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Wie soll diese Zadic noch Ministerin bleiben?

Selten hat sich die österreichische Strafjustiz so sehr als Parteijustiz demaskiert wie in den letzten Stunden. Und das gleich durch mehrere unglaubliche Vorfälle, die in Summe eine Ablösung von Ministerin Zadic dringender machen denn je.

Die ersten dieser Vorfälle spielten sich rund um den sogenannten Kurz-Prozess ab:

Da gab es den Einzug des Zeugen Thomas Schmid in den Gerichtssaal. Besser gesagt, es gab ihn nicht. Schmid war einfach im Saal, niemand weiß woher. Jeder andere Zeuge in einem spektakulären Prozess in diesem Gericht muss vorher die Folter eines Blitzlichtgewitters durchmachen, bevor er den Gerichtssaal überhaupt betreten kann. Einem Zeugen, der durch – scheinbar – geheimnisvolle Vorgänge auf die Seite der Korruptionsstaatsanwaltschaft WKStA gewechselt ist, bleibt das hingegen erspart.

Das ist ein unglaubliches Privileg, das nach einem Aktivwerden der zuständigen Ministerin schreit. Auch wenn es scheinbar nur eine Kleinigkeit ist, so ist es psychologisch ein sehr hilfreiches Symbol und ein weiterer Beweis, dass zumindest vor diesem Wiener Straflandesgericht Bürger völlig ungleich behandelt werden. Dass ein Richter das zulässt. Und dass der Ministerin das egal ist.

Empörend ist auch, mit welchen Tricks dieser Richter alle Fragen und Anträge abschmettert, die die Glaubwürdigkeit des Zeugen Schmid in Frage stellen, nur weil sie angeblich nicht den unmittelbaren Verhandlungsgegenstand betreffen. Um die Unglaubwürdigkeit von Schmid zu zeigen, legten die Kurz-Verteidiger deftiges Beweismaterial dafür vor, dass Schmid von der Zadic weisungsmäßig unterstehenden Staatsanwaltschaft massiv unter Druck gesetzt worden ist, gegen Kurz auszusagen. Dieses Material hat den seltsamen Richter jedoch nicht interessiert!

Das macht fassungslos. Die Fassungslosigkeit wird auch durch die formaljuristische Argumentation nicht geringer, dass Schmid ja noch immer nicht formell den Kronzeugenstatus erhalten, sondern nur beantragt hat. Die WKStA hat interessanterweise seit Jahr und Tag nicht auf diesen zweifellos von ihr selbst lancierten Antrag reagiert. Jetzt scheint klar warum: Als formeller "Kronzeuge" dürfte Schmid in jeder Hinsicht durchleuchtet werden. Durch diesen Trick der Staatsanwaltschaft, den der Richter voll gedeckt hat, ist ihm das offensichtlich erspart geblieben.

Dabei sind die vorgelegten Unterlagen natürlich auch sehr wohl für den aktuellen Prozess und die Glaubwürdigkeit der Aussagen von Schmid in diesem Prozess extrem aufschlussreich. Ich könnte fast wetten, dass mit dem Ignorieren dieses Faktums ein klarer Nichtigkeitsgrund geschaffen worden ist, der alleine dafür ausreichen sollte, dass Kurz – nach einer eventuellen Verurteilung durch diesen Richter in der ersten Instanz – in den höheren Instanzen sehr gute Chancen darauf hat, dass das erstinstanzliche Urteil in der Luft zerrissen wird. Wie kann die Zeugenaussage eines Menschen auch nur einen Deut wert sein, der so massiv unter Druck gesetzt worden ist?

Dazu kommt die ebenfalls mehr als aufschlussreiche Tatsache, dass Schmid bei seiner Aussage vor der Staatsanwaltschaft absolut wörtlich das zu Protokoll gegeben hat, was die WKStA lange vorher formuliert hatte. Zufälle gibt es …

Zu den mehr als auffälligen Zufällen dieser Justiz gehört es auch, dass Schmid genau zum Zeitpunkt jenes Seitenwechsels seinen Rechtsanwalt ausgewechselt hat, der offensichtlich nicht bereit gewesen ist, die Spiele der Staatsanwaltschaft mitzumachen.

Noch empörender ist, was sich fast gleichzeitig an einer anderen Baustelle dieser Strafjustiz abgespielt hat. Nach unerträglich langer Tatenlosigkeit hat sich die Staatsanwaltschaft Wien (für Nichtjuristen: Da hat sich eine andere Abteilung als die "Korruptionsstaatsanwaltschaft" WKStA) endlich dazu aufgerafft, gegen eine Haupträdelsführerin der Klima-Kleber und -Betonierer Untersuchungshaft zu beantragen. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen hat dann jedoch ein Richter dieses Straflandesgerichts die Untersuchungshaft abgelehnt, obwohl die Wiederholungsgefahr – also die gesetzliche Voraussetzung einer U-Haft – mehr als eindeutig gegeben scheint.

Mag aber sein. Der richterlichen Interpretations-Willkür sind ja rechtlich fast keine Grenzen gesetzt. So hat ja das gleiche Gericht auch schon alle seltsamen Hausdurchsuchungs- und Beschlagnahmeanträge der WKStA fast automatisch abgestempelt und damit genehmigt. So etwa jenen, mit dem die WKStA den österreichischen Verfassungsschutz kaputt machen konnte.

