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Europaweit das gleiche Bild: Die „Mitte“ zerbröselt

Der Weg der europäischen Wähler geht fast überall nach rechts, wenn man die international wenig wichtigen Städte Graz und Salzburg auslässt. Das zeigt nun auch das jüngste Wahlergebnis aus Portugal. Das zeigt beispielsweise ebenso die österreichische Entwicklung und der Absturz der ÖVP, seit sie sich selbst als "Mitte" ortet, während sie bei der früheren "halbrechten" Selbst-Positionierung ihre erfolgreichste Phase hatte. Die Situation nach der portugiesischen Wahl ist geradezu paradigmatisch für die Vorgänge auch in vielen anderen Ländern. Auch wenn sie von den österreichischen Medien weitgehend ignoriert worden ist, von denen sich auch einst bürgerliche Zeitungen lieber großflächig den Kommunisten gewidmet haben, jedoch ohne ihnen die notwendigen kritischen Fragen zu stellen.

Gleich drei Punkte sind europatypisch: Zum ersten haben auch in Portugal die regierenden Sozialisten verloren; zum zweiten hat auch dort eine noch vor kurzem unter Ferner-Liefen abschneidende rechtspopulistische Partei massiv gewonnen und zum dritten weiß jetzt die bürgerlich-liberalkonservative Partei nicht, was sie tun soll.

Dabei sind die portugiesischen Konservativen sogar stärkste Partei geworden. Ihre Parteispitze ist aber sowohl gegen ein Zusammengehen mit den Rechtspopulisten wie auch mit den Sozialisten. Die Hoffnung auf eine Minderheitsregierung, die sich einmal bei den einen, dann bei den anderen eine Mehrheit holt, ist klein und alles andere als stabilitätsorientiert. Ein solches Modell funktioniert höchstens in Ländern auf längere Dauer, wo die entscheidende Macht beim Präsidenten und nicht beim Parlament liegt, also in Frankreich.

In fast allen anderen EU-Ländern ist die Situation ähnlich geworden: Die Mehrheit der Wähler entscheidet sich für Parteien rechts der Mitte, ob sie nun als konservativ, rechtsliberal, christdemokratisch, rechtspopulistisch oder rechtsradikal gelten. Die Linke, also die Summe aus grünen, linksliberalen, sozialdemokratischen, linkspopulistischen, sozialistischen oder kommunistischen Parteien, ist fast überall in der Minderheit, vorerst zwar zum Teil nur bei Umfragen; im Parlament herrschen wie in Deutschland mancherorts noch andere Verhältnisse.

Die inhaltlichen Trennlinien sind ziemlich eindeutig: Die rechten Parteien sind generell immigrations- und islamkritisch, marktwirtschaftlich, familien- und leistungsfreundlich, positiv zum christlich-abendländischen Erbe, heimatverbunden, ablehnend zu Trans- und Schwulenbewegungen und europapolitisch dem Subsidiaritätsprinzip verbunden. Die Linken sind überall das Gegenteil, mit Ausnahme der Linksliberalen (etwa der deutschen FDP oder österreichischen Neos), die ebenfalls marktwirtschaftlich orientiert sind. Einige Sozialdemokraten, vor allem die dänischen, liegen allerdings in vielen Punkten anders – sie muss man in Summe eigentlich rechts der Mitte einordnen. Was kein Einzelfall wäre: Auch die erfolgreichen portugiesischen Konservativen nennen sich offiziell Sozialdemokraten.

Aber auch die Rechte hat zwei Bruchlinien quer durch ihre Reihen, bei denen die Meinungen total geteilt sind. Die eine bildet der Themenkomplex Corona-Impfen, wo einige Rechtspopulisten die ursprünglich aus dem grünen Eck kommende Abneigung gegen das Impfen und die Corona-Maßnahmen übernommen haben. Diese Bruchlinie verliert aber inzwischen wieder an Bedeutung. Umso wichtiger ist die zweite: Das ist die Haltung zu Russland, zu Wladimir Putin und seinem Ukrainekrieg. Der Putin-Diktatur gegenüber haben manche Rechtsparteien die Liebe der Linksextremen und Kommunisten übernommen. Dieser Russland-Spalt geht zum Beispiel quer durch die italienische Rechts-Regierung, aber ohne ihren Zusammenhalt zu gefährden. Dort ist die eigentlich historisch von ganz weit rechts herkommende Partei von Regierungschefin Meloni vehement Putin-kritisch, pro-USA und pro-Ukraine, während die – mit CDU und ÖVP in Fraktionsgemeinschaft stehende – Berlusconi-Partei auffallende Putin-Sympathien zeigt.

