderts „im Fluss war“ und es verschiedene Textvarianten gegeben hat, die bis heute trotz aller Vereinheitlichungsversuche überliefert sind. 

Nach islamischer Ansicht ist der Koran in reinstem Arabisch verfasst. Dazu ist zu sagen, dass das Schriftarabische als semitische Sprache eine reine Konsonantenschrift ist, deren Bedeutung sich je nach Vokalisation erheblich ändern konnte, was zwangsläufig zu unterschiedlichen Textvarianten führte. Dennoch, so die islamische Position, sei die Kairoer Fassung von 1924 eine identische Kopie des im Paradies aufbewahrten Originals. Allerdings ist weder der Ur-Koran des Kalifen Othman überliefert, noch liegen irgendwelche außerislamische Hinweise auf die Existenz eines Kalifen Othman überhaupt vor.

Der Koran wollte „die Schriften“, also Thora und Evangelium, erklären (Sure 75:17) und nahm demzufolge auf diese Bezug. Dafür spricht auch, dass das Wort Quran vom aramäischen Qeryan kommt, was so viel wie „Lektionar“, bedeutet. Ausgangsmaterial für weite Teile des frühen Korans wird wohl ein sogenanntes als „Diatessaron“ bezeichnetes Lektionar, also eine damals sehr gebräuchliche Zusammenfassung der vier Evangelien in Kurzform, gewesen sein. 

Vieles deutet darauf hin, dass die frühen Verse des Korans gar nicht in Arabisch, sondern in einem Syro-Aramäisch, also der damals in diesem Raum vorherrschenden Sprache, verfasst wurden. Und dass die sogenannten dunklen Verse des Korans nur deshalb so unverständlich erscheinen, weil man diese Tatsache im Laufe der Geschichte schließlich nicht mehr beachtet hatte. Natürlich ist es höchst brisant, wenn Chr. Luxenberg klarstellt, dass sich solche Übersetzungsfehler auch auf als sehr bedeutsam wahrgenommene Verse, wie z.B. auf die bekannten Paradiesjungfrauen beziehen. Nach Luxenbergs Erkenntnissen spricht der Korantext jedoch gar nicht von Jungfrauen, sondern eindeutig von "weißen, kristallklaren Trauben", von Früchten also, die in den Paradiesvorstellungen des Orients von alters her verankert sind und die im Koran – im Unterschied zu den Jungfrauen – auch an anderen Stellen vorkommen.

B.   Muhamad

Wenn nun die dogmatische Einordnung des Koran bei näherem Hinsehen viele Fragen aufwirft, wie steht es denn um den Propheten selbst?

a)    Das Muhamad-Motiv auf Münzen

Eine außerislamische Quelle für den Hinweis auf den Propheten Muhamad scheinen frühe Münzen aus dem 7. Jahrhundert zu sein. Der Numismatiker Volker Popp hat Münzen aus der Zeit des Omayyadenherrschers ?Abd al-Malik untersucht und festgestellt, dass sich darauf ein christliches Herrscherbildnis befindet. Darunter aber steht erstaunlicher Weise: „m?md“, also: „mu?ammad“. Solche Münzfunde belegen, dass die Mu?amad-Idee deutlich vor der Zeit aufgetaucht ist, die als Lebenszeit des islamischen Propheten angenommen wird und noch dazu fern der arabischen Halbinsel lokalisiert ist. Die christlichen Symbole auf diesen Münzen werden landläufig als besonderer Hinweis auf eine tolerante Haltung der neuen islamischen Herrscher gegenüber den Christen gewertet. Für Popp ergibt sich daraus jedoch etwas anderes, nämlich: Die arabischen Herrscher im 7. Jahrhundert waren noch Christen, denn zu der damaligen Zeit war völlig klar, dass der jeweilige Herrscher seinen Anspruch und seine Positionierung auf seinen Münzen außer Zweifel stellte.

b)   Muhamad: Ein Name oder vielleicht doch ein Partizip?

Wie aber kann man erklären, dass ein christlicher Herrscher seine Münzen mit dem Begriff „mu?ammad“ zieren lässt? Auch darauf findet sich eine erstaunlich plausible Antwort, die naturgemäß zu heftigen und sehr emotionalen Diskussionen Anlass gibt:

Grammatikalisch kann „mu?ammad“ sowohl ein Name sein, oder wie die ältesten Münzfunde dies deutlich machen, ein Partizip, also in der Bedeutung von „gelobt sei“. So könnte und müsste wohl das Inschriftenband im Felsendom von Jerusalem ganz neu gelesen werden. Im Islam wird der Beginn dieses Spruches gelesen als: „Muhammed ist der Knecht Gottes ….“ Nach Luxenberg ist jedoch eine andere Leseart viel wahrscheinlicher, wenn man davon ausgeht, dass „mu?ammad“ zu dieser Zeit als Name gänzlich unbekannt und dass der Erbauer des Felsendoms ?Abd al-Malik kein Muslim, sondern Christ war. Nach Luxenbergs Leseart ergibt sich folgende Übersetzung des Eingangsverses im Felsendom: „mu?ammadun ?abdu ’llâhi wa-rasûluhu“: „Gelobt sei der Knecht Gottes und sein Gesandter“. Wer dieser Knecht Gottes aber sei, war für die Christen der damaligen Zeit völlig klar: Jesus von Nazareth. Er war dieser zu Preisende, der zu Lobende, selbst dann wenn sein Name gar nicht direkt erwähnt wurde. 

Der Begriff „abd Allah“ wiederum bedeutet nichts anderes als „Gottesknecht“, und bezieht sich im Ausdruck ,ebenfalls auf Jesus als den „gepriesenen Gottesknecht“. In der islamischen Lesart bedeutet „muhamad abd Allah“ nichts anderes als „Mohammed ist der Knecht Gottes“. Doch dies wäre genauso fraglich wie den Vers „benedictus qui venit in nomine domini“ („Gepriesen der da kam im Namen des Herren“) zu übersetzen mit „Benedikt, der kam im Namen des Herren.“ 

c)    Die Großtaten Mohammeds im Lichte der außerislamischen Rezeption

Mohamad selbst ist historisch nicht fassbar. Demgegenüber stehen ganze Bibliotheken von religiösen Schriften, die den Propheten und sein Leben ausführlichst darstellen. Die frühesten Erwähnungen eines Muhamad tauchen 150 Jahre nach seinem vermuteten Tod, nach mündlichen Überlieferungen auf, das Gros sogar erst 200 – 300 Jahre danach. Doch mündliche Überlieferungen, ausschließlich aus islamischen Quellen, die erst nach so langer Zeit festgehalten wurden, sind für eine Evidenz zu wenig. Die unüberschaubare Zahl von faktisch nicht zu verifizierenden Hadithen (Sprüchen des Propheten), sowie die darauf fußende Sira (Lebensgeschichte des Propheten), scheiden nach fast einhelliger wissenschaftlicher Meinung als authentische Quellen gänzlich aus.

Aus der in Frage stehenden Zeit sind allerdings zahlreiche archäologische Hinterlassenschaften, wie z.B. Münzen, Inschriften, Bauwerke, Literatur, verbürgt. Doch nirgendwo findet sich auch nur eine Spur der Erwähnung des Propheten Muhamad aus Mekka. Selbst in der gut erhaltenen und ausführlichen Korrespondenz der Klöster und Bistümer dieser Zeit, finden sich keine Hinweise auf eine neue Religion der regierenden Araber, sehr wohl aber werden unterschiedliche, als häretisch beurteilte christliche Strömungen thematisiert. Das umfassende Schweigen sämtlicher außerislamischer Quellen über eine Persönlichkeit und eine Religion, die in wenigen Jahren die gesamte existierende Ordnung des Orients politisch wie religiös über den Haufen geworfen haben soll, ist nicht nachvollziehbar.

C.    Wie und wann entstand der Islam?

Der Islam als Religion entstand nach Meinung wesentlicher Forscher erst mit der Herrschaft der Abbâsiden, also Mitte des 9. Jahrhunderts und damit mehr als 2 Jahrhunderte nach der vermuteten Lebenszeit des Propheten. Der Abbâsidenkalif al-Ma’mûn (813–833) wollte zur Festigung seines arabischen Reiches den „wahren Glauben“ durchsetzen, und griff dabei zu massiven Maßnahmen der Unterdrückung. Was nicht ohne Folgen für die Christen und Juden blieb, die immer stärker verfolgt wurden. Ein treuer Untertan war nur mehr ein Gläubiger, der den Islam als seine Religion bekannte und lebte. Erst damit wurde der Islam zu einer eigenständigen Religion, und nicht mehr lediglich als eine christliche Häresie wahrgenommen.

Mit der Machtübernahme der Abbâsiden kam es zu einer immer schärferen Trennung zwischen Gläubigen und Ungläubigen, die ihren Ausfluss darin findet, dass der Koran den Begriff von „Andersgläubigen“, gegenüber denen es Toleranz geben könnte, gar nicht kennt. Die Ungläubigen wurden als Menschen gesehen, die sich dem umfassenden Machtanspruch der Herrschenden nicht gänzlich unterwerfen wollten, die nicht gewillt waren, die Staatsreligion anzunehmen und die demzufolge bekämpft wurden.

D.   Ergebnis

Man mag Muhamad als eine religiöse Persönlichkeit, etwa einen Prediger in der arabischen Wüste sehen. Nur dürfte dieser wenig mit der derzeit bekannten Vita des Propheten zu tun gehabt haben. Darüber hinaus ist eine einzige Person als exklusiver Verkünder des Korans aufgrund der Faktenlage nicht denkmöglich. Denn zweifellos hatte der Koran eine vielfältige Entwicklungsgeschichte über einen langen Zeitraum hinweg und damit „viele Väter“. Und es darf nicht vergessen werden, dass der Islam, wie wir ihn zu kennen glauben, erst von den Abbâsiden ab der Mitte des 9. Jahrhunderts vorwiegend aus politischen Motiven modelliert und genutzt wurde, um ihre Herrschaft zu festigen. Das legt nahe, den Abbâsiden-Islam als eine stark politische Religion wahrzunehmen. Nur wenn man sich davon bewusst trennt, kann man einen Islam andenken, der seine Rolle in und neben einem säkularen Staat findet.

Die vorliegenden Forschungsergebnisse lassen den Schluss zu, dass der Ursprung des Koran in christlichen liturgischen Texten zu finden ist und damit Quelle von Gemeinsamkeiten zwischen Juden, Christen und Moslems sein könnte. Damit wird aber auch deutlich, dass viele der aus westlicher Sicht sehr problematischen Ansatzpunkte des Islam, deutlich spätere Hinzufügungen sind, mit dem Ziel, damalige Herrschaftsverhältnisse zu untermauern. Und dass sie gerade aus diesem Gesichtspunkt heraus auch relativiert werden müssten. Was im Kern übrig bleibt, hat jedenfalls seine Wurzeln im frühen syrischen Christentum. Diese Erkenntnis könnte eine ganz neue Dimension von Nähe schaffen, durch all die vielen verbleibenden unterschiedlichen Auffassungen hindurch.

Der Weg, hin zu einem gedeihlichen Miteinander der monotheistischen Religionen, könnte also darin bestehen, sich der gemeinsamen Wurzeln zu besinnen und diesen Kern zu betonen – insbesondere auch als einen generellen Interpretationsschlüssel. Ein sich in diese Richtung entwickelnder Euro-Islam als Vorreiter, der dieser Religion die Türe der Aufklärung zumindest ein stückweit eröffnet und vielleicht sogar als Vorbild für andere Regionen der Welt dienen könnte, wäre da mittelfristig vielleicht eine gewisse Hoffnung.

Naturgemäß muss ein solcher Beitrag vieles offen lassen und gibt anderes lediglich sehr verkürzt wieder. Dem interessierten Leser seien deshalb die Materialien ans Herz gelegt, die diesem Artikel wesentlich zugrunde liegen:

Mag. Johannes Leitner ist verheiratet und Vater von sechs Kindern. Er ist Leiter eines genossenschaftlichen Revisionsverbandes, Steuerberater und war langjähriger Leiter einer christlichen Laiengemeinschaft im Raum Wien.

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Die Republik der Primitiven drucken

Die brillante und zugleich kompakte Analyse von Christian Zeitz hat mir nicht nur zutiefst aus der Seele gesprochen, sondern auch zahlreiche schlafraubende Reflexionen zur Situation unserer Gesellschaft hervorgerufen. Als Vater von vier Kindern wird es heutzutage immer schwieriger, bei Heranwachsenden in der Wertevermittlung mit dem edukativen, kulturellen und politischen vorherrschenden Dilettantismus zu konkurrieren.

Als Kind teilweise im Kreise einfacher Unterkärntner Bauern und gleichzeitig in einem durchaus großbürgerlichen Haus in Wien aufgewachsen, sind mir sehr früh die gewaltigen materiellen Unterschiede unserer Gesellschaft bewusst geworden, jedoch ohne irgendwelche Konflikte hervorzurufen, da ich schon sehr früh begreifen durfte, dass Glück und Zufriedenheit auf vorwiegend immateriellen Komponenten aufgebaut ist. 

Die Anpassungsprobleme zwischen einfachsten Lebensverhältnissen und gewissem Überfluss zeigten sich eher in einer unglaublichen Wehmut am Ende der Ferien, den Bauernhof und die Freunde im Dorf verlassen zu müssen. Die sogenannte Enge der dörflichen Gemeinschaft, das gemeinsame Meistern von auch handfesten Konflikten, kleinen und großen Katastrophen, die Pflege von Traditionen und Bräuchen haben seit Urzeiten in unserer Gesellschaft einen festen Wertekanon geschaffen, der nun in unserem ganzen Land am Zerbrechen ist.

Die Folgen des ubiquitären Dilettantismus einen letztendlich die sogenannten Eliten bis zum Hilfsarbeiter durch ihre Orientierungslosigkeit, Neid, geistiger Entwurzelung, Glaubensverlust, moralischer Beliebigkeit und öffentliche sexuelle Zügellosigkeit in grenzenloser Primitivität. Die Jugend huldigt ihren gepiercten und tätowierten Göttern rund um die Uhr vor ihrer Bezugsperson, dem Fernseher, um umgehend das als real Empfundene nachzuahmen. Das Karriereziel ist die Mindestsicherung, denn geregelte Arbeit und Eigenverantwortung könnten die Scheinwelt zerstören. 

Die Schuld an dieser Entwicklung liegt an meiner und der vorangegangenen Generation, die mit leistungsfernem gewerkschaftlich verordnetem Anspruchsverhalten Leistung und Eigenverantwortung als Last, statt als Unabhängigkeit empfunden haben. Der Weg des geringsten Widerstandes ist zum Credo unserer Lebensplanung geworden. Bequemlichkeit und der Verlust jeglicher Abstrahierungsfähigkeit haben uns zu willfährigen Lemuren gemacht, die sich den Vorgaben politisch korrekter Götzen lieber nicht entgegenstellen, um ja nicht als Außenseiter auffällig zu werden.

Der Verlust der elterlichen Vorbildfunktion als (moralischer) Richtungsweiser treibt unsere Kinder in die Arme extremistischer Heilsversprecher, oder hinterlässt sie in primitiver Agonie.

So endet auch diese Entwicklung in „meinem“ Dorf: Die Kinder grüßen nicht mehr; die Kirche ist leer; am Kirtag (so nennt sich tatsächlich noch diese Veranstaltung) plärren volksdümmliche Bands ihre primitiven Texte aus den Lautsprechern, sodass jede Unterhaltung unmöglich ist; die Jugend bricht die Lehre zum x-ten mal ab und geht zum Tätowierer, um den primitiven Idealen ähnlich zu sein; die Eltern sind nicht verheiratet, da dies ein finanzieller Nachteil wäre; die Traditionsvereine lösen sich auf, da die Alten, die alles zusammengehalten haben, wegsterben; und man geht in Leiberl und Trainingshose zum Begräbnis. Nur der Wirt macht noch ein Geschäft, denn der Alkohol hilft noch manchmal gegen die unendliche Leere. 

Dr. Georg Ludvik ist niedergelassener Facharzt für Urologie und Androloge.

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Vom "Blutsonntag" zum "Alltagsfaschismus" drucken

Tiroler diesseits und jenseits des Brenners, die noch einen Funken Heimat- und Vaterlandsliebe im Leibe tragen sowie über ein gerüttelt Maß Geschichtsbewustsein verfügen, gedenken in diesen Tagen eines Ereignisses vor 95 Jahren, welches als Inauguration des Faschismus in jener Nordprovinz Italiens gilt, welche es als Belohnung für seinen Seitenwechsel 1915, mithin als Kriegsbeute 1919 in St. Germain-en-Laye erhielt.

Am 24. April 1921 wurde der Lehrer Franz Innerhofer in Bozen vom Schläger eines Kommandos der „fasci di combattimento“ Benito Mussolinis ermordet. Innerhofer hatte mit der Musikkapelle aus Marling bei Meran am Trachtenumzug anlässlich der ersten Bozner Nachkriegs-Mustermesse teilgenommen. Unter den Umzug hatten sich einige der zu einer „Strafexpedition gegen diese Manifestation des Deutschtums“ ausgerückten und in der Provinzhauptstadt versammelten 400 faschistischen Schläger (120 aus Bozen, 380 aus Trient, Brescia und Verona) gemischt und zwischen Waltherplatz und Obstmarkt ein Blutbad angerichtet. Infolge von Schüssen und Handgranaten-Detonationen waren annähernd fünfzig Personen schwer verletzt worden. Der Vorfall ist als „Bozner Blutsonntag“ in die Annalen eingegangen.

Im Gedenken an das erste ohne Rücksicht auf Verluste unternommene Zuschlagen der Schwarzhemden findet auch eine zweite, von Planung, Ausführung, Umfang und Folgen weit größere derartige „Strafaktion“ ihren Platz. Es handelt sich um den „Marsch auf Bozen“ (1./2. Oktober 1922), sozusagen um die Generalprobe für den „Marsch auf Rom“ am 27. Oktober, im Zuge dessen es zur Machtübernahme Mussolinis am 30. Oktober 1922 kam. Es war der Anfang vom Ende der unter Bürgermeister Julius Perathoner stehenden effizienten Verwaltung sowie des über Jahrhunderte währenden deutschen Charakters der Stadt. Perathoner, von 1901 bis 1911 Reichsratsabgeordneter in Wien, von 1902 bis 1907 Landtagsabgeordneter in Innsbruck und letzter deutscher Bürgermeister Bozens, war 1895 gewählt und im Oktober 1922 seines Amtes enthoben worden.

Schon die faschistischen Horden des „Blutsonntags“ hatten in Sprechchören seinen Rücktritt verlangt. Wie im Jahr zuvor beugte er sich weder dem am 29. September 1922 von der Bozner Fascio-Ortsgruppe ultimativ erhobenen Rücktrittsverlangen noch der Aufforderung, die Kaiserin-Elisabeth-Schule, damals größte und modernste Schule der Stadt, für den Unterricht in italienischer Sprache zur Verfügung zu stellen.

Daraufhin marschierten am 1. Oktober 1922 unter Führung Achille Staraces, des späteren Generalsekretärs des Partito Nazionale Fascista (PNF, Faschistische Partei Italiens), mehrere Hundert Gefolgsleute Mussolinis aus Oberitalien in Bozen ein, besetzten die Schule, stürmten am 2. Oktober das Rathaus, hissten die italienische Tricolore und verkündeten: „Es gibt nur ein Gesetz, und das heißt Italien!“ Hausherr Julius Perathoner  wurde daraufhin von der zu diesem Zeitpunkt noch demokratischen römischen Regierung unter dem (schwachen) Liberalen Luigi Facta per Dekret in vorauseilendem Gehorsam abgesetzt und später durch einen faschistischen Amtsbürgermeister (Podestà) ersetzt.

Mit der Machtübernahme Mussolinis nach dem „Marsch auf Rom“ proklamierte der als Namenfälscher in die Geschichte eingegangene Nationalist und Faschist Ettore Tolomei, der sich schon 1905 in Glen bei Montan im Südtiroler Unterland niedergelassen und das „Archivio per l'Alto Adige“ gegründet hatte, in Bozen ein im Auftrag Mussolinis ausgearbeitetes Programm zur „Re-Italianisierung“ des Landes. Es umfasste die Entnationalisierung der Südtiroler und die Ansiedlung von (Süd-)Italienern im Bozner Becken.

Der Unterricht in deutscher Sprache wurde verboten, das deutschsprachige Lehrpersonal in italienische Provinzen versetzt. Deutschunterricht konnte nur noch geheim in „Katakombenschulen“ erteilt werden, welche maßgeblich von Kanonikus Michael Gamper organisiert worden waren, dessen 60. Todestags man ebenfalls soeben in Südtirol gedachte. Dekretiert wurde der ausschließliche Gebrauch meist künstlich geschaffener italienischer Ortsnamen Tolomei’scher Prägung sowie deutscher Familiennamen in italianisierter Form bis hin zu Grabsteinaufschriften. Der Name Tirol wurde verboten, sämtliche wirtschaftlich-sozialen Verbände, alle Vereine wurden aufgelöst.

Die Italianisierungspolitik wurde durch die massive Ansiedlung von Italienern aus anderen Gebieten des Stiefels mit dem Ziel verstärkt, die Deutschtiroler in die Minderheit zu drängen. Ein Verfahren, das auch  „demokratische“ Nachkriegsregierungen Italiens trotz der im 1946 zwischen dem österreichischen Außenminister Karl Gruber und dem italienischen Regierungschef Alcide DeGasperi geschlossenen Pariser Abkommen zugesicherten politischen Selbstverwaltung und kulturellen Autonomie fortführten. Dies sollte auch die aus dem zwischen Hitler und Mussolini am 21. Oktober 1939 getroffenen Optionsabkommen zur Umsiedlung von Südtirolern ins Reich entstandenen Verwerfungen allmählich wieder ausgleichen.

Gegen die Nichtgewährung der Selbstbestimmung, die weitere Ansiedlung von Italienern sowie die damit beabsichtigte ethnische Majorisierung der Provinz, vor allem deren Hauptstadt, begehrten nicht wenige Südtiroler in den 1950er und 1960er Jahren auf. Und beherzte Idealisten um Sepp Kerschbaumer, den charismatischen Gründer des „Befreiungsausschusses Südtirols“ (BAS), machten durch gezielte Anschläge auf „Volkswohnbauten“ und andere italienische Einrichtungen die Weltöffentlichkeit auf die faktische neofaschistische Politik Italiens aufmerksam.

Es galt den zurecht befürchteten „Todesmarsch der Südtiroler“ – so der Titel des Leitartikels des Michael Gamper in der Tageszeitung „Dolomiten“ vom 28. Oktober 1953“ – abzuwenden. Dafür wurden sie in Carabinieri-Kasernen gefoltert und in menschen- sowie strafrechtlich fragwürdigen Gerichtsverfahren zu langjährigem Freiheitsentzug verurteilt und ihre Familien kollektiv mitbelangt.

Nicht zuletzt durch Eingreifen Österreichs – hier vornehmlich des Sozialisten Bruno Kreisky, der das Verhalten Italiens vor den Vereinten Nationen (UN) anprangerte – konnte in langwierigen Verhandlungen mit dem hinterlistigen und störrischen Rom schließlich ein Modus vivendi ausgehandelt werden. Ergebnis war das 1972 in Kraft getretene Zweite Autonomiestatut, ein statutarischer Rechtsrahmen für die Provincia Autonoma di Bolzano – Alto Adige (Autonome Provinz Bozen-Südtirol). Weitere zwanzig Jahre sollten verstreichen, bis der seit Ende des Ersten Weltkriegs bestehende Südtirol-Konflikt von Wien und Rom im völkerrechtlichen Sinne für beigelegt erklärt werden konnte.

Das kann – trotz allseits volltönend propagierter „Modellhaftigkeit“ für andere Minderheiten – natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Grundkonflikt, nämlich die Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts für die Südtiroler, ungelöst ist. Es ist auch eine Illusion zu glauben, der von Mussolini und seinen Adepten erzeugte Ungeist sei ausgelöscht. Nein, in den Köpfen vieler Italiener Südtirols lebt er fort und tritt in semi-, post-, neo- oder kryptofaschistischer Form und Gestalt in Erscheinung. Womit sich just der Kreis zur „Hauptstadt“ und ihrer Geschichte seit nunmehr bald hundert Jahren schließt.

Für 8.Mai steht die Wahl eines neuen Kommunalparlaments für Bozen an. Dass der „befreiende“ 8. Mai 1945 für die terminliche Bestimmung des Urnengangs der Wahlberechtigten unter den 105.000 Bewohnern (laut offizieller „Sprachgruppen“-Zugehörigkeit 73,8 Prozent italienisch; 25,5 Prozent deutsch; 0,7 Prozent ladinisch) eine Rolle gespielt haben könnte, dürfte angesichts der am Zusammenfluss von Eisack und Etsch weithin anzutreffenden Geschichtsignoranz auszuschließen sein. Auch der „Blutsonntag“ von einst ist allenfalls für ein paar geschichtsbewusste Patrioten ein Begriff. Gleichwohl bietet sich für alte und neue, offene und verkappte „Mussolinisti“ der „Marsch auf Bozen“ von anno 1922 als Metapher für ihr nie aufgegebenes Ziel, die einstige Kriegsbeute so total der Italianità anzuverwandeln, dass von seinem deutsch-österreichischen Charakter und seiner tirolischen Ausprägung nichts mehr bleibt.    

Bozen beherbergt unsägliche, das Mussolini-Regime verherrlichende Relikte: das „Siegesdenkmal“ und das monumentales erst 1957(!) fertiggestelltes „Duce“-Fries am Finanzamt, vormals „Casa del Fascio“ [„Haus der Faschisten(-Partei)“]. Die Stadt ist entgegen allen Befunden und Schwüren multiethnischen Miteinander(leben)s (Convivenca) nach wie vor ein Hort jener Kräfte, die zwischen übersteigertem italienischen Nationalgefühl und offen zur Schau getragenem, lauthals hinausposaunte Fascio-Gebaren changieren.

Weltanschauliches Sendungsbewusstsein tritt bei den einen eher verdeckt-unterschwellig, bei den anderen offen zutage. Mal operieren sie weltschmerzklägerisch verbal mit angeblicher „Unterdrückung im eigenen Lande“, mal spielen sie sich gönnerhaft als kulturell-ästhetische Norminstanzen auf. Und pochen stets auf „Siamo in Italia“ („Wir sind hier in Italien“).

Aus der EUropäischen Flüchtlingskrise dürften die italienischen Parteien der äußersten Rechten, so zersplittert und/oder fraktioniert sie trotz neuerdings geltender Fünf-Prozent-Klausel gegenwärtig auch auftreten, bei der Bozner Wahl besonders Honig saugen können. Der gemeinsame Auftritt des Gründers und Führers der neofaschistischen Partei Forza Nuova (FN) Roberto Fiore – er löste die Duce-Enkelin Alessandra Mussolini im Europäischen Parlament ab – mit dem deutschen NPD-Funktionär Uwe Meenen gegen die „Flüchtlingsinvasion“, zu dem sich Fußvolk aus Trient, Rimini und Vicenza einfand, darf als „grenzüberschreitende“ Stimulanz für die wahlkämpfenden Bozner „Kameraden“ gelten.

Die Unterstützung von außen richtet sich gleichermaßen an die Funktionäre beiderlei (neu-)faschistischer Provenienz. Zum einen an die moderate(re)n, samtpfötiger auftretenden vom Schlage eines Giorgio Holzmann. Der chamäleonhaft verwandelte Alt-Neofaschist führt den italienischen Rechtsblock „Alleanza per Bolzano“. Zum andern an die von nicht wenigen Jungwählern unterstützten radikale(re)n Neu-Neofaschisten Maurizio Puglisi Ghizzi und dessen Alter Ego Andrea Bonazza, Ratsmitglied bis zur Auflösung des Bozner Stadtparlaments. Ghizzi ist Bürgermeisterkandidat der nach dem amerikanischen Schriftsteller und glühenden Mussolini-Verehrer Ezra Pound benannten, dezidiert faschistischen Bewegung „Casa Pound“, deren Mitglieder bisweilen durchaus von „Strafaktionen“ à la „fascio di combattimento“ unseligen Angedenkens träumen mögen.  

Mit Ausnahme der ziemlich chancenlosen Süd-Tiroler Freiheit (STF) und ihres Bürgermeisterkandidaten Cristian Kollmann verhalten sich alle anderen zur Kommunalwahl antretenden deutschtiroler und italienischen Parteien links und rechts der Mitte, einschließlich der „interethnischen“ Grün-Alternativen/Verdi, gegenüber Holzmann und – vor allem – Ghizzi  so schulterzuckend gleichgültig, als ob es das Normalste von der Welt wäre, was sie vertreten und propagieren. Das gilt auch und gerade für Christoph Baur, den Spitzenkandidaten der Südtiroler Volkspartei (SVP): Wenngleich ihm „extreme Positionen zuwider“ seien, wie sie vor allem „italienische Rechtspopulisten“ verträten, kann er sich „eine Koalition mit allen Parteien vorstellen“.

Dies mag Symptom genug dafür sein, dass der Vorwurf all derer, die dazu in Opposition stehen, nicht länger als Unkenruf abgetan werden kann, wonach die Gewöhnung an einen Zustand, den sie „Alltagsfaschismus“ nennen, bereits weit fortgeschritten sei. Die immer augenfälligeren Arrangements mit den zusehends italienisch bestimmten Daseinsgegebenheiten in Bozen sind mehr als ein politisch-gesellschaftliches Ärgernis. Sie sprechen dem Opfergang des von Ahnherrn der heutigen Faschisten umgebrachten Franz Innerhofer sowie allen Südtiroler Freiheitskämpfern Hohn.

Der Autor ist deutsch-österreichischer Historiker und Publizist

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Europa ist sein Mythos verloren gegangen drucken

Die Grunderzählung der europäischen Einigung war die Rückgängigmachung der Teilung des Reiches zwischen Frankreich und Deutschland im 9. Jahrhundert. Dieser Mythos hat als Folge der Erweiterung seine Relevanz verloren - ist aber durch keine neue Erzählung ersetzt worden.

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Sechs Kandidaten, eine Bilanz und viele Plus- wie Minuspunkte drucken

Etlicher Schwachsinn hat in diesem Wahlkampf zeitweise das Amt des Bundespräsidenten auf das Seitenblicke-Dancing-Stars-Dschungelcamp-Niveau herunterzudrücken gedroht. Die Kandidaten mussten zur allgemeinen Belustigung kochen, Melodien erraten, Süßigkeiten verteilen, Kinokarten abreißen usw. Mussten sie wirklich? All diese Dinge wären jedenfalls bei früheren Präsidenten völlig undenkbar gewesen. Dennoch hat der Präsidentenwahlkampf letztlich doch für jeden Kandidaten eine Reihe von eindeutig zuordenbaren Plus- und Minuspunkten gezeigt. Deren Auflistung und Bewertung könnte hilfreich für die nun fällige Entscheidung sein. Heute für die ersten drei Kandidaten.

Zuvor freilich noch eine enttäuschte generelle Bemerkung: Alle Sechs waren bemüht, nicht allzu viele Kanten zu zeigen. Was ja an sich verständlich ist – solange es sich in akzeptablen Grenzen der Glaubwürdigkeit hält.

