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Von der Dummheit der Richter und jener, die es sein wollen

Ist die Schwulen-Lobby schon so mächtig oder ist der Fußballklub Rapid als anhängerstärkster Verein Österreichs so verhasst, dass die Mehrheit der anderen Vereine ihm kräftig gegen den Unterleib treten lässt, wenn sie endlich die Gelegenheit dazu hat? Zwischen diesen beiden Polen pendeln die Kommentare zu den absurd strengen Strafen einer Fußball-internen Strafkommission wegen der Verwendung von Homosexuellen-verachtenden Schimpfwörtern bei einer vermeintlich rein internen und alkoholschwangeren Siegesfeier von Rapid, die irgendjemand gefilmt und ins Internet gestellt hat. Dieser Strafenexzess eines "Bundesliga-Strafsenats" folgt – natürlich ganz zufällig – auf die Attacke des steirischen Vizekanzlers Werner Kogler, der – natürlich ganz zufällig – für die Verteilung von aus Steuermitteln kommenden Subventionsgeldern an die Sportwelt zuständig ist. Auch wenn ein solcher Strafsenat bestenfalls als gerichtsähnlich bezeichnet werden kann, so passt er in eine Reihe erstaunlicher Urteile der letzten Tage, wo richterliche Machtanmaßung über alles Recht, alle Mäßigung und Vernunft hinausgeht und viel mehr böses Blut schafft, als zur Befriedung beizutragen. Diesmal sind weder das Wiener Straflandesgericht noch die sogenannte Korruptionsstaatsanwälte noch die migrationsfördernden Gerichtshöfe gemeint (über die gibt es ohnedies schon viele Einträge im Tagebuch), sondern die Urteile internationaler Gerichte, die für Entsetzen sorgen.

Beim Rapid-Urteil erinnern die heftigen Strafen für Bemerkungen in einem rein internen Forum lebhaft an totalitäre Systeme, egal ob sie braun oder rot gefärbt waren. Auch diese haben Familien und Freunde für das bestraft, was sie in vermeintlich internen und privaten Runden gesagt haben, sobald das Regime davon erfahren hat. Erfahren hat die Obrigkeit unbotmäßige Äußerungen damals meist übers Abhören oder dadurch, dass die Kinder in der Schule ausgehorcht wurden, heute hingegen meist dadurch, dass irgendwer mit dem Handy Aufnahmen gemacht hat.

Wäre die Vereinsführung des SK Rapid nicht fest in roter Hand, dann würde sie jetzt jedenfalls einen heftigen Zivilprozess dazu anstrengen, ob ein Berufsverbot – für einen Profi-Spieler sind Sperren ein Berufsverbot – wegen Formulierungen bei einer Veranstaltung im internen Freundeskreis nicht glatt rechtswidrig ist. Das hätte nach Einschätzung befragter Arbeitsrechtsexperten durchaus gute Erfolgschancen. Noch dazu, wenn es selbst im "Urteil" der Fußball-"Richter" heißt, dass es um eine "Verletzung des Fair-Play-Gedankens" geht, also um ein eindeutiges Meinungsdelikt. Aber der Klubpräsident will – statt sich für Meinungsfreiheit einzusetzen – im Verein lieber einen "Bewusstseinswandel" herbeiführen, also einen Meinungswandel. Offenbar sollen die Spieler und Anhänger künftig im Chor singen: "Wir lieben alle Schwulen", damit die Linken und die Schwulenlobby befriedigt sind.

Auf der anderen Seite sollte man freilich schon festhalten, um nicht in Übertreibungen zu verfallen, dass ein befristetes Arbeitsverbot und etliche finanzielle Konsequenzen – bis hin zum Rückzug von Sponsoren – eine relativ harmlose Strafe sind im Vergleich zu den Folgen, die Familien in totalitären Systemen gedroht haben, wenn sie bei Bemerkungen erwischt worden sind, die vom System verpönt waren. Aber die Problematik bleibt dieselbe, dass aus einem privaten Forum hinausgetragene Bemerkungen immer häufiger rechtliche Konsequenzen bekommen. Vor allem, wenn sie eine von der Political Correctness zu Heiligen erklärte Gruppen betreffen. Man denke nur an die Aufregung der gesamten Linken und ihre von den Medien angeheizten Aufmärsche, nur weil bei einem völlig privaten Treffen über Remigration diskutiert worden ist.