In Summe aber ist völlig klar, was in diesem Europa eine Rechts- und eine Links-Einordnung ergibt. Wer da vorgibt, eine "Mitte"-Orientierung zu haben, signalisiert primär, gar keine Orientierung zu haben, positions- und haltungslos zu sein. Es ist ja auch geographisch völlig unklar, was die Mitte eigentlich sein soll außer Niemandsland. Auf der Mitte einer Brücke ist es zugig, man ist von den tragenden Ufern weit entfernt, und von dort wollen Selbstmörder am häufigsten hinunterspringen.

Politisch wird man in der Mitte besonders leicht zerrissen, wie es etwa den spanischen oder italienischen Christdemokraten schon gegangen ist, die linke Rechte sein wollten. Sie sind vom Erdboden verschwunden. Politisch muss sich etwa auch die ÖVP, seit sie undefinierte Mitte sein will, sogar von einem SPÖ- und Freimaurer-nahen, aber wenig erfolgreichen Theaterdirektor namens Föttinger sagen lassen, dass sie gefälligst nicht an eine Koalition der rechten Mehrheit denken soll. Dass sie also auf ewig dafür zu sorgen hat, dass (mindestens) eine Linkspartei in der Regierung ist.

Was aber mit Sicherheit bedeuten würde, dass die ÖVP den Weg ihrer einstigen spanischen oder italienischen Gesinnungsfreunde gehen wird. Hat ihr doch schon in den letzten Jahren die Koalition mit den Grünen schwerst geschadet.

Erfolgversprechender für die konservativen Mitte-Rechts-Parteien, in diesem Dilemma gut zu überleben, sind bisher europaweit vier andere Wege gewesen.

  1. Der erste ist jener der schwedischen Konservativen/Christdemokraten/Rechtsliberalen, die eine Regierung bilden, die nur parlamentarisch von den rechtspopulistischen Schwedendemokraten gestützt wird – wobei es inhaltliche Zusagen und fixe Absprachen mit den Schwedendemokraten gibt.
  2. Der zweite Weg ist jener der ÖVP gewesen, die zweimal durchaus erfolgreich Koalitionen mit der FPÖ gebildet hat (die nur deshalb geplatzt sind, weil einmal Jörg Haider und einmal Sebastian Kurz zu hoch gepokert haben). Er ist aber auch jener der italienischen und finnischen Rechtsparteien.
  3. Der dritte Weg ist jener der ungarischen Fidesz-Partei, die eine stabile absolute Mehrheit an Mandaten hat. Ursache war einerseits eine volle Abdeckung auch der rechtspopulistischen Positionen durch Fidesz, die sogar sehr russlandfreundlich geworden ist; andererseits hat Ungarn ein mehrheitsfreundliches Wahlsystem, was den absoluten Fidesz-Erfolg erleichtert hat. Die griechische Nea Dimokratia hat nach völligem Scheitern der Linken sogar ohne ein solches Wahlsystem die Mehrheit geschafft.
  4. Und der vierte Weg ist jener von Nichtmitglied Schweiz. Dort können es sich die beiden rechts der Mitte stehenden Parteien sogar leisten, seit Jahrzehnten unbeschadet mit Linksparteien die Regierung zu bilden, weil alle heiklen Fragen nicht von Regierung und Parlament, sondern von Volksabstimmungen entschieden werden.

Wenn die portugiesischen Konservativen jetzt vor dieser Wegkreuzung stehen (wobei ihnen manche Wege wie der Schweizer wohl versperrt sind, es sei denn, sie können sich mit den Sozialisten rasch auf die direkte Demokratie einigen), dann sind sie in der gleichen Lage wie fast alle liberalkonservativ-christdemokratischen Parteien. Sie können insofern beruhigt sein: Jeder dieser vier genannten Wege kann durchaus erfolgreich sein. Seit vielen Jahrzehnten nirgendwo erfolgreich für diese Parteien war hingegen der Weg einer Partnerschaft mit Rot oder Grün, der Weg einer undefinierbaren "Mitte".

PS: Wie dringend es auch für rein wirtschaftsliberal orientierte Politik wäre, sich ganz von den Linksparteien abzuwenden, zeigt ganz aktuell das für alle größeren europäischen Unternehmen mörderische Lieferkettengesetz, das Rotgrün jetzt noch schnell in der EU durchbringt, bevor die Linke im EU-Parlament die Mehrheit verliert, bevor in Portugal ein weiterer Regierungschef von links nach rechts wechselt.

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