Wirklich widerlich ist aber, dass sich die gesamte Kandidatenschar von der Kronenzeitung de facto erpressen und unter Druck setzen hat lassen. Dieses Blatt vertritt ganz offensichtlich die Interessen der großen und großflächig inserierenden Handelsketten, die ihre Profite im Falle TTIP durch mehr Wettbewerb bedroht fühlen, weil sie bei allen internationalen Vergleichen teurer sind als beispielsweise ihre deutschen Kollegen. Für die Krone hingegen ist völlig uninteressant, dass mehr Wettbewerb immer primär den Konsumenten nützt. Sie ist dagegen, sobald er den Inserenten schadet.

Alle sechs sprachen sich jedenfalls gegen das geplante transatlantische Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA aus. Vermutlich alle – oder zumindest die meisten von ihnen – taten das wider besseres Wissen. Denn TTIP würde ja nicht nur den Konsumenten, sondern auch den Arbeitsplätzen nutzen. Es kann kein seriöser Zweifel bestehen, dass die seit Jahren darniederliegende Wirtschaft Österreichs und damit der von wachsender Arbeitslosigkeit geplagte Arbeitsmarkt eigentlich TTIP (und ähnliche Abkommen mit anderen Weltregionen) dringend benötigen. Das wäre nach einem Jahrzehnt der Krise ein ganz wichtiges erstes Signal einer Wiederbelebung.

Die Kandidaten hatten aber alle panische Angst vor einer Schmutzkampagne der Krone gegen ihre Person (trotz der rapide schwindenden Marktanteile der einstigen Zeitung Hans Dichands). Alle sechs knickten daher ein.

Das wäre jedoch nicht zwingend gewesen, wie das Exempel des letzten Politikers zeigt, der es gewagt hat, sich den Drohungen der Krone frontal entgegenzustellen. Das war Wolfgang Schüssel im Jahr 2000, als er sich trotz kämpferischer Krone-Aufmacher (zugunsten von Rot-Schwarz) für Schwarz-Blau entschied. Schüssels Entscheidung hatte so großen Erfolg und so starke Sogwirkung, dass das damals noch sehr auflagenmächtige Dichand-Blatt nach einer Woche komplett die Richtung seiner Kampagne ändern musste und zum großen Verteidiger der Regierung mutierte.

Zurück zum jetzigen Wahlkampf: Ohne dass es die Krone bemerkt hätte, haben sich mehr oder weniger alle Kandidaten durchaus ein TTIP-Hintertürchen offen gelassen. Sie haben relativ gleichlautend formuliert: Sie würden TTIP in der vorliegenden Fassung nicht akzeptieren. Das ist freilich leicht einhaltbar: Denn derzeit liegt ja noch gar keine Fassung vor, der man zustimmen könnte…

Ansonsten aber gibt es durchaus viele interessante und zwischen den einzelnen Kandidaten unterschiedliche Akzente. Die mir teils positiv, teils negativ erscheinen. Heute befasse ich mich mit den ersten drei, morgen oder übermorgen folgen die anderen drei.

Alexander van der Bellen

Das Positive:

  • + Er ist unter allen – durchwegs sympathischen – Kandidaten wohl der netteste. Man würde ihn gerne zu sich nach Hause einladen, weil er zuhört und nachdenkt, und weil er am wenigsten von allen immer gleich mit den üblichen fertiggestanzten Politikerantworten kommt. Er kommt auch  bei Frauen besonders gut an.
  • + Er hatte unter allen Kandidaten die weitaus beste Plakatkampagne, die Sympathie transportierte. (Allerdings gehen mir Bilder mit Hunden auf politischen Plakaten eindeutig zu weit. Sie erinnern auch lebhaft an Adolf Hitler, dessen Propaganda ja ebenfalls mit Hundebildern Sympathiewerte für den Diktator zu entwickeln versucht hat. Daher hätten solche Bilder bei jedem anderen Kandidaten ein wüstes Losheulen der Grünen samt Anzeigen wegen Wiederbetätigung ausgelöst).

Das Negative:

  • -         Eine Wahl Van der Bellens wäre ein massiver Rückschlag für alle Bemühungen, Österreichs Grenzen besser zu kontrollieren und den Migrationsstrom kleiner als im Vorjahr zu halten (wobei die von der Regierung anvisierten 37.500 Neu-Asylanten jährlich ohnedies alles andere als wenig sind). Selbst wenn der Bundespräsident diesbezüglich keine direkten Kompetenzen hat, würden dann in der SPÖ all+ jene linken Kräfte wie Wehsely&Co wieder Oberhand bekommen, die zur extensiven Willkommenskultur des vergangenen Herbstes zurück wollen. Dass Kandidat VdB zu dem Thema gerne nur wolkig-unpräzise-allgemein herumredet, ändert nichts an dieser klar drohenden Konsequenz seiner Wahl.
  • -         Eine Wahl des grünen Kandidaten wäre auch eine ganz klare Weichenstellung, welche Koalition wir nach der nächsten Wahl bekommen werden: Rot-Schwarz (das sich ja wohl nicht mehr ausgehen wird) wird dann durch eine Kenia-Koalition Rot-Schwarz-Grün ziemlich nahtlos fortgesetzt. Bei einer VdB-Wahl brauchen wir eigentlich gar nicht mehr einen Nationalrat wählen zu gehen…
  • -         Van der Bellen hat bei vielen seiner Auftritte alt, müde und desinteressiert gewirkt – viel stärker als alle seine Konkurrenten, selbst als Richard Lugner, obwohl dieser weit mehr als zehn Jahre älter ist als er.
  • -         Ein kritisches – wenn auch keineswegs gewichtiges – Faktum am Rande ist Van der Bellens massives Rauchen: Damit ist er jedenfalls kein gutes Vorbild, zeigt doch die Statistik, dass Raucher im Schnitt um mehr als zehn Jahre früher sterben (das Rauchen ist auch ein Grund, ihn doch nicht zu sich nach Hause einzuladen…).
  • -         Er hat mit dem Plakatieren von wertkonservativen und traditionell nur Schwarz und Blau zuzuordnenden Vokabeln wie „Heimat“ oder „Österreich“ zwar an sich sehr positive und sympathische Signale gesetzt. Nur sind diese absolut unglaubwürdig geblieben. Denn der langjährige Vorsitzende der Grünen hat sich von keiner einzigen linksradikalen Position seiner Partei distanziert. Auch nicht von denen, die diesen Worten diametral negativ gegenüberstehen. Zum grünen Selbstverständnis hat immer tiefste Verachtung für Sätze à la „An Österreich glauben“ gehört. Das ist in grünen Ohren verhasste Heimat-Tümelei. Der Satz „Wir alle gemeinsam“ auf VdB-Plakaten würde von den üblichen grünen Stereotypen überhaupt sofort als faschistisch denunziert. Aber die Grünen halten alle bis zum Wahltag den Mund, weil sie spüren, dass einer von ihnen nur in konservativer Tarnung Erfolgschancen hat.
  • -         Van der Bellen distanziert sich nicht einmal von üblen Ausritten seiner Nachfolgerin Glawischnig, die weniger als eine Woche vor der Wahl Österreich als „Schurkenstaat“ bezeichnet.
  • -         In einen ständigen Wirbel hat sich Van der Bellen mit seinen immer wieder variierten Aussagen hineingeredet, ob, wie und warum er einen freiheitlichen Bundeskanzler trotz parlamentarischer Mehrheit nicht angeloben würde. Er sprach öffentlich sogar davon, den Nationalrat aufzulösen, um eine Regierung unter einem Freiheitlichen zu verhindern.
  • -         Dabei zeigte er nicht nur schwache Verfassungskenntnis, sondern auch eine undemokratische Haltung. Überdies würde Van der Bellen eine veritable Staatskrise auslösen, wenn er das wirklich täte.
  • -         Eine Realisierung dieser Ankündigungen ist freilich wegen eines anderen Minuspunktes in seiner Persönlichkeit keinesfalls zu erwarten: Van der Bellen zieht nämlich nie irgendein Vorhaben konsequent durch. Nicht einmal die nach der Wahl 2002 schon fertig ausgehandelte schwarz-grüne Koalition kam letztlich zustande. Er wäre durch seinen Charakter eines nie wirklich handelnden Cunctators für jede Regierung letztlich ein sehr bequemes Gegenüber.
  • -         Van der Bellen galt nach Aussagen vieler, die damals mit ihm näher zu tun hatten, – auch schon in seiner Uni-Professoren-Zeit als nicht gerade fleißig. Wissenschaftliche Hinterlassenschaften von ihm sind nicht auffindbar.
  • -         Auch als Universitätsbeauftrager des rotgrünen Wiens hat er keinerlei relevante Spuren hinterlassen.
  • -         Er wurde 2010 mit einer hohen Anzahl von Vorzugsstimmen aus an sich unwählbarer Position in den Wiener Gemeinderat gewählt, hat dann aber zwei Jahre lange dieses Mandat nicht angenommen (oder so lange über das Wahlergebnis nachdenken müssen?). Er ist lieber im Nationalrat sitzen geblieben. Was eine ziemliche Verhöhnung der eigenen Wähler war.
  • -         Wirklich nur noch als verlogen kann man es bezeichnen, dass Van der Bellen als „unabhängiger“ Kandidat auftritt. Denn seine Kampagne ist praktisch zur Gänze von den Grünen finanziert und organisiert worden: zwei Millionen grünes Parteigeld stehen 146.000 Euro an privaten Spenden gegenüber – und auch die kommen primär von grünen Abgeordneten.
  • -         Van der Bellen schwärmt öffentlich nicht nur für Bruno Kreisky (dessen gravierende außen- und wirtschaftspolitischen Schattenseiten ihm offenbar nicht bewusst sind), sondern auch für Christian Broda, also einen Mann, der nicht nur eine kommunistische Vergangenheit hat, sondern als Justizminister auch viele Nazi-Täter auffällig verschont hat.
  • -         Der grüne Kandidat hat nie auch nur das leiseste Wort der Kritik an den aggressiven und zum Teil gewalttätigen Aktionen von zum guten Teil aus seiner Partei kommenden Aktivisten gegen FPÖ-Bälle geübt.
  • -         Für seine Ablehnung von TTIP (das er früher noch voll begrüßt hatte!), fand Van der Bellen ein besonders intelligenzarmes Argument: Europa würde dadurch „gentechnisch verseucht“.
  • -         Van der Bellen hat auf Fotos, die ihm bei der – ansonsten zweifellos dümmlichen – ORF-Wahlfahrt gezeigt worden sind, nicht einmal dem Regierungschef des zweitgrößten Nachbarlandes erkannt (Renzi). Was ein weiteres kleines Indiz ist, dass er sich kaum für internationale Vorgänge interessiert.

Irmgard Griss

Das Positive:

  • + Sie ist erstmals eine (bis auf die etwas halbherzige Unterstützung durch die Neos) parteiunabhängige Kandidatin mit guten Chancen. Das liegt enorm im Zug der Zeit, da derzeit alle Parteien, aber besonders Rot und Schwarz, so unbeliebt sind wie noch nie.
  • + Sie wäre auch als erste Frau in diesem Amt ein erfreuliches Signal.
  • + Sie hätte in einer Stichwahl mit Van der Bellen wohl die besten Chancen aller nicht linken Kandidaten, weil gegen sie keine Anti-FPÖ beziehungsweise Anti-ÖVP-motivierten Stimmen abgegeben würden. Auf sie kann niemand wegen einer Aussage oder Tat eines anderen Politikers böse sein.
  • + Sie ist hochintelligent und war als Höchstrichterin von allen geschätzt.
  • + Sie hat zumindest ansatzweise gewagt, auf Distanz zur Neutralität zu gehen.
  • + Sie hat durch die Erstellung des Hypo-Berichts gezeigt, dass sie exzellent imstande ist, komplexe Materien korrekt zu entwirren.
  • + Sie ist von den Parteien unfair behandelt worden. Das nimmt für sie ein: Denn als sie zur Kandidatin wurde, ist der zuvor überall gelobte Hypo-Bericht über Nacht negativ dargestellt worden. Die Spin-Doctoren der Parteien haben aus der – rechtlich völlig einwandfreien – Vernichtung aller Protokolle ihrer (zum Teil vertraulichen) Hypo-Recherche-Gespräche plötzlich ein skandalöses Versäumnis zu machen versucht.
  • + Sie spricht sich für die Abschaffung des Amtsgeheimnisses aus (freilich bleibt unklar, ob sie dessen Substitution durch einen ähnlich starken „Datenschutz“ will, wie es leider die Regierung tut, was ja überhaupt nichts ändern würde).
  • + Sie ist für die direkte Demokratie.

Das Negative:

  • -         Eines ihrer größten Mankos: Sie blieb geistig bloße Richterin. Sie doziert, was Konsequenz der Gesetze sei. Sie hat nie wirklich begriffen, dass ein Politiker vor allem wegen seiner gestaltenden Rolle ins Amt gewählt wird und nicht nur, um die Gesetze mechanisch anzuwenden. In ihrem Denken scheint kein Platz für den Gedanken, dass ein Gesetz auch schlecht und änderungsbedürftig sein könnte. Wie etwa das Asyl- und Migrationsrecht.
  • -         Sie hat die gewaltigen Ängste, Sorgen und Aversionen der Österreicher angesichts der Völkerwanderung überhaupt nicht begriffen. Sie ist dem Thema mehr als alle anderen Kandidaten aus dem Weg gegangen. Sie hat immer den (von den diversen Höchstgerichten ja erst durch die Judikatur so extensiv gestalteten) Anspruch auf Asylgewährung betont. Sie will nicht begreifen, dass genau diese Asyljudikatur Österreich zu einem offenen Scheunentor für die Massenzuwanderung verwandelt hat. Griss ist offensichtlich die – allen Umfragen zufolge – wichtigste Sorge der Bürger wurscht.
  • -         Sie will sogar legale Zuwanderungswege für Aslyanten öffnen, also de facto die Migration noch ausweiten.
  • -         Sie hat die Abriegelung der Balkanroute kritisiert.
  • -         Wenn Griss zum Völkerwanderungsthema sagt: „Merkels Ansatz ist der einzige mögliche Weg“, dann versucht sie im Grund Van der Bellen links zu überholen.
  • -         Auch zum Bereich Bundesheer und Landesverteidigung hat sie offensichtlich keine innere Beziehung. Sie hat auf diesbezügliche Fragen immer nur gesagt, dass man darüber diskutieren müsse.
  • -         Es ist eine seltsame Vorstellung: Eine Gegnerin der Wehrpflicht will in die Rolle eines Oberbefehlshabers schlüpfen.
  • -         Sie hat sich für eine strikte Geschlechterquote ausgesprochen. Sie verlangt sogar eine 50-prozentige Frauenquote in staatsnahen Betrieben, was nicht einmal die SPÖ tut.
  • -         Diese Forderung steht auch in diametralem Gegensatz zum Leistungsprinzip, zum Griss-Ruf nach den „besten Köpfen“. Wenn zuerst das Geschlecht wichtig ist und erst dann die Frage, ob ein Bewerber der „beste Kopf“ für eine bestimmte Funktion ist, dann würde die in vielen staatlichen Bereichen schon jetzt zu sehende Qualitätsverschlechterung weiter eskalieren. Damit würden sich viele Personalentscheidungen (eine der wenigen wirklichen Machtfunktionen des Bundespräsidenten!) auf eine reine Genderangelegenheit, ein Abzählen von Prozentpunkten reduzieren.
  • -         Schon rein sprachlich war ihr ständiges „der Bundespräsident, die Bundespräsidentin“ im Wahlkampf schmerzhaft. So als ob sie ständig auf ihr Geschlecht hinweisen müsste.
  • -         Sie hat mit der Forderung nach Erbschaftssteuer und verpflichtender Ganztagsschule sehr linke Positionen übernommen, die für die meisten bürgerlichen Wähler sehr abstoßend sind (auch wenn diese Themen nicht wirklich in die Präsidentenkompetenz fallen).
  • -         Sie hat sich im Wahlkampf vielfach auf Orchideenthemen konzentriert, die weit außerhalb der Präsidentenkompetenz liegen, wie etwa die Erfindung eines neuen Schulfaches.
  • -         Sie hat sich mehrfach für die volle Schwulenehe ausgesprochen und auch für die Adoption von Kindern durch zwei schwule Partner (selbst wenn diese nicht mit dem Kind verwandt sind). Das sehen nicht nur religiöse Menschen, sondern auch viele Kinderschützer als sehr problematisch an. Aber Griss denkt nicht nach, was gut wäre (für Österreich, für die Kinder), sondern immer nur, wie Gesetze derzeit interpretiert werden. Oder sie glaubt gar, mit schwulen Stimmen die Wahl gewinnen zu können (dabei machen die schwulen Verpartnerungen nur ein Prozent der traditionellen Ehen aus).
  • -         Dass sie angekündigt hat, die Hälfte ihres Einkommens zu spenden, klingt sympathisch, ist aber ein wenig populistisch. Vor allem führt eine solche Haltung dazu, dass sich am Ende nur noch sehr reiche Menschen (à la Trump) den Gang in die Politik leisten werden können – oder pensionierte Bundesbedienstete und Richter mit einer unverhältnismäßig hohen Pension aus Steuergeldern, die ja auch neben jedem politischen Einkommen weiterläuft.
  • -         Obwohl Juristin, begeht Griss so überflüssige (wenn auch lässliche) Fehler wie das Weglassen eines Impressums auf ihren Wahlplakaten.
  • -         Auch das Verlangen von Geld für einen Auftritt im Wahlkampf (Management Club) sorgt für Kopfschütteln.
  • -         Sie ist auch im Wahlkampf nie zu einer guten Rednerin geworden.

Norbert Hofer

Das Positive:

  • + Hofer ist eindeutig wertkonservativ. Als wirtschaftsliberal (was für mich der zweite wichtige Bewertungsmaßstab wäre) hat er sich hingegen nie geoutet.
  • + Hofer hat ein gewinnendes, freundliches Wesen und nicht die polarisierende Schärfe seines Parteichefs Strache.
  • + Die Tatsache, dass er nach einem gefährlichen Sportunfall und langwierigen Komplikationen mit einem Stock geht, nimmt für ihn ein.
  • + Er hat als einziger(!) Kandidat bei einer TV-Diskussion gewagt zu sagen, dass er kein „Feminist“ sei.
  • + Er wäre eine unangenehmes und oft in die richtige Richtung drängendes Gegenüber für die Regierung.

Das Negative:

  • - Hofer hat leichtfertig mehrmals die Entlassung der Regierung angekündigt. Das wollen die meisten Österreicher bei aller Kritik an der Regierung als destabilisierende Aktion aber nicht. Das widerspricht dem Bild, das sie von der Rolle des Bundespräsidenten haben. Das ist in seinen Konsequenzen auch überhaupt nicht durchdacht. Das ist gegen eine Parlamentsmehrheit nicht durchhaltbar. Allerdings hat Hofer zum Unterschied von Van der Bellen gleichzeitig garantiert, dass er nie den Nationalrat auflösen würde. Was wieder ein positives Stabilitätssignal ist (allerdings ein nicht wirklich einhaltbares Versprechen, sollte die Mehrheit des Nationalrats selbst die Auflösung beschließen).
  • -         Hofers größter Nachteil in der Wahl ist zweifellos seine Zugehörigkeit zur FPÖ. Noch ist trotz der ständigen FPÖ-Zugewinne die Mehrheit der Österreicher nicht überzeugt, dass die FPÖ eine normale und verlässliche Partei ohne Risken ist, die bloß die meisten jener Positionen vertritt, für die früher die ÖVP gestanden ist (auch wenn die meisten Österreicher die ständigen Denunziationen der FPÖ durch die radikallinke Antifa nicht mehr glauben). Das ist daher bei einem Wahlmodus, wo man in der Stichwahl die absolute Mehrheit braucht, ein gravierender Nachteil, selbst wenn man im ersten Durchgang relativ vorne liegen sollte.
  • -         Er war in Sachen Völkerwanderung zeitweise völlig falsch und alles andere als sattelfest positioniert. Hofer hat beim bisher mutigsten und konkretesten Erfolg der Bundesregierung nämlich anfangs absurderweise total Kontra gegeben: „Die Dissonanzen mit der Bundesrepublik und Griechenland gefallen mir nicht.“ Und: „Es war sicherlich ein Fehler, Griechenland nicht zur Balkankonferenz nach Wien einzuladen.“ Das klang wie der linke SPÖ-Flügel. Hofer hat vor lauter automatischem Hinpecken auf die Regierung nicht begriffen, dass es bei einer Teilnahme Griechenlands an der Wiener Balkankonferenz bis heute keine Sperre der Balkanroute geben würde.
  • -         Hofer ist außenpolitisch weitgehend unbeleckt und unerfahren.
  • -         Er hat bei internationalen Kontakten mit anderen Präsidenten als FPÖ-Angehöriger vermutlich größere Probleme zu erwarten (auch wenn es sicher nicht so schlimm wird wie einst für Waldheim oder Schüssel).
  • -         Hofer hat eine problematische Russlandnähe (wenn auch nicht so explizit wie andere Freiheitliche): Die Annexion der Krim sei zwar „natürlich“ ein Völkerrechtsbruch gewesen, „aber irgendwann muss man pragmatisch sein“. Also auf Deutsch: Eine Aggression gegen ein souveränes Land soll man nach ein paar Jahren stillschweigend hinnehmen.
  • -         Er ist (so wie auch Hundstorfer und Khol) für seine eigene Partei nur die zweite Wahl gewesen, weshalb es (auch) für ihn nur eine relativ trockene und wenig inspirierte Kampagne gegeben hat.
  • -         Er hat sich selbst noch am Beginn des Jahres als zu jung bezeichnet, um jetzt schon Bundespräsident zu werden.

Fortsetzung folgt.

 

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"Rechtsextremer" Bühnensturm drucken

Quer durch die Europäische Union entfaltet sich „schwere Besorgnis“ gegenüber den Regierungen Ungarns und Polens. Rechte Politik — also eine wirklich konservative, nachhaltig agierende, die Substanz bewahrende und die legitimen Eigeninteressen der Bevölkerung wahrnehmende Regierung, wenn wir das jetzt einmal in einen nicht so häufig erwähnten Zusammenhang setzen — ist nämlich nicht mehr kompatibel mit einem „modernen Europa“. (Nur Fundamentalisten übersetzen hier „modern“ mit immer linkslastiger, immer korrupter und immer totalitärer).

Progressive aller Couleur freilich, etwa die der Regierung Griechenlands, haben selbstverständlich volle Handlungsfreiheit, bekommen laufend Geldgeschenke und werden auch von der systemkonformen länderübergreifenden „Berichterstattung“ sehr verwöhnt.

Wie im Großen, so im Kleinen. Auch in der hiesigen Republik sind Äußerungen der eigenen Meinung, Darlegung der eigenen Weltanschauung, Vertretung der eigenen Interessen und mit öffentlichen Geldern reichlich unterstützte Proteste gegen die angeblichen oder tatsächlichen Zumutungen der Politik ausschließlich den Linken vorbehalten. Die Rechte hat in der Öffentlichkeit nichts verloren, wie der hierorts in Regierung, Parlament, Verwaltung, den Medien und der Justiz breit etablierte Linksextremismus befindet.

Unerhörter Weise halten sich die phantasievoll agierenden jungen Herren der „Identitären Bewegung“ nicht an diese Vorgaben politischer Korrektheit. Im Unterschied zur Linken erhalten sie natürlich keine steuergeldgestützten Subventionen; als besonders abscheulich muss vermerkt sein, dass sie dessen ungeachtet ihre Anliegen effizienter vertreten dürften, als der „Staatsschutz“ erlauben möchte. Dieser ermittelt nämlich gerade eifrig, wie man den Medien entnimmt („Heute“ 18.4. - „Polizei jagt nun die Täter“; „Wiener Zeitung“ 16.4. - die Polizei forscht und zeigt an; „Die Presse“ 16.4. - „Beim Verfassungsschutz sieht man ein sich beständig wiederholendes Muster“).

Denn Ungeheuerliches ward Wirklichkeit. Eine von der (ein bisschen linkslastigen) Hochschülerschaft an der Universität Wien veranstaltete Aufführung eines migrantischen Schauspiels der als Kommunistin geltenden „Literatin“ Jelinek wurde gestört. „Donnerstagabend ... die Theaterszene auf der Bühne des mit 800 Personen gefüllten Audimax ... ist ruhig, das Licht gedämpft. Plötzlich stürmen mehrere Personen durch den Seiteneingang, ein Rädelsführer brüllt Parolen in das Megafon ... dabei verspritzen die Eindringlinge Kunstblut, es kommt zu Rangeleien ...“ („Die Presse“ 16.4.). Schrecklich.

In den frühen Dreißigerjahren gab es an den Universitäten wüste Ausschreitungen von nazistischen Studenten ... es gab Verletzte und Schwerverletzte. Aber wir schreiben April 2016. Rund 30 Mitglieder der rechtsextremen Gruppe ... stürmen die Bühne im Audimax bei einer Aufführung ... Die Methode und die Sprache sind klassisch Dreißigerjahre-rechtsextrem ...“ („Standard“ 16.4.). „Auch die ÖH-Wien-Vorsitzende ... erstattet Anzeige wegen Körperverletzung“ („Die Presse“ 16.4.).

Und Kardinal Schönborns „Radio Klassik“ apportiert brav die Nachricht, dass auf Anfrage eines „grünen“ Politsprechers das heimische Innenministerium erläutert, dass es in jüngster Zeit einen „massiven Anstieg rechtsextremer und rassistischer“ Untaten beobachtet habe (18.4.). Auch der sozialistische Präsidentschaftskandidat Hundstorfer hat seinem „Entsetzen“ über den Bühnensturm Ausdruck verliehen und auf die Mitverantwortlichkeit der „Freiheitlichen Partei“ hingewiesen, „die mit ihrer Politik den Nährboden für solch rechtsextreme Gruppen“ bereite („Wiener Zeitung“ 16.4).

Ob die Täter schließlich wegen Körperverletzung, Hausfriedensbruch oder anderen Vergehen“ angeklagt werden, „muss die Staatsanwaltschaft“ entscheiden („Heute“ 18.4.). Die Staatsanwaltschaft wird das alles ganz sicher objektiv handhaben, da haben wir doch zahlreiche Belege für ihre politische und ideologische Unabhängigkeit aus den letzten 40 Jahren, nicht wahr.

Die Liste an durch die „Identitären“ begangenen allzu publikumswirksamen Aktivitäten und unerlaubten Provokationen ist lange. (Von manchen werden die Herrschaften, ganz unbegreiflich, als höfliche junge Menschen beschrieben). Da war die nicht vorgesehene Besetzung der doch schon asylheischend besetzten Votivkirche. Und vor einer Woche brachten sie auf dem Dach der „Parteizentrale der Grünen in Graz“ ein Plakat mit islamkritischer Botschaft an.

In den Monaten davor „störten“ sie „Informationsveranstaltungen“ zur Migrationskrise in Tirol, der Steiermark und Oberösterreich durch Zusatzinformationen. Und vor Weihnachten waren sie selbst schauspielerisch tätig und stellten auf dem Wiener Stephansplatz Enthauptungen nach, wie sie derzeit im Orient häufiger und gerne auch an Christen vollzogen werden; eine sicherlich ein bißchen brisante Verdeutlichung problematischer Begleiterscheinungen gewisser islamisch bestimmter Gesellschaftsmodelle.

Und nun das: der Bühnensturm im „Audimax“ in Wien.

Wenn wir freilich an unsere eigene Studienzeit an der Universität Wien zurückdenken, müssen wir nicht, wie Kolumnist „Rau“ vom „Standard“, bis in die 1930er Jahre und zu den „nazistischen Studenten“ zurückgehen, um zu „wüsten Ausschreitungen“ zu kommen. Deutlich sieht der Verfasser dieser Zeilen das erwähnte Auditorium maximum der Universität vor sich, einen von konservativen Studenten damals vorgeführten abtreibungskritischen Dokumentarfilm und den während der Vorführung diesen Hörsaal stürmenden linksextremen Mob.

So viele bunte Details: der von den Linksengagierten verschüttete Salmiakgeist, die von den fortschrittlichen Studenten geworfenen besudelten Monatsbinden, und die zahlreichen von den Paradedemokraten zum Einsatz gebrachten Schlagringe, Injektionsnadeln und Totschläger. Auch mit Megaphon gebrüllte Parolen gab es bereits, klassisch Achtzigerjahre-linksextrem, kombiniert mit viel Gerangel, nicht erst im April 2016 oder in den 1930er-Jahren; und auch „Verletzte und Schwerverletzte“, etwa eine Studentin mit gebrochenem Unterarm.

Bei einer Abtreibungsgegnerin allerdings ist das ja nicht so schlimm. Derzeit hat die tüchtige Wiener Polizei schon „acht Anzeigen“ und ist dabei, alle „Beteiligten“ dieser empörenden Störung einer Jelinek-Aufführung „auszuforschen“; damals freilich kann sich der Autor an keine übereifrige Polizei erinnern und schon gar nicht an ermittelnden „Staatsschutz“.

Man hatte damals, ganz konträr, den Eindruck eines tiefgehenden polizeilichen Desinteresses an solchen Ereignissen im Bereich der Universität; das sei ja gewissermaßen exterritoriales Gebiet unter der Hoheit des Rektors, wie damals angedeutet wurde, da könne „man leider nicht viel machen.“

Auch andere im Bereich der Universität stattgefundene linke Lustbarkeiten dürften ganz ohne polizeiliche Nachforschungen, mediale Empörung und gerichtliche Folgen ausgekommen sein. War da nicht beispielsweise die vor vielen Jahren zwar, aber schon deutlich im Bereich der zeitgeschichtlichen Gegenwart befindliche, öffentlich begangene und auch mitgefilmte massive Sachbeschädigung in der Aula der Universität? Ein Zerstörungsakt, vorgenommen am Denkmal für die während beider Weltkriege gefallenen Studenten; ein mit Hammer und Meißel durchgeführtes Verunstalten eines Marmorkopfes? Über die Ausforschung von Tätern ist uns leider gar nichts zu Ohren gekommen. Sollte man polizeiliche Bemühungen als unangebracht erst gar nicht in Gang gesetzt haben? Na so was aber auch.

Und auch außerhalb des engeren universitären Bereichs ist das Einschreiten der Polizei von ganz großen Unterschiedlichkeiten geprägt. „Drohungen“ wären ausgesprochen worden, weiß der „Standard“ zu berichten; die in die „gesellschaftliche Mitte“ („Die Presse“) drängenden „Rechtsextremisten“ hätten dem Publikum der Jelinek-Darbietung doch glatt zugerufen, dass es kein „sicheres Hinterland“ mehr für „Heimathasser“ gäbe. Wenn das kein schlagender Beweis für was auch immer ist?

Da sei doch gleich noch eine Reminiszenz hier ausgeführt, jene an den Gründonnerstag des Jahres 2000. Die aus der Kapuzinerkirche am Neuen Markt in Wien nach dem Besuch der Heiligen Messe ins Freie tretenden Gläubigen sahen sich ganz plötzlich mit einer Überzahl an „zivilgesellschaftlich Betroffenen“ konfrontiert, die an den damals zur Politfolklore gehörenden linksanarchistischen „Donnerstagsdemonstrationen“ gegen die neue VP-FP-Regierung teilnahmen. Im Bereich des Eingangs zur Kirche halbkreisförmig eingekesselt, wurden die Messbesucher beschimpft, bedroht, photographiert, mit Müll beworfen und gewaltsam am Fortgehen gehindert. Die per Telephon herbeigerufene Polizei — kam lange nicht.