Merkwürdig ist auch, wie völlig konsequenzlos einst die Wortwahl eines Wiener SPÖ-Bürgermeisters geblieben ist, der Angehörige einer anderen Partei als "Koffer" bezeichnet hat, oder die des grünen Parteichefs, der wieder eine andere Partei als "Rechtsextremisten" denunziert hat. Aber wenn junge Fußballer bei einer Siegesfeier einen anderen Verein beschimpfen, dann wird das zum nationalen Skandal. 

Eine weitere üble Problematik ist die Rolle des grünen Vizekanzlers beim Fußball-Urteil. Er hat sich nämlich in gleich mehreren Interviews schon VOR dem Verfahren des gerichtsähnlichen Senats mit Formulierungen wie "Mir reicht´s" massiv in dieses eingemischt. Das ist der österreichische Chef der Grünbewegung, die schon in vielen Ländern falsches Denken und falschen Meinungen verboten hat oder verbieten will. Das ist der gleiche Kogler, der sich maßlos aufgeregt hat, dass bürgerliche Stimmen NACH dem Verfahren gegen Sebastian Kurz Kritik am Richter geübt haben. Die Argumentationslinie der Grünen auch nach dem Urteil, auch nach einem eindeutigen Fehler des Richters: Man solle sich nicht in die Arbeit der "unabhängigen Justiz" einmischen und diese werken lassen.

Aber einem Grünen fällt wohl gar nicht mehr auf, wie total widersprüchlich er ist. Freilich: Er hat die richtige Ideologie, die rechtfertigt alles.

Wie eminent ideologisch und zugleich dumm Justiz sein kann, hat man in diesen Stunden aber auch anderswo und in ganz anderen Zusammenhängen, nämlich bei spektakulären und hochproblematischen Urteilen von internationalen Gerichten ablesen können. Zugegeben: Zwei Aspekte sind anders. Erstens geht es um Entscheidungen von wirklichen und nicht nur von Möchtegern-Gerichten eines Vereins wie der Bundesliga. Und zweitens geht es dabei um Bürgerkrieg oder Frieden, also um weit gravierendere Dinge als um ein bloßes befristetes Berufsverbot wegen Verwendung von Schimpfwörtern.

Gleich und beklemmend bleibt aber die Dummheit, mit der sich zwei Gerichte aus nationalistischem oder formaljuristischem Fanatismus und gegen den Frieden entschieden haben.

In Spanien hat der Oberste Gerichtshof ein Strafverfahren gegen den katalanischen Separatistenführer Puigdemont eingeleitet. Obwohl sogar der Generalstaatsanwalt dagegen war. Obwohl die spanische Regierung mit den Separatisten eine Amnestierung zur Versöhnung und Entschärfung eines alten Konfliktes vereinbart hat. Gewiss tat sie das primär, um mit Hilfe der Separatisten eine parlamentarische Mehrheit zu erhalten. Aber dennoch wäre die Amnestie richtig gewesen.

Jetzt ist durch das Gericht die Chance auf Einleitung einer Befriedung vertan. Das ist tragisch. Egal, auf welchen Paragraphen sich die Richter berufen mögen, die Katalanen, aber auch viele andere Europäer sind überzeugt, dass die Entscheidung primär auf den Nationalismus und den sich über die Demokratie erhebenden Machtanspruch der spanischen Höchstrichter zurückgeht. Diese haben damit die Befriedung Spaniens verhindert – die letztlich nur mit einem Konsens über den gesamten Problemkreis rund um Autonomie und Selbstbestimmungsrecht erreichbar ist.

Noch schlimmer ist das Urteil eines Gerichts in Belfast in einem ganz anderen Konflikt mit genau der gleichen Bedeutung, dass Richter an der Demokratie vorbei ihren eigenen Nationalismus und Macht ausüben wollen und deshalb den mühsamen Weg Richtung Frieden und Selbstbestimmung zerstört haben. Der einzige Unterschied: In Nordirland war der Konflikt zwischen Anhängern des Vereinigten Königsreichs und eines Anschlusses an Irland zumindest bisher mit 3500 Toten und noch mehr Verwundeten und Verstümmelten viel blutiger als die weitgehend friedlichen Auseinandersetzungen in Katalonien.