Der eigentliche Skandal passiert aber erst, als die Staatsanwaltschaft Wien gegen die Freilassung der Oberkleberin Rechtsmittel einlegen wollte. Jedoch: Das Justizministerium der Frau Zadic verbot das!

Das ist ausgerechnet jene Ministerin, die ununterbrochen von der Unabhängigkeit der Justiz faselt (zu der das Ministerium absolut nicht gehört!). Und die sich mit ihren Parteifreunden maßlos darüber empört hat, dass Nationalratspräsident Sobotka (zumindest einer dubiosen Tonband-Aufnahme zufolge) beim tragisch verstorbenen Justizsektionschef Pilnacek gegen frühere Hausdurchsuchungen protestiert hatte, konkret dagegen, dass Pilnacek diese nicht verhindert hat. Pilnacek hat darauf geantwortet, dass er das gar nicht gekonnt habe.

Jetzt sieht man jedoch, was im Zadic-Ministerium sehr wohl alles möglich ist. Dabei ist der große Unterschied: Sobotka ist in diesem Zusammenhang ein Staatsbürger wie jeder, der gegen eine (zumindest seiner Meinung nach) üble Aktion der Justiz protestiert hat. In der Justiz hat ja Sobotka eindeutig keine Rolle. Ein solcher Protest sollte in einer Demokratie eigentlich jedem Bürger als Grundrecht zustehen. Noch dazu wenn es um Aktionen geht, die Pilnacek selber einst als "Putsch" bezeichnet hat. Zadic hingegen ist eine weisungsberechtigte Ministerin, die in einem sehr aktuellen Fall in die ihrem ständigen Gewäsch nach unabhängige Staatsanwaltschaft eingegriffen hat.

Noch suspekter wird das Verhalten der grünen Ministerin, als sie nicht einmal noch den üblichen "Weisungsbericht" über die in den Jahren 2021 und 2022 erteilten Weisungen erstellt – oder veröffentlicht hat. Dabei ist das eine Arbeit, die ein Referent binnen einer Woche zusammenstellen könnte – wenn man nichts verheimlichen will.

Bei Sobotka, der – selbst wenn die Tonbandaufnahmen nicht manipuliert sein sollten – nichts Rechtswidriges getan hat, verlangen die Grünen den Rücktritt des Nationalratspräsidenten; und Zadic setzt eine Kommission unter Leitung eines bekannten WKStA-Freundes gegen ihn ein. Zadic hingegen denkt nicht an einen Rücktritt. Obwohl: 

  • Sie ist selber wohlgemerkt bei einem Eingriff in einen laufenden Fall erwischt worden, Sobotka hingegen nur beim legitimen Protest gegen einen zurückliegenden Vorgang.
  • Sie tut das wohlgemerkt, ohne den für solche heiklen Fälle eigentlich geschaffenen Weisungsrat befragt zu haben (der wird erst irgendwann in Zukunft einmal damit befasst werden …).
  • Die grüne Ministerin tut das wohlgemerkt zugunsten einer grünen Rechtsbrecherin (in der Terminologie von ORF&Co: "Aktivistin"), was doppelter Grund sein sollte, sich nicht einzumischen.
  • Und am allerpeinlichsten: Zadic redet sich jetzt darauf aus, das habe ja nicht sie, sondern die zuständige Sektion gemacht, also jene offensichtlich gefügigeren Menschen, die sie selbst nach Abschuss des unbotmäßigen Pilnacek dort eingesetzt hat.

Gibt es auch nur einen Menschen in Österreich, der ihr das glaubt, der glaubt, dass diese Sektion bei einer so sehr im Zentrum des grünen Weltbildes liegenden Frage so massiv eingegriffen hat, ohne die Ministerin zumindest informell zu fragen? Schließlich ist die Sektion wie das ganze Ministerium ja keine eigene Rechtsinstanz, sondern verfassungsrechtlich nur Erfüllungsgehilfe des jeweiligen Ministers, der letztlich als einziger Weisungen geben darf.

Und außerdem: Wenn das wirklich so gewesen sein sollte, wie Zadic es jetzt darstellt, dann wäre es ja die absolute Unfähigkeits-Erklärung, dass sie sich das gefallen hat lassen, dass sie nicht die Sektion mit einem Riesendonnerwetter zur Schnecke macht. Wenn das wirklich so gewesen sein sollte, dann hätte ja Frau Zadic nichts anderes zugegeben, als dass sie eine Ministerin ist, die sich nicht darum kümmert, was in ihrem Ministerium vor sich geht, was in ihrem Namen geschieht. Dann hätte sie sich selbst zum größten Waschlappen der Republik erklärt.

Da es aber wohl sicher nicht so gewesen ist, wie sie das darstellt, bleibt vor dem Hintergrund der vielen anderen üblen Vorgänge in der Strafjustiz nur noch eine Frage offen: Wann geht Herr Nehammer zum Bundespräsidenten und schlägt einen neuen Justizminister vor?

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