Erst nach etwa halbstündiger Belagerung durch die von aggressivem Messbesuch offenbar provozierten Antifaschisten vollzog sich, wie an unsichtbaren Fäden, ein ganz geordneter Abzug der donnerstagsbewegten Demonstranten. Danach kam es schließlich zum Auftritt der Polizei. Doch von Anzeigen, Nachforschungen des „Staatsschutzes“ oder gar strafrechtlicher Verfolgung ist auch in diesem Fall gar nichts bekannt geworden; auch nicht von „Beobachtungen“ des Innenministeriums.

Und auch des Erzbischof Schönborns Diözesanmedien konnten es vermeiden, Warnungen über grassierenden linken Straßenterror zu veröffentlichen. Wie man verstehen wird, ist angesichts „rechtsextremen Bühnensturms“ vergleichbare Zurückhaltung ganz und gar nicht angebracht.

Seltsamer Weise fühlen wir uns jetzt ganz plötzlich auch an die 1930er-Jahre erinnert; an das Jahr 1938, um genau zu sein. Da war ja diese Predigt des damaligen Erzbischofs von Wien, Innitzer mit Namen; diese Predigt über Christus den König. Und danach ist dann das Erzbischöfliche Palais gestürmt und verwüstet worden, von denjenigen, denen diese Predigt nicht so gut gefallen hat. Und, was für historische Ähnlichkeiten einem manchmal doch auffallen, da ist damals auch die Polizei nicht gekommen, obwohl man sie angerufen hat.

Erst, als dann alles vorbei war, da hat dann die Polizei versichert, wie es überliefert ist, dass sie da leider gar nichts machen konnte. Gewiss hat dann die Polizei doch auch nachgeforscht, nicht wegen der vernachlässigbaren Vandalisierung des Palais, nein, sondern vielmehr wer denn da nämlich genau bei der Predigt im Stephansdom mit dabei gewesen ist. Und etwas später dürfte dann auch der damalige „Staatsschutz“ aktiv geworden sein. Der hieß nur damals geringfügig anders. Aber diese bösen Zeiten haben wir, wie erfreulich, schon lange hinter uns gelassen; im durchgegenderten Europa unserer lieblichen Gegenwart ist alles anders.

Dr. Albert Pethö, Historiker und Publizist, lebt in Wien.

 

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Österreich sucht einen neuen Ersatzkaiser – Ein Grüner als Herr der Hofburg? drucken

Nach zwei Amtsperioden von Heinz Fischer, der seine Politkarriere als Kofferträger Bruno Kreiskys startete und die Inkarnation des politisch korrekten linken Spießertums darstellt, soll am kommenden Sonntag ein neuer Bundespräsident gekürt werden. Das heißt, falls einer der Kandidaten im ersten Wahlgang die nötige Mehrheit schafft, was, glaubt man den Meinungsumfragen, unwahrscheinlich ist. Es wird voraussichtlich eine Stichwahl geben.

Der gegenwärtige Amtsinhaber war durch seine gesamte Amtszeit hindurch peinlich darum bemüht, keinesfalls durch originelle oder gar geistreiche Aussagen aufzufallen oder gescheite Initiativen zu setzen, wurde seiner Rolle als Grüßonkel der Nation aber anstandslos gerecht. Als Gründungs- und Vorstandsmitglied der österreichisch-nordkoreanischen Freundschaftsgesellschaft (!) verfügt er über das auf dem internationalen Parkett gefragte, feine Gespür fürs Opportune.

Wer steht zur Wahl? Da im Frührentner-Eldorado Österreich Greise über einen ganz natürlichen Bonus verfügen, handelt es sich folgerichtig großteils um mehr oder weniger rüstige Pensionisten beiderlei Geschlechts. Darunter zwei emeritierte Universitätsprofessoren, nämlich der Kandidat der einst bürgerlich-konservativen ÖVP Andreas Khol und der „unabhängige“ Kandidat Van der Bellen, ein langgedienter Funktionär der Grünen. Diese finanzieren, uneigennützig wie sie nun einmal sind, den Löwenanteil der Kosten seines aufwendigen Wahlkampfs. Irmgard Griss, ehemals Chefin des Obersten Gerichtshofs, tritt als tatsächlich parteiunabhängige Kandidatin an. Schließlich der Ex-Gewerkschafter und in seiner Rolle als Sozialminister notorisch erfolglose Rudolf Hundstorfer, der für die Sozialisten in den Ring steigt.

Die Steuerzahler werden mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen, dass keiner dieser Präsidentschaftsanwärter sich mit Pensionsbezügen von weniger als 9.000,- Euro monatlich durchfretten muss. Keiner von ihnen ist also auf das angestrebte Amt angewiesen, um dräuender Altersarmut zu entrinnen.

Der mit einem Alter von 45 Jahren mit Abstand jüngste Kandidat, Norbert Hofer, bekleidet das Amt des dritten Nationalratspräsidenten und geht für die Freiheitlichen ins Rennen. Das garantiert ihm den erbitterten Widerstand und gehässige Anfeindungen seitens des öffentlich-rechtlichen Rotfunks und der mit Steuergeldern korrumpierten Hauptstrommedien. Ein inszenierter Shitstorm könnte ihm allerdings – man denke an die letztlich gescheiterte Schmutzkübelkampagne gegen Kurt Waldheim im Jahre 1986, den die Sozialisten mit massiver überseeischer Schützenhilfe inszeniert hatten – am Ende vielleicht sogar zum Vorteil gereichen (jener konterte damals mit dem zum Erfolg führenden Wahlkampfslogan: „Jetzt erst recht!“).

Der älteste Kandidat, Baumeister Richard Lugner, aus sämtlichen Klatschspalten der Yellow-Press bekannt als Mann, der vor keiner Peinlichkeit zurückschreckt, kann immerhin als einziger Bewerber darauf pochen, Steuern zu bezahlen und nicht davon zu leben, wie alle seine Gegner im Kampf ums höchste Amt im Staate. Dass er in einem Alter immer noch berufstätig ist, da der gemeine Staatsdiener schon mehr als 20 Jahre lang seinen Ruhestand genießt, gereicht ihm indes nicht zum Vorteil. Wer sein Geld als Selbständiger unter Marktbedingungen verdient, ist im Land der Hämmer grundsätzlich verdächtig.

Wie stehen die Chancen? Van der Bellen ist unangefochtener Favorit und könnte einen Start-Ziel-Sieg landen. Aus unerfindlichen Gründen schafft der Mann es – obwohl bekanntermaßen extrem weit links positioniert –, sich bürgerlichen Wählern als akzeptabler Kandidat anzudienen. Die Grünen haben somit erstmalig die Chance, das höchste Amt im Staat zu erobern – auch wenn auf den Schmäh mit der „Unabhängigkeit“ ihres Kandidaten eigentlich selbst die dümmsten Wähler nicht hereinfallen sollten.

Keine Chancen werden dem roten Apparatschik Hundstorfer eingeräumt, der im Wahlkampf völlig überfordert wirkt und kaum über das mechanische Aufsagen auswendiggelernter Phrasen hinausfindet. Der Kandidat der ÖVP rangiert in den Umfragen ebenfalls abgeschlagen, was keinen Beobachter ernsthaft überrascht. Der Mann war schon in seiner Aktivzeit (etwa als Nationalratspräsident) kein Sympathieträger und er ist es bis heute nicht. Irmgard Griss dürfte es – mangels wohlorganisierter Unterstützer ihres Wahlkampfs – ebenso wenig in die zweite Runde schaffen, wie Richard Lugner, der offenbar von seiner ebenso jungen wie ehrgeizigen Ehefrau in eine aussichtslose Sache hineingehetzt wurde.

Die Auguren erwarten ein Stichwahlduell zwischen dem grünen und dem blauen Kandidaten, das ersterer, da er sich der überschwänglichen Sympathie von Staatsfunk und linkslastigen Printmedien erfreut, die keine Gelegenheit auslassen werden, seinen Gegner schlecht aussehen zu lassen, mutmaßlich für sich entscheiden wird. Es würde den Kenner der unter dem Titel Innenpolitik firmierenden Schlangengrube keinesfalls überraschen, wenn zwei, drei Tage vor der Wahl überraschend aufkäme, dass Norbert Hofer weitschichtig mit Heinrich Himmler verwandt oder gar ein geheimes Mitglied des heimischen Ablegers des Ku-Klux-Klans ist. Zur Erinnerung: 1986 brachten es Medien problemlos fertig, Kurt Waldheim als „SS-Butcher“ zu denunzieren (tatsächlich war er subalterner Wehrmachtsoffizier).

Die beiden ernstzunehmenden bürgerlichen Kandidaten, Griss und Khol, die in der Stichwahl möglicherweise sogar Chancen gegen den grünen Kettenraucher hätten, werden es ironischerweise wohl nicht in die zweite Runde schaffen.

Wesentlicher Rückenwind erwächst Van der Bellen aus dem bizarr erscheinenden Umstand, dass viele Bürgerliche im Zweifel eher einem Linken als einem Freiheitlichen ihre Stimme geben, wie das schon im zurückliegenden Wiener Landtagswahlkampf zu beobachten war.

Auch die grassierende Geschichtsvergessenheit nutzt dem Grünen: Der seinerzeitige Bundespräsident Franz Jonas, ein bedingungslos loyaler roter Parteisoldat, beauftragte im Jahr 1970 den späteren Zerstörer der österreichischen Staatsfinanzen, seinen Parteifreund Bruno Kreisky – entgegen allen bis dahin geübten Gepflogenheiten – mit der Bildung einer Minderheitsregierung. Er legte damit das Fundament für den Großteil aller Probleme, mit denen Kakanien bis zum heutigen Tage zu kämpfen hat. Jonas war ein Mann von schlichtem Gemüt. Um wieviel mehr Schaden könnte wohl ein intelligenter Linker in der Hofburg anrichten?

Ein Grüner als Bundespräsident hätte erheblichen Einfluss auf die nächste Regierungsbildung, zumal Van der Bellen aus seinem Herzen ja dankenswerterweise keine Mördergrube macht und bereits öffentlich bekundet hat, keinesfalls einen Freiheitlichen mit der Regierungsbildung zu beauftragen – und zwar auch dann nicht, wenn der über eine Mehrheit verfügt. Wenn diese Art des Demokratieverständnisses von den Wählern tatsächlich honoriert wird, dann allerdings hätten sie sich einen Grünen in der Hofburg – und alle daraus folgenden Konsequenzen – wirklich redlich verdient.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Will Commenda putschen? drucken

Es ist in mehrfacher Hinsicht sehr schlimm, wie sich der österreichische Generalstabschef Commenda jetzt in Moskau verhalten hat. Noch schlimmer ist, wie wenig das in Österreich diskutiert wird. Dabei müsste es eigentlich jetzt intensiv um seinen Rücktritt gehen.

Zumindest wären massive öffentliche Zurechtweisungen für den Mann durch Bundespräsidenten, Bundeskanzler, Verteidigungsminister und Parlament am Platz – egal wie viele Parteibücher Commenda besitzen mag (von den Medien ganz zu schweigen, die aber offenbar vielfach gar nicht begreifen, was sich da Arges abgespielt hat).

Herr Commenda hat sich von Russland tölpelhaft instrumentalisieren lassen. Er hat jedes Bewusstsein vermissen lassen, dass Soldaten – und er ist nichts als ein Soldat und Beamter – den Primat des Rechts und der Politik bedingungslos und unkommentiert zu akzeptieren haben. Das sollte eigentlich seit dem Ersten Weltkrieg in jeder rechtsstaatlichen Demokratie völlig klar und unbestritten sein. Ist doch dieser Krieg – auf mehreren Seiten – von politisierenden und kriegshetzerischen Spitzenmilitärs mitverschuldet worden.

Die Äußerungen Commendas in einem Delegationsgespräch in Moskau sind von Russland nach außen gespielt worden. Das ist sicher nicht die feine Art. Damit muss aber jeder rechnen, der als offizieller Vertreter Österreichs mit einem Staat wie Russland zu tun hat.

Ein Botschafter etwa würde sofort seinen Job verlieren, wenn er das nicht bedenkt. Er sollte nicht einmal in Vieraugengesprächen seine private Meinung äußern. Ich habe in meinen zwanzig Jahren als außenpolitischer Journalist mit hunderten internationalen Diplomaten, Beamten und Politikern zu tun gehabt. Dabei ist es mir immer nur gelungen, Oppositionspolitikern oder Journalisten Kritik am eigenen Land herauszulocken, bei Beamten nie.

Commenda hat in Moskau in diesem Delegationsgespräch jedoch wörtlich gesagt, „dass wir nicht bereit sind, das Diktat anderer auf uns nehmen zu müssen, mit wem wir verkehren dürfen“. Das ist schon einmal inhaltlich nicht richtig. Denn Commenda hat ja mit seinem russischen Gegenüber „verkehrt“, ohne dass irgendein „Diktat“ das verhindert hätte.

Wohl aber gibt es einen gemeinsamen und rechtlich bindenden Beschluss aller europäischen Staaten, dass der russische Generalstabschef und etliche andere russische Machtträger nicht in die EU reisen dürfen. Und dieser Beschluss ist eindeutig einschließlich Österreichs gefallen, er ist also kein Diktat „anderer“.

Diese und andere Sanktionen gegen Russland haben sich auch ganz eindeutig als teilweise erfolgreich erwiesen. Denn ihretwegen hat nach übereinstimmender Auffassung der meisten strategischen Experten Russland seinen Vorstoß in der Ukraine abgebrochen, der sonst mindestens bis Odessa gegangen wäre. Moskau hat zu seinem Erstaunen erkennen müssen, dass Europa doch zu einheitlichem Handeln imstande ist, und deshalb seine Aggression gestoppt, freilich das Eroberte (noch?) nicht wieder freigegeben.

Aber selbst wenn die Sanktionen nichts bewirkt hätten: Sie sind ganz eindeutig rechtlich korrekt zustandegekommen. Und daher auch für österreichische Beamte eindeutig bindend. Was auch immer sie ganz privat davon halten mögen.

Wird das jetzt nicht ganz deutlich klargestellt, dann werden sich auch andere Offiziere legitimiert fühlen, gefährlich zu politisieren. Dann bezeichnen sie halt beim nächsten Mal die österreichische Verfassung oder Gesetze der Republik als „Diktat“.

Das heißt natürlich nicht, dass man als Staatsbürger nicht viele europäische wie österreichische Gesetze für schlecht, für unsinnig halten kann und muss. Gerade dieses Tagebuch tut das immer wieder. Jedoch gibt das keinesfalls einem Kommandanten der bewaffneten Macht das Recht, solche Kritik öffentlich – oder gar in einer offiziellen Mission im Ausland! – zu äußern. Solche Äußerungen sind, um es klar zu sagen, der erste Schritt zu einem Putsch.

Ein Putsch aber wäre in unserer gesamten Geschichte nur einmal, nämlich zum Sturz Hitlers und seines Regimes, gerechtfertigt gewesen. Sonst hätte er nie etwas Positives bewirkt.

PS: Es ist wohl kein Zufall, dass Bundeskanzler und Verteidigungsminister nach Bekanntwerden der Commenda-Panne eine Ablenkungsaktion gestartet haben. Sie haben zum erstenmal seit Amtsantritt Werner Faymanns eine deutliche Budgetaufstockung für das Bundesheer verkündet (dabei sind die Finanzrahmengespräche noch keineswegs abgeschlossen). Das ist, das wäre angesichts des Zustandes des Heeres sehr erfreulich, wenn es wirklich dazu kommt. Aber damit erspart man sich dennoch nicht die Pflicht, politisierende Militärs zu stoppen.

PPS: Jene Kreise in einem Teil der FPÖ, die derzeit blind Russland zujubeln, sollten den jüngsten Bericht einer Kreml-treuen Internet-Seite auf deren spanischer Seite lesen, in der die FPÖ und Parteichef Strache als "neonazistisch" bezeichnet werden. Ob man da wirklich sehr intelligent ist, wenn man ausgerechnet dort seine neuen Freunde sucht?

 

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Hymne - ein Bekenntnis zum Individualismus drucken

Offensichtlich verfügen manche Autoren über prophetische Gaben. Dieses im Jahr 1937 in englischer Sprache und nunmehr in deutscher Übersetzung erschienene Büchlein liefert den Beweis. Mit „Hymne“ liegt eines der frühen Werke der Begründerin der Denkschule des „philosophischen Objektivismus“ Ayn Rand vor. Es handelt sich dabei um eine romantische Liebesgeschichte einerseits und um die Präsentation libertärer Grundprinzipien andererseits, die von der Autorin später in Büchern wie „Atlas Shrugged“, „The Fountainhead“ und „Die Tugend des Egoismus“, präzise und detailliert ausformuliert werden.

In „Hymne“ geht es um die Beschreibung einer totalitären, kollektivistischen Gesellschaft, in der jeder ausschließlich für das Gemeinwohl lebt. Jeglicher Individualismus ist verpönt. Jedermann dient nur und ausschließlich als Werkzeug der Gemeinschaft. Das „Wir“ bestimmt das Leben, ein „Ich“ gibt es nicht. Ein „Weisenrat“ regelt die Geschicke der nur in völliger Abhängigkeit voneinander funktionierenden Glieder des Kollektivs – und zwar bis ins letzte Detail der Lebensführung (die Ähnlichkeiten mit den Verhältnissen in der Gegenwart sind unübersehbar).

Der Held der Geschichte, „Gleichheit 7-2521“ (es gibt keine individuelle Namensgebung), will sich mit der ihm zugewiesenen Tätigkeit als Straßenkehrer nicht abfinden und bricht aus seinem rigide eingeteilten Tagesablauf aus, als eine zufällige Entdeckung seinen bereits zuvor vorhandenen Wissensdurst entscheidend anfacht. Zudem entdeckt er nach der Begegnung mit einem schönen Mädchen den Zauber der (streng verbotenen) Liebe, den auch sie durch ihn zum ersten Mal erlebt.

Der Protagonist will schließlich eine nach intensivem Einsatz von Beobachtung und Versuch gemachte Erfindung den Weisen zum Geschenk machen. Zu seinem Entsetzen erntet er aber nichts als Angst, Ablehnung und Abscheu. Denn was nicht jedermann für gut befindet, kann im kollektivistischen Musterstaat eben nicht gut sein. Für abweichende Ideen und Meinungen Einzelner ist da kein Platz.

Gleichheit 7-2521 kann daher nicht mehr länger bleiben. Er flieht in den „unverzeichneten Wald“, den niemand je freiwillig betreten hat. Hier begegnet er alsbald seiner Geliebten, die ebenfalls der Zwangsgemeinschaft entflohen und ihm hierher gefolgt ist. Zusammen entdecken sie die bislang ungekannten Freuden eines nicht fremdbestimmten, sondern freien Lebens und beschließen, nie mehr zurückzukehren.

Der in ihrem Herkunftsland UdSSR (sie emigrierte 1926 in die USA) zelebrierte Kollektivismus ist der Autorin offenbar derart gründlich ausgetrieben worden, dass bereits in ihrem Frühwerk viele ihrer später ausformulierten freisinnigen Gedanken Gestalt annehmen. Die Philosophie, die Rand in ihren weiter oben zitierten reifen Werken mit brillanter Schärfe und kühler Strenge vorstellt und argumentiert, kommt hier indes noch leidenschaftlich und recht naiv daher. Das Büchlein ist ein kurzweilig zu lesendes, flammendes Bekenntnis zum Individualismus. 

Hymne
Ayn Rand
Juwelen-Verlag
109 Seiten, gebundenn
ISBN 978-3-945822-26-5
19,90 Euro

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien. 

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Der Name der Gefahr lautet: Völkerwanderung drucken

Der ungarische Ministerpräsident hat in einer Rede zur Lage der ungarischen Nation eine Reihe von Dingen gesagt, die man – leider – nicht einmal annähernd von österreichischen Politikern zu hören bekommt. Daher seien in der Folge die interessantesten Passagen aus dieser Rede wiedergegeben, die sowohl eine ganz andere Haltung zu Europa und zur eigenen nationalen Identität als die in Österreich offiziell übliche zeigen als auch ein insbesondere für Österreich hochinteressantes Geschichtsbild:

„Wenn wir keine Angst davor haben, anderthalb Jahrhunderte zurückzublicken, zurück ganz bis zum Ausgleich (Anm: 1867 die Bildung einer gleichberechtigten Doppelmonarchie Österreich-Ungarn), dann werden wir sehen können, dass beinahe 50 Jahre notwendig waren, damit wir unter die erfolgreichen europäischen Länder gelangen konnten. Innerhalb von 50 Jahren (Anm: Bis zum Ende der k. und k.-Monarchie) haben wir ein Wunder vollbracht. Aus Budapest haben wir eine Stadt gemacht, dass die Welt zum Staunen hierher kam. Die Industrie befand sich im Höhenflug, die Landwirtschaft erlebte ihre Blütezeit, in dem multinationalen Ungarn überschritt der Anteil des ungarischen Volkselements die 50 Prozent, trotz all unserer Probleme waren wir auch stark, gebildet und wohlhabend. Und wenn es dem Wiener Hof nicht schwindlig geworden wäre und er nicht auch uns mit sich in den Krieg hineingerissen hätte, wer weiß, wozu wir hier in der Mitte von Europa fähig gewesen wären.

(Anm: Nach längeren historischen Passagen springt Orbán in die Gegenwart:)

Gefährdet ist unser gerade erst begonnenes wirtschaftliches Aufschließen. Gefährdet ist unsere sorgfältig aufgebaute nationale Außenpolitik. Gefährdet ist die wiederhergestellte öffentliche Ordnung und die terrorfreie öffentliche Sicherheit. Und gefährdet ist auch unsere sich langsam selbst wieder findende Nationalkultur.

Ja, nicht nur das ist gefährdet, was bereits existiert, sondern auch das, was noch entstehen kann. Die Perspektive. Die Möglichkeit der viel versprechenden Zukunft. Auch die sich bereits gerade entfaltende und erweiternde Möglichkeit für unsere Kinder zu einem europäischen Leben.

Der Name der Gefahr lautet: Völkerwanderung. Ich bin davon überzeugt, dass es auch in 100 Jahren einen europäischen und einen ungarischen Geschichtsunterricht geben wird. Ich gehe kein großes Risiko ein, wenn ich sage, 2015 wird eine Jahreszahl in den europäischen Geschichtsbüchern sein, die die zukünftigen Schüler sich werden einprägen müssen. Und zwar als den Beginn eines neuen Zeitalters. Das Jahr 2015 hat jene Zeit beendet, in der wir die Geschütztheit und die Sicherheit Europas für bare Münze nehmen konnten, weil wir in dem Glauben sein konnten, dies hänge nur von Europa ab.

Wir haben bereits vor einem Jahr darauf aufmerksam gemacht, dass eine neuzeitliche Völkerwanderung begonnen hat. Wir sind auf das Heftigste kritisiert worden, unsere Freunde, Verbündete und Rivalen haben uns gleichermaßen verspottet und uns Beleidigungen an den Kopf geworfen. Doch ist es in Wirklichkeit so bestellt, dass die neue Völkerwanderung eine historische Tatsache ist. Niemand, der über einen gesunden Verstand verfügt, leugnet dies heute noch.

Unser Sinn für die Wirklichkeit ist scharf

Warum gerade wir? Genauer gesagt: Warum haben dies als erste gerade die Mitteleuropäer erkannt? Dies mag zahlreiche Ursachen haben, vielleicht sogar mehrere auf einmal. Vielleicht die Stürme und Erschütterungswellen der Geschichte. Vielleicht die schweißtreibenden Auseinandersetzungen nach dem Systemwechsel. Vielleicht die Erfahrung, dass man auf der Hut sein muss, weil immer etwas passieren kann, so wie es auch so oft geschehen ist, das unsere Pläne unerwartet und irreparabel ruiniert. Wir Mitteleuropäer, wenn wir auch voranschreiten, so tun wir dies nicht, ohne von Zeit zu Zeit unsere Ohren an die Gleise zu halten, ob nicht irgendein verdächtiges Brummen zu hören ist, aus dem wir die Gefahr, die Klangfetzen des außerhalb des Fahrplanes sich nähernden Zuges des Übels heraushören können. Im Westen waren die vergangenen 50 bis 60 Jahre anders, ganz anders. Erfolgreicher Aufschwung, planbare Zukunft, gut ausgetretene Pfade, stabile Schienenpaare, zuverlässige Fahrpläne. Für uns erscheint dies manchmal schon als eine Traumwelt. Eine solche, in der sich Ideologie, Wunschtraum und wirkliches Leben miteinander vermischen. Eine wohlhabende, sichere, freundliche Welt, in der die Eindeutigkeit sich auflöst, in der die Grenzen verschwinden. Die Grenzen zwischen Nation und Nation, Kultur und Kultur, Mann und Frau, Gut und Böse, dem Heiligen und dem Profanen, Freiheit und Verantwortung, gutem Willen und Handeln verwischen sich. Das, was ist, und das, was sein sollte, fließt ineinander über. Als wäre der Sinn für die Wirklichkeit stumpf geworden und abhanden gekommen.

Unser Sinn für die Wirklichkeit ist hingegen scharf und kalt wie der nüchterne Verstand oder der Wind in der Fastenzeit. Wir haben gelernt, dass die Wirklichkeit das ist, was auch dann nicht verschwindet, wenn ich nicht mehr daran glaube. Deshalb gehen wir immer von der Wirklichkeit aus und aus diesem Grunde verwechseln wir sie nicht mit unseren Wunschträumen.

Das zweite und dritte Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts werden die Jahrzehnte der Völkerwanderung sein. Ein Zeitalter ist angebrochen, auf das wir nicht vorbereitet waren. Wir hatten geglaubt, derartiges könne nur in der fernen Vergangenheit oder in den Geschichtsbüchern vorkommen. Dabei können viel mehr Menschen als jemals zuvor, eine die Zahl der Gesamtbevölkerung des einen oder des anderen europäischen Landes übersteigende Masse, sich in den folgenden Jahren Richtung Europa auf den Weg machen.

Es ist an der Zeit, der Wirklichkeit ins Auge zu blicken! Es ist an der Zeit, das voneinander zu trennen, was ist, und das, was wir gerne hätten, wenn es wäre. Es ist an der Zeit, die Illusionen, die noch so erhabenen Theorien, die Ideologien und die einer Fata Morgana gleichenden Träume loszulassen.

Die Wirklichkeit ist, dass in zahlreichen europäischen Ländern in der Tiefe schon seit langem mit behäbiger Beharrlichkeit die Welt der Parallelgesellschaften ausgebaut wird. Die Wirklichkeit ist, dass diese, gemäß der Ordnung der Natur, unsere Welt und mit ihr zusammen auch uns, unsere Kinder und unsere Enkel zurückdrängt. Die Wirklichkeit ist, dass die hier Ankommenden nicht im Geringsten die Absicht haben, unsere Lebensweise zu übernehmen, da sie ihre eigene als wertvoller, stärker und lebensfähiger ansehen als unsere. Warum sollten sie diese auch aufgeben?

Die Wirklichkeit ist, dass man mit ihnen nicht die in den westeuropäischen Fabriken fehlenden Arbeitskräfte ersetzen kann. Die Tatsachen zeigen, dass die Arbeitslosigkeit unter den nicht in Europa Geborenen über Generationen hinweg auf eine die Generationen übergreifende Weise viel höher, ja um ein Mehrfaches höher liegt. Die Wirklichkeit ist, dass die europäischen Nationen nicht einmal jene Massen zu integrieren in der Lage gewesen sind, die Schritt für Schritt, im Laufe von Jahrzehnten aus Asien und Afrika gekommen waren.

Wie könnte dies nun so schnell und mit einer derart großen Masse funktionieren? Die Wirklichkeit ist, dass wir die unleugbar vorhandenen Bevölkerungsprobleme des an Einwohnern abnehmenden und immer älter werdenden Europa mit Hilfe der muslimischen Welt nicht werden lösen können, ohne unsere Lebensweise, unsere Sicherheit und unsere Identität zu verlieren.

Die Wirklichkeit ist, wenn wir nicht bald entschlossen handeln, dass dann die Spannung zwischen dem alternden Europa und der jungen muslimischen Welt, zwischen dem säkularen, ungläubigen Europa und der immer engagierteren muslimischen Welt, zwischen dem selbst die Arbeitskraft seiner eigenen ausgebildeten Jugendlichen nicht beschäftigen könnenden Europa und der ungenügend ausgebildeten muslimischen Welt nicht mehr beherrschbar sein wird. Nicht in einem entfernten, deshalb für uns ungefährlichen Gebiet, sondern hier im Herzen Europas.

Es ist für die europäisch Elite noch nicht zu spät, um die Worte von General De Gaulle zu verstehen: „Die Politik muss auf der Wirklichkeit aufbauen. In der Politik ist es gerade die Kunst, dass wir im Interesse eines Ideals nur durch die Realitäten handeln können.” Und die Realitäten sind historischer, kultureller, demographischer und geographischer Natur. Wir bauen unsere Welt vergeblich aus dem Wunsch nach den edelsten Idealen auf, denn wenn sie nicht auf dem Boden der Realitäten steht, dann kann sie nur ein Wunschtraum bleiben. Gegen die Wirklichkeit gibt es weder ein individuelles noch ein gemeinschaftliches Glück, sondern nur Fiaskos, Enttäuschung, Verbitterung, schließlich Zynismus und Selbstzerstörung.

Völkerwanderungen sind niemals friedlich

Ganz gleich ob es uns gefällt oder nicht: Völkerwanderungen sind niemals friedlicher Natur. Wenn große Massen eine neue Heimat suchen, dann führt dies unvermeidlich zu Konflikten, denn sie wollen solche Orte besetzen, an denen andere Menschen bereits leben, sich eingerichtet haben und die ihr Heim, ihre Kultur und ihre Lebensweise beschützen wollen.

Die Geschichte hat unsere Tür aufgestoßen, hat die Grenzen Europas, die europäische Kultur und die Sicherheit der Bürger Europas unter Belagerung genommen. Obwohl die Notsituation nicht das differenzierte Denken begünstigt und noch weniger die subtilen Gefühle, müssen wir wohl kaum auf die Migranten böse sein.

Die Mehrheit von ihnen ist selbst ein Opfer. Ein Opfer der zusammenbrechenden Regierungen ihrer Heimatländer, Opfer der schlechten internationalen Entscheidungen, Opfer der Menschenschlepper. Sie tun das, was sie für ihr eigenes Interesse halten. Das Problem ist, dass wir Europäer nicht das tun, was in unserem Interesse steht.

Um das zu beschreiben, was in Brüssel geschieht, gibt es kein besseres Wort, als „absurd“. Es ist so, als ob der Kapitän des vor einer Kollision stehenden Schiffes nicht den Zusammenstoß vermeiden wollte, sondern damit beschäftigt wäre festzulegen, welche Rettungsboote die Nichtraucherboote sein sollen. Als ob wir, anstatt das Leck dicht zu machen, darüber diskutieren würden, wie viel Wasser in welche Kabine fließen solle.

Wir sind mehr als Russen und Amerikaner zusammen

Die Völkerwanderung kann man sehr wohl aufhalten. Europa ist eine Gemeinschaft von einer halben Milliarde Menschen, von 500 Millionen Menschen. Wir sind mehr als die Russen und die Amerikaner zusammengenommen. Die Lage Europas, sein technologischer, strategischer und wirtschaftlicher Entwicklungsgrad ermöglicht es ihm, sich zu verteidigen.