In Nordirland geht es ganz ähnlich um ein demokratisch beschlossenes Amnestiegesetz, das die Straftaten von Gewalttätern in Reihen der beiderseitigen Milizen straffrei stellt, wenn sich die mutmaßlichen Täter einer Wahrheitskommission stellen. Nix da, urteilt das Belfaster Gericht. Das würde angeblich der Menschenrechtskonvention widersprechen, also genau jenem Vertrag, der auch schon unzählige Male von Richtern als Vorwand genommen worden ist, um Millionen von illegalen Immigranten zum Bleiben in Europa zu verhelfen.

Fiat iustitia pereat mundus. Eine scharfe Kritik an der Justiz, die heute wohl so zu übersetzen ist: An der immer größeren Macht der Justiz darf nicht gezweifelt werden, auch wenn darob die Welt untergeht – glauben manche Richter. Und auch ein zweiter kluger lateinischer Spruch ist offenbar als altertümlich und konservativ außer Mode geraten: "Quidquid agis, prudenter agas, et respice finem". Denke bei allem, was du entscheidest, daran weise zu handeln und zu bedenken, was dabei herauskommt. Auch das war lange als Appell auch an Richter zum Maßhalten verstanden worden.

In die gleiche Reihe kann man die österreichische Richtervereinigung einordnen, die sogar schon im Vorhinein den Gesetzgeber davon abhalten will, über Konsequenzen für Unter-14-Jährige nachzudenken, selbst wenn diese immer häufiger schwere Straftaten begehen. Auch wenn es in anderen Ländern im Unterschied zu Österreich für Verbrechen von etwa 12-Jährigen durchaus Konsequenzen gibt. Oder tut die Richtervereinigung das gleichsam automatisch, weil es halt die ÖVP und FPÖ sind, die zum Nachdenken darüber aufgefordert haben? So wie sie sich in seltsamer ideologischer Automatik mit den Umtrieben der WKStA solidarisch gezeigt hat?

Immer häufiger hat man das Gefühl, allzu viele Richter und Staatsanwälte würden in ihrer Machttrunkenheit am liebsten die lästige Demokratie ganz abschaffen. Wenn auch zum Glück noch lange nicht alle.

In Amerika haben das etliche Richter dadurch versucht, dass sie Donald Trump von der Teilnahme an Wahlen auszuschließen versucht haben. Das hat zwar jetzt der Oberste Gerichtshof – einstimmig, also auch mit der Stimme der linken Richter! – verhindert. Was nichts daran ändert, dass schon der Versuch so vieler Richter unterer Instanzen, das zu tun, problematisch ist. Denn so widerlich Trump vor allem als Person ist, so eindeutig ist, dass es mit Demokratie nichts zu tun hat, wenn er plötzlich vor Wahlen eine Unzahl an Prozessen am Hals hat, während es in den ersten drei Jahren nach seiner Abwahl kaum Aktionen der Justiz gegeben hat.

Der dringende Wunsch ist ganz eindeutig: Die Politik soll sich von Einflussnahme auf die Justiz, wenn diese darüber urteilt, wie ein konkreter Sachverhalt unter die demokratisch beschlossenen Gesetze fällt, genauso fernhalten, wie sich umgekehrt Richter nicht als oberste Gesetzgeber verstehen sollen, die über den demokratischen Entscheidungen sei es der parlamentarischen Gesetzgeber, sei es des Volkes stehen. Denn nur von diesem und nicht von den Richtern geht das ganze Recht aus. Und damit auch das Recht, Richter wie Politiker notfalls auch scharf zu kritisieren. Und Richter sollten sich viel mehr um Neutralität bemühen, damit der böse Spruch eines früheren Justizministers nicht Wirklichkeit bleibt: "Sage mir, wer der Richter ist, und ich sage dir, wie das Verfahren ausgeht". 

Zumindest, wenn die österreichische Bundesverfassung noch in Kraft sein sollte.

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