Es ist schon schlimm genug, dass Brüssel nicht in der Lage ist, den Schutz Europas zu organisieren, doch noch viel schlimmer als dies ist, dass Brüssel hierzu selbst die Absicht fehlt. In Budapest, Warschau, Prag und Preßburg fällt es uns schon schwer zu verstehen, wie wir dorthin gelangen konnten, dass es überhaupt eine Option werden konnte, dass der, der von einem anderen Kontinent und aus einer anderen Kultur hierher kommen möchte, ohne Kontrolle hereingelassen werden kann. Wie konnte in unserer Zivilisation der natürliche und elementare Instinkt abgebaut werden, uns, unsere Familie, unser Heim, unseren eigenen Boden zu verteidigen?

Dabei gibt es etwas zu verteidigen! Europa ist das Zusammenleben der christlichen, freien und unabhängigen Nationen: Gemeinsame Wurzeln, gemeinsame Werte, gemeinsame Geschichte, geographisches und geopolitisches Aufeinanderangewiesensein; die Gleichberechtigung von Mann und Frau, Freiheit und Verantwortung, fairer Wettbewerb und Solidarität, Stolz und Demut, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit; dies sind wir. Dies ist Europa!

Europa ist Hellas und nicht Persien, Rom und nicht Karthago, Christentum und nicht das Kalifat. Wenn wir dies sagen, dann gibt es darin keinerlei Rangordnung, sondern nur einen Unterschied. Zu sagen, dass es eine selbständige europäische Zivilisation gibt, bedeutet noch nicht, dass sie besser oder schlechter sei. Es bedeutet nur soviel, dass wir dies sind, und ihr seid jenes.

Vor einigen Jahren schienen diese Gedanken für uns alle offensichtlich zu sein. Vor einigen Jahren schien es hierin zwischen uns einen Konsens zu geben. Vor einigen Jahren schien Ordnung zu sein: Eine auch uns gefallende Ordnung in den Köpfen und den Herzen der führenden europäischen Politiker. Nacheinander erklärten sie, der Multikulturalismus sei tot. Vor einigen Jahren konnten wir noch glauben, sie hätten eingesehen, dass ihre Länder nicht in der Lage sind, die in Massen ankommenden Einwanderer in die Rahmenbedingungen ihres eigenen Lebens einzufügen.

Doch 2015 hat sich alles verändert: Das frühere Einvernehmen zerfiel in seine Bestandteile. Mit der Geschwindigkeit der Gravitation sind wir in jenes geistige Chaos zurückgestürzt, aus dem wir uns hatten befreien wollen. Ohne jede Vorwarnung erwachten wir eines Morgens auf die Klänge der „Willkommenskultur”. Wir hören von den führenden europäischen Politikern, dass wir helfen müssen. Von den höchsten Posten regt man uns an, solidarisch zu sein und zu helfen.

Das ist doch selbstverständlich. Auch wir tragen anstelle unseres Herzens keinen Stein mit uns herum. Aber auch anstelle unseres Gehirns keinen Stein. Wir erinnern uns an das wichtigste Gesetz der Hilfeleistung: Wenn wir hier helfen, dann kommen sie hierher, wenn wir dort helfen, dann bleiben sie dort.

Anstatt dies einzusehen, begann man von Brüssel aus die in dem ärmeren und unglücklicheren Teil der Welt lebenden Menschen zu ermuntern, sie sollten nach Europa kommen und ihr eigenes Leben gegen etwas anderes eintauschen. Die halbe Welt, aber zumindest halb Europa zerbricht sich abendlich am Küchentisch den Kopf darüber, was passiert sein mag, was dahinter steckt. Langsam wird jede europäische Familie über eine eigene Erklärung verfügen.

Auch ich will hierin nicht nachstehen. Ich habe den Eindruck, dass sich in Brüssel und einigen europäischen Hauptstädten die politische und geistige Elite als Weltbürger definiert, im Gegensatz zu der national gesinnten Mehrheit der Menschen. Ich habe den Eindruck, die führenden Politiker sind sich dessen auch bewusst. Und da es keine Chance gibt, dass sie sich ihrem Volk verständlich machen könnten, versuchen sie erst gar nicht, mit den Menschen zu sprechen.

Dies bedeutet, dass das tatsächliche Problem sich nicht außerhalb Europas findet, sondern innerhalb Europas. An erster Stelle wird die Zukunft Europas nicht durch jene gefährdet, die hierher kommen möchten, sondern durch jene politischen, Wirtschafts- und geistigen Führer, die Europa entgegen den europäischen Menschen umzuformen versuchen. Auf diese Weise kam die bizarre Koalition zwischen den Menschenschleppern, den zivilen Rechtsschutzaktivisten und den europäischen Spitzenpolitikern mit dem Zweck zustande, um planmäßig viele Millionen Migranten hierher zu transportieren.

Bis auf den heutigen Tag lassen wir ohne Kontrolle und ohne Auswahl Hunderttausende von Menschen aus Staaten herein, mit denen wir uns im Kriegszustand befinden, und auf deren Territorium auch Mitgliedsstaaten der Europäischen Union an militärischen Aktionen teilnehmen. Wir hatten nicht einmal den Hauch einer Chance, die Gefährlichen herauszufiltern. Auch heute haben wir keine Ahnung darüber, wer ein Terrorist, wer ein Krimineller, wer ein Wirtschaftseinwanderer ist und wer tatsächlich um sein Leben rennt. Es fällt schwer hierfür ein anderes Wort zu finden als „Irrsinn“.

Uns stehen ermüdende, nervenaufreibende Wochen und Monate bevor. An unserer Südgrenze nimmt der Druck immer weiter zu. Die Brüsseler Unfähigkeit verursacht ein immer größeres Chaos. Die Länder des Balkan sind in eine Kneifzange geraten: Vom Süden her schieben die Griechen, vom Norden lockt der deutsche Sirenengesang die viele Tausende umfassende Massen. Wir müssen uns auf alle Eventualitäten vorbereiten: Wir geben den Balkanländern Menschen, Grenzwächter, technische Instrumente, Maschinen, weil sie in Wirklichkeit die Grenzen Europas beschützen, und so lange sie durchhalten, verteidigen auch wir unsere Grenzen leichter.

Wir vertrauen auf unseren Erfolg, doch ist dies allein zu wenig, wir müssen auch unsere eigenen Verteidigungslinien verstärken. Wenn es notwendig werden sollte, werden wir uns von Slowenien bis zur Ukraine entlang der gesamten Grenze schützen. Wir werden es Brüssel, den Menschenschleppern und auch den Migranten beibringen, dass Ungarn ein souveränes Land ist: Sein Territorium kann man nur auf die Weise betreten, wenn unsere Gesetze eingehalten werden und man unseren Ordnungskräften gehorcht. Die Verteidigung unserer Südgrenze wird nicht ausreichen, wir müssen auch auf einem anderen Kampfschauplatz bestehen. Zum Glück ist dies nicht das Schlachtfeld der Soldaten, sondern das der Diplomaten.

Wir müssen Brüssel aufhalten. Sie haben sich in den Kopf gesetzt, die nach Europa hereintransportierten Einwanderer unter uns zu verteilen. Verpflichtend, mit der Kraft des Gesetzes. Dies nennt man verpflichtende Ansiedlungsquote. Solch eine unglückliche, ungerechte, unlogische und rechtswidrige Entscheidung hat man in Hinblick auf 120.000 Migranten bereits getroffen, entgegen dem Beschluss des Rates der Europäischen Ministerpräsidenten.

Die durch die Ministerpräsidenten vertretene nationale Souveränität negierend, austricksend und umgehend haben sie ein Gesetz durch das Europäische Parlament annehmen lassen. Diesen Beschluss stellen wir infrage und kämpfen vor dem Gerichtshof der Europäischen Union dafür, damit er für nichtig erklärt wird. Der Appetit kommt beim Essen, anscheinend nicht nur in Ungarn, sondern auch in Brüssel. Deshalb wollen sie jetzt auch ein für jeden Einwanderer und jedes Mitgliedsland verpflichtendes, ständiges und kontinuierliches Verteilungssystem ausbauen.

Deutlich erkennbar besteht die Union aus zwei Lagern: Einerseits den Unionisten und andererseits den Souveränisten. Die Unionisten wollen die Vereinigten Staaten von Europa und die verpflichtende Ansiedlungsquote, die Souveränisten wünschen das Europa der freien Nationen und wollen nichts von irgendeiner Quote hören. Auf diese Weise wurde die Essenz und das Symbol unserer Zeit die verpflichtende Ansiedlungsquote. Sie ist auch an sich wichtig, doch vereint sie in sich all das, wovor wir Angst haben, was wir nicht wollen und was das Bündnis der europäischen Völker aufspalten könnte.

Wir dürfen es nicht zulassen, dass sich Brüssel über die Gesetze erhebt. Wir dürfen es nicht zulassen, dass es die Konsequenzen seiner unvernünftigen Politik auf jene ausbreitet, die jedes Abkommen und jedes Gesetz eingehalten haben, so wie wir das getan haben. Wir dürfen es nicht zulassen, dass sie uns oder wen auch immer dazu zwingen, die bitteren Früchte ihrer verfehlten Politik zu importieren. Wir wollen und wir werden keine Kriminalität, keinen Terrorismus, keine Homophobie und keinen Antisemitismus nach Ungarn importieren. In Ungarn wird es keine Stadtviertel geben, in denen das Gesetz nicht gilt, es wird keine Unruhen, keine Einwandereraufstände, keine angezündeten Flüchtlingslager geben und es werden keine Banden auf unsere Ehefrauen und Töchter Jagd machen. In Ungarn werden wir schon die Versuche im Keim ersticken und konsequent Vergeltung üben.

Wir werden unser Recht nicht aufgeben, selber zu entscheiden, mit wem wir zusammenleben möchten und mit wem nicht. Deshalb müssen jene, die mit der Idee der Quote in Europa hausieren gehen, zurückgeschlagen werden und aus diesem Grunde werden wir sie zurückschlagen. „Ohne Risiko gibt es kein Wagnis.“

Wir müssen tatsächlich all unseren Mut zusammennehmen. Wir müssen ihn zusammennehmen, denn zum größeren Ruhm der europäischen Demokratie müssen wir der Zensur, der Erpressung und Drohungen ins Auge blicken. Das Buch des ungarischen Justizministers wird in den belgischen Buchhandlungen eingesammelt, die Presse einiger Mitgliedsstaaten verbreitet offensichtlich Lügen. Der Ton gegenüber Ungarn ist schroff, grob und aggressiv.

Hinzu kommt noch, dass man uns auch noch mit finanzieller Vergeltung droht, indem sie sagen, sie unterstützen uns, und wir sind undankbar. Sie denken auf die Weise, wie der naive Priester, den man darum bat, bei der Behebung der Besitzunterschiede mitzuhelfen. „In Ordnung”, sagte er, „wir teilen uns dann die Arbeit. Ihr überredet die Reichen, damit sie Spenden geben, und ich überrede die Armen, dass sie die Spenden annehmen.” So stellen sie es sich vor, die Wirklichkeit ist aber, dass wir einander nichts, keinen einzigen Heller schulden. Ungarn hatte nach 45 Jahren Kommunismus in einem entkräfteten, ausgebluteten, wettbewerbsunfähigen Zustand und an Kapitalknappheit leidend seine Tore für die westlichen Firmen geöffnet. Hiervon profitierten alle: So viel Geld, wie es die Europäische Union hierher gesandt hat, haben die westlichen Firmen auch von hier hinausgenommen. Wir sind quitt, es gibt nichts, dass wir einander vorwerfen könnten.

Und schließlich, wie sollen wir das Brüsseler Manöver der Ansiedlungsquote aufhalten? Ich schlage vor, dass wir uns auf die Urquelle der europäischen Demokratie, auf den Willen des Volkes stützen. Wenn es wahr sein sollte, dass die Menschen die heutige schlafwandlerische Einwanderungspolitik Brüssels nicht wollen, ja sogar gegen diese sind, dann sollten wir ihrer Stimme und ihrer Meinung einen Platz einräumen. Schließlich ruht die Europäische Union auf den Pfeilern der Demokratie. Dies bedeutet, dass wir nicht über die Köpfe der Menschen hinweg, gegen den Willen der Menschen Entscheidungen treffen dürfen, die ihr Leben auf schwerwiegende Weise verändert. Deshalb werden wir in Ungarn eine Volksabstimmung durchführen. Es geht dabei nicht um die bereits entschiedene und durch Ungarn vor dem Gericht angegriffene Quote, diese ist die Vergangenheit. Bei der Volksabstimmung geht es um die Zukunft: Wir rufen die Bürger Ungarns gegen die verpflichtende Ansiedlungsquote des neuen europäischen Einwanderungssystems ins Feld, die im März auf der Tagesordnung stehen wird.

Wir sind davon überzeugt, dass Brüssel nicht einmal in seinem gegenwärtigen Zustand seine eigenen Ideale übergehen kann. Es kann sich nicht gegen das europäische Volk wenden. Die Europäische Union darf nicht eine Art „Sowjetunion Reloaded“ sein. Wir, Ungarn, werden Europa entgegen all seiner Schwäche, seiner Abnahme und seines Schwankens nicht verleugnen und werden es auch in seinem durch Platzangst ausgelösten Schwindel nicht allein lassen. Wir sind Bürger jenes historischen und spirituellen Europa wie Karl der Große, Leonardo, Beethoven, König Ladislaus der Heilige, Imre Madách oder Béla Bartók. Unser Europa ist auf christliche Fundamente aufgebaut, und wir sind stolz darauf, dass es die Entfaltung der Freiheit des Geistes und des Menschen verwirklicht hat. In Europa denken viele Menschen viel Verschiedenes. Es gibt Menschen, die an das Ideal von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit glauben, und es gibt auch solche, die an die Dreiheit von Gott, Heimat, Familie sowie an das künftige Reich von Glaube, Liebe, Hoffnung. Doch keiner von uns kann wollen, ganz gleich zu welcher Richtung wir auch gehören, dass unser Europa vor einer andere Moralvorstellungen und andere Sitten kämpferisch fordernden, künstlich in unsere Richtung gelenkten, wasserfallartigen Menschenflut in die Knie gehen soll. Wir glauben nicht, dass Europa sich zu diesem Schicksal verdammt, wir glauben nicht, dass es die Aufgabe unserer tausendjährigen Werte wählen wird. Wir glauben es nicht, sondern wir wissen und sagen es, dass Ungarn auf diesem Weg keinen einzigen Schritt gehen wird.

Vorwärts Europa, vorwärts Ungarn! 

Viktor Orban ist ungarischer Ministerpräsident.

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Die Politik muss ein Ende der Völkerwanderung nur wollen drucken

Es ist absolut unrichtig zu behaupten, eine substanzielle Änderung der Asyl- und Migrationspraxis wäre rechtlich absolut unmöglich. Regierungen und Gesetzgeber müssen das nur klar und eindeutig wollen. Und tun.

Im Spätsommer 2015 ist in Deutschland durch einen rechtlich nicht abgesicherten Alleingang von Bundeskanzlerin Angela Merkel die schon zuvor immer extensiver gewordene Immigrations-Ermöglichung und -Förderung durch die Gerichte noch weit übertroffen worden. Seither bekommt in Deutschland automatisch jeder, der sich mit Erfolg als Syrer auszugeben vermag, Asyl. Unabhängig von einer konkreten Verfolgung. Unabhängig davon, ob in seiner Heimat eigentlich Krieg tobt oder nicht (was rechtlich ohnedies nie ein Asylgrund war). Unabhängig von den Gerichten. Und unabhängig davon, ob die Asylwerber nicht schon in einem sicheren Land waren (was auf fast alle zutrifft).

Ganz ähnlich agierten dann im Gefolge Berlins auch einige andere EU-Staaten. Damit hat die Politik die asylfreundliche Entwicklung der Judikatur nicht eingeschränkt – wie zuvor als möglich und notwendig skizziert –, sondern diese noch weit ausgedehnt.

Durch eine wahrscheinlich unbedachte populistische Entscheidung der deutschen Bundeskanzlerin ist der schon davor immer mehr eskalierende Migrationsstrom zur Völkerwanderung geworden. Sowohl Deutschland als auch Österreich haben monatelang total die Kontrolle darüber verloren, welche Menschen und wie viele ihr Staatsgebiet betreten, wer sich darin aufhält. Sie haben sich nur noch darauf beschränkt, zu versuchen, diesen Strom zu administrieren, ihn damit also erleichtert, statt ihn zu bremsen oder zu stoppen.

Es ist damit auch faktisch extrem schwierig geworden, diese politische Fehlentscheidung wieder rückgängig zu machen. Die dafür nötigen gewaltigen Anstrengungen müssten nun noch viel größer sein, als wenn Merkel den Fehler nie begangen hätte, die Balkanroute zu einem weitgehend problemlosen und schnellen Migrationsweg zu machen. Ihre Fehlentscheidung war eine Reaktion darauf, dass Ungarn sich erfolgreich gegen den Durchzug Zehntausender illegaler Migranten (mit und ohne Schlepperhilfe) gewehrt hatte, was damals aber in Deutschland und Österreich heftig kritisiert worden ist. Um nur ja nicht so wie Ungarn ebenfalls heftige Kritik aus Berlin und Wien einzustecken, haben die anderen Balkanstaaten in der Folge die Durchreise ständig noch weiter erleichtert und beschleunigt. Dabei wurden die Staaten selber zu Schleppern. Sie schleusten die Migranten mit staatlichen Eisenbahnen, Fähren und Autobussen möglichst rasch durch das eigene Staatsgebiet.

Was wäre dringend zu tun, um die Völkerwanderung wenigstens jetzt noch zu beenden? Dabei geht um vier enorm schwierige Schritte:

  1. Merkels rein politischer Beschluss der Grenzöffnung muss rückgängig gemacht werden. Das wäre freilich für sie ein schwerer persönlicher Gesichtsverlust, den sie weiterhin unbedingt vermeiden will. Das versucht aber auch die intern tief zerrissene SPD möglichst zu verhindern.
  2. Die ökonomischen Anziehungs-Faktoren müssen komplett abgebaut werden, die es Migranten aus der Dritten Welt so attraktiv erscheinen lässt, in diese Zielländer zu gelangen. Hartz IV, Mindestsicherung und zahllose andere Wohlfahrtsleistungen sind für Menschen aus der Dritten Welt enorm attraktiv, die daheim nicht einmal auf einem der raren Arbeitsplätze annähernd so viel verdienen würden. Diese Attraktivität wirkt unabhängig davon, dass viele Migranten durchaus zu einem Job bereit wären, den sie aber auf Grund ihres Drittwelt-Hintergrunds großteils nicht finden können.
    Das Tragische an diesen "Pull-Faktoren": Nachdem so große Menschenmengen bereits in Europa angekommen sind, ist es aus Sicherheitsgründen fast unmöglich, diese Wohltaten abzuschaffen oder drastisch und spürbar zu reduzieren (selbst wenn die mitregierenden Sozialdemokraten dem zustimmen würden, die das alles ja für ihr historisches Lebenswerk halten und daher mit Zähnen und Klauen verteidigen). Denn dann wären Hunderttausende Menschen ohne Geld unkontrolliert im Land, die zum Großteil versuchen würden, ihren Lebensunterhalt durch Kriminalität zu sichern.
  3. Noch viel schwieriger: Der Menschenstrom muss physisch gestoppt werden. Seit er einmal in Gang gekommen ist, lässt sich das aber nur mehr durch Anwenden gewaltsamer Mittel erreichen. Auch wenn es manche nicht mehr zu sagen wagen, so ist eindeutig: Jede Rechtsregel hat am Ende auch irgendeine Form der Gewaltanwendung (Gehaltspfändung, Haft usw). Da Deutschland und Österreich jedoch keinesfalls unschöne Szenen auf eigenem Territorium riskieren wollen, versucht man den Strom an der mazedonischen Südgrenze zu unterbrechen. Dorthin sind schon etliche militärische Mittel aus anderen Staaten geschafft worden, um das möglich zu machen. Dort glaubt man, dass es am leichtesten geht. Es ist trotzdem ziemlich absurd, dass ausgerechnet ein Nicht-EU-Land die schmutzige Arbeit für Mitteleuropa machen soll, um die illegale Migration aus dem EU-Land(!!) Griechenland zu stoppen.
  4. Noch schwieriger, aber mindestens genauso wichtig wird es sein, die migrationsfördernde Judikatur der (nationalen und europäischen) Gerichte zu ändern. Denn solange die so besteht, wie sie ist, werden Migranten und Schlepper immer wieder neue Wege an allen Zäunen vorbei finden, um nach Österreich und Deutschland zu gelangen, etwa wieder über Libyen und Sizilien. Und dann geht die Völkerwanderung in vollem Umfang weiter.

Wie aber ändert man die Judikatur unabhängiger Gerichtshöfe? Das kann rechtsstaatskonform nur durch neue Konventionen und Gesetze erfolgen.

Rechtlicher Handlungsbedarf

Es ist weder physisch noch rechtsstaatlich möglich, alle potenziellen Asylwerber nur durch Zäune am Betreten des eigenen Landes hindern zu wollen. Da Asylanträge rechtlich nur im Inland gestellt werden können, würden die Gerichte das wild bekämpfen. An Rechtsänderungen, damit die Gerichte das nicht mehr können, wagen aber vorerst die meisten Politiker noch immer nicht einmal laut zu denken.

Damit droht aber eine Katastrophe. Wenn Politik und Gesetzgebung nicht rasch handeln, dürften etliche Staaten durch die Völkerwanderung in gesetzlose Faustrechts-Strukturen verwandelt werden.

Dennoch scheint vorerst keine sozialdemokratische, postkommunistische, grüne und linksliberale Partei Deutschlands bereit, an echten Änderungen mitzuwirken. Selbst wenn die wankenden, uneinigen und zögernden Konservativen und Christdemokraten es wollten.

Wird am Ende doch der Selbsterhaltungstrieb der Parteien wirken? Immerhin tun sozialdemokratische Parteien in der Slowakei, in Schweden, in Tschechien und in Frankreich längst schon an allen gutmenschlichen Bedenken vorbei alles, um die eigenen Länder von einer weiteren Zuwanderung aus Asien und Afrika zu retten.

Fast alle Politiker sehen zwar inzwischen den dringenden Handlungsbedarf. Sie wollen aber die Änderungen der Migrationsrealität noch immer weitgehend nur durch politische Maßnahmen erreichen, die keine hässlichen Fernsehbilder und wilde Proteste linker Gruppen verursachen. Das aber kann nicht gelingen – oder es ginge nur durch so gravierende Maßnahmen, sodass eine Änderung von Gesetzen, Konventionen und EU-Richtlinien rechtsstaatlich und menschlich viel sauberer wäre.

Konvention kündigen?

Am vordringlichsten wäre dabei, die Asylpraxis wieder auf den Wortlaut der Genfer Konvention und die Praxis der ersten Jahrzehnte nach 1951 zurückzuführen. Wenn das gelänge, wäre schon viel erreicht. Denn die Genfer Konvention war bei ihrem Beschluss und in der Praxis der ersten Jahrzehnte nie ein Weg zur Migration aus der Dritten Welt nach Europa gewesen. Obwohl damals noch viel mehr Kriege in der Dritten Welt getobt haben. Obwohl damals dort Hunger und Not viel ärger waren.

Aber wenn dieser Weg nicht rasch funktioniert, muss letztlich auch eine Kündigung oder Totalrevision der Konvention ins Auge gefasst werden. Eine solche Kündigung ist für jeden Mitgliedsstaat durch einfache Mitteilung an den UN-Generalsekretär möglich (Artikel 44).

Sogar der (linksliberale!) britische "Guardian" hat das etwa am 16. Jänner 2016 in einem Beitrag mit der Begründung vorgeschlagen, dass die Genfer Konvention nicht mehr zeitgemäß sei. Den gleichen Vorschlag machte die "International Association for Political Science Students".

Die Alternative ist extrem problematisch. Aber sie ist dennoch der Weg vieler anderer europäischer Staaten: Man schiebt einfach ohne ausreichende Rechtsgrundlage illegale Immigranten wieder ab; oder man lässt sie an der (deutschen, österreichischen, mazedonischen) Grenze einfach gar nicht mehr herein. Man versucht, vollendete Tatsachen zu schaffen, bevor Jahre später gutmenschliche Höchstgerichte dann sagen können, dass das eigentlich nicht okay gewesen ist.

PS: Deutschland und Österreich tun sich am schwersten, in die Richtung einer effektiven Beendigung der Völkerwanderung zu gehen. Denn über jeder einzelnen juristischen, politischen und polizeilichen Aktion dieser Länder schwebt noch zusätzlich ständig das Damoklesschwert, mit den nationalsozialistischen Verbrechen verglichen zu werden. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die klare Mehrheit der Bevölkerung längst und dringend wirksame Aktionen zur Beendigung der Völkerwanderung verlangt. Dass es wirklich um Existenzfragen dieser Staaten geht. So könnte es sein, dass das nationalsozialistische Unheil nachträglich zum zweiten Mal zum totalen Zusammenbruch dieser beiden Staaten führt.

Ich schreibe gelegentlich Beiträge für den deutschen Arbeitgeberverband (DeutscherArbeitgeberVerband.de).

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Papst: "arabische Invasion" drucken

Der Papst verwendet einen Ausdruck für die Völkerwanderung, der hierzulande, etwa im ORF, strikt verboten ist. Und der die Grünen sicher wieder zur Strafanzeige greifen lassen würde, wenn sie nicht ganz mit dem Konsum harter Drogen beschäftigt sind. Der Papst meint freilich auch, dass Europa schon viele Invasionen überstanden habe. Was stimmt: Aber diese wurden immer nur in langwierigen militärischen Kämpfen zurückgedrängt: aus Spanien, aus Süditalien, vom Balkan.

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Eine Verfahrenseinstellung schlägt hohe Wellen drucken

Österreich hat wieder einmal eine Verbotsgesetz-Diskussion. Oder vielmehr, nachdem über das Verbotsgesetz nicht mehr direkt diskutiert zu werden pflegt, eine Diskussion, bei der es in Wahrheit um Sinn und Unsinn des Verbotsgesetzes geht: Eine Grazer Staatsanwältin hatte es gewagt, ein von einem grünen Politiker angestrengtes Ermittlungsverfahren wegen eines in der Zeitschrift „Aula“ erschienenen Textes einzustellen.

In diesem Text ging es um behauptete Verbrechen von Insassen des Konzentrationslagers Mauthausen nach deren Befreiung. Hierbei erregt vor allem die Begründung der Verfahrenseinstellung die Gemüter: Der Passus „Es ist nachvollziehbar, dass die Freilassung mehrerer tausend Menschen aus dem Konzentrationslager Mauthausen eine Belästigung für die betroffenen Gebiete Österreichs darstellte“ ist, für sich allein genommen, zweifellos unglücklich formuliert. Er suggeriert, dass eine Belästigung durch die befreiten KZ-Häftlinge objektiv bestanden habe.

Der von vielen Medien nicht mehr zitierte nachfolgende Satz reicht einen Beleg für die „Belästigung“ nach: „Da zu den Befreiten neben den überwiegend jüdischen Lagerinsassen, auch aufgrund von Gewalt- und Eigentumsdelikten in Mauthausen deponierte Häftlinge zählten, kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass im Rahmen der Befreiung strafbare Handlungen (...) von Befreiten begangen wurden.“ Liest man das Wörtchen „auch“ in „kann auch nicht ausgeschlossen werden“ im Sinne von „außerdem“, scheint die „Belästigung“ allerdings nicht nur in den „strafbaren Handlungen“ zu liegen, sondern über diese hinauszugehen. 

Alleine, wollte die Staatsanwältin dem Autor des von ihr auf seine strafrechtliche Relevanz untersuchten Beitrags denn inhaltlich beipflichten, wie dies viele nun in diese Zeilen hineinlesen? Aus der spezifischen Textgattung einer juristischen Entscheidung über eine etwaige Strafbarkeit ergibt sich in Wahrheit nur eine plausible Lesart des einleitenden „Es ist nachvollziehbar“. Nämlich: Was der Autor vorbringt, steht in der Möglichkeit, objektiv wahr sein zu können und stellt somit (ungeachtet des tatsächlichen Wahrheitsgehaltes) keine grob unsachliche Behauptung dar. Genau darauf nämlich, ob es sich um eine unsachliche, einseitige und für die Zielsetzungen des Nationalsozialismus propagandistisch vorteilhafte Darstellung der Ereignisse handle, galt es den Text in Hinblick auf die Judikatur zum Verbotsgesetz zu untersuchen.

Der Halbsatz „dass die Freilassung mehrerer tausend Menschen aus dem Konzentrationslager Mauthausen eine Belästigung für die betroffenen Gebiete Österreichs darstellte“ ist demnach nicht objektsprachlich, sondern metasprachlich zu verstehen. Es handelt sich hierbei um keine direkte Aussage, sondern um die Beurteilung einer (von der Staatsanwältin zusammengefassten) Sequenz des zugrundeliegenden Textes. Dieses Vorgehen dürfte für die befasste Staatsanwältin so selbstverständlich gewesen sein, dass eine deutlichere Herausstellung dieses metasprachlichen Charakters nicht vorgenommen wurde.

Die Begründung der Verfahrenseinstellung wäre wohl umsichtiger ausgefallen, wäre sie nicht „bloß“ an den Autor des untersuchten Textes ergangen, der um eine ebensolche Begründung ersucht hatte. Was selten vorkommen mag und insofern zusätzlich zu erledigende Arbeit bedeutet haben dürfte. Dass die Begründung eine breite Öffentlichkeit erreicht, war wohl kaum zu erwarten, und dass ihr direkter Adressat der Autor des untersuchten Textes ist, dürfte umso mehr die Interpretation einer kaum verhohlenen Zustimmung nähren.

Unglücklich gelaufen, könnte man sagen. Die Begründung der Einstellung von vorgesetzter Stelle als „unfassbar und in sich menschenverachtend“ zu bezeichnen, scheint jedenfalls voreilig und allemal (justiz)politischer Schadensbegrenzung geschuldet. Geht es nach der sogenannten „Zivilgesellschaft“, sollen Ermittlungsverfahren nach dem Verbotsgesetz unter ständiger Aufsicht von Politik und Medienöffentlichkeit (also der „Zivilgesellschaft“ selbst) erfolgen. Beinahe jedes eingestellte Verfahren, beinahe jeder Freispruch gilt als „Justizskandal“, als stünde die Strafbarkeit einer Handlung schon fest.

Die eigentlich zu stellende Frage ist nicht die, wie eine derartige Einstellungsbegründung in Zukunft verhindert werden kann. Noch weniger kann es darum zu tun sein, dass es in Ermangelung einer auch von der „Zivilgesellschaft“ goutierten Einstellungsbegründung in ähnlich gelagerten Fällen gleich gar nicht mehr zu einer Verfahrenseinstellung kommt.

Die eigentlich zu stellende Frage ist – gerade auch angesichts der Reaktionen der „Zivilgesellschaft“ – eine andere: Sollen Demokratie und Rechtsstaat auf ein Verbrechen gegründet werden, dessen Andenken zu bewahren und dessen ständig heraufbeschworene angeblich drohende Wiederkehr zu verhindern als Staatsgründungsakt und alleroberster Staatsgrundsatz ausgegeben werden? Sollen Orte wie Mauthausen zu negativen „heiligen Orten“ werden, über die sowie über deren Insassen nichts auch nur im Ansatz Abweichendes gesagt werden dürfe (worüber die „Zivilgesellschaft“ mittels des Verbotsgesetzes zu wachen habe)? Ist ein KZ-Überlebender per se so etwas wie ein moderner Heiliger, mindestens aber ein Held der „Zivilgesellschaft“? Macht ihn die bloße Tatsache, ein Verbrechen überlebt zu haben, zu einer moralischen Instanz?

Mit der Gründung auf ein Verbrechen in den Fokus eines Verbrechens zu treten, heißt, sich dessen destruktiver „Energie“ auszusetzen und diese allzu leicht zu übernehmen. Genau dies – und nicht ein gehässig formulierter Aufsatz – ist brandgefährlich. Unter der Aura des Heiligen, Unsagbaren, Unantastbaren sind schon viele Verbrechen begangen worden. Wenn aber dies Unsagbare ein Verbrechen ist, wird die Sache nur subtiler.

Das Ansinnen, sich zum Gralshüter eines Andenkens aufzuschwingen und über dessen korrekte Auslegung zu wachen, muss als Hybris bezeichnet werden. Wer so denkt, setzt sich in eine absolute Identität mit dem Staat und unterläuft genau jene Vielfalt der Meinungen und Deutungen, die die „Zivilgesellschaft“ sich sonst auf deren Fahnen heftet. Das Andenken an das Verbrechen soll diese Vielfalt zwar sicherstellen, aber als Andenken an ein Verbrechen vermag es dies nicht.

Die Aura des Unsagbaren geht schon gegen die mannigfachen Aspekte des historischen Geschehens selbst. Wenn der Status des Überlebenden jede Kritik verbietet, darf außerhalb der etablierten Geschichtswissenschaft nicht mehr zur Sprache kommen, dass es KZ-Einweisungen auch wegen „profaner“ Verbrechen gab. Jene Enthistorisierung, die man Revisionisten vorwirft, besorgt sodann das Tabu selbst.

Wilfried Grießer ist Philosoph und Verfasser der Studie „Verurteilte Sprache. Zur Dialektik des politischen Strafrechts in Europa“ (Frankfurt / Main 2012).

 

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"Geschwür im Körper der ungarischen Nation" drucken

Man schreibt den 19. Jänner 1946. In dem von sechs Hundertschaften Polizei umstellten Budaörs, einem Budapester Vorort mit deutschem Ortsnamen Wudersch, werden die „Schwaben“ aus den Betten geholt. Nur das Allernötigste dürfen sie zusammenklauben, bevor sie zum Gemeindeamt getrieben werden, wo man ihre Namen mit Listen vergleicht. Weiter geht's zum Bahnhof. In bereitstehenden Viehwaggons verlassen 1.058 Bewohner die Ortschaft; am 30. Jänner kommen sie in Aalen, 80 Kilometer östlich von Stuttgart, an. Ein zweiter Transport mit 1.054 Menschen erreicht am 1. Februar Göppingen. So geht es Schlag auf Schlag: Binnen fünf Wochen sehen sich 6.753 Wuderscher wie Vieh nach Württemberg und Baden verfrachtet.

General Lucius D. Clay will sich persönlich von der Einhaltung der von der alliierten Kontrollkommission erlassenen Bestimmungen überzeugen. „Die Ausgewiesenen“, notiert der amerikanische Oberbefehlshaber nach Ankunft der ersten Züge in seiner Besatzungszone, „wurden ohne Proviant und nur mit dem notdürftigsten Gepäck versehen, zusammengestellt; hungrig und armselig kamen sie an.“ Nicht zuletzt auf Clays Protest hin wird das Transport- und Aufteilungsregime etwas gemildert. Die Amerikaner schicken bisweilen Züge zurück, weigern sich schließlich sogar, weitere Vertriebene in ihrem Besatzungsgebiet aufzunehmen, so daß die Austreibung der Deutschen aus Ungarn ins Stocken gerät.

Erst am 22. Juni und am 23. August 1947 gehen daher aus Wudersch die beiden letzten Transporte nach Hoyerswerda ab, in die Sowjetische Besatzungszone (SBZ). Hernach ist Budaörs, von dessen 9.814 Einwohnern sich 8.448 in der Volkszählung vom 21. Dezember 1941 zu ihren deutschen Wurzeln bekannt hatten, „frei von Schwaben“.

So auch im benachbarten Budakeszi: In vier Transporten müssen 3.800 „Schwaben“ im März 1946 ihr Wudigeß in Richtung Süddeutschland verlassen. Dorf für Dorf, Komitat (Bezirk) für Komitat, in denen die Schwaben („svábok“) seit Generationen leben, leeren sich. In besagter Volkszählung hatten 477.057 Personen „deutsch“ als ihre Volks- oder Sprachzugehörigkeit angegeben; 136.847 Staatsbürger deutscher Nationalität verließen ungarischen Quellen zufolge bis zum 1. September, weitere 24.789 bis Dezember 1946 Ungarn. General Clay hielt 168.000 als Zahl der Ankömmlinge in seinem Besatzungsgebiet fest.

Auf seine Anordnung hin endete am 1. Dezember 1946 die „Aussiedlung“ (kitelepítés) – so der beschönigende amtliche Sprachgebrauch – in den amerikanisch besetzten Teil Deutschlands. Zwischen Frühjahr 1947 und Sommer 1948 verbrachte man daher gut fünfzigtausend Deutsche aus Ungarn in die SBZ, von denen viele bald den Weg in die Westzonen wählten. Vertriebene, Kriegsflüchtlinge und Heimkehrer aus der Sowjetunion, wohin 64.000 zur Zwangsarbeit deportiert worden und von denen 16.000 zu Tode gekommen waren, machten insgesamt 225.000 Ungarndeutsche aus, soweit sie in der Bundesrepublik als Ausgesiedelte amtlich registriert worden waren.

Fragwürdige Rolle der Alliierten

Die Vertreibung selbst war in der Verordnung Nr. 12 330 amtlich bekanntgemacht und im Ungarischen Staatsanzeiger (Magyar Közlöny) Nr. 211 vom 29. Dezember 1945 veröffentlicht worden: „Aufgrund des Beschlusses der Regierung und der alliierten Kontrollkommission vom 20. November 1945 über die Umsiedlung der deutschen Bevölkerung Ungarns nach Deutschland wird verfügt: Zur Umsiedlung sind jene ungarischen Staatsbürger verpflichtet, die sich anläßlich der letzten Volkszählung zur deutschen Nationalität oder Muttersprache bekannt haben oder die ihren magyarisierten Namen wieder in einen deutsch klingenden umändern ließen, ferner diejenigen, die Mitglied des Volksbundes oder einer bewaffneten deutschen Formation (SS) waren.“ Die Anordnung berief sich auf die Legitimierung durch die Konferenz von Potsdam (17. Juli bis 2. August 1945).

In Punkt XIII des dort geschlossenen Abkommens heißt es: „Die drei Regierungen haben die Frage von allen Seiten beleuchtet und sind zu der Ansicht gelangt, dass eine Überführung der deutschen Bevölkerung oder von deutschen Bevölkerungselementen, die in Polen, der Tschechoslowakei oder in Ungarn geblieben sind, nach Deutschland vorgenommen werden muss. Sie sind sich darüber einig, daß dies auf eine geordnete und humane Weise geschehen soll.“

Aus Sitzungsprotokollen der Alliierten geht gleichwohl hervor, daß die Vertreibung der Ungarndeutschen ursprünglich gar nicht vorgesehen war. Völlig unerwartet für Generalmajor William S. Key, den Vertreter der Vereinigten Staaten (nach dem 5. Juli 1946 Brigadegeneral George Hatton Weems), sowie für Generalmajor Oliver P. Edgcumbe, der Großbritannien vertritt, wird das Thema am 16. Juni 1945 auf die Tagesordnung gesetzt. Sowjet-Marschall Kliment Jefremowitsch Woroschilow, Leiter der alliierten Kommission, unterbreitet das Ersuchen der ungarischen Regierung um „Repatriierung der Schwaben in ein von der Grenze des Landes weit entferntes Gebiet“. Edgcumbe will das gesamte Vorhaben genauer definiert wissen, es ähnele eher einer Deportation (Zwangsverschickung) als einer Repatriierung (Rücksiedlung). Woroschilow ist einverstanden, in späteren Sitzungen ist stets von Deportation, bisweilen auch von Vertreibung (expulsion) die Rede.

Anordnung oder Genehmigung?

Daß die „Aussiedlung der Schwaben“ somit nicht, wie in Ungarn jahrzehntelang offiziell dargestellt, eine Folge der (sie hernach gutheißenden) Beschlüsse von Potsdam gewesen, sondern von seiner damaligen Regierung in die Wege geleitet worden ist, beweist auch das alliierte Sitzungsprotokoll vom 25. Jänner 1946. Demnach führte die Formulierung „auf Weisung der Siegermächte“ zum Einschreiten.

Key trug vor, er habe Klagen gehört über die Auswahl der zu Deportierenden und über das Verfahren als solches. Der amerikanische General schlug vor: Da die vom späteren Staatspräsidenten Zoltán Tildy, einem reformierten Pfarrer, unterzeichnete Verordnung vom 29. Dezember 1945 behaupte, die Aussiedlung geschehe „auf Anordnung der alliierten Kontrollkommission“, müsse der Text in „mit Genehmigung“ derselben umgeändert werden, denn die ungarische Regierung habe sie von sich aus beantragt. Woroschilow fand sich sofort zur entsprechenden Anweisung bereit und fügte an, er werde „auch in der für die ungarischen Zeitungen bestimmten Veröffentlichung klarmachen, daß die Deportation das Ergebnis eines von der ungarischen Regierung gestellten Antrags“ sei.

Es sind auch nicht, wie häufig behauptet, die Kommunisten allein gewesen, die die Ungarndeutschen kollektiv büßen ließen. Alle den „Schwaben“ geltenden Maßnahmen – Enteignung, Entrechtung, Vertreibung, Umsiedlung Verbleibender innerhalb Ungarns – wurden zwischen 1945 und 1947 ergriffen, als in der Regierung überwiegend ungarisch-nationale Parteien das Sagen hatten. Am 4. November 1945 fand die Wahl zur Nationalversammlung statt. Von den 4.730.409 abgegebenen gültigen Stimmen entfielen 2.697.508 auf die Partei der Unabhängigen Kleinlandwirte (57,03 Prozent), auf Sozialdemokraten 823.314 (17,41), Kommunisten 802.122 (16,95), Nationale Bauernpartei 325.284 (6,87), Demokratische Partei 76.424 (1,62) sowie auf die Radikale Partei 5.757 Stimmen (0,12 Prozent). Von den sechzehn Ministern der ersten Nachkriegsregierung stellten die Kommunisten vier.

Verschwiegen werden darf auch nicht, dass just mit Beginn der kommunistischen Alleinherrschaft im Lande (1948) nichtungarischen ethnischen Gemeinschaften erste Erleichterungen zuteil wurden. Und ausgerechnet der Stalinist Mátyás Rákosi sollte 1950 alle von Vorgängerregierungen gegen die verbliebenen Deutschen erlassenen Gesetze aufheben.

„Deutsches Gift“

Selbstredend war den aus Moskau zurückgekehrten führenden ungarischen Kommunisten der Gedanke kollektiver Bestrafung nicht fremd. Enthalten war er im Konzept für eine radikale Bodenreform, das Imre Nagy, seinerzeit Agrarreferent der „Moskowiter“, vor Bildung der provisorischen Regierung in Debrecen 1944 ausgearbeitet hatte. Es sah vor, „Vaterlandsverräter, Kriegsverbrecher, Mitglieder des deutschen Volksbunds und Personen, die in der Wehrmacht gedient haben, vollständig und entschädigungslos zu enteignen“. Andererseits propagierten nationalistische Kreise Ungarns die „Kollektivbestrafung der Schwaben“.

Besonders die Nationale Bauernpartei rührte die Trommel. Generalsekretär Imre Kovács wetterte auf einer Versammlung am 7. April 1945: „Endlich kann Ungarn sein Verhältnis zu Deutschland und zu den Schwaben bereinigen. Die Schwaben haben sich selber aus dem Körper der Nation herausgerissen und in allen ihren Taten bewiesen, daß sie mit Hitler-Deutschland fühlen. Nun sollen sie auch Deutschlands Schicksal tragen. Wir werden sie aussiedeln.“ Und „Kis Újság“, Parteiorgan der Kleinlandwirte, stimmte ein: Das „deutsche Gift“ müsse „ausgeleitet, das deutsche Geschwür aus dem nun heilenden Körper der Nation herausgeschnitten“ werden, hieß es in der Ausgabe vom 18. April 1945.

Nationalisten, Turanisten

Für solcherart Nationalismus, der sich zu Kriegsende gegen die „Schwaben“ Bahn brach, hatte schon im neunzehnten Jahrhundert kein Geringerer als István Graf Séchenyi, „der größte Ungar“, die Richtung gewiesen. Sie mündete in Rassismus. Séchenyi betrachtete „die Verbreitung des Ungarntums als heiligste Aufgabe eines jeden Magyaren“. Leute wie er vermochten die nationalen Leidenschaften der Ungarn zu wecken, und bisweilen verwandelten sie sich in Hass gegen alles Deutsche. Sándor Petöfi war dagegen ebensowenig gefeit wie andere ungarische Dichter, so Jószef Eötvös, János Arany, Endre Ady und Deszö Szabó: letzterem galt „der Deutsche als Feind des Ungarn schlechthin“.

Die Gründe hierfür sind vornehmlich im völkischen Nationalismus zu suchen. Der fand im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert auch unter den Magyaren fruchtbaren Nährboden und seinen Niederschlag in der Propagierung des „Turanismus“, des Bekenntnisses zur Zugehörigkeit zu den turanischen Völkerschaften: der Turkvölker, Mongolen, Finno-Ugrier, Kaukasier, Mandschu, Samojeden, Tungusen, Japaner und Koreaner, die mythisch überhöht und literarisch verherrlicht wurden. Magyarentum vollendete sich in den Augen der Turanisten nicht allein in der Beherrschung der ungarischen Sprache, sondern zumal in der Zugehörigkeit zu ebendieser Rasse.

Assimilierte konnten nach dieser Anschauung keine vollwertigen Ungarn werden, deshalb galt: „Wer nicht assimiliert ist, hat in Ungarn nichts zu suchen.“ Vorsitzender der „Turaner“ war Pál Graf Teleki. Der zweimalige Ministerpräsident nach dem Ersten Weltkrieg sagte von sich: „Ich bin Asiate und stolz darauf.“

Nach Teleki, der durch Selbstmord endete, führte Jenö Cholnoky die „Ungarische Gesellschaft der Turaner“ (Magyarországi Turán Szövetség), die sich vornehmlich gegen Deutsche, Juden und Zigeuner wandte. In den „Turanischen Liedern“ des Árpád Zempléni, einer Art Nachdichtung von historischen Sagen und Heldengesängen, die unter der Intelligenz Ungarns hoch im Kurs stand, galten Deutsche als „arische Teufel“.

Weshalb sich Deszö Szabó in Analogie zur verklärten Staatsbildung im Mittelalter für eine „neue, endgültige innere Landnahme der Magyaren“ aussprach und zu diesem Zweck als erstes Mittel „die rassische Säuberung der Umgebung der Hauptstadt“ propagierte. Und sein jüngerer Schriftstellerkollege Gyula Illyés befand, die „Schwaben“ seien „von den Habsburgern in der Absicht angesiedelt worden, die Ungarn zu unterwerfen und zu germanisieren“; daher könne man sie „getrost vertreiben“. Dies war kein Hinderungsgrund für die Alfred Toepfer Stiftung F.V.S., ihn 1970 mit dem (zwischen 1964 und 2006 stets an der Universität Wien verliehenen) Herder-Preis auszuzeichnen.

Blindwütige Magyaromanie

Es gab also lange vor der tatsächlichen Vertreibung in literarisch-politischen Zirkeln diskutierte Pläne zur Um- oder Aussiedlung. Blindwütige Magyaromanie herrschte in den Reihen der Nationalen Bauernpartei. Der erwähnte Imre Kovács brüstete sich: „Wir waren es, die in der Schwaben-Frage die radikalsten Töne angeschlagen haben. In den tieferen Schichten aller ungarischen Probleme steckte schon immer die Schwaben-Frage.“

Zu deren Erörterung berief Ferenc Erdei, Führer der Bauernpartei, zum 14. Mai 1945 eine interfraktionelle Sitzung der Spitzen der die provisorische Regierung bildenden Parteien ein. Innenminister István Bibó widerriet kollektivem Vorgehen und wandte sich gegen eigenwillige, überdies ungesetzliche Aktionen wie jene des György Bodor. Dieser rühmte sich seiner Taten als (selbsternannter) Regierungskommissar: „Schloß Apponyi in Lengyel haben wir zum KZ ausgerufen“; mit Wissen Erdeis hatte er zwischen 25. und 29. April in der Branau (Komitat Baranya) mehr als 12.000 Bewohner rein deutscher Ortschaften aus Häusern und Höfen verjagen und im Internierungslager Lengyel (Lendl) auf freiem Feld hinter Stacheldraht kampieren lassen, bis sie später außer Landes gebracht wurden.

Die Behausungen der Internierten erhielten vorwiegend Angehörige zweier ungarischer Volksgruppen, der Székler Csángós, die in die Vojvodina sowie in die Batschka umgesiedelt worden waren und gegen Kriegsende vor Titos Partisanen fliehen mußten. Die Geschehnisse um das Lager Lengyel waren sozusagen Probelauf für die folgende Kollektivbestrafung der „Schwaben“. Bibó gelang es indes trotz seines mutigen Urteils über den Volksbund – „viele traten ihm einfach darum bei, weil sie selbstbewußte Deutsche waren und sich nicht assimilieren lassen wollten“ – und trotz seiner Denkschrift wider deren Vertreibung nicht, deren Schicksal zu mildern. Aus Protest gegen die Zwangsaussiedlung trat er von seinem Posten als Innenminister zurück, auf dem ihm Ende 1945 Erdei folgte.

Willkommene Enteignungsmaßnahme Bodenreform

So war am 17. März die Verordnung 600/1945 über die von Imre Nagy (Landwirtschafts-, später Innenminister; 1956 als Regierungschef Idol der Aufständischen, sodann interniert und hingerichtet, heute einer der Nationalhelden) entworfene Bodenreform erlassen worden. Sie sah die Enteignung aller „faschistischen Kräfte“ vor, neben den Pfeilkreuzlern die Mitglieder des als nationalsozialistische Organisation gebrandmarkten Volksbunds. Deren Kollektivbestrafung fußte auf der „Verordnung über die Volksgerichtsbarkeit“ vom 27. April 1945, der zufolge in die Liste derer, die ein „volksfeindliches Verbrechen“ begangen haben sollten, aufzunehmen war, wer, „ohne dass ihm gegenüber Zwang ausgeübt wurde, als Mitglied in den durch die Deutschen in Ungarn gegründeten Volksbund eingetreten ist“. Darauf wiederum gründete die am 30. Juni 1945 erlassene Regierungsverordnung 3820 betreffend „Überprüfung der Treue zur Nation“. Sie lieferte die Handhabe zur Entrechtung, Enteignung sowie Aburteilung und kategorisierte:

  • nach „Volksbund“- respektive „Pfeilkreuzler-Führern“ und „Angehörigen der Waffen-SS“;
  • nach „einfacher Mitgliedschaft bei Volksbund und Pfeilkreuzlern“;
  • nach  „Nicht-Mitgliedern sowie Abseitsstehenden, die keine vaterländische Gesinnung zeigten“.

Und dem am 10. Mai 1945 eigens eingerichteten „Volkswohlfahrtsamt“ war aufgegeben, „Aufgaben im Zusammenhang mit der Aussiedlung der faschistischen Deutschen“ zu übernehmen.

Kollektivverantwortung?

Innenminister Erdei plädierte für eine getarnte Lösung: Grad der Schuld und Personenkreis seien „so auszuweiten, dass praktisch doch der größte Teil der Deutschen ausgesiedelt werden könnte“. Außenminister János Gyöngyösi von der Kleinlandwirte-Partei warf ein, die Vertretung der Sowjetunion habe „auf das entschiedenste erklärt, dass sie die Frage der Deutschen als internationale behandeln“ wolle. Zur Vorsicht riet der Sozialdemokrat Árpád Szakasits: Die Frage der Kollektivverantwortung „könnte auch gegenüber dem Ungarntum aufgeworfen werden“. Dagegen stellte der Kommunist Rákosi eine mögliche Verknüpfung mit den in der Tschechoslowakei von Vertreibung bedrohten Ungarn in Abrede, „besonders, wenn wir festlegen, dass wir sie nicht als Deutsche, sondern als Faschisten verfolgen“.

Zoltán Tildy von der Kleinlandwirte-Partei befürwortete die Aussiedlung der Volksbündler in Gebiete, von wo aus sie nicht nach Ungarn hineinwirken können sollten. Und fügte hinzu: „An das schwäbische Vermögen müssen wir über die Bodenreform herankommen.“ Unterrichtsminister Géza Teleki, Sohn des früheren Regierungschefs, und Vilmos Zentai (ursprünglicher deutscher Familienname: Zuschlag), Sozialdemokrat aus Pécs (Fünfkirchen), beurteilten den von Kovács unterbreiteten Vorschlag, „die Unbelasteten zum freiwilligen Weggang zu bewegen“ skeptisch.

Teleki befand: „Ich halte die magyarische Rasse für gesund genug, um mit diesem Rest von Deutschen fertig zu werden, das heisst, sie ins Ungarntum einzuschmelzen. Die Volksbündler sollten wir in Arbeitslagern für uns nutzbar machen, die Tüchtigeren würde ich auf karge Böden setzen, wo sie infolge ihrer hohen Arbeitskultur noch etwas für uns herauswirtschafteten. Die Zersiedlung der Schwaben ist notwendig, und ich glaube, sie gehen in zehn bis zwanzig Jahren im Ungarntum auf.” Kovács widersprach: Die endgültig blieben, müssten in geschlossene Siedlungen, damit habe man sie besser unter Kontrolle.

„Nationale Homogenisierung“

Aus den von Erdei in der folgenden Regierungssitzung vorgetragenen Ergebnissen, in deren Sinn sodann Gyöngyösi mit Woroschilow die „Schwaben-Frage“ erörterte, resultierte schließlich die am 26. Mai formell an die Sowjetunion gerichtete Note: „Die ungarische Regierung ist zu dem Entschluss gelangt, dass es notwendig ist, jene Deutschen, die die Sache Ungarns verrieten und in den Dienst Hitlers traten, aus dem Lande zu entfernen, weil nur auf diese Weise sicherzustellen ist, dass der deutsche Geist und die deutsche Unterdrückung nicht mehr darin Herr werden.“ Sie ersuche die Sowjetunion um ihr Einverständnis, die zu entfernenden Deutschen – 200.000 bis 250…000 an der Zahl – nach Deutschland auszusiedeln.

Neben die von den tonangebenden Parteien der Regierungskoalition verfolgte nationale Homogenisierung, die bruchlos an die Tradition forcierter Magyarisierungspolitik seit Mitte des neunzehnten Jahrhunderts anknüpfte, traten die Sorge und Obhutspflicht für die aus der Nachbarschaft einströmenden ethnischen Ungarn als zweites, schließlich die Bodenreform als drittes Vertreibungsmotiv.

Dabei deckten sich Interessen der Nationalen mit Intentionen von Sozialdemokraten und vor allem Kommunisten. Imre Nagy tat kund, die Bodenreform entspreche „der Auffassung sämtlicher demokratischer Parteien“, wenngleich er hinzufügte, sie stütze sich „in erster Linie auf den Entwurf der Bauernpartei“, wonach „der Grundbesitz von Volksverrätern, Kollaborateuren, Pfeilkreuzlern und Angehörigen der deutschen ,fünften Kolonne' konfisziert“ werde. Großgrundbesitz von mehr als 100 Joch (56 Hektar) – sei er privat, kirchlich oder staatlich – werde „aufgelöst und an Millionen von Kleinbauern und landlose Agrarproletarier verteilt“.

Platz für Magyaren

In Ungarn, das sich infolge des Kriegsergebnisses wieder auf Trianon-Größe von 1920 gestutzt sah – in den Wiener Schiedssprüchen 1938 und 1940 hatte es Teile der damals verlorenen Gebiete zurückerhalten – , war auch Platz zu schaffen für Magyaren aus Siebenbürgen, aus der Karpatoukraine, der Moldau, aus der Batschka sowie der Vojvodina und nicht zuletzt auch aus der Slowakei.

Zwar sah das am 27. Februar 1946 unterzeichnete „Abkommen über Bevölkerungsaustausch“ vor, dass Prag und Pressburg, wo die Beneš-Dekrete nicht nur für die Sudetendeutschen, sondern auch für die Magyaren galten, nur so viele austreiben sollten, wie Angehörige der slowakischen Minderheit Ungarn verließen. Infolgedessen gingen 60.000 ethnische Slowaken vertragsgemäß aus Ungarn fort, während 90.000 Magyaren aus der Slowakei dorthin transferiert wurden. Hatte noch am 17. Juni das Parlament in Pressburg die Ungarn zur „Rückkehr ins slowakische Volk“ aufgefordert, so wurde am 19. November 1946 mit der Deportation der ungarischen Bevölkerung aus der südwestslowakischen Großen-Schütt-Insel in die von Deutschen gesäuberten Sudetengebiete begonnen, die bis zum 25. Februar 1947 anhielt. Die Um- und Aussiedlungsmaßnahmen zwischen der Tschechoslowakei und Ungarn, die ungefähr 200.000 Menschen entwurzelten, endeten erst 1948, dem Jahr der totalen Machtübernahme der Kommunisten in beiden Staaten.

„Unchristliche Akte“

Anders als in der Tschechoslowakei und in Polen wurde die Vertreibung in Ungarn nicht durchweg von Zustimmung begleitet. So erhob Kardinal-Primas Jószef Mindszenty – eigentlich Josef Pehm, Familienname 1941 magyarisiert – seine Stimme: „Vertreibung und Enteignung können keineswegs menschlich und christlich genannt werden.“

Bekannt geworden ist auch der „Aufruf der 26 Aufrechten“. An die Regierung gerichtet, mahnten sie in der Ausgabe der Zeitung „Magyar Nemzet“ vom 18. Jänner 1946, im Umgang mit den Deutschen die Menschenrechte zu wahren: „Heimat, Umgebung, Dorf, Haus, Ackerland, Brot, Wasser können von niemandem auf humane Weise weggenommen werden.“ Zu den Unterzeichnern gehörte auch Béla Zsolt; der Gefängnis, Ghetto und Arbeitslager entronnene jüdische Schriftsteller wollte damit ein Zeichen setzen. Bewirkt hat der Aufruf nichts.

Gedenktag  – nur in Ungarn

Was während der kommunistischen Ära in Ungarn tabu war, dafür hat sich sein erstes frei gewähltes Parlament 1990 in aller Form entschuldigt, und das Verfassungsgericht annullierte alle Bestimmungen, auf denen die Vertreibung fußte. Andernorts steht derlei weiter aus, ja trotz Mitgliedschaft in der Europäischen Union sind in der Tschechischen Republik sowie in der Slowakei die Beneš-Dekrete, in Slowenien die Avnoj-Bestimmungen nach wie vor Bestandteile der geltenden Rechtsordnungen.

Seit 1993 ist in Ungarn ein Minderheitengesetz in Kraft; alle Minoritäten, so auch die deutsche, verfügen seit 1995 über Selbstverwaltungen. Laut Volkszählung von 2011 bekennen sich knapp 186.000 Personen zur deutschen Nationalität (1,9 Prozent der Gesamtbevölkerung); 92.000 geben Deutsch als ihre Muttersprache an.

2006 wurde das „Landesdenkmal der Vertreibung" auf dem Alten Friedhof zu Budaörs eingeweiht. Dort legte Viktor Orbán, der weithin im Westen (auch in Deutschland von der PC-korrekten politischen Klasse von Linken, Sozialdemokraten, Grünen, Liberalen bis hin zu manchen Christdemokraten) verhasste ungarische Ministerpräsident, aus Anlass des von seiner Regierung vor zwei Jahren eingeführten „Gedenktags für die Vertreibung der Ungarndeutschen“ (den es in keinem anderen ehemaligen Vertreiberstaat gibt!) am 19. Jänner 2016 höchstselbst einen Kranz nieder.

Der Autor ist deutsch-österreichischer Historiker und Publizist

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Der Ball, die Demo und die schleichende Zensur drucken

Der folgende Artikel ist am 18. Jänner erstmals auf der Bloggerplattform fischundfleisch.com erschienen. Wer von Fisch und Fleisch noch nichts gehört hat hier ihre Beschreibung: „f+f wurde von deutschen und österreichischen Journalisten ins Leben gerufen, die sich für die Vielfalt von Themen und Meinungen einsetzen. Unsere Basis: Die Meinungsfreiheit sowie die Gleichbehandlung aller Menschen. Jede Meinung, die gesetzlich zugelassen ist, dürft Ihr auf unserer Plattform veröffentlichen.“

Am Freitag, 29. Jänner, haben die Betreiber den Beitrag offline gestellt ohne mich, den Autor davon in Kenntnis zu setzen. Erst auf Nachfrage erklärten sie mir, sie hätten den Artikel nach einem heftigen Shitstorm auf Facebook und Twitter rechtlich prüfen lassen und wegen unrichtigen Fakten offline nehmen müssen. Sonst würden ihnen Geldstrafen drohen.

Andreas Unterberger hat freundlicherweise zugestimmt, meinen Artikel zu veröffentlichen. Er ist nun, da der Ball schon vorbei ist, um Details der diesjährigen Demo reicher, stilistisch ein wenig geglättet, aber unverändert und keines der angeblich bestrafbaren Fakten ist weggelassen worden.

Die Quintessenz des Balles: Linke bezeichnen alle als Nazis, die den Ball besuchen, Rechte werden geschützt von der Staatsmacht, Linken skandieren hirnlose Parolen auf den Straßen, am Ende der Nacht gibt es heisere Kehlen, Blasen auf den Füßen und berauschte Ball- und Demobesucher. Außer Spesen nix gewesen! Wer zahlt die Kosten für die enorme Polizeipräsenz rund um diesen Unfug? Wir, die 99 Prozent, denen dieser Ball vollkommen egal ist!

Die heurige Demonacht verlief weitgehend friedlich, doch gab es wie immer Potential zur Gewalt. Insgesamt gab es neun Festnahmen und 14 leicht verletzt Polizisten bei einem Scharmützel in der Herrengasse. Die Organisatoren sprechen von 10.000 Demonstranten, die Polizei von 5.000, die Frage bleibt im Raum stehen, irgendwer kann nicht zählen, aber dazu maße ich mir kein Urteil an.

Der Akademikerball hat nichts am Lauf der Welt geändert, genauso wenig wie die rund 65 anderen Bälle der Saison: nur das eben dieser anders als alle anderen ein riesen Polizeiaufgebot benötigt, dass Ihnen und mir, den Steuerzahlern dieses Landes, geschätzte 1,5 Millionen Euro gekostet hat. Wie kommen wir eigentlich dazu?

„Besorgte“ Aktivisten haben Anfang der neunziger Jahre den Opernball als lohnendes Demonstrationsziel entdeckt. Die Proteste gegen den Opernball wurden immer gewalttätiger, sie erreichten im neuen Millennium den Höhepunkt, der verstärkende Faktor war die Angelobung der schwarz-blauen Regierung. Der Zenit war erreicht und ab 2006 wurden die Demos ruhiger bis sie 2010 ihr Ende gefunden haben. Die Demonstrationen gegen den Opernball wurden unattraktiv, doch es wurde ein neues Ziel gefunden.

Die Linken haben den Wiener Korporations-Ball gefunden. Dreißig bis vierzig Jahre hat es den WKR-Ball, der jetzt zum Akademiker-Ball geworden ist, gegeben und niemanden hat er gestört. Jahrelang unbeachtet von der Linken, wurde er witzigerweise sogar erst nach dem Ende der schwarz-blauen Regierung gefunden. Und es wurde wieder demonstriert.

Aber warum muss die Allgemeinheit zahlen für den Spaß von ungefähr 5.000 Demonstranten, von denen viele keine Steuern zahlen, weil sie Studenten sind? Die Linken wollen den Ball verbieten, ich will die Demo verbieten, gleiches Recht für alle! Warum müssen alle Bier trinken auf einer Demo? Ich habe mir einige Demos angeschaut, aus sicherer Entfernung, was von den Demos bleibt ist Dreck, leere Bierdosen schön verteilt auf der Straße! Was noch bleibt von Demos: besprühte Wände mit dummen Parolen. Die Umwelt verdrecken gehört anscheinend zu einer guten Demo gegen mutmaßliche Nazis dazu.

Wenn es handfeste Beweise gäbe, dass die Herrschaften auf diesem Ball wirklich Nazis sind, wäre ich hocherfreut! Schließlich ist in Österreich nationalsozialistische Wiederbetätigung ein Straftatbestand. Die Polizei könnte ohne Wenn und Aber einige Ballbesucher hops nehmen, wenn nicht sogar den ganzen Ball mit demokratischen Mitteln verbieten. Das Problem wäre gelöst und die Innenstadt würde sich nicht jedes Jahr im Jänner zum Hochsicherheitstrakt verwandeln. Verdammt noch mal, warum haben die Linken nicht endlich einmal Beweise für ihre Behauptungen? Wie jedes Jahr tragen unsere linken Freunde nur die Anschuldigungen auf Plakaten durch die Innenstadt, zu mehr reicht es nicht.

Ich bin Demokrat, diskutiere und streite gerne um die Dinge, die mir wichtig sind. Der demokratische Rechtsstaat gehört da definitiv dazu; ich würde im Prinzip auch sofort für ihn spazieren gehen. Es wurde mir auch nahegelegt, gegen den Ball zu demonstrieren, weil es doch meine Pflicht ist, gegen Nazis zu demonstrieren. Aber warum hätte ich mit den Linken gegen die vermeintlichen Nazis demonstrieren sollen?

Die deutschnationalen Idioten sind für mich – als österreichischen Patrioten, Anhänger einer konstitutionell weitergeführten k. u. k. Monarchie, burgenländischen Kroaten, mütterlicherseits Slowake, und glühenden Europäer – genauso verwerflich. Nur ein Deutschnationaler ist für mich nicht gleich ein Nazi! Ich bin überzeugter Antisozialist, daher bin ich auch gegen die NSDAP. Ob die Sozis nun rot oder braun sind, ändert ja nichts an der Tatsache, dass sie Sozialisten sind und für mich eine menschenfeindliche Ideologie verfolgen. Der realexistierende Sozialismus ist für mich kein Fremdwort, ich habe ihn noch erlebt, ich habe gesehen, wie die Menschen hinter dem Eisernen Vorhang gelebt haben!

Warum soll ich also mit den Linken gegen diesen Ball demonstrieren? Sie haben immer schon brav demonstriert, wenn ihnen ihr ideologisches Gegenüber im Westen nur den kleinsten Anlass dazu gegeben hat: 1968, haben auf den Demos gegen den Vietnamkrieg alle brav „Ho, Ho, Ho Chi Minh!“ gerufen. In den achtziger Jahren hat die Friedensbewegung gegen die Pershing-II-Mittelstreckenraketen und die NATO demonstriert. Es wurden viele Gründe gefunden zu demonstrieren.

Wo aber war der Protest der Linken, als die Sowjetunion in der Tschechoslowakei einmarschiert ist? Wo war der linke, wütende Mob vor der sowjetischen Botschaft? Warum hätte ich mit diesen sozialistischen Feiglingen in einer Reihe stehen sollen, die unwidersprochen die Knechtung meiner Slowakei erlaubt haben? Warum muss ich gegen Nazis demonstrieren, mit diesen sozialistischen Waschlappen, die nichts unternommen haben, die brav gekuscht haben, als kroatische Oppositionelle von Tito in Gefängnisse gesperrt wurden? Die Sozialisten haben dazu geschwiegen und jetzt demonstieren sie gegen ein paar Witzfiguren, die auf einem Ball tanzen! Diese Doppelmoral ist durch nichts zu überbieten.

Die handfesten Beweise für die Verbrechen der Sowjetunion und ihrer Bruderstaaten mit sozialistisch-kommunistischen Ideologien gibt es und gab es schon damals. Doch haben die Linken, die sich ja so gerne die Menschrechte auf ihre Fahne heften, deswegen jemals etwas getan? Nein, sie haben geschwiegen! Sie haben sich Che-Guevara-T-Shirts gekauft, diesen Mörder zu ihrem Idol erhoben und zu den Verbrechen in unsern Nachbarländern geschwiegen.

Und um nur ja nicht die eigene Ideologie infrage zu stellen, deren praktische Umsetzung so grandios gescheitert ist, die Millionen von Menschen das Leben gekostet hat, verstecken sie sich hinter Fehlinterpretationen. Nein, den wahren Sozialismus-Kommunismus hätte es nie gegeben hinter dem Eisernen Vorhang, dort wäre ja die reine Lehre des Marxismus völlig verfälscht worden.

Österreich ist klein geworden. Und doch hätten wir eine verpflichtende moralische Verantwortung für unsere alten Kronländer und allernächsten Nachbarn gehabt, mit denen wir über 500 Jahre engstens verbunden waren! Wir hätten für sie das Wort ergreifen und diese Verbrechen anprangern müssen! Die Sozialisten in diesem Land waren und bleiben schweigende Lämmer, sie erheben sich gegen Witzfiguren und werden gewalttätig. Doch für die Freiheit und Menschlichkeit haben sie nicht demonstriert, als sie es hätten tun müssen! Diese Schuld werde ich der Linken immer vorhalten, da gibt es kein Pardon.

Martin Prikoszovich, geboren 1972, Angestellter bei einem Telekommunikationsunternehmen, politisch aktiv in einer Partei (ÖVP), Mitgründer des Austrian Institute of Economics and Social Philosophy, 08/15 Bürger und Blogger.

 

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"Aussiedlung" war Ausplünderung und Vertreibung drucken

Der ungarische Premier Viktor Orbán hielt vor wenigen Tagen in Wudersch (Budaörs) eine Gedankrede an die Vertreibung der davor in Ungarn lebenden Deutschen. Viele Vertriebene würden sich einmal auch von einem tschechischen Regierungschef eine solche Rede wünschen. (Auch die aus Polen vertriebenen Deutschen haben schon etliche ähnlich klingende Töne hören können.) Die wichtigsten Passagen der Orbán-Rede im Wortlaut:

Die 1940-er Jahre lassen die zusammenhängende Leidensgeschichte Ungarns vor unseren Augen erstehen. Besetzungen, Verschleppung und Vertreibung, einander folgende Waggons, Trauerzüge. Die Akzente, die Ziele, die Gründe und Motive mochten unterschiedlich sein, jedoch war die Konklusion unverändert. Als Ungarn besetzt wurde – ganz gleich ob vom Osten oder vom Westen aus –, das Ergebnis wurde unermessliches Leid.

Die Geschichte des 20. Jahrhunderts zeugt davon, dass wenn Ungarn seine Unabhängigkeit verlor, es dann seine eigenen Bürger – jene Menschen, zu deren Schutz und zur Bewahrung ihrer Werte das Land berufen gewesen wäre – es diese verstieß, ausplünderte, vertrieb und in eine extrem ausgelieferte Lage geraten ließ. Es ist eine Lehre für die Ungarn für alle Zeiten, der Ankunft einer derartigen Welt, in der ähnliche Verordnungen und Listen entstehen könnten, nicht die geringste Chance zu geben. Es ist eine Warnung für alle Zeiten, dass nur die starke Regierung eines souveränen Landes in der Lage ist, seine Staatsbürger der unterschiedlichsten Nationalität vor den äußeren Kräften und den die äußeren Kräfte bedienenden inneren Anhängern zu schützen.

Am 19. Januar 1946 verließ der erste Eisenbahnzug Ungarn, der unsere vertriebenen deutschen Landsleute nach Deutschland transportierte. Allein an einem einzigen Tag nahm man tausend Menschen mit. Bis Anfang Februar war Wudersch bereits vollkommen leer, und bald ereilte landesweit Hunderte von Siedlungen, in denen Schwaben – wie man die Ungarndeutschen in Ungarn nannte – lebten, ein ähnliches Schicksal.

Die offizielle Bezeichnung lautete Aussiedlung, doch dieses Wort hatte mit der Wahrheit nichts zu tun. Was Aussiedlung genannt wurde, bedeute die Ausplünderung und die Vertreibung der ungarischen Schwaben. Sie wurden ihrer Häuser und sie wurden ihrer Heimat beraubt. Von ihrem früheren Leben durften sie in die niedergebombten Städte Deutschlands so viel mitnehmen, wie in ein Bündel von 50 Kilogramm hineinpasste. Und nicht nur jene mussten ihr Zuhause verlassen, die während des Weltkriegs in die deutsche Armee rekrutiert worden waren. Um auf die Liste zu kommen, reichte es aus, wenn jemand sich selbst als Person deutscher Nationalität bezeichnete oder sich zwar als Ungar bekannte, aber das Deutsche seine Muttersprache war, und es reichte auch aus, wenn man über jemanden wusste, dass er Ungarn so sehr liebte, dass er niemals die kommunistische Partei wählen würde.

Vor siebzig Jahren ereignete sich in Ungarn und in zahlreichen anderen Ländern Europas eine als Aussiedlung getarnte Deportierung. Und es gab keine einzige nüchtern denkende verantwortliche Person – auch die Vertreter der Siegermächte mitinbegriffen – die sich dem entgegengestellt hätte. Dies waren Zeiten, in denen Europa der Verführung durch wahnsinnige Gedanken nicht widerstehen konnte. Statt des Widerstandes, statt sein christliches Selbst zu behalten, hat es sich ergeben. Es hat gleich zweimal kapituliert, nacheinander. Zuerst gab es der Verführung durch den Nationalsozialismus, dann der durch den internationalen Sozialismus nach. Es ist der traurige gemeinsame Nenner des National- und des internationalen Sozialismus, dass sie beide auf Grundlage des Prinzips der Kollektivschuld ganze Völker in Viehwaggons trieben.

Die Ungarndeutschen können bis auf den heutigen Tag eine Kultur die ihrige nennen, deren Fäden tief in das Gewebe der ungarischen Kultur eingeflochten sind. Wenn wir diese Fäden herauszögen, so würde das gesamte Gewebe zerfallen. Die ungarische schwäbische Gemeinschaft stellt einen organischen und unveräußerlichen Bestandteil der ungarischen Kultur dar. Wenn vor siebzig Jahren die Vertriebenen all das mitgenommen hätten, was die Ungarndeutschen oder Menschen deutscher Abstammung seit ihrer Ansiedlung für die ungarische Wirtschaft und Kultur getan hatten, dann wäre Ungarn heute bedeutend ärmer. Sie hätten zum Beispiel unsere erste nationale Literaturgeschichte – von Ferenc Toldy – mitnehmen können, unter anderem auch das Parlament – Imre Steindl – und das Gebäude des Kunsthistorischen Museums – Ödön Lechner – sowie einen bedeutenden Teil des ungarischen Druckwesens, Maschinenbaus und der Medizin.

Ungarn war einst die Heimat von mehr als einer halben Million von Familien, die auf ihre deutschen Wurzeln stolz sowie fleißig waren und auf ihren eigenen Füßen standen. Wir lebten über lange Jahrhunderte hinweg zusammen und zu Hunderttausenden liegen deutsche und ungarische Soldaten europaweit nebeneinander in der Erde. Die Sorgen und Mühen des Alltags haben wir gemeinsam gelöst, so wie wir auch Ungarn nach den Verwüstungen der Kriege gemeinsam wiederaufgebaut haben. Und wir haben viel voneinander gelernt.

Wir Ungarn haben von den schwäbischen Menschen zum Beispiel gelernt, das die tätige, fleißige Arbeit der einzig mögliche Weg zum Erreichen ehrlichen Wohlstandes ist. Die Ungarndeutschen haben über dieses gemeinsame Schicksal Zeugnis abgelegt, als sie sich unter der Fahne von Kossuth statt unter der Fahne mit dem Doppeladler aufreihten. Dies bekräftigten sie, als sie Schulter an Schulter mit den Ungarn an den Fronten des Ersten Weltkriegs kämpften. Diese Zusammengehörigkeit bekundeten sie auch 1941 bei der Volkszählung, als sie sich als Personen ungarischer Nationalität, aber deutscher Muttersprache bezeichneten. Und schließlich gaben sie ebendiesem Gefühl nach, als einige Jahre später viele von ihnen in die Armut, in das Elend, in die Erniedrigungen durch das kommunistische System heimkehrten.

Wir alle kennen die Geschichte der in alle Richtungen abfahrenden und wer weiß wo ankommenden Trauerzüge. Es hat Millionen von Menschenleben gekostet bis wir erkannt haben: Wir, die Nationen Europas, sind gemeinsam stark. Der entscheidende Grund für die Vereinigung Europas war gerade, dass derart entsetzliche Dinge nie wieder vorkommen dürfen. Die europäische Zusammenarbeit war gerade aus der Erkenntnis geboren worden, dass uns, europäische Nationen, viel mehr Dinge verbinden als trennen.

Wir alle können mit unseren eigenen Augen beobachten, wie die Sicherheit Europas von Tag zu Tag zerfällt, wie seine auf der christlichen Kultur basierende Lebensweise in Gefahr gerät. Heute stellt sich Europa nicht die Frage, ob sich die Nationen gegeneinander wenden, die Frage lautet vielmehr, ob es Europa noch geben wird, ob wir die europäische Lebensweise und Kultur werden verteidigen können, und was für einen Kontinent wir unseren Kindern als Erbe hinterlassen werden.

Die wichtigste Lehre aus der Geschichte der 1940-er Jahre, als die Straßen Europas immer wieder mit aus ihrem Zuhause vertriebenen, hungernden und tatsächlich um ihr Leben rennenden Völkern gefüllt waren, ist, dass man ein Verbrechen durch ein anderes Verbrechen nicht wiedergutmachen kann – ein vermeintliches Verbrechen durch ein anderes Verbrechen noch weniger, und ein angenommenes Verbrechen durch eine kollektive Bestrafung erst recht nicht. Wir können stolz darauf sein, dass die ungarischen Menschen nach zwanzig verworrenen, postkommunistischen Jahren des Übergangs endlich eindeutig für die bürgerliche Einrichtung votiert haben, und das Parlament endlich die erste demokratische bürgerliche Verfassung Ungarns vollenden konnte.

Die wichtigste tragende Säule der bürgerlichen Welt ist die Gerechtigkeit und Billigkeit, wir geben einem jeden das, was ihm zusteht. Aus diesem Grunde hat das Parlament im Jahre 2013 beschlossen, dass der 19. Januar der Gedenktag der Verschleppung und der Vertreibung der Ungarndeutschen sei. Als ein ewiges Memento für die nach Sibirien zur Zwangsarbeit verschleppten fünfundsechzigtausend Menschen und für die zur Aussiedlung verurteilten deutschen Familien. Das heutige Jubiläum ist aber nicht nur ein Gedenken, sondern auch ein Aufruf, all das nicht zu vergessen, was die Ungarndeutschen für Ungarn getan haben und bis auf den heutigen Tag tun.

Die ungarische Regierung unterstützt die Bewahrung der Identität und der Kultur der in unserer Heimat lebenden deutschen Mitbürger. Seit 2014 kann man sich im ungarischen Parlament auf Deutsch zu Worte melden, der Sprecher der Deutschen kann in seiner Muttersprache im Parlament reden. Es erfüllt uns mit Freude, dass sich in den vergangenen vier Jahren die Zahl der deutschen Schulen verfünffacht und die Anzahl der dort lernenden Schüler verdreifacht hat. Und wir sind auch darauf stolz, dass die Zahl derer, die sich als zur Gemeinschaft der Ungarndeutschen gehörig bekennen, heute schon beinahe Zweihunderttausend erreicht.

Die Leidensgeschichte der Ungarndeutschen soll uns daran erinnern, dass es das unveräußerliche Recht des Menschen ist, dort zu leben, wo er geboren worden ist, in der Kultur, in dem Land, in der Siedlung, die sein eigenes Zuhause ist. Und uns möge der Herrgott ausreichend Ausdauer und Geduld geben, damit wir Europa verteidigen und erhalten können, und er möge uns genügend Kraft geben, damit wir das Recht darauf, in der eigenen Heimat bleiben zu dürfen, auch außerhalb Europas durchsetzen können. Im Namen der ungarischen Regierung wünsche ich unseren in Ungarn lebenden deutschen Mitbürgern, dass das Andenken ihrer Ahnen bewahren und ihre Kinder als in der deutschen Kultur aufgewachsene gute Ungarn erziehen sollen.

Ehrfurcht den Opfern. Gebührende Erinnerung an die Leidenden. Ein Verneigen vor der Erinnerung an die Unschuldigen. Anerkennung und Ruhm jenen, die den in Not geratenen Ungarndeutschen geholfen hatten. Alles Gute unseren mit uns zusammenlebenden deutschen Mitbürgern!

Viktor Orban ist ungarischer Ministerpräsident.

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Putin macht Angst drucken

Der russische Machthaber hat jetzt eingestanden, dass er aus Sowjetzeiten noch immer einen kommunistischen Parteiausweis hat. Und dass er weiterhin Sympathien für die kommunistischen Ideale hegt. „Ich mag wirklich die kommunistischen und sozialistischen Ideen.“

Noch schlimmer eine weitere Aussage: Er schätze einige der Ideale des Kommunismus, auch wenn sie in der Sowjetunion nie richtig umgesetzt worden seien.

Da kann man nur sagen: Nein, bitte nicht schon wieder!

Als ob die Menschheit nicht schon genug darunter gelitten hätte. 80 bis 90 Millionen Tote – die größte Opferzahl der Geschichte! – sollten eigentlich für den Rest des Jahrtausends reichen. Sie sind genau dadurch zustandegekommen, dass ständig irgendjemand zwischen Nordkorea und Moskau, zwischen Polen und Kuba einen Anlauf gemacht hat, die kommunistischen „Ideale“ diesmal „richtig“ umzusetzen. Oder dass er seine Machtgier und die der Nomenklatura so getarnt hat, als ob er für irgendwelche Ideale stünde.

Jedoch im wirklichen Leben haben sich diese Ideale absolut immer als Terror, Massenmord, wirtschaftliche Verarmung, Vernichtung aller „bürgerlichen“ Rechte wie Freiheit und Eigentum und ein Sklavenhalterstaat entpuppt.

 

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Hitler, Gysi, Klaus, Polen und die Erste Bank drucken

Es ist erstaunlich viel, was man so alles in Österreich nicht zu lesen, zu hören, zu sehen bekommt. Was aber hochinteressant ist. Es sind freilich immer Fakten, die nicht ins Weltbild von ORF, APA, Regierung und den meisten Medien passen. Ganz offensichtlich ist das der Grund, dass sie verschwiegen werden. Und das ist verlogen.

Heute sei – wieder einmal – eine Sammlung dessen zusammengestellt, was eigentlich alles dringend berichtenswert wäre. Die Sammlung ist zwar bunt und vielfältig, aber ihre Botschaft ist in Summe eindeutig: Die Medien haben neuerlich versagt.

Hitler und Wien

Das erste Beispiel bezieht sich auf die in Bayern jetzt nach 70 Jahren erscheinende, umfangreich kommentierte Ausgabe von Hitlers „Mein Kampf“. Der „Spiegel“ berichtete ausführlich darüber. In dem (zweifellos nicht gerade rechten und nicht gerade von Sympathien gegenüber der Alpenrepublik getragenen) Magazin ist nun für Österreich ganz Erstaunliches und Überraschendes über Hitlers Weg zum manischen Judenhasser zu lesen:

„Hitler, so erklären die Historiker aus München, hat diesen Prozess um zehn Jahre vordatiert. Tatsächlich sei er nicht in Wien, sondern erst nach dem Krieg in München unter dem Eindruck von Niederlage und Revolution zum ,dogmatischen Rassenantisemiten‘ geworden.“ Die Historiker begründen das damit, dass Hitler als entscheidende Inspirationsquelle mehrere Bücher nennt, die überhaupt erst nach dem ersten Weltkrieg erschienen sind.

Das ist nun sensationell: Denn internationale wie österreichische Darstellungen haben bisher immer die von Hitler selbst stammende Behauptung undistanziert wiedergegeben, dass er diesen Antisemitismus in Wien erworben habe. Diese Aussage hat unzählige Male zur Denunziation Österreichs und Wiens gedient.

Eigentlich wäre es da nun mehr als logisch, ja zwingend, dass die Regierung, ihre Beamten, Pressesprecher und Pressedienste sowie die Medien diese neue historische Sicht aufgreifen und bekannt machen. Freilich: Das wäre nur dann logisch, würden Regierung&Co noch die Interessen und das Image des Landes im Sinn haben; würde da irgendjemand Interesse haben, einen geradezu erbsündenartig seit mehreren Generationen auf Wien lastenden Vorwurf zu relativieren. Aber niemand hat das.

Die Nazi-Zeit ist nur interessant, wenn damit ein neuer Kübel Jauche über Österreich gegossen werden kann. Was ja auch die Haupttätigkeit des Hauses der Sozialdemokratie sein wird, das da als angebliches Haus der Geschichte errichtet werden soll. Mit dem Sanktus der ÖVP und unserem Geld (Apropos: Immerhin sind jetzt Teile der Kirche erwacht und beginnen zu begreifen, dass das SPÖ-Haus auch sie durch den Schmutz ziehen wird).

Taliban marschieren durch Österreich

Total schweigsam sind die hiesigen Medien auch zu den sensationellen Berichten tschechischer Ärzte – die einen engen Bezug zu Österreich haben.

Diese Ärzte werken in einem Nato-Spital auf der slowenischen Seite der Grenze in Spielfeld, wo sich afghanische „Flüchtlinge“ auf dem Weg nach Österreich behandeln ließen. Sie konnten nun etliche der „Flüchtlinge“ als eindeutige Taliban-Kämpfer identifizieren, da sie – was die zur Ordination kommenden Afghanen nicht ahnten – früher für die Nato in Afghanistan tätig gewesen waren.

Aber Österreich ignoriert auch das. Und seine Medien erst recht. Freie Bahn den Taliban.

Uninteressant: Araber ermordet Mitschüler

Nirgends hat man hierzulande auch über eines der grässlichsten Verbrechen der letzten Tage gelesen: Ein 15-jähriger Schüler aus Litauen, der mit seiner Familie in Schweden lebt, wurde dort von einem arabischen Klassenkollegen erstochen. Der Mord geschah, weil der Litauer – Tage zuvor! – einer Klassenkameradin gegen eine sexuelle Attacke des Arabers zur Hilfe gekommen ist.

Die Medien in Litauen berichten groß darüber. Hingegen spielen die fast durchwegs linken Zeitungen im bisherigen Mutterland des Willkommens-Gutmenschentums die Tat herunter (und unsere verschweigen sie ganz – kann das ja nicht einmal wie die Kölner Schreckensnacht mit dem linken Feminismus-Schmäh verniedlicht werden).

Besonders empörend: Keines der schwedischen Blätter wollte mit dem Vater des Ermordeten auch nur ein Interview machen, während sie sehr wohl mit dem Vater des Täters sprachen. Dieser konnte dabei die Tat seines Sohnes damit rechtfertigen, dass dessen „Ehre“ verletzt worden sei. In Schwedoarabien ist das offenbar heute ein legitimer Grund für einen Mord.

Erste Bank sperrt Identitären-Konten

Nichts liest man in den heimischen Medien auch zu einem anderen überaus unguten Vorgang – der sich jedoch im eigenen Land abgespielt hat: Die „Erste Bank“ hat den „Identitären“ – einer seit zwei Jahren aktiven und völlig legalen immigrationskritischen Bewegung – einfach die Konten gesperrt.

Ein unglaublicher Vorgang. Er dürfte in einem Rechtsstaat eigentlich nur nach einem transparenten Gerichtsbeschluss oder nach ebenso öffentlichen Sicherheitsrats- beziehungsweise EU-Beschlüssen erfolgen (siehe Iran, siehe Russland). Nicht so in Österreich. Angeblich – aber da gibt es keine offizielle Bestätigung – hat die Regierung Druck gemacht.

Wenn das stimmt, dann ist es wieder ein weiterer Schritt hin zu einem totalitären Staat. Oder aber es ist eine feige opportunistische Aktion einer eigentlich noch vom Vertrauen ihrer Kunden lebenden Bank.

Gysi beschimpft Österreich

Schweigsam sind die österreichischen Medien auch zu seltsamen Äußerungen des Alt- und Neokommunisten Gregor Gysi bei einem Vortrag im Wiener Rathaus. Im Rahmen des an sich  spannenden com.sult-Kongresses behauptete er, dass Österreich nichts für das Flüchtlingshilfswerk UNHCR zahlen würde. Das ist nicht nur ziemlich frech, wenn man Gast in Österreich ist. Das ist aber auch und vor allem schlicht gelogen. Das ist auch nicht dadurch zu rechtfertigen, dass es Österreich gewiss gut anstünde, mehr zu zahlen.

Nun, bei einem Gysi überrascht solche Ignoranz gegenüber den Fakten nicht. Sagte er doch in der selben Rede beispielsweise auch, dass bis 1990 im Gegensatz zu heute noch eine gewisse Ordnung in Europa geherrscht habe. Für Angehörige der DDR-Nomenklatura war das auch sicher so. Für den Rest der Ostdeutschen zweifellos nicht.

Aber wirklich ärgerlich ist es, dass sich niemand dazu berufen fühlt, die Reputation Österreichs zu verteidigen. Selbst wenn da ein ausländischer Gast bei einem Besuch über die Republik Lügen verbreitet.

Klaus über den Krieg der Eliten

Ein weiteres Beispiel zum gleichen Kongress: Nirgendwo fand ich eine Zeile über die dramatischen Aussagen des tschechischen Altpräsidenten Vaclav Klaus zur Flüchtlingskrise. Er konstatiert, dass Europa „entdemokratisiert“ sei. Und dass hier ein „Krieg der Eliten gegen die Mehrheit der Bevölkerung“ tobe.

Selbst wenn man Klaus nicht zustimmen sollte – ich stimme ihm zu –, wäre das wohl berichtenswert. Aber die Medien fahren lieber tagelang ins sommerliche Alpbach, um über drittklassige Mainstream-Redner zu berichten, als über spannende Aussagen eines liberalkonservativen Ex-Präsidenten mitten in Wien.

Der Staat als verheimlichter Preistreiber

Themenwechsel zur Inflation: Die Statistik Austria formuliert in einer Pressemitteilung: „Tarife und Gebühren waren 2015 Preistreiber“. Das sind also alle jene (Zwangs-)Ausgaben, deren Höhe staatlich fixiert sind. Diese Tarife und Gebühren sind im Vorjahr um 2,5 Prozent gestiegen, die allgemeine Inflationsrate betrug hingegen nur 0,9 Prozent.

Hut ab, dass in der Statistik Austria diesmal jemand so klar formuliert hat und Preistreiberei Preistreiberei nennt (da hat wohl der von der SPÖ entsandte Oberzensor in dem sonst sehr auf Parteilinie gebrachten Unternehmen nicht aufgepasst).

Im Staatspropagandasender ORF hört man hingegen in keiner ZiB auch nur ein Wort über die Rolle des Staates bei der Teuerung, geschweige denn das Wort Preistreiberei. Nur über Restaurants und Mieten wird im ORF gesprochen.

Aber auch Arbeiterkammer und ÖGB schweigen dazu, dass der Staat einer der Hauptpreistreiber ist, obwohl sie sich sonst so als Konsumentenschützer ausgeben. Nur durch das Billigerwerden von Benzin schlägt diese Preistreiberei in der Gesamtinflationsrate nicht voll durch. In der schwarz-blauen Zeit hätten sich die Gewerkschaften wegen so starker Gebührenerhöhungen bis an den Rand des Generalstreiks erregt.

Ganz abgesehen von den Benya-Zeiten, da der ÖGB überhaupt noch diktiert hatte, dass die Sparzinsen nicht geringer als die Inflation sein dürfen. Wovon die Sparer heute nur noch träumen dürfen. Aber heute fühlt sich ja der ÖGB nicht mehr als Schützer der Sparer.

Die verschwiegene Nächstenliebe der Polen

Fast jede österreichische Zeitung hat in den letzten Wochen in pathetischen Kommentaren den Egoismus von Ländern wie Polen gegeißelt, weil diese keine oder fast keine arabisch-moslemischen Flüchtlinge aufnehmen wollen. Aber in keinem einzigen davon – zumindest in den vielen, die ich gelesen habe, – wird darauf verwiesen, dass Polen sehr wohl eine Million Flüchtlinge aufgenommen hat. Nur halt keine Araber und Afghanen, sondern Ukrainer.

Polen hat das christliche Gebot der Nächstenliebe bei seinen wirklichen Nächsten umgesetzt, also den benachbarten Ukrainern und nicht bei Tausende Kilometer entfernten Arabern. In der Ukraine hat es ja ebenfalls einen erbitterten Krieg gegeben (und gibt es zum Teil noch immer). Dieser wird jedoch von linken Gutmenschen und der noch linker stehenden Landau-Caritas nicht zur Kenntnis genommen.

Der Grund für das Desinteresse an den ukrainischen Flüchtlingen dürfte klar sein: Mit christlichen Ukrainern kann man ja nicht die europäischen Werte und die Identität zerstören.

 

Das alles kommt einem an einen einzigen Tag in die Hand, wenn man ein bisschen herumhorcht. Ich tue mir verdammt schwer, über die Medien so zu denken, wie die immer gerne hätten, dass man über sie denkt.

 

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So wurde der Untergang der römischen Welt herbeigeführt drucken

Im Folgenden eine Übersetzung von Teilen der Res Gestae des Ammianus Marcellinus (31.Buch, Auszüge aus Kapitel 4, 5) die von erkennbarer Aktualität ist. 375 n. Chr. überschritten die Hunnen den Don in Richtung Westen und unterwarfen sich Teilen der Alanen und Goten. (Übersetzung und kursiv geschriebene Anmerkungen von Rupert Wenger).

Doch verbreitete sich das Gerücht bei den übrigen Stämmen der Goten, dass dieses vorher noch nie aufgetretene Volk, das sich wie ein Sturm aus dem Gebirge aus einer abgelegenen Ecke aufgemacht hatte, jeden Widerstand bricht und vernichtet. Darum suchte der größere Teil des Volks (der Stamm der Terwingen), den Athanarich im Stich gelassen hatte und der infolge Mangels an Nahrung bereits stark geschwächt war, nach Wohnsitzen, die von den Barbaren nicht bedroht waren. Nach vielen Überlegungen, welche Räume man auswählen sollte, kam man auf Thrakien als Refugium, das sich aus zwei Gründen besonders eignete: Erstens war sein Boden sehr fruchtbar, und zweitens wird es durch die Breite der Donau von den Gebieten getrennt, die sich für die Schrecken eines fremden Eroberers offen anboten. Die Übrigen schlossen sich diesem Plan an, als ob sie ihn gemeinsam überlegt hätten.

Daher besetzten sie unter Alavivs (und Fritingerns) Führung die Donauufer, schickten eine Delegation zu Kaiser Valens und ersuchten mit höflicher Bitte um Aufnahme. Sie sagten zu, ein friedliches Leben zu führen und Hilfstruppen zu stellen, wann immer es die Lage erfordere.

(Gleichzeitig kam es auch im Norden des römischen Reiches zu krisenhaften Entwicklungen, die weitere Kräfte der Armee banden.)

Die ganze Angelegenheit bot mehr Anlass zur Freude als zur Furcht, Schmeichler priesen das Glück des Kaisers, denn aus der Fremde bringe es wider Erwarten so viele Kämpfer und biete ihm die Gelegenheit, seine eigenen mit den fremdstämmigen Streitkräften zu vereinigen und sich ein unbesiegbares Heer schaffen zu können. Für den personellen Ersatz, dessen Kosten jährlich von den Provinzen zu bezahlen sei, käme jetzt eine große Menge Goldes herein. In dieser Hoffnung wurden verschiedene Personen ausgesandt, die das kämpferische Volk mit ihren Fahrzeugen herüberbringen sollten. Dabei sah man mit große Sorgfalt darauf, dass kein zukünftiger Zerstörer des römischen Staates zurück blieb, selbst wenn er von einer tödlichen Krankheit befallen war.

So gingen sie mit Genehmigung des Kaisers über die Donau, besetzten Teile von Thrakien, Tag und Nacht scharenweise auf Schiffen, Flößen und ausgehöhlten Baumstämmen den Fluss überschreitend. Da dieser Fluss der gefährlichste von allen ist und damals gerade wegen häufiger Regenfälle Hochwasser führte, kamen bei dem starken Gedränge viele in den Fluten um, die gegen die Wellen ankämpften oder zu schwimmen versuchten.

So wurde mit heftigen Bemühen der Untergang der römischen Welt herbeigeführt. Es ist jedenfalls keineswegs dunkel oder unklar, dass die unglücklichen Beamten, die die Überfahrt der Barbaren leiteten, zwar oft versuchten, deren Anzahl rechnerisch zu erfassen, doch es endlich als unmöglich aufgaben, wie unser bedeutendster Dichter (Vergil) sagt:

"Wer ihre Zahl wissen wollte, der wollte die Zahl der Sandkörner in der Libyschen Wüste wissen, die der Wind emporhebt."

Es folgt ein kurzer Vergleich der gotischen Invasion mit der persischen Invasion Griechenlands von 480 v. Chr.

Nachdem also riesige Völkermassen unsere Provinzen überflutet hatten, wobei sie sich nicht nur über die breiten Ebenen ausbreiteten, sondern alle Gebiete einschließlich der hohen Gebirge besetzten, wurde so die Glaubwürdigkeit alter Dokumente (über den Einfall der Perser) aufs Neue bestätigt. Als erste fanden Alaviv und Fritigern Aufnahme, denen kaiserliche Entscheidung für den Moment Lebensmittel und Ackerland zur Bearbeitung zuwies.

Zu dieser Zeit waren die Grenzbalken offen, und Horden von Barbaren schwärmten aus wie Asche aus dem Ätna. Diese schwierige Lage hätten Reformatoren der Streitkräfte erfordert, die durch berühmte Taten einen Ruf erworben hatten. Doch wie wenn eine unheilvolle Gottheit sie ausgewählt hätte, wurden nur korrupte Menschen ausgesucht, aus denen besonders Lupicinus und Maximus herausragten, der eine Comes von Thrakien, der andere unheilvoller Befehlshaber, beide ebenbürtig an Unbesonnenheit. Ihre Habgier war die Quelle allen Übels.

Es folgt eine Aufzählung ihrer Fehler, die darin gipfelten, dass die beiden Angehörige der Goten, zum Teil sogar aus den obersten sozialen Schichten, als Sklaven verkauften.

In diesen Tagen kam auch der König der Greuthungen (weiterer Stamm, der zusammen mit den Thervingen später zum Volk der Visigoten zusammenwachsen sollte) Widerich mit seinen Vormündern Alatheus und Safrax, außerdem mit Famobius, an das Donauufer und flehten den Kaiser durch eilends geschickte Gesandte an, ihn mit gleichen Wohlwollen aufzunehmen. Ihnen wurde es aber abgeschlagen, wie es das öffentliche Wohl erforderte, und sie waren nun im Zweifel darüber, was sie tun sollten.

Es folgt eine Szene, deren wichtigste Information der vorläufige Abzug der Greuthungen vom unmittelbaren linken Donauufer bildet.

Die Thervingen ihrerseits, die schon längst die Erlaubnis zum Übersetzen erhalten hatten, hielten sich immer noch in der Nähe des Ufers auf, weil sie durch ein doppeltes Hindernis gebunden waren: Erstens leistete man ihnen wegen der gefährlichen Nachlässigkeit der militärischen Führer keine angemessene Unterstützung durch Lebensmitteln, und zweitens hielt man sie absichtlich durch schändliche Handelsgeschäfte hin. Als sie dies bemerkten, begannen sie von Vertragsbruch zu flüstern und so musste Lupicinus aus Angst Truppen heranführen und sie zum Abzug zwingen.

Dies war für die Greuthungen der gelegene Augenblick. Als die Soldaten anderwärts gebunden waren, bemerkten sie, dass die Patrouillenboote, die bisher ihren Übergang verhindert hatten, untätig blieben, worauf sie in Booten und provisorischen Flößen über den Fluss gingen. Dann schlugen sie in weiter Entfernung von Fritigern ein Lager auf.

Der wiederum wollte sich mit angeborenem politischen Weitblick gegen irgendwelche Zufälligkeiten sichern, einerseits den Befehlen des Kaisers gehorchen und andererseits sich mit den mächtigen Königen verbünden. Darum rückte er nur zögernd vor und gelangte in langsamen Märschen mit der Zeit nach Marcianopolis. Hier trat noch ein anderes schreckliches Ereignis ein, das die zum Untergang des Staates glimmenden Fackeln der Rachegeister zu hellem Brand entfachte:

Lupicinus lud Alaviv und Fritigern zu einem Essen ein, hielt aber das barbarische Volk durch die Aufstellung von Posten weit von den Mauern der Stadt fern. Als es aber in die Stadt wollte, um sich Lebensmittel zu besorgen, weil sie ja unter unserer Herrschaft und mit uns im Einvernehmen standen, kam es zwischen Einwohnern und den Abgewiesenen zum Streit und schließlich zu bewaffneter Auseinandersetzung. Brutal behandelt, fühlten sie sich als Feinde angesehen und töteten ihrerseits die bewachenden Soldaten und erbeuteten ihre Waffen.

Lupicinus versuchte, die gotischen Führer gefangen zu nehmen, was allerdings misslang. Eine erste Schlacht zwischen vereinigten Goten und Römern verlief zu Ungunsten der Römer, wobei den Goten eine hohe Anzahl römischer Waffen in die Hände fiel.

378 lieferten sich die nun vereinigten Stämme der Goten mit einem römischen Heer unter Kaiser Valens die Schlacht von Adrianopel mit katastrophalem Ausgang für die Römer. Der Kaiser fiel in der Schlacht. Dies war das Ende der römischen Versuche, die Goten unter Kontrolle zu bekommen.

397 griffen die Goten unter Alarich Konstantinopel erfolglos an, plünderten 398 Athen, das sich kampflos ergeben hatte und eroberten 410 Rom. Sie gründeten 418 auf der Pyrenäen-Halbinsel innerhalb des Reichsterritoriums ihr eigenes Reich.

Nachdem Ammianus um das Jahr 400 n. Chr. verstorben sein muss, erlebte er das tatsächliche Ende des Römischen Reiches nicht mehr. Seine Bemerkungen über das eingeleitete Ende dürfte eine allgemeine pessimistische Grundhaltung der Bevölkerung widerspiegeln. Seine und ihre Befürchtungen und Ängste realisierten sich zwischen 410 und 470 n.Chr. zumindest im westlichen Teil des Reiches. 

Ammianus Marcellinus war ein römischer Historiker, der von 330 bis 395 lebte. Seine Res gestae sind das letzte bedeutende große lateinische Geschichtswerk der Antike.

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Der Niedergang der "liberalen" Demokratien: systembedingt und unausweichlich drucken

Wenn der dem „Anarchokapitalismus“ nahestehende Ökonom Hans-Hermann Hoppe es unternimmt, eine „kurze Geschichte der Menschheit“ zu verfassen, darf es nicht verwundern, wenn gegen den Hauptstrom gebürstete Erkenntnisse und Schlussfolgerungen präsentiert werden. Zitat: „Ich fördere keine unbekannten Fakten zutage oder bestreite bestehende Erkenntnisse.“ Dies trifft nur auf die beiden ersten Kapitel des vorliegenden Werkes weitgehend zu.

Im ersten Teil des Büchleins werden jene Schritte beschrieben, die den Menschen in die Zivilisation geführt haben. Der vor etwa 11.000 Jahren erfolgte Übergang zur Sesshaftigkeit („Neolithische Revolution“) ist – als Ergebnis einer beachtlichen kognitiven Leistung – der wesentlichste. Im zweiten Teil beschreibt Hoppe den Weg der Menschheit bis zur am Beginn des 19. Jahrhunderts stehenden „Industriellen Revolution“, die endlich den Weg aus der „malthusianischen Falle“ weist. Die „kapitalistische“ Umwälzung führt zur substanziellen Zunahme der persönlichen Einkommen (die zuvor nur unwesentlich über dem Existenzminimum lagen und über Jahrhunderte faktisch unverändert blieben) und liefert die Voraussetzungen für einen dramatischen Anstieg der Bevölkerungszahl.

An dieser Stelle soll das Augenmerk aber besonders auf dem dritten und letzten Teil des Werks liegen, in welchem der Autor sich mit den Konsequenzen des Übergangs von der (zunächst feudalen, später absolutistischen und schließlich konstitutionellen) Monarchie zur Demokratie beschäftigt.

Vorausgeschickt sei die auf den beiden ersten Kapiteln basierende Erkenntnis, dass mit wachsender Größe politischer Entitäten – ungeachtet der Regierungsform – eine zunehmende Ausbeutung der Bürger durch den Staat einhergeht. In kleinen politischen Einheiten (wie Liechtenstein, der Schweiz oder Singapur) sind die Begehrlichkeiten des Leviathans geringer. Hier lebt es sich freier und materiell gesehen besser als in großen Imperien.

Grundsätzlich gilt: Während der Wettbewerb unter produktiven (wirtschaftlich tätigen) Menschen und Institutionen dem Bürger (durch Qualitätsverbesserung oder Produktionsverbilligung) stets zum Vorteil gereicht, führt ein Wettbewerb auf der politischen Ebene (unter unproduktiven Individuen und Organisationen) stets zu stärkerer Regulierung, weniger Freiheit und/oder höheren Steuerlasten für den Bürger.

In der Demokratie werden die persönlichen Privilegien des Adels durch funktionelle Privilegien der gewählten Amtsträger ersetzt. Der Wegfall der (in einer Monarchie bestehenden) Zugangsbarrieren zur politischen Macht nährt die Illusion, Krethi und Plethi könnten – bei allgemeinem, gleichem Wahlrecht – selbst an der Macht teilhaben und die damit verbundenen Pfründe lukrieren. Darüber hinaus fallen weitgehend alle Hemmungen bei der Erfindung neuer Staatsausgaben – in der Hoffnung, für diese nicht selbst aufkommen zu müssen, sondern sie anderen aufbürden zu können.

Das in der Monarchie nur einer kleinen Personengruppe zustehende Privileg, keine marktfähigen Leistungen für den Lebensunterhalt produzieren zu müssen, sondern stattdessen parasitär auf Kosten anderer leben zu können, wird in der Demokratie im Prinzip auf die gesamte Gesellschaft ausgedehnt. Jeder kann am Diebstahl teilnehmen – wenn er nur geschickt genug ist, sich nahe genug an der Macht zu positionieren – etwa als Beamter oder als Agent der Geldwirtschaft.

Es ist kein Zufall, dass die Steuerlasten (die, verglichen mit den heute üblichen Tarifen, in der Feudalzeit geradezu lächerlich gering waren) ebenso unentwegt zunehmen wie das Ausmaß der vom Staat usurpierten Zuständigkeiten und damit die Zahl der Beamten.

In Verbindung mit dem Umstand, dass „…in einer Demokratie sichergestellt [ist], dass nur gefährliche Menschen zur Spitze der Staatsregierung aufsteigen…“, nimmt die totale Politisierung der Gesellschaft autodestruktive Züge an. Da sich demokratische Mehrheiten stets im Lager der Habenichtse (die oft ebenso faul wie dumm sind) finden, selten aber bei den in Wohlstand Lebenden (die meist intelligent und fleißig zu sein pflegen), besteht der Hauptzweck des rezenten Politsystems in der hoheitlich orchestrierten Wohlstandsumverteilung von den Produzenten zu den Nichtproduzenten. Anders ausgedrückt: von den Gescheiten, Fleißigen und Anständigen zu den Dummen, Faulen und Unanständigen. Langfristig fatale Konsequenz: Kapitalverzehr und kollektiver Wohlstandsverlust.

Alle von Hoppe theoretisch entwickelten Überlegungen sind empirisch leicht zu belegen: Konzentrationsprozesse, Schuldenexzesse, zunehmender Konformitätsdruck, Verfall der (privaten wie der öffentlichen) Moral, Freiheitsverluste – kurzum: kollektiver Niedergang – sind Symptome des verhängnisvollen politischen „Fortschritts“.

Der Autor erkennt – wohl zur Überraschung vieler Leser, die libertären Überlegungen kritisch gegenüberstehen – die wahre Machtelite in den „Plutokraten“, die sich der politischen Klasse lediglich als Werkzeug bedienen. Die Symbiose von Big Government und Big Business geht stets zu Lasten der Bürger.

Als Ausweg aus dem Weg zum Zusammenbruch sieht Hoppe die Abkehr von der politischen Megalomanie und eine Rückkehr zu einer kleinräumigen Ordnung – auf der Ebene von Städten und Dörfern, wo im Idealfall jeder jeden kennt und ein parasitäres Leben privilegierter Klassen, durch die laufende Kontrolle der Kleingruppe unmöglich wird…

Eine kurze Geschichte der Menschheit
Hans-Hermann Hoppe
Lichtschlag Buchverlag
130 Seiten, broschiert
ISBN 978-3-939562-33-7
16,90,- Euro

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Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Weihnachten, Silvester und danach - eine Wien-Bilanz drucken

Eines der wenigen Dinge, die sich die Stadt Wien in den letzten Jahren wirklich als Erfolgsgeschichte zugute schreiben kann, ist die Vermarktung von Weihnachten und Silvester. Das, was einst ein touristisches Loch in Wien gewesen ist, wurde mit Erfolg zu einer internationalen Marke verwandelt, die zahllose Osteuropäer und Italiener in die Stadt gelockt hat.

Das ist im Gegensatz zu vielen anderen wirtschaftlichen Gegenentwicklungen ökonomisch ein großer Pluspunkt für die Stadt, auch wenn die Wiener unter dem Massenandrang auf den Straßen leiden. Aber besonders in wirtschaftlich schlechten Zeiten ist es legitim, an ökonomische Gesichtspunkte zu denken.

Diese positive Wirkung konnte durch die ganz Europa in ihren Schatten stellende islamische Terrorgefahr zumindest bisher nicht zunichte gemacht werden. Denn auch in allen anderen europäischen Städten haben durch den Terrorismus der Tourismus und die Ausgehfreude einen Dämpfer erlitten. Und das schon während des ganzen letzten Jahres.

Man denke nur daran, dass sich 2015 in Rom die Teilnehmerzahl bei Veranstaltungen mit dem Papst von 5,9 auf 3,2 Millionen fast halbiert hat. Oder dass in Paris selbst in der Silvesternacht in vielen Lokalen, die früher wochenlang im Voraus ausgebucht waren, Tische freiblieben.

Dagegen ist Wien noch glimpflich davongekommen. Wenngleich auch hier viele Zahlen zurückgegangen sind. Wenngleich es nur reduzierte Freude macht, in der Nähe von Maschinenpistolen Silvester zu feiern.

Zu der positiven Entwicklung in Wien hat eine Vielzahl von Maßnahmen beigetragen, so etwa:

  • Die wirklich fast überall netten und stimmungsvollen Weihnachtsbeleuchtungen in den Einkaufsstraßen, aber auch an den Fassaden vieler Hotels (lediglich Rotenturm- und Josefstädterstraße fallen da negativ ab);
  • Eine über viele Jahre neu aufgebaute Konzerttradition „Christmas in Vienna“;
  • Der für erstaunlich zahlreiche Menschen attraktive Silvesterpfad;
  • Die - überwiegens - schönen Weihnachtsmärkte.

Da hat das Wiener Rathaus zusammen mit der Wirtschaftskammer und den Konzerthäusern in den letzten Jahrzehnten einmal durchaus erfolgreich agiert. Mit dazu beigetragen hat aber auch der europaweite soziologisch und demographisch verursachte Trend zum Städtetourismus, während der alpine Wintertourismus ja an Schneemangel und hohen Preisen leidet. Dazu beigetragen hat zweifellos auch das Image Wiens als im Vergleich noch immer halbwegs sichere Stadt.

Das mit der Sicherheit könnte freilich nächstes Jahr schon anders sein. Denn die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass es dann auch in Wien schon die grauslichen Umtriebe Tausender arabischer und nordafrikanischer Migranten geben wird, die bereits zum den vergangenen Jahreswechsel für zahllose Frauen in Köln und Hamburg Beraubung und sexuelle Belästigung gebracht haben.

Aber hoffen wir vorerst auf eine Fortsetzung des positiven Trends: Die allerwichtigsten Faktoren, die Wien und Österreich für diese Jahreszeit besonders attraktiv machen, auf die jedenfalls die Stadt dabei in den letzten Jahren geschickt aufbauen konnte, stammen aus früheren Epochen, lange vor dem Rotwerden Wiens. Das sind:

  • die österreichische Herkunft des beliebtesten Weihnachtslieds der Welt;
  • Die „Fledermaus“, als die nicht nur zu Silvester meistgespielte Operette mit ihrem total Wiener Flair;
  • Und das weltweit ausgestrahlte Neujahrskonzert der Philharmoniker im schönsten Konzertsaal der Welt mit dem populären Inbegriff von Wiener Musik.

All diese Elemente erzeugen eine große Umwegrentabilität. An der auch jene nicht rütteln können, die dazu ständig kritisch „Kitsch!“ rufen. Was auch immer Kitsch eigentlich genau sein mag – wenn die Menschen Sehnsucht und Bedürfnis danach haben, dann ist es undemokratische Anmaßung einer arroganten (und meist zuschauerfrei agierenden) Kulturblase, den Menschen ihren vermeintlichen oder wirklichen Kitsch zu verwehren.

Würde man diese Arroganz ignorieren, dann ließen sich für das Tourismusland Österreich aber noch zwei andere Aspekte viel besser verwerten und ausbauen.

  1. Das eine ist die nun anbrechende Wiener Ballsaison. Diese ist international oft imitiert, aber nie auch nur annähernd erreicht worden. Die großen Wiener Bälle (womit weniger der durch Fernsehen und Bolulevardpresse ziemlich kaputt gemachte Opernball gemeint ist, sondern primär die großen Bälle in Musikverein und Hofburg) versetzen jeden ausländischen Gast in Bewunderung und Begeisterung. Auf einem Wiener Ball verschwindet die Grenze zwischen Akteuren und Zuschauern. Alle sind Akteure, alle sind Zuschauer. Diese Bälle sind eine der weltweit (leider) selten gewordenen Gelegenheiten, wo es strenge Bekleidungsvorschriften gibt, die aber ein Fest erst wirklich zum Fest machen. Diese Bälle werden jedoch von Rathaus und Tourismus-Organisationen kaum in die Auslage gestellt. Vielleicht weil sie feudal-großbürgerliche Wurzeln haben? Und in den letzten Jahren wird ihre Außenwirkung durch die Anti-Ball-Gewalttaten einiger hundert Extremisten sogar deutlich beeinträchtigt. Wobei besonders bedauerlich ist, dass diese Extremisten – wenngleich viele von ihnen bundesdeutscher Import sind – von Politikern der beiden Rathausparteien regelmäßig in Schutz genommen werden.
  2. Das zweite ist das Musical „Sound of Music“. Dieses wird in den USA wohl jede Woche auf den diversen Fernsehkanälen häufiger gespielt als in Österreich in zehn Jahren. Erst in den letzten Jahren hat man zumindest in Salzburg erkannt, welch Attraktivität und Werbewirksamkeit für Österreich dieses Musical insbesondere in Amerika haben könnte. Aber die Medien- und Kultur-Schickeria hierzulande hasst es. Sie tut dies wohl vor allem deshalb, weil sich darin ein konservativ-katholisches Österreich in konsequenter Ablehnung zum Nationalsozialismus zeigt. Was ja naturgemäß allen Linken ein Dorn im Auge ist, die die Geschichte umschreiben und aus diesem konservativen Österreich und dem Nationalsozialismus ein Amalgam machen wollen (wohl auch um zu verwischen, wie wenig Widerstand die Linke gegen den nationalen Sozialismus Hitlers geübt hat, bevor dieser selbst die Sowjetunion angegriffen hat). Aber irgendwann wird Österreich sicher auch "Sound of music" und die Trapp-Familie entdecken, wenn auch erst nach dem Rest der westlichen Welt.

Ich schreibe regelmäßig Kommentare für die unabhängige und rund um die Uhr aktuelle Informationsseite „Vienna.at“.

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Literaturgeschichte versus Politik drucken

Nicht allein Bücher haben ihre Geschichte. In Bozen rückt ein Denkmal wieder einmal in den Mittelpunkt politischen Interesses, das seit seiner künstlerischen Gestaltung vor 110 Jahren die Geister schied und häufig Gegenstand erbitterter Auseinandersetzungen, aber auch großer Fürsorge um die Wiedereinsetzung in seinen Rang als kulturhistorisches Zeugnis gewesen ist. Es handelt sich um den Laurin-Brunnen auf dem zentralen, nach dem 2010 verstorbenen langjährigen Südtiroler Landeshauptmann Silvius Magnago benannten Landhausplatz. Dort ist er 1996, drei Jahre nach der im Rahmen eines Tauschgeschäfts vereinbarten Rückgabe durch das Roveretaner Kriegsmuseum aufgestellt worden.

Bild des Laurin-Brunnens

Seit 2012 wälzen die Verantwortlichen im Landhaus, dem Südtiroler Landtag, sowie im Palais Widmann, dem Sitz der Landesregierung, Pläne, den Magnago-Platz neu zu gestalten. Zwar ist noch keine Entscheidung gefallen, doch die Deutschtiroler Opposition befürchtet, dass just das Denkmal dieser Neugestaltung zum Opfer fällt. Wohl nicht ganz zu Unrecht, denn die beiden es konstituierenden Figuren sind nicht nur den italienischen Parteien nach wie vor ein Dorn im Auge. Wiewohl die Oppositionsparteien in mehreren Landtagsanfragen immer wieder auf die Ungewissheit hinweisen und verlangen, das Objekt möge am bisherigen Standort verbleiben, sind Landtagspräsidium und Regierung mit einer Antwort säumig.

Der Laurin-Brunnen, eine 1905 vergebene Auftragsarbeit des „Talferleege Culturvereins" an die Bildhauer Andreas („Andrä“) Kompatscher und Arthur Winkler, war 1907 an der Wassermauerpromenade entlag des Flussbetts der Talfer aufgestellt worden. Sein künstlerischer Gehalt manifestiert sich in den ihn bestimmenden Figuren Dietrich von Bern und Laurin, Gestalten aus literarisierten Sagenstoffen des Mittelalters. Die bildnerische Anordnung  zeigt, wie Dietrich Laurin „niederringt“ – so zumindest wurde es italienischerseits interpretiert, weshalb das Brunnenensemble einst entfernt worden und bis zur Rückkehr nach Bozen fast sechs Jahrzehnte im Burggraben von Rovereto verbannt geblieben war. 

Geschichte und Geschichten

Wer war  Laurin, wer sein ihn angeblich niederringender Gegenspieler Dietrich, der den Beinamen „von Bern" führt? Welche Rolle sollte die Bundesstadt der Schweiz spielen, die – so will es auf den ersten Blick scheinen – einer heldischen Herkunftsbezeichnung ihren guten Namen für garstige politische Händel leiht? Wie kann überhaupt das Produkt zweier Künstler Hände so für oder gegen sich einnehmen?

Wer Bozen auf der Alten Brennerstraße  in nordöstlicher Richtung verlässt, durch das Eggental hinauffährt zum Karer See und dort auf die Große Dolomitenstraße einbiegt, der hat bald ein wild zerklüftetes Bergmassiv vor sich, das an seiner Westseite, einer Hand nicht unähnlich, in gewaltigen Felsfingern ausläuft. Den Namen „Rosengarten", der schon in Landesbeschreibungen des 16. Jahrhunderts genannt wird – für gewöhnlich haben die Berge der Alpen erst im 18. Jahrhundert ihre heute geläufigen Namen erhalten –, wird alsbald deutend begreifen, wer klaren Abends hinüberkommt zur St.-Cyprians-Kapelle in Tiers und von dort aus den Blick auf ihm ruhen lässt. Auch wer sich zu anderen Aussichtspunkten aufmacht – es hat deren einige: in Bozen, am Ritten, im Überetsch bei Eppan und Girlan, entlang der berühmten Weinstraße gen Kaltem zu –, der hat den Rosengarten vor sich, mal näher, mal weiter entfernt, doch von dessen rot schimmerndem Glanz in der zur Neige gehenden Abendsonne wie magisch in Bann gezogen, gänzlich bezwungen. 

Der Anblick hat Geschichte und Geschichten gemacht. Wie Verführte zogen Alpinisten seit Beginn des vorigen Jahrhunderts zum Bozner Becken, mieteten sich zwei-, dreimal im Jahr ein und harrten täglich der Abendstunde, in der sie der bald „Alpenglühen" genannten Erscheinung gewahr wurden, wenn das Wetter es zuließ. Und es ließ es oft zu. Das Land unterm Brenner ist vom milden Klima des Südens behaucht und berauscht.

Derlei Farbenspiel der Natur, dessen Schönheit die Sinne reizt, war und ist dazu angetan, die Phantasie derer, die es schau(t)en, zu beflügeln. Ungezählte Schreibfedern haben es verewigt, zahllose Staffeleien im Bild komponiert. Der Kraft der Vorstellung waren keine Grenzen gesetzt. Vor allem aber Menschen, die ständig in seiner Nähe lebten, haben ihm bleibende Denkmäler gesetzt. In nie versiegen wollenden Erzählungen ist die Ansicht vom Berg und die Sicht dessen, wofür er steht, was sich an und in ihm verbirgt, von Generation zu Generation weitergereicht worden: im abendlichen Glühen zeige sich ein ehedem vorhandener, über und über mit Rosen bestandener Garten. Deswegen also der liebliche Name für schroffen Fels – er steht und spricht für sich selbst.

Ehe Menschen des Schreibens kundig waren, waren sie der Literarisierung des Stoffes mächtig, aus dem ihre Mythen gewoben sind. Die Lieder über ihre Helden haben sie mündlich weitergetragen. Diese Art der Tradierung lebte vom Weglassen und Hinzufügen. Die Übergänge der miteinander verbundenen Handlungen waren fließend. Es sind Kernerzählungen überliefert, um die sich Narrative aus anderen Zeitstufen und Regionen wie ein Kranz flechten. Chronologisches war für die mündliche Überlieferung von untergeordnetem Rang. Im Mittelpunkt des Weitergereichten stand jene Fama, die den gerade Lebenden wichtig war. Im Zentrum des Erzählens stand Belehrung, stand die Weisheit der Alten. Drumherum fanden sich Elemente der Unterhaltung.

Es ist heute nicht sicher, wie viele Änderungen Form, und Inhalt des Laurin-Rosengarten-Stoffs erfahren haben, man weiß nicht, wie viele „Brechungen" ihn prägten, bis ihm mittelalterliche Fahrende, Spielleute, ihre Stempel aufdrückten. Wohl aber ist gewiss, dass sein literarischer Kern zum Bestand der mündlich überkommenen deutschen, besser: germanischen Heldensage zählt, aus der sich vorwiegend im 13. Jahrhundert die dann schriftlich fixierte Dietrich-Epik speiste. Klar ist, dass sein historischer Kern auf die im Gefolge der Völkerwanderung nach Norditalien gekommenen Ostgoten und ihren legendären König Theoderich sich gründet. Dessen Ruhm, die Überlieferung seiner „sagenhaften" Taten, strahlte von Ravenna, wo man noch heute sein Mausoleum besichtigen kann, nach Norden aus in die Köpfe germanischer Brudervölker. Der historisch fassbare Theoderich lebte in Erzählungen fort, die historische Person wandelte sich zum Sagenheiden. Zwischen Po und Donau war sein Name einst in aller Munde: Dietrich von Bern. 

 „Bern" – das ist eine althergebrachte, in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts noch ganz selbstverständliche Bezeichnung für Verona. Sie lebte auch dann noch in cimbrischen und bairisch-tirolischen Mundarten als „bearn/pearn" weiter, als sie längst von „Verona" abgelöst worden war. Dietrich von Bern ist in Erzählungen und Dichtungen bis hoch in den skandinavischen Norden bekannt geworden, wo um 1260 in Bergen ein begabter Mann am Hofe König Haakons alles sammelte, was er – nach eigenen Worten – „von deutschen Kaufleuten" hörte und mit Sagengut anderer Provenienz zu einem großen Sammelwerk verarbeitete: Thidreks Saga af Bern. Dietrich taucht denn auch wie ganz selbstverständlich in „Der Nibelungen Not und Klage" auf, dem „Nationalepos der Deutschen“, wie es Germanisten nicht allein im wilhelminischen Deutschland nannten. 

Hinter dem in vielen Facetten literarisierten Dietrich steht also der große König der Ostgoten, steht Theoderich. Dessen eher vages Geschichtsbild war der Verklärung preisgegeben. Exakt tausend Jahre nach seinem Tode schreibt Johannes Turmair (Aventinus) in seiner „Bayrischen Geschichte": „Unser leut singen und sagen noch vil von im. Man findt nit palt ein alten künig, der dem gemain Mann paß bey uns so bekannt sey, von dem si so vil wissen zu sagen." Schon um 1400 hatte Jakob Twinger von Königshofen in seiner „Straßburger Chronik“ über Dietrich/Theoderich bemerkt: „. . . Von dem die geburen singent und sagent" („... von ihm erzählen, über ihn singen die Bauern.“) Die Bauern, das gemeine Volk also, trugen seinen Ruhm fort.

Von daher rührt der Stoff des Heldenlieds, darauf gründen sich höfische Epen des Mittelalters, die sich um König, Ritter und Gefolge ranken. Heldenmut, Kampf, Treue, Frauendienst, Abenteuer, Mildtätigkeit, Fürsorge für die Armen – das große Repertoire literarisierter höfischer Idealität der Staufer, die es besonders nach Italien drängte, konnte sich aus Stoffen speisen, das ganze ritterliche Tugendsystem vor dem Hintergrund einer in breiten Kreisen lebendig gebliebenen Identifikationsfigur wie Dietrich an Konturen gewinnen.

Dessen muss sich vergewissern, wer den Rosengarten schauen will, dessen eingedenk muss sein, wer sich der zwischen etwa 1200 und 1300 entstandenen Rosengarten-Dichtung in der Dietrich-Epik und Laurin, einem der Gegenspieler Dietrichs, zu nähern beabsichtigt. Laurin, Protagonist in gleichnamigem Reimpaarvers-Epos, ist Herrscher über jenen sagenumwobenen Rosengarten, den die maßgebliche Lokalforschung in gleichnamigem Gebirgszug anzusiedeln gedenkt, obwohl es noch zahlreiche andere kulturgeschichtlich bedeutsame Rosengärten gibt.

In der Laurin-Dichtung, die ein unbekannt gebliebener Verfasser aus Tirol um 1250 geschaffen hat, werden die Kämpfe Dietrichs und seiner Mannen mit Laurin besungen, in dessen Rosengarten der Berner/Veroneser eingedrungen ist. Mit Hilfe seines Waffenmeisters Hildebrand, eines Helden, dessen Name mit dem ältesten literarischen Zeugnis deutscher Zunge, einem um 800 entstandenen Stabreimfragment, eben dem Hildebrandslied, verbunden ist und dann immer wieder auftaucht, überwältigt Dietrich nach breit geschildertem, hin und her wogendem Kampf Laurin, der mittels eines Zaubergürtels über die Stärke von zwölf Männern verfügt. Der Zwergenkönig schwört Gefolgschaftstreue und lädt ihn mitsamt den Recken in seinen Kristallpalast inmitten des Bergstocks ein. Dort bewirtet er sie festlich und zeigt ihnen Künhild, die Schwester Dietleips, eines Gefolgsmanns Dietrichs, die er zuvor entführt hatte.

Nach üppigem Gastmahl betäubt Laurin seine Gäste, legt sie in Bande, rächt sich für die Zerstörung seines Rosengartens. Künhild jedoch entbannt des Nachts die vom Zaubertrank Trunkenen; mit ihrer Hilfe können sich die Gefangenen befreien. Laurin wird abermals besiegt. Als Gefangener begleitet er Dietrich nach Bern. Die Dichtung fand Anfang des 14. Jahrhunderts eine Fortsetzung im „Walberan": Der Fürst der asiatischen Zwerge will die Bezwingung seines Neffen rächen. Laurin jedoch bewährt sich in seiner geschworenen Treue, greift zusammen mit Hildebrand in den Kampf ein und versöhnt Dietrich mit Walberan.

Etymologisches 

Die Welten des Heldenlieds, der märchenhafte Züge tragenden Lokalsage und des höfischen Romans sind miteinander verquickt. Dietrich ist bekannt, Laurin eine Gestalt aus der Tiroler Regionalsage. Spuren des höfischen Romans zeigen sich vor allem in dem Drang Dietrichs und seiner Recken, „aventiure“ (Abenteuer) zu bestehen; sodann im ritterlichen Verhalten Künhild gegenüber; des weiteren in der Form der Begrüßung und des Empfangs, den Künhild den Mannen bereitet; schließlich in der Komposition des höfischen Festes in Laurins Palast.

Mit der Figur des geheimnisumwitterten Laurin haben sich die Interpreten schwergetan. Allzu bereitwillig legten sie die historischen Lautgesetze des Deutschen zugrunde. Nach ihrer Etymologie musste sich hinter dem neuhochdeutschen Diphthong (Zwielaut) „au" der mittelhochdeutsche Monophthong (Einlaut) „û", ein „langes u", verbergen; demnach ward der Namensbestandteil „Laur" auf mittelhochdeutsch „lure" zurückgeführt: „schlau", „(hinter)listig".

Schwieriger gestaltete sich die Erklärung des Bestandteils „-in". Die Silbe „-în" (langes i) hätte sich lautgeschichtlich eigentlich zu „-ein" entwickeln müssen, so dass die neuhochdeutsche Entsprechung des mittelhochdeutsch notierten Namens „Laurein" gewesen wäre, wie er beispielsweise im Bergdorf Laurein, dem südlichsten Ort des Deutschnonsbergs belegt ist. Dass es anders kam, zeigt etwa der Familienname der einstigen Berliner Schulsenatorin Hanna-Renate Laurien, die, nomen est omen, 1951 mit den „Stilelementen der historischen Dietrich-Epen" wissenschaftlich debütierte. Das lange i blieb bestehen, und so interpretierte man „-in" kurzerhand als Diminutiv (Verkleinerungsform); folglich musste „Laurin" eine kleinwüchsige Person, mithin ein „schlauer und hinterlistiger Zwerg" gewesen sein.

Die Fülle des regionalen Sagen- und Märchenstoffs widerlegt eine derartige Interpretation. In Tiers trug es sich zu, dass einer der dort lokalisierten zwölf Herren einem „Hexenmeister Kachler" einen Zaubergürtel übergeben hatte, als sie mit ihren feurigen Rössern unter dem Rosengarten durch den Gschösslwald geritten waren. Der Gürtel verlieh „Zwölfmännerkraft". Die Tierser Bauern konnten sich seiner Macht nur entziehen, wenn sie dem Hexenmeister den Gürtel vom Leibe rissen. Das Motiv findet sich in der Dichtung wieder.

Vielerorts in Südtirol sind Erzählungen von starken, mal helfenden, mal abträglichen Zwergen angesiedelt. In Plarsch, in Grätsch, am Fuße des Schlosses Tirol, in Algund und in Meran sind Rosengärten und Laurins Kristallpalast ebenso lokalisiert wie in Tiers. Im ladinischen Fassatal ist Laurin Dämon. Das deutet darauf hin, dass die Erzählungen aus vorchristlicher Zeit stammen müssen. Nur heidnische Gestalten sind „verunholdet" worden. In anderen ladinischen Tälern sind auch heute noch Erzählungen „aus der guten alten Zeit" lebendig. Darin hat ein König von Nyès, einer Örtlichkeit, die man sich hoch oben im Bergmassiv vorzustellen hat, schöne Gärten mit Tsôndris (Alpenrosen) angelegt, welche große, rote Blüten trugen. Von weitem sah man sie leuchten, und man riet dem König, sie zu verbergen. Der wollte davon nichts wissen und so kamen Krieger, die die Pracht zerstörten. Die gute alte Zeit war dahin. Im Gadertal tritt zu deren Untergang die Verheißung ihrer Wiederkehr.

Die Fassaner kennen auch allerhand Geschichten von der „Tor del Mine" und der „Rosa del Mine" („Turm des Gedenkens der Liebe" und „Rose der Liebe"). Das damit verbundene Friedensreich sei zerstört worden, es werde dereinst wiederkehren. In der Gegend von Mazzin wird die Interpretation des Alpenglühens, die fest mit dem Rosengarten verbunden ist, überliefert. Der König von Nyès, in dessen prächtigem Garten die Rosen einst standen, war von den Kriegern, die den Garten zerstört hatten, gefangengenommen worden. Er konnte sich jedoch befreien und dachte bei sich: „Hätten die Eindringlinge die Rosen nicht gesehen, so hätten sie sie nicht zerstört." Er belegte sie mit einem Zauberbann, damit sie fürderhin niemand mehr sehen konnte, weder bei Tage noch bei Nacht. Vergessen hatte er jedoch Morgengrauen und Dämmerung; morgens und abends wirkte der Bann hinfort nicht. Und so geschieht es, dass, bevor der Tag der Nacht weicht, die verzauberten Rosen leuchten. Das nennen die Ladiner bis auf den heutigen Tag „Enrosadüra". Danach ist wieder alles zu Fels und Stein rückverwandelt.

Dass man bei der Etymologisierung des Namens immer wieder den „arglistigen Zwerg" bemühte, darf vor allem der Germanomanie von Philologen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zugeschrieben werden, die allzugern bereit gewesen sind, dem deutschen (= germanischen) Nationalgeist ihr wissenschaftliches Ethos zu opfern. Dem germanischen Recken musste ein Wesen entgegentreten, auf dessen „Niederringen" schon sein Äußeres, seine Andersartigkeit vorauswies. Was lag da näher, als die Namendeutung auf eine Figur bringen zu können, die auch sonst in der älteren Dichtung und in der Volkserzählung bestens eingeführt war: den Zwerg. Dass die höfische Figuration stimmte, war dadurch gewährleistet, dass es sich bei Dietrichs Gegenspieler um einen König der Zwerge handelte. Dabei hatte schon 1865 Karl Müllenhoff, einer der großen Editoren, festgestellt: „Der Name ist fremd, undeutsch, rätisch."

Laurin – ein Zwerg?

Tatsächlich liegt ihm denn auch ein lautgeschichtlich erschlossener indoeuropäischer Wortstamm „law-" (Stein) zugrunde. Als Grundform hat „lawareno" (in der Bedeutung „Steinland") zu gelten. In dem Gebiet, in dem der originäre lokale Sagenstoff angesiedelt war, haben die von Norden her eindringenden Germanen bereits eine Namenform „lawarén" von den einsitzenden romanisierten Rätern in der Form „laurén" übernommen und diese ihrerseits ihren eigenen Laut- und Betonungsverhältnissen unterworfen. So konnte es geschehen, dass der Name in der endsilbenbetonten und durch Vokalhebung (-in) festgewordenen Form „Laurin" der neuhochdeutschen Diphthongierung standhaft trotzte. 

 „Laurin", der „im Steinland (im Gebirge) Wohnende", ist, ebenso wie „Rosengarten", ein sprechender Name. Sein Träger in Sage und mittelalterlicher Dichtung verkörpert ein Volk durch den Wohnplatz, für welchen er steht. Im Laurin-Stoff sind also die Ladiner literarisiert worden. Nur so lässt sich die gegenseitige Durchdringung von mitgeführten „germanischen" Dietrich- und bodenständigen Rosengarten- und Laurin-Motiven sinnvoll in einen Zusammenhang bringen. Entscheidend ist somit eine von ideologischem Ballast befreite Deutung des Stoffes, die die nationalistisch-übersteigerte des vorigen Jahrhunderts oder die ideologisch-dienstbare des nachwachsenden Faschismus dieses Jahrhunderts überwindet.

Wie ist also das Politikum, welchem ein sagengeschichtlich-literarisches Rätsel Nahrung gab, aufzulösen? Durch den Versöhnungsgedanken. Der ist, obschon er in den auf das Laurin-Epos folgenden und fußenden frühneuzeitlichen Dichtungen und Volksüberlieferungen offenliegt, nicht zur Kenntnis genommen worden. Man hatte sich zu sehr auf die originären Texte versteift. Die gingen stark auseinander. An einer Stelle hieß es, Laurin sei zu Bern (Verona) als Gaukler gehalten worden, an einer anderen, er habe Dietrichs Freundschaft gewonnen. Eine nordgermanische Quelle kam gar zu dem Schluss, Laurin sei von Dietrich erschlagen worden. Der „richtige", der versöhnliche Schluss findet sich aber im „Sängerkrieg auf der Wartburg", im „Walberan" und in jenem nicht mehr vorhandenen „Heldenbuch" des frühen 15. Jahrhunderts, von dem sich eine Dresdner und eine Tiroler Handschrift (Ambraser Heldenbuch) erhalten hat.

Der Versöhnungsgedanke 

Im „Wartburg-Krieg" laden Laurin, von dem es heißt, er habe „gebirge in tiutschen landen und ouch in der Walchen lant" (also an der deutsch-ladinischen Volks- und Sprachgrenze), und Sinnels, sein Bruder, den alternden Dietrich in die „Ewigkeit" ein. Er nimmt an und wird „entrückt". Im „Walberan“ wird Laurin Dietrichs „vîl getriuwer friunt mîn", dessen treuester Freund. Und im „Heldenbuch“ führt ihn ein Zwerg fort in ein Reich, welches „nit mer in diser welt" ist. Das stimmt denn auch mit der ladinischen Volksüberlieferung von den „zwei Königen" überein, die friedfertig und einträchtig in einem phantastischen Ewigkeitsreich miteinander herrschen.

Der Laurin-Brunnen zeigt also nur eine Episode aus dem kompliziert verwobenen literarischen Stoff. Die Herausstellung des Zweikampfs, der mit der vermeintlichen Niederlage des einen künstlerisch gestaltet ist, verkürzt  vor dem Hintergrund einer ins Politisch-Ideologische gewendeten Deutung - die Handlung auf das Aufeinanderstoßen zweier Volksgruppen während der germanischen Landnahme. Die Volkserzählung läuft auf Gemeinsamkeit hinaus. Zudem hat die Geschichte Tirols gezeigt, dass Einheimische (Ladiner) und Siedelnde (Bajuwaren und Franken) über Jahrhunderte hinweg friedlich nebeneinander im Angesicht des Rosengartens ihrer Helden lebten, bevor Italien 1919 seine Grenzen zum Brenner hin verschieben durfte und beide zu Untertanen machte.

Verbannung 

Doch bevor sich derlei Kenntnis verbreiten und sich die Erkenntnis eines produktiven Dilettanten, des Alpensagen-Forschers Karl Felix Wolff, allmählich Bahn brechen konnte, wonach der Stoff just in der ladinischen Erzähltradition von den zwei Königen eine harmonisierende Wende erfährt, indem sie im Rosengarten, der des Abends in untergehender Sonne erblüht, friedfertig und einträchtig in einem phantastischen Ewigkeitsreich miteinander herrschen, da war es für Winklers und Kompatschers Brunnen an der Wassermauerpromenade in Bozen längst zu spät.

In der Nacht vom 4. auf den 5. Juli 1933 fielen Unbekannte über die Skulptur her und zerschlugen sie. Man reparierte sie notdürftig und brachte sie im Stadtmuseum unter. Doch hinfort war dem plastischen Stück älterer Literatur kaum Ruhe beschieden. Die Monarchisten rieben sich daran. Sahen sie doch in Laurin eine Verspottung König Viktor Emanuels III., mit dessen Kleinwüchsigkeit die künstlerische Konfiguration nichts weniger als die zwergenhafte Statur gemein hatte. Noch größerer Rigorosität befleißigten sich Mussolinis Schwarzhemden. Die faschistischen Bannerträger erblickten, bevor sich Duce und Führer verbündeten, im „Niederringen" Laurins durch Dietrich den Sieg des germanischen über das romanische Element, somit eine Schmähung der stolzen, von Benito Mussolini auf römisch-imperiale Höhen zu führenden italienischen Nation. 

Mit der Folge, dass besagte Brunnenfigur schließlich am 17. Juli 1936 in den Burggraben von Rovereto verbannt wurde. Sicherlich nicht ohne Zutun des faschistischen Umvolkungsfanatikers Ettore Tolomei. Der hatte sich von Bozen aus mit Sendungsbewusstsein und unbändigem Hass auf alles Deutsche der „Re-Italianisierung" des 1919 Italien zugeschlagenen südlichen Teils Tirols verschrieben – eines mehr als ein Jahrtausend währende Geschichte des Landes verfälschenden Dranges, dem erst der Untergang seines Gönners Mussolini Einhalt gebot. Wenngleich die tausendfachen Namenfälschungen Tolomeis auch im „demokratischen“ Italien erhalten blieben und bis zu heutigen Tage amtlichen Charakter tragen.

Späte Gerechtigkeit

Dass der Laurin-Brunnen am 17. März 1993 als Akt später Gerechtigkeit nach Bozen zurückkehren und 1996 auf dem Landhausplatz aufgestellt werden konnte, war hartnäckigen Bemühungen des damaligen Kulturlandesrats Anton Zelger und seines Nachfolgers Bruno Hosp sowie deren Mitstreitern zu danken. Seit 1984 hatten sich der Südtiroler Landesverband für Heimatpflege und der Heimatschutzverein Bozen unablässig dafür eingesetzt. Sie wurden publizistisch vom Chefredakteur der Tageszeitung „Dolomiten", Josef Rampold, unterstützt. Das Bozner Stadtmuseum war einbezogen worden, Tauschgeschäfte hatte man ins Auge gefasst. Vergeblich. Zunächst verliefen Vorstöße wegen neuerlicher, ins Ideologische gewendeter Interpretationen stets im Sande.

Umstritten war auch die Rechtslage. So konnte lange der Widerspruch nicht beseitigt werden, der darin bestand, dass die Verschleppung des Denkmals auf Veranlassung des Podestà, des faschistischen Amtsbürgermeisters der Stadt, „moralisch widerrechtlich" geschah. Andererseits war das Roveretaner Kriegsmuseum formalrechtlich Eigentümer geworden und vertrat darüber hinaus die Auffassung, ihm gebühre auch gewohnheitsrechtlich nach so vielen Jahren der Brunnen.

Der beste Standort

Der Widerspruch in der Rechtsauffassung konnte schließlich überwunden werden. Man einigte sich, da Rovereto einst ohne eigenes Zutun in den Besitz gekommen war, auf eine „Rückschenkung" ohne jedwede Gegenleistung. Gleichwohl erhielt das Kriegsmuseum eine „Gegengabe“ aus Beständen des Bozner Stadtmuseums. In Kardaun, im Landesbauhof der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol, wurde der Brunnen restauriert. An seinen alten Standort an der Wassermauerpromenade kehrte er aber nicht zurück. Hosps berechtigte Auffassung, wonach er dort gefährdet sei, hatte sich durchgesetzt. Das Denkmal durfte nicht noch einmal Objekt schäbiger Gesinnungsbegierden werden, obschon ihm doch längst die ideologische Farbe abgewaschen worden sein sollte. 

Doch auch auf dem Silvius Magnago-Platz vor dem Landhaus waren Dietrich und Laurin schon einmal Gegenstand einer Verunzierungsattacke von „Casa Pound“, einer Vereinigung von Mussolini-Jüngern, deren (bezeichnenderweise von seinen italienischen Landsleuten in den Bozner Gemeinderat gewählter) Oberer ungestraft für den Schwarzhemden-Faschismus Propaganda macht.

Dennoch ist der Laurin-Brunnen unter der direkten Aufsicht von Politikern, Landhausbediensteten und Passanten dort sicherer als an anderen Plätzen der Stadt, weshalb er an seinem gegenwärtigen Standort gewiss am besten aufgehoben ist und verbleiben sollte. Man darf gespannt sein, ob Landeshauptmann Arno Kompatscher bei seiner Entscheidung gewillt ist, dem Namensvetter Andrä Kompatscher, einem der beiden Künstler, die das Denkmal schufen, Respekt zu zollen.

Herrolt vom Odenwald ist deutsch-österreichischer Historiker und Publizist.

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Die OMV, die Russen und die Rolle des Staates drucken

Nicht ganz unberechtigt klingt die Kritik von Gewerkschaft und SPÖ an dem – kolportierten – Einstieg der russischen Gazprom in Teile der österreichischen OMV. Diese Kritik wird derzeit von der Linken vor allem deshalb mit großer Lautstärke vorgetragen, um von den vielen schweren Fehlern des vergangenen Jahres abzulenken und während die anderen Parteien auf Weihnachtsurlaub sind. Jedoch ist diese Kritik in vielen Punkten falsch. Und sie stellt wieder einmal eine verlogene Umschreibung der Geschichte dar.

In zweierlei Hinsicht hat sie jedoch gewisse Berechtigung: Erstens weil es ausgerechnet um einen Einstieg eines russischen Konzerns geht. Denn die russischen Konzerne können und dürfen ja keineswegs nach ökonomischer Rationalität agieren, sondern sie hängen am nationalistischen Zügel eines autoritären Staatschefs, wie viele Vorfälle der letzten Jahre beweisen. Das heißt: Ein Einstieg von Gazprom ist im Grund eine (Re-)Verstaatlichung.

Überdies wissen zumindest geschichtsbewusste Österreicher noch, wie schlimm in den Nachkriegsjahren der sowjetrussische Zugriff auf den gesamten ostösterreichischen Öl- und Gassektor gewesen ist. Das war – unter dem fingierten Vorwand, dass es bei den hiesigen Öl- und Gasquellen um deutsches Eigentum ginge, – nichts anderes als ein gigantischer Raub an dem damals bitter verarmten Land. Es kann daher nur einem deutschen OMV-Chef bar jedes Geschichtsgefühls einfallen, da ausgerechnet die Russen hereinzuholen.

Sind natürliche Monopole privatisierbar?

Zweitens sind Infrastrukturnetze wie die eventuell auch vom russischen Interesse erfassten Gasleitungen natürliche Monopole. Der Bau eines konkurrierenden Leitungsnetzes wäre ja absurd. Daher ist hier einer der wichtigsten Vorteile einer Privatisierung nicht erzielbar, nämlich die Schaffung von Wettbewerb. Dieser führt ja besonders wirksam zu Preissenkungen und Qualitätserhöhungen.

Dennoch hat auch bei natürlichen Monopolen eine Privatisierung durchaus Sinn. Denn praktisch immer wird dadurch die Effizienz erhöht. Damit deren Erträge aber auch den Konsumenten zugute kommen und nicht nur als Monopolrendite versickern, braucht es straffe Regulierung und Kontrolle. Das ist schwierig, und glückt bei staatlichen Monopolen besonders selten.

Einige österreichische Beispiele: Es ist unbestreitbar, dass sich das Monopol des Staats (meist der Bundesländer-EVUs) beim Stromnetz für die Konsumenten trotz aller Bemühungen des Strom-Regulators teuer auswirkt. Zugleich wird die von ihnen transportierte Ware selbst, also der auf dem freien europäischen Markt im Wettbewerb erzeugte Strom, immer billiger.

Ähnlich spürbar liegt der ORF mit seinem Gebührenmonopol auf unseren Geldbörsen.

Auch bei der Asfinag, einem weiteren komplett im Staatsbesitz befindlichen natürlichen Monopol, wird viel Geld verschwendet: durch die vielen unnötigen Lärmschutzwände an Autobahnen; oder durch die Krötentunnels unter diesen, von denen oft jeder einzelne Zig-Millionen kostet. Ein privater Autobahnbetreiber würde sich viel intensiver dem  Druck von Lokalpolitikern entgegenstemmen, die ständig solche Wände und Tunnels fordern. Bei der Asfinag können sie sich hingegen leicht durchsetzen. Schließlich bestimmt dort die Politik, ob die Asfinag-Vorstände im Amt bleiben! Die Folge ist die große Schuldenlast der Asfinag, die eines der vielen ungelösten Zukunftsprobleme Österreichs darstellt.

Politik und Gewerkschaft kommen uns teuer

Unabhängig von der Monopolfrage ist bei fast jedem verstaatlichten Unternehmen der üble Einfluss von Politik und Gewerkschaft spür- und messbar.

Es ist kein Zufall, dass die Wiener Ordensspitäler die gleiche Leistung – etwa eine bestimmte Operation – um zig-Prozent billiger erbringen (müssen) als die im Eigentum der Gemeinde Wien oder der Krankenkassa stehenden Krankenhäuser. Das liegt längst nicht mehr daran, dass dort noch ein paar alte geistliche Schwestern um Gotteslohn arbeiten. Das liegt vielmehr daran, dass erstens in den Gemeindespitälern die Gewerkschaft vielfach effizientes Arbeiten verhindert, etwa dem Pflegepersonal bestimmte Leistungen verbietet (die dieses in Privatspitälern sehr wohl macht). Und zweitens werden in den öffentlichen Spitälern viele Posten nach wie vor durch politische Protektion vergeben, bis hin zu Ehefrauen oder Kindern von Politikern.

Es ist auch kein Zufall, dass die wildesten Korruptions-Skandale der letzten Jahre ausgerechnet im Bereich der Telekom passiert sind, also einer mehrheitlich im Staatseigentum stehenden Gesellschaft. Diese hat erst in allerjüngster Zeit einen mitbestimmenden und daher für Disziplin sorgenden privaten Miteigentümer bekommen. Bisher hat die Telekom-Führung hingegen glauben können, nicht auf dem Markt, also im harten Kampf um die Konsumenten, und nicht durch die Erhöhung der eigenen Ertragskraft, reüssieren zu können, sondern durch Bestechung der politischen Eigentümervertreter. Denn nur diese entscheiden ja über Vorstandsjobs und Branchen-Regulierung. In der Privatwirtschaft hingegen ist seit Jahrzehnten kein ähnlicher Skandal bekannt geworden.

Es war ebenfalls die Verstaatliche, wo in den 80er Jahren die ärgsten Spekulationsverluste der Industriegeschichte passiert sind (Intertrading). Ähnlich wie es dann später die ärgsten Spekulationsverluste der Bankgeschichte bei einer im staatlichen Besitz stehenden Bank gab, der Kärntner Hypo.

Zurück zur OMV: Dort ist es ja mehr als zweifelhaft, ob neben dem Gasleitungsnetz auch die Raffinerie Schwechat zum natürlichen Monopol zählt. Schwechat ist zwar Österreichs einzige Raffinerie, steht aber im Wettbewerb zu ausländischen, vor allem süddeutschen Raffinerien. Die ihre Produkte auch bis Ostösterreich transportieren könnten.

Aber selbst wenn man meint, dass natürliche Leitungs-Monopole und selbst Raffinerien im öffentlichen Eigentum bleiben sollten, ist die Argumentation von SPÖ und Gewerkschaft verlogen. Denn gerade sie sind seit Jahrzehnten weitaus am effektivsten, wenn es um den Missbrauch der Eigentümerrolle geht. Noch sind die Zustände nicht vergessen, da man auch für niedrige Jobs in der Verstaatlichten eine SPÖ- und Gewerkschafts-Mitgliedschaft brauchte.

Infrastruktur muss abgetrennt werden

Jedenfalls aber würde gerade die Natürliche-Monopole-Logik eine totale Trennung solcher Infrastruktur von allen anderen Bereichen erfordern. Aber genau dagegen wehren sich Sozialdemokratie und Gewerkschaft massiv. Sie haben es geschafft, dass die diesbezüglichen Vorstöße der EU zahnlos geblieben sind.

Gerade die ÖBB, wo (die derzeit bezeichnenderweise lauteste OMV-Kritikerin) Brigitte Ederer als Präsidentin sitzt, wäre ein dramatisches Beispiel für die eigentlich notwendige Trennung der Eigentümerrollen zwischen Zügen und Geleisen. Das bei der ÖBB jedoch noch immer gemeinsame Eigentum daran ist so, wie wenn die Asfinag auch alle Autobusse und LKW besitzen würde, die auf der Autobahn fahren.

Selbst wenn die Infrastruktur (also Geleise und eventuell auch Bahnhöfe) im Staatseigentum bleiben sollte, wäre es im Interesse der Konsumenten und Steuerzahler, wenn diese total von den Zügen getrennt und von mehreren unterschiedlichen Firmen betrieben würden, die untereinander in Konkurrenz stehen. Das würde – wie etwa auch das britische Beispiel zeigt – einen Preiskampf auslösen, die Qualität für Zugreisende und Frächter deutlich erhöhen, die Benützung der Bahn quantitativ stark steigern und die Belastung für den Steuerzahler reduzieren.

Hingegen wäre das für die Gewerkschaften, für die vielen bei der ÖBB politisch versorgten Funktionäre – was ja bis hin zum Vorstandschef Christian Kern gilt –, für die im Vergleich zu den privaten Bahnen und Buslinien deutlich überhöhten ÖBB-Gehälter und -Pensionsbedingungen und für die vielen Hundert dort vom Dienst freigestellten Betriebsräte natürlich schlecht. Sie haben daher vehement und weitgehend erfolgreich dafür gekämpft, die dringend notwendige Privatisierung des gesamten rollenden Betriebs zu verhindern. Halt auf Kosten von Kunden und Bürgern – aber die haben ja in der österreichischen Realverfassung eh nichts mitzureden.

Das „Privatisierungsdesaster der 2000er Jahre“

Die allergrößte Unwahrheit steckt aber in der jetzt von Gewerkschaftsfunktionären ausgestreuten Behauptung, dass es bei der OMV gelte, eine Wiederholung des „Privatisierungsdesasters der 2000er Jahre“ zu verhindern. Das ist eine unglaubliche Geschichtslüge.

Wahr ist nämlich, dass es gar kein Desaster gegeben hat. Vielmehr sind die Privatisierungen dieser Epoche – mit der Voest als prominentestem, aber keineswegs einzigem Beispiel –, aber auch die großkoalitionären Privatisierungen davor ein gewaltiger Erfolg gewesen. Die Steuerzahler haben nicht mehr die schwer defizitären Staatsbetriebe am Hals. Und die lebensfähigen Teile der Verstaatlichten sind seither international erfolgreich.

Dennoch tritt erstaunlicherweise niemand dieser Geschichtslüge entgegen. Weder Schwarz noch Blau wollen sich derzeit absurderweise mit der erfolgreichsten Periode ihrer eigenen Geschichte befassen. Sie haben beide nicht begriffen: Wer die Vergangenheit aufgibt, verschlechtert auch für die Zukunft die eigenen Karten.

Im Denken der Gewerkschaftsbosse ist hingegen noch immer das absurde Denken der Kreisky-Androsch-Benya-Zeit tief verankert: „Gerade in schwierigen Zeiten“ müsse an der Verstaatlichung festgehalten werden, erklären sie. Mit anderen Worten: Auch wenn es für Steuerzahler und Konsumenten sehr teuer wird, müsse nach ihrer Ansicht „gerade in schwierigen Zeiten“ am Staatseigentum festgehalten werden. Genau das hat es auch schon damals geheißen. Bis dann in den 80er Jahren auch die Sozialdemokraten einsehen mussten, dass sich Österreich das gerade in schwierigen Zeiten nicht mehr leisten kann. Weshalb es damals zu einer ersten großen Privatisierung der Verstaatlichten gekommen ist, weil fast ganz Österreich erkannt hat, dass die Verstaatlichte Industrie ein Fass ohne Boden ist.

Noch ein weiteres historisches Faktum der österreichischen Industriegeschichte wird von SPÖ und ÖGB total verdrängt: Es ist ausschließlich privaten Industriebetrieben geglückt, auf dem Weltmarkt führend mitzuspielen (darunter pikanterweise auch dem Schienenverlegunternehmen Plasser&Theurer). Jedoch keinem einzigen Staatsbetrieb. Alle internationalen Anläufe etwa von AUA, ÖBB, Telekom, Ranshofen, Berndorf, Lenzing, Böhler, Elin, EVN, CA, BA, Steyr oder OMV sind nicht erfolgreich gewesen, zumindest solange der Staat mitgespielt hat.

Die Ursache ist klar: Betriebe, die so viel politischen und gewerkschaftlichen Ballast mit sich schleppen müssen (oder es lange mussten) wie die österreichischen Staatsfirmen, sind nie so dynamisch und flexibel aufgestellt, dass sie international reüssieren könnten. Überdies stehen alle Betriebe mit Staatsanteil viel mehr im kritischen Licht der Medien und Politik als private, was jede unternehmerische Aktion zehnmal schwerer macht. Schon deshalb, weil dort immer politische Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sitzen, in der Privatwirtschaft hingegen solche, die loyal zum Unternehmen sind.

Freilich, im Umschreiben der Geschichte waren Sozialisten immer schon gut. Wenigstens ein Gebiet, wo sie gut sind.

